Im Prinzip unkaputtbar

trabant

Eine Frage an das hier mitlesende Fachpublikum: Sind Trabants eigentlich immer kaputt oder fahren die auch mal?

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Darf man das?

blumen

Ich habe, obzwar Hetero, immer Blumen auf dem Küchentisch. Sind 50 Euronen pro Monat dafür unverzeihlicher Luxus, den sich das Proletariat nicht leisten darf?

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Unter Scholastikern

scholastik

„Fred Moseley*: Die Fehldeutung der Marxschen Wert- und Preistheorie – Kritik an Heinrichs Neuer Marx-Lektüre anlässlich des Beitrags von Barbara Lietz und Winfried Schwarz in Z 125/126

Michael Heinrich ist heute einer der prominentesten marxistischen Ökonomen, sowohl in seinem Heimatland Deutschland als auch im Rest der Welt, Seine wichtigsten Bücher erscheinen in englischer Übersetzung. Heinrich ist ein Verfechter der Neuen Marx-Lektüre (im Folgenden NML), die in den 1960er Jahren in Deutschland unter dem Einfluss der Schriften von Hans-Georg Backhaus und Helmut Reichelt entstanden ist. Unter englischsprachigen Marxisten hat sich aus der NML die einflussreiche value-form interpretation (Wertform-Interpretation, im Folgenden VFI) entwickelt (z.B. Arthur, Reuten, Milios).“

* emeritierter Professor für wirtschaftswissenschaften, Mount Holyoke College, Massachusetts

Wisst ihr Bescheid. Es geht noch seitenlang weiter, aber ich habe es nicht mehr lesen können.

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Dramatische Verrottung

Da ist aber jemand mächtig sauer. Wolf Reiser tritt aus dem DJV aus und haut auf Rubikon (na ja, ein „Internetportal mit Verschwörungstheoretiker-Groove“) noch mal auf den Putz:

Ganz im Sinne der Überall‘schen Transformation des Journalismus in keimfreien PR-Service werden jenseits der alternativen Szene am Fließband Gefälligkeitsartikel, Junkskripte, Haltungskitsch, NGO-Content und Wir-schaffen-das-Lobbypopulismus zur neuen Normalität umdekoriert.

Wie meinte unlängst der Ringier-Chef Marc Walder:
„Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.“

In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 21 löschte YouTube den gesamten Kanal von Henryk M. Broders „Achse des Guten„. Ob man widerspenstige Kollegen wie unter vielen anderen Mathias Bröckers, Boris Reitschuster, Paul Schreyer, Roland Tichy, Ramin Peymani, Michael Klonovsky, Peter Hahne, Volker Herres oder eben Broder und seine Mischpoke schätzt oder nicht, tut überhaupt nichts zur Sache.

Bei einem derart massiven Eingriff in die Pressefreiheit hätte sich der einstige DJV bedingungslos für sein Mitglied verwendet, dessen Gefährdung mit allen Klauen eliminiert und sämtlich verfügbare juristische Geschütze aufgefahren. An Tagen wie diesen meldet sich Mika Beuster zu Wort, der zum einen als Reporterchef des Usinger Anzeigers bekannt ist und darüber hinaus dem Bundesvorstand des DJV angehört. Gegenüber dem MDR bezog er — natürlich im Namen aller unser — Stellung:

„Wir — WIR — stehen für kritischen Journalismus, und wir — WIR — sind das Bollwerk gegen Angriffe auf den kritischen Journalismus. Aber es ist wirklich fraglich, ob es sich hier um kritischen Journalismus handelt. Die Pressefreiheit ist hier nicht in Gefahr.“

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Die Lage der arbeitenden Klasse

schlaf

Wenn man Spätschicht hatte und erst um 22.30 Uhr nach Hause kommt und dann nichtsahnend und friedlich einschläft, sollte man mitten in der Nacht nicht ans Telefon gehen, wenn es die eigene Firma ist. Es könnte ein Kollege krank geworden sein, den man vertreten muss. Sogar wenn ich vorher Sex leichten Sport getrieben hätte, änderte das nichts.

Immerhin schickte man mir einen Wagen mit Fahrer, und ich musste nicht mit dem Roller oder E-Bike auf den vereisten Straßen herumschlittern und auf die Fresse fallen.

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Und der Friede regiere in euren Herzen

karl marx anime

Aus der Rubrik „nützliches Wissen“: In einer der frühesten Übertragungen des „Manifests der Kommunistischen Partei“ ins Chinesische (1899) wurde „Sozialismus“ als „eine das Volksleben stabilisierende neue Lehre“ übersetzt (an min xin xue). Das bedeutet auch „Seelenfrieden“. Danke, Konfuzius!

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Ihr seid gewarnt!

louvin brothers

Die Platte kann man sogar heute noch bei der Großbourgeoisie kaufen – theoretisch.

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Hinderliches, aufrührerische Massen und unabdingbare Kerne

industrieschild
Schild für alles, überall aufzustellen, insbesondere längsseits von Impfgegner-Versammlungen (oder auch vor dem Wohnhaus der Genossin Wagenknecht)

Ich muss wieder Dinge zusammenpuzzeln, die gar nicht zusammengehören.

– Just for fun: Mir fiel neulich eine Werbebroschüre aus Papier in die Hände, die ich mit Vergnügen und Interesse von vorn bis hinten durchlas, weil sie mich in deutscher Leitkultur weiterbildete: Hein® Industrieschilder (Klaus Kroschke Gruppe). Das ist ja mal sowas von „Mittelstand“. Oder: Wie entdecke ich Marktlücken und fülle sie aus?

Ich halte es nicht für Zufall, dass man mit diesen Produkten in Indien oder Pakistan oder in Arabien nicht weit käme. Es fehlt die dazu passende Affektkontrolle – ja was eigentlich? Das ist das wohlbekannte Henne-Ei-Problem: Ignorieren sie Schilder, weil Regeln sowieso überschätzt werden? Oder wirken Piktogramme weniger, weil man zu viel rumlabert und eher auf Rat und Tat der jeweiligen Peer Group hört? Oder ist alles Fatum, und man sollte nicht so ein Gewese darum machen?

Auf jeden Fall ist allen das Motto deutscher Industrieschilderhersteller (allein das Wort!) gemeinsam: Interlassen Sie einen bleibenden Eindruck bei Ihren Kunden!

lumumba
Der freie Westen und seine Werte in Aktion

Die belgische Regierung sah Lumumba als eine Gefahr an, da er als Sozialist die reichen Bergbau- und Plantagen-Gesellschaften verstaatlichen wollte. Der belgische Staat übte auf die Medien Druck aus, um das Image Lumumbas zu ruinieren. Die belgische Presse bezeichnete ihn als Kommunisten und Anti-Weißen, was er immer zurückwies. Eine westdeutsche Zeitungskarikatur bezeichnete Lumumba sogar als Negerpremier. Nach seinem Tod lautete der Titel einer belgischen Zeitung „der Tod des Satans“ (la mort de Satan).

– Aus der Vergangenheit lernt man manchmal mehr als studierte man die gegenwärtigen Weltläufte das, war gerade in den Qualitätsmedien auftaucht. In diesem Sinne: Was lese ich zurerst?

Bildungskanon

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Gilgamesch unter den Nephilim oder: Zu Weibern nehmen, welche sie wollen

genesis

Sonntag. Als Kind hätte ich um die Mittagszeit schon zwei Stunden bei Gebet, Predigt und Bibelstudium verbracht, und zwei Stunden am Nachmittag stünden mir noch bevor. Schadet vielleicht gar nicht, weil es das Gedächtnis schult und die Fähigkeit, auf ein Trampeltier so lange einzureden, dass es endlich denkt, es sei ein Dromedar. Bringe mir jemand ein Bibelzitat und ich erkläre es ihm! Oder auch, dass das Gegenteil wahr ist. Oder, wie Paul Lafargue schrieb: „Engels, der doch die Genauigkeit bis zum äußersten trieb, konnte dennoch manchmal über die Skrupulosität von Marx ungeduldig werden, der keinen Satz aufstellen wollte, den er nicht auf zehn verschiedene Arten beweisen konnte.“

Die Bibel also? Herrje, muss das sein? Das werden wir gleich sehen! Ich war schon immer dagegen, alte Literatur aufzuhübschen. Wenn die Bibel, dann die Luther-Version von 1534 und meinetwegen mit drei Fantastilliarden wissenschaftlichen Kommentaren. Aber: Die Bibel der Christen ist wie eine Schichttorte: Zunächst nur mündlich überlieferte Mythen und Geschichten, die später in zahllosen Versionen und Sprachen niedergeschrieben wurden. Und Luther hat auch noch falsch übersetzt, starke Frauen, die ihm nicht gefielen, hat er einfach unter den Tiasch fallen lassen, und der erste war er auch nicht. Aber die uralten „Legenden“, die überall zusammengeklaubt wurden, haben einen wahren Kern, auch wenn die historischen Fakten manchmal zusammengepuzzelt wurden wie die Scherben einer kaputten Vase, und das auch noch von mehreren verschiedenen Vasen, die gar nicht zusammengehörten.

Bei Parzinger: Die Kinder des Prometheus, den ich immer noch lese, wird diskutiert, warum die ersten seßhaften Bauern und deren Ansiedlungen, ja die ersten Städte überhaupt, im so genannten fruchtbaren Halbmond auftauchten, also auf dem Gebiet des heutigen Irak bzw. weiter gefasst in der Levante und nicht etwa irgendwo anders. Zufall oder Notwendigkeit? (Die Stammleser erkennen die Fragestellung wieder.) Ich sage nur: Jericho! Zehn Jahrtausende (!) vor unserer Zeitrechnung, und ganz prominent in der Bibel beim Thema einstürzende Altbauten. Oder Ur, die Stadt, aus der Abraham stammte, ein legendärer Sagenheld aller monotheistischen Religionen.

Das Thema Sintflut hatten wir hier schon (nicht auf das obere Bild schauen!): … confirmed that 7,600 years ago the mounting seas had burst through the narrow Bosporus valley, and the salt water of the Mediterranean had poured into the lake with unimaginable force, racing over beaches and up rivers, destroying or chasing all life before it. The rim of the lake, which had served as an oasis, a Garden of Eden for farms and villages in a vast region of semi-desert, became a sea of death. The people fled, dispersing their languages, genes, and memories.

gilgamesch epos

Das Ereignis taucht in der Vorlage für die biblische Erzählung des Noah auf – im Gilgamesch-Epos. Die oral history der Sumerer in Mesopotamien überliefert also etwas, was rund fünf Jahrtausende vorher geschah. Die Bibel enthält den historischen Kern wie ein Bernstein Fliegen, aber macht daraus eine moralische Parabel, die mit Gilgamesch nichts mehr zu tun hat.

Aber ich schweife ab. Ich wollte das Paradies ansprechen, den Garten Eden und die vier Flüsse, die erwähnt werden. Nur der Euphrat (Perat) ist eindeutig, um alle anderen streiten sich die Gelehrten. (Altorientalische Philologie wäre auch ein hübsches Studienfach: Beim Anbaggern in einer Kneipe auf die Frage „was machst du denn so?)“ zu antworten: „Ich lerne gerade Akkadisch in Keilschrift zu schreiben“.)

Beim Gihon tippen manche auf den hier schon bekannten Oxus, sicher ist das nicht. Beim Garten neige ich zu den Tempelgärten von Eridu als Vorlage, ohne das näher begründen zu können. Sechstes Jahrtausend – damit sind wir schon „nahe“ an der historischen Sintflut, ungefähr so nahe wie wir am Essener Domschatz.

genesis

Dann haben wir heute noch die Sache mit den Weibern. Das hat mir als Kind schon Rätsel aufgegeben, die die Laienpfaffen, die mich umgaben, nicht beantworten konnten: Wenn Adam und Eva und ihre Nachkommen die ersten Menschen gewesen sein sollen und die „Kinder Gottes“, wer sind dann die anderen, mit denen jene herumhurten, weil sie so schön waren? Und wo sind die Nephilim geblieben? Die Neandertaler waren schon mindestens 30.000 Jahre vorher ausgestorben. Und schön sahen die auch nicht aus. Fragen über Fragen. Aber das Stammpublikum kann sich die Antwort sicher selbst geben.

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Etwas früh, Bezsenność und entspannende Tätigkeiten

smart watch
Huawei Health App für Android

Aus philosophischer Sicht umspannen wir bei der Diskussion um eine „smarte“ Armbanduhr natürlich ein riesiges Spektrum, das von Lems Ananke (Bezsenność heißt auf Deutsch passenderweise „Schlaflosigkeit“) bis Matrix alles umfasst. Bei solchen Geräten lese ich auch das Kleingedruckte. Man kriegt, was man erwartet und was euphemistisch als „nach Hause telefonieren“ umschrieben wird.

Vielleicht liegt es an dem kommunistischen Hintergrund, aber alles war kinderleicht zu installieren und zu verstehen. Die Uhr hat gefühlt unzählige Features und ich kenne sie alle, von einem Dutzend Zifferblättern zur Auswahl, Nützliches wie Timer, Stoppuhr, Taschenlampe, Überflüssigem wie einem Wetterbericht (dafür habe ich das Smartphone) und Schnickschnack per App wie „Stresstests“. [Update] Die Uhr muss nur alle zwei Wochen geladen werden, das ist schon grandios und wie bei einem Uralt-Nokia!

Ich kann mich damit anfreunden, dass mir morgens gesagt wird, wie lange ich geschlafen habe und wie lange mein Rem-Schlaf war. Solange mich nicht in einem chinesischen Hotel eine Hostess in Single Breasted Uniform ermahnt, meine REM-Phasen seien zu kurz, ist alles gut.

nokia
Nokia 105

Wer inkognito telefonieren und seine Kontakte verbergen will, nutzt bitte was anderes – dann aber auch konsequent (vgl. oben).

Ich finde es witzig, dass mir ausgerechnet ein volkschinesisches Produktmit intelligentem training gesucn bleiben empfiehlt: „mit intelligentem Training gesund bleiben!“ Und gleichzeitig „das Leben in vollen Zügen genießen„. Die Bahn kann ja nicht gemeint sein.

Das hatte wir doch unter „kapitalistische Selbstoptimierung“ und Hipstertum eingetütet? (Oder wird das von Bill Gates heimlich finanziert und ich bin jetzt gechippt? Und wieso können die im Zhōngguó tèsè shèhuìzhǔyì kein HTTPS?)

Warum rät mir die herrschende Klasse Regierung, ich sollte gesund bleiben? Vielleicht will ich nur schlapp auf einem Gamer-Sessel hängen und mit meinem Avatar andere zusammenprügeln?

Mein antiautoritäres Herz schwankt, wie schon bei einer staatlich verordneten Impfung: Soll das gefühlte Gemeinwohl obsiegen oder der auf seine vermeintliche Individualität pochende einzelne Warenproduzent?

Habermas hatten wir hier schon: „Unsere Freiheit“? Welche eigentlich? Der Untertan ist im Kapitalismus total frei und möchte auch so bleiben? Das ist doch Schwachsinn. Ich kann nur dringend einen Blick in Jürgen Habermas Strukturwandel der Öffentlichkeit (1972) empfehlen:
Die entfaltete bürgerliche Öffentlichkeit beruht auf der fiktiven Identität der zum Publikum versammelten Privatleute in ihren beiden Rollen als Eigentümer und Menschen schlechthin.

„Fiktiv“ deshalb, weil die Mehrheit des Publikums auf dem Markt nichts mehr zu verkaufen hat als die eigene Arbeitskraft, die von den Eigentümern der Produktionsmittel genommen und benötigt wird, um damit Profit zu erwirtschaften. Der Proletarier ist zwar frei und darf selbst bestimmen, wem er seine Ware Arbeitskraft verkauft; verweigert er sich aber dem Markt, muss er verhungern oder ist heute in Deutschland Hartz-IV-Empfänger. Diese Art, frei zu sein, zu bejubeln, ist zynisch.

Wenn ich unter diesem Motto das Thema „Datenschutz“ betrachte, wird mir ganz schlecht. Man wird schon in naher Zukunft überrollt werden von intelligenten Juristen der Entwicklung der Produktivkräfte, die den Kommunismus erwzingen wird, die nicht aufzuhalten ist.

Man kann dagegen einen donquichotteschen individuellen Abwehrkampf führen, was zu meinem anarchistischen Spieltrieb passte, oder in reaktionäre Naturromantik flüchten oder in entspannende Tätigkeiten. Im Zweifel wählte ich letzteres.

entspannende Tätigkeiten
Entspannende Tätigkeiten (Symbolbild)

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Watch out!

smart watch

Ich habe mir einen kommunistischen Chip implantieren lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Das fucking manual muss ich noch durchlesen. Zur Zeit fühle ich mich vom 中華人民共和國國家安全部 / 中华人民共和国国家安全部 ferngesteuert (deswegen der überhöhte Puls) – das kann ich hoffentlich irgendwie abschalten.

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Topless Prophet oder: Reaktivierung der Wirkung des Nachholfaktors

kein internet

Ich las gerade in der Bibel etwas über hübsche Weiber weiß sehr wohl, dass ich das Publikum mit noch mehr Wissenschaft der exotischen Art nerven könnte, es aber nicht will, weil meine Gedanken zu gewissen Themen noch mäandern, bis sich wohlgefällige Thesen herausgepellt haben wie Eier aus der Schale. Da mir die Leserschaft mitteilte, ich dürfe nicht mehr „Weltläufte“ sagen, hier also, was sonst noch geschah.

Berlin macht das, was wirklich dringend ist: Man schaltet des freie WLAN aus. Schon klar. Dieses Internet wird oft überschätzt.

Ich empfehle, den Artikel nicht zu lesen, und ich bin froh, dass er sich hinter der Paywall versteckt. Die Textbausteine treiben einen in den Wahnsinn könnten die Bevölkerung nur verunsichern. Ob es jemals wieder aufgenommen wird, ist derzeit unklar. Über Monate, wenn nicht gar Jahre hinweg. Kam für viele überraschend. Weder fachlich noch personell adäquat dafür ausgestattete. Notwendigen Neuausrichtung. Zu Ihrer Anfrage kann ich Ihnen mitgeben. Wenden Sie sich bei weiteren Fragen bitte direkt an die Senatskanzlei. Veränderten Prioritäten innerhalb. Vor dem Hintergrund der Prioritätensetzung zur Bewältigung. Noch ist unklar, ob uns das gelingt. Schon klar. Berlin eben.

topless prophet
Eine Prophetin sagt dem Gesundheitsminister oben ohne die Höhe der Rente voraus.

Aus der Rubrik „Deutsch des Grauens: Es wird nach all dem, was wir wissen, in diesem Jahr eine kräftige Rentenerhöhung geben„, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur. Rechtzeitig vor der turnusgemäß am 1. Juli anstehenden Anpassung werde er die Reaktivierung der Wirkung des Nachholfaktors auf den Weg bringen. Mit dieser bereits angekündigten Änderung der Berechnung soll die Rentenerhöhung dieses Jahr etwas kleiner ausfallen als ursprünglich vorhergesagt.

Wait a minute. Nein, ich meckere nicht über die Ungs. Ich verstehe gar nichts. Gibt es nun mehr oder weniger Geld? Die Erhöhung ist kleiner als was? Und was ist ein Nachholfaktor? Wirkte etwas, war zeitweilig aber tot, und muss jetzt reanimiert werden? Hat die Regierung neben Dichterglottisschlaginnen (jede Wette, dass nur Frauen berücksichtigt werden) jetzt auch Propheten angestellt? Die Rente wird „vorhergesagt“? Woher? Aus dem Kaffeesatz? Und womöglich in einem Göring-Eckardtschen „diskursiven Raum“?

Der Heilsche Propagandatext, den die Qualitätsmedien unkritisch übernehmen, es gebe „kräftig“ mehr Rente, bedeutet also in Wahrheit: Die Alten kriegen nicht wo viel, wie ihnen normalerweise zustünde. Gern geschehen.

nurse
So wird der Impfstoff an Impfgegner rektal verabreicht, wenn die Impfpflicht kommt.

Einige Fachleute sehen die weitgehende Durchseuchung der Bevölkerung mittlerweile als hinnehmbar oder sogar erstrebenswert an, weil Omikron viel infektiöser als ältere Varianten ist und jede Eindämmung noch schwieriger macht.

Einige sagen dieses, und andere sagen jenes. Ich kann’s nicht mehr hören.

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Weites Land

rupununi savanne guyana

Die Rupununi-Savanne im Westen Guyanas in der Nähe der Manari-Ranch, fotografiert Ende Februar 1980. Im Hintergrund die Kanuku Mountains. Da wäre ich jetzt gern.

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Hanging Gardens of Babylon oder: Sim Design, Master Class

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Hanging Gardens of Babylon, Created by Patch Thibaud in Second Life. (Flickr, Rezension von Inara Pey in Living in a Modem World)

Eindeutig ein Kandidat für „Schönste Sim in Secondlife“. Ich habe mir die Details angesehen: Jenseits meiner künstlerischen Möglichkeiten als Game-Designer. Ich verneige mich virtuell in virtueller Demut.

#secondlife #babylon #gamedesign

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Kleopatra öffnen, nicht ausziehen

kleopatra

Manchmal, wenn man improvisieren muss, gibt es überraschend dann doch ein gutes Ende. Ich habe hier einen Laptop, der aus zweitberuflichen Gründen mit Windows läuft. Ich hatte mir ursprünglich vorgenommen, keine Mails mit Windows-Rechnern oder -Programmen zu schreiben. Auf einem weiteren Windows-Rechner, den ich nur für Second Life brauche, ist gar kein E-Mail-Programm. Auf jenem (der am weitesten von diesem Satzanfang weg ist) hatte ich aus kaltduscherischen Gründen Claws Mail installiert: Das zeigt keine HTML-Mails an, und Attachments muss man gesondert handhaben. Eigentlich optimal für Neulinge, um zu lernen und zu verstehen, was E-Mail-Sicherheit bedeutet. Und ich muss mich nicht rumärgern.

Aber Verschlüsseln mit Claws Mail sollte man, falls man zum Beispiel Thunderbird gewohnt ist, gar nicht erst versuchen. Eine Dröselei sondergleichen, und letztlich funktioniert es nicht. Schlüsselpaare von woanders importieren? Wo kämen wir denn da hin?

Es geht aber ganz einfach. Text (Text! Nicht Word!) schreiben. Kleopatra öffnen (nicht ausziehen!). Text in das Notizbuch importieren. Verschlüsseln. Verschlüsselten Text in den Body der E-Mail kopieren. Absenden. Fertig.

Ich hatte zum Thema „Dateien verschlüsseln mit Kleopatra“ schon ein Tutorial geschrieben. Da die Nachgeborenen, wie mir berichtet wurde, keine Texte mehr lesen (können), sollte ich das als Video anbieten. Aber wie? Sollte ich ein lustiges Gesicht machen dazu? Und mit welcher Musik unterlegen? Dramatisch? Beruhigend? Aufpeitschend? Old School? Oder gar mit Frauenmusik (- la cantante es una belleza!)?

Muss ich Verschlüsseln gendern – weil Kleopatra bekanntlich weiblich ist? Da wir gerade bei Frauen sind, die Männer manipulieren: Ich habe versehentlich zehn Minuten eines Films angesehen, in dem die Gadot mitspielt. Ja, sie ist extrem sexy attraktiv, obwohl klassische Schönheiten, die die Gene zufällig nach dem jeweils aktuellen Mainstream-Geschmack zusammengewürfelt haben, oft langweilig aussehen. Aber die israelische Schauspielerin strahlt eine Art lässige Power aus, die man nicht schauspielern kann, wenn man sie nicht hat. Sie würde auch gut in Fauda passen (wann endlich kommt die vierte Staffel bei Netflix?), aber vermutlich ist sie dafür zu hübsch. Man würde abgelenkt wie in Sentinelle, dessen dämlicher Propaganda-Plot für sinnlos Herumballern französische Anti-Terror-Einheiten auch durch Olga Kurylenko nicht besser und erträglicher wird.

Apropos Lächeln für Hetero-Männer: Meine persönliche Favoritin wäre zur Zeit Skade, deren realer Name ziemlich komisch ist und besser nach Schottland passte als nach Norwegen. Ihr Lächeln ist sehr süß – ich würde kaum widerstehen können -, aber immer zweideutig: Es könnte auch bedeuten, dass sie einem bald die Klöten abschneidet. Auf keinen Fall langweilig und der einzige Grund, warum man die schwachsinnige Kinderserie (keine Nacktszenen!) The Last Kingdom länger als eine Viertelstunde ertragen kann.

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איש ישר

Jürgen Schröder (nicht verwandt) ist heute gestorben. Er konnte den Krebs nicht mehr besiegen. Man wird Dich nicht vergessen!

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Jenseits des Oxus

asia

„Die Hauptursachen für die Stagnation der Produktivkräfte und für die unerträgliche Lage des Volkes Afghanistans sind die ökonomische und politische Herrschaft der Feudalherren, die Raffgier der Großschieber und der Kompradorenbourgeoisie, die durch und durch verfaulte Bürokratie und die Aktivitäten der internationalen imperialistischen Monopole.“ (Grundsatzprogramm der Demokratischen Volkspartei Afghanistan (DVPA) vom 1. Januar 1965)

Kurz zwischendurch müssen wir die Perspektive vergrößern und uns die weite Welt ansehen, insbesondere Afghanistan. Thema: Der Kapitalismus hat sich zuerst in Nordwesteuropa entwickelt. Das heißt soziologisch: Die vorherrschenden Produktionsverhältnisse fußen auf „freien“ Arbeitern, die nichts mehr besitzen als ihre Arbeitskraft. Technisch: Die industrielle Revolution emanzipierte den Menschen von den „natürlichen“ Energien wie Wind- und Wasserkraft (ich weiß, sehr verkürzt).

Hieraus ergeben sich unmittelbar weitere theoretische Fragen: a) Der europäische Feudalismus war offenbar ein Sonderweg. (Beim gegenwärtigen Stand der historischen Forschung könnten sich „bürgerliche“ und „marxistische“ Historiker vermutlich darauf einigen.) In anderen Regionen der Welt gab es feudale Verhältnisse auch, etwa in Japan, aber der Kapitalismus entwickelte sich dort viel langsamer, wenn überhaupt. b) Braucht es eine Sklavenhaltergesellschaft vor dem Feudalismus – oder ist das Römische Weltreich ebenfalls ein zu vernachlässigender Sonderfall? c) China ist heute die einzige Gesellschaft, in der sich Ansätze entwickeln, die zu nachkapitalistischen Produktionsverhältnissen führen könnten (Möglichkeitsform!). Dort gab es aber keine Sklavenhaltergesellschaft, sondern eine Ökonomie, die man im weiteren Sinn als „Asiatische Produktionsweise“ bezeichnen sollte (meinetwegen auch hydraulische). Könnte es sein, dass dieser Weg letztlich derjenige ist, der den Kapitalismus zuerst überwinden wird? Oder sind zu viele Variablen im Spiel? (Ich taste mich langsam vor auf dem schmalen Pfad zur Erleuchtung.)

Mir war der beschränkte Blick nur auf Europa schon immer suspekt. Ein Blick auf die Weltkarte (Amerika, Afrika und Australien sind irrelevant bei diesem Thema) und die Zeitschiene der letzten zwei Jahrtausende zeigt die Dimension: Zwischen China und Europa liegt ein riesiges Gebiet, das so groß wie das Römischen Weltreich ist, aber dessen Geschichte kaum jemand kennt. Und mittendrin (das heutige) Afghanistan.

asia

Die Geografie der Welt zwischen dem Atlantik und dem Pazifik vom Beginn unserer Zeitrechnung bis zur industriellen Revolution könnte man in einer Schulstunde abhandeln. Östlich von Griechenland und dem Römischen Reich waren immer die „Perser“ (die Achämeniden ab dem 6. vorchristlichen Jahrhundert, dann die Parther und Sassaniden bis zur Eroberung durch die Araber).

Erstaunlich ist, dass sich die Sphären, wer wo Einfluss hatte, seit zweitausend Jahren nicht wesentlich geändert haben. Nur Alexander der Große durchbrach diese „Logik“, weil er bis nach Indien kam (eigentlich nicht Indien, sondern Afghanistan und Pakistan), mit weit reichenden Folgen, aber umgekehrt versuchte es niemand. Falls die Keilerei bei Issos und das Hauen und Stechen bei Gaugamela anders ausgegangen wäre, hätten die Griechen Tribut an die Achämeniden zahlen müssen, aber die „Perser“ wären aus nachvollziehbaren logistischen Gründen vermutlich nicht so weit westlich wie Hannibal gekommen.

Und der Norden? Die Perser haben versucht, die Steppen im Süden des heutigen Russlands zu beherrschen. Das ging, wie wir schon besprochen haben, gründlich schief. Auch die Römer kannten das Kaspische Meer (Caspia regna), blieben aber nicht dauerhaft dort (nur ganz kurz). Und im Südosten war, trotz unzähliger Scharmützel, der Euphrat mehr oder weniger die Grenze – wie der Oxus im Nordosten.

Die Geografie zeigt, dass Baktrien, also der heutige Nordwesten von Afghanistan, unter Einfluss Griechenlands blieb und auch via Persien erreichbar war. Aber den Hindukusch, den Pamir im heutigen Tadschikistan und das Karakorum mit seinen Achttausendern überklettert man nicht einfach so, geschweige denn mit einer Armee.

Die Weltkarte des Herodot zeigt im vierten vorschristlichen Jahrhundert den Indus, aber nicht wirklich das heutige Indien. Der Osten ist terra incognita.

weltkarte Herodot

Nur die Seidenstraße verband Westeuropa mit China. Sie führte von Persien ins Ferghanatal, das erst im 6. nachchristlichen Jahrhundert von Steppenvölkern aus dem Norden erobert wurde, bis nach Gandhara im heutigen Pakistan, also auf der östlichen Seite des Hindukusch.

Ein weiteres Netz von Straßen war in Transoxanien, nördlich des Oxus (heute Amurdaja), der aber damals in den Aralsee floss und heute schon vorher versickert. Der Handelsweg nach und von China verlief über Samarkand und Buchara (Buxoro) im heutigen Usbekistan. Dort spricht man heute noch eine Variante des Persischen, genauso wie die Hazara im Westen Afghanistans. (Ich habe selbst Flüchtlinge der Hazara in der Notaufnahme in Kreuzberg getroffen – man erkannte sie meistens, wenn sie aus Afghanistan kamen, an ihren „asiatischen“ Gesichtszügen, und sie sprachen selten Dari-Farsi oder noch seltener Paschtu.)

seidenstrasse
Die Seidenstrasse bei Bamiyan, Afghanistan, credits: Hadi Zaher/Flickr

In China und Japan hat man römische Münzen gefunden. Der chinesische Kaiserhof war durchaus über Rom informiert, wenn auch nur vage. Vermutlich sagte man im Reich der Mitte: So ähnlich wie die Perser (Parther) oder Kuschana, nur ein bisschen weiter weg. „Minor Kings“ eben.

Auch die Chinesen hatten – fast zeitlich parallel – ihren Spartakus, zur Zeit der Han-Dynastie. Die Anführer der Aufstände hießen Chen She und Wu Guang. Aber es handelt sich nicht, wie im alten Rom, um Sklavenaufstände, sondern um Rebellionen von Bauern, die zu „staatlichen“ Arbeiten herangezogen werden sollten – angeblich mit einer Armee von rund 300.000 (!) Mann, Es wäre auch interessant, die Rolle des ehemaligen Bauern Han Gaozu zu untersuchen, der als Folge des Klassenkämpfe sogar Kaiser von China wurde.

Ich weiß leider zu wenig über chinesische Geschichte, aber ich musste hier natürlich an die berühmte Passage aus dem Kommunistischen Manifest denken:
Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigner, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zu einander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete, oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.

Der „gemeinsame Untergang der kämpfenden Klassen“ beschreibt korrekt den Untergang des Römischen Reiches. Auch Han Gaozu ließ die Produktionsverhältnisse so „feudal“ wie sie waren, milderte nur den Druck auf die Beherrschten. „Han-Kaiser Gaozu ließ den Verwaltungsapparat der Qin-Dynastie weiterbestehen und hielt an der Mehrzahl ihrer Gesetze und Verordnungen fest, sogar an dem Bücherverbot. Zumindest wurden Strafrecht und Steuern gemildert.“

Spannend wird es, wenn man den Satz auf Wikipedia liest: Zur Zeit der Qin- und der Han-Dynastie wurde im Kaiserreich China die Macht der Lehnsträger, d.h. des Adels beseitigt und das Lehnswesen abgeschafft. Das Reich wurde endgültig zentralisiert, in Provinzen gegliedert und durch einen Beamtenapparat verwaltet.

Lehnswesen in China? Der Begriff ist hier natürlich Bullshit-Bingo, zumal sogar die bürgerliche Geschichtswissenschaft anzweifelt, ob „Lehnswesen“ auf den Frühfeudalismus (Karolinger-Zeit) oder gar das so genannte „Hochmittelalter“ zutrifft. Der Begriff beschreibt ein bestimmtes Verhältnis innerhalb der herrschenden Klasse und ist für unser Thema nicht relevant. Aber man muss sich schon Gedanken machen, was in China anders war oder auch nicht.

Es gibt etwas, das Indien, China und das Römische Reich ab der Kaiser-Zeit gemeinsam haben: Die herrschende Klasse modifizierte sich so weit, dass ehemalige Sklaven und Mitglieder anderer unterdrückten Klassen sozial aufsteigen konnten. Das Sultanat von Dehli im 13. Jahrhundert war sogar eine Sklavendynastie. Die soziale Herkunft der Herrschenden spielt aber de facto keine Rolle. Ob ein Bauer oder Freigelassener Minister oder Kaiser oder ein Mameluke Sultan werden konnte – wichtig sind nur die Produktionsverhältnisse. Die bleiben gleich. Sowohl in Indien als auch in China gab es Sklaven, die Produktion mit ihnen wurden aber nicht, wie im Römischen Reich, zur vorherrschenden Form, auf der die ganze Ökonomie beruhte.

Zang Qian
Zhang Qian verlässt Kaiser Wu. Frühe Tang-Dynastie, Mogao-Grotten, China

Afghanistan und vor allem das obige Zitat der dortigen „Linken“ zeigen das ganz gut. Die Textbausteine hat sich sicher irgendein stalinistischer Funktionär in Moskau ausgedacht. Es taucht alles auf, was damals en vogue war: Feudalherren, Großschieber (Finanzkapital!), Kompradorenbourgeoisie (die Kapitalisten kooperieren mit dem ausländischen Feind – in China hießen die wirklich so) – und die „internationalen imperialistischen Monopole“. Alle anderen sind schuld, aber in Afganistan brachten sich die „Linken“ auch gern gegenseitig um. Und wer in Afghanistan vom „afghanischen Volk“ spricht, wird vermutlich für geistig gestört gehalten.

Afghanistan war damals auf dem Stand Mitteleuropas zur Zeit des Absolutismus.
Die afghanische Gesellschaft war nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu in jeder Hinsicht durch sozialökonomische Rückständigkeit charakterisiert. In ganz Afghanistan herrschten feudale und teilweise sogar vorfeudale Verhältnisse, wobei die feudalen Verhältnisse auf dem Lande dominierend waren. 90% der Bevölkerung lebten auf dem Lande, ca. 70% des bebaubaren Bodens und die meisten Bewässerungsanlagen waren im Besitz von Großgrundbesitzern. Landarme Bauern, die zwischen 33 und 40% aller Bodenbesitzer stellten, verfügten über nicht mehr als je einen Hektar Land. Nach unterschiedlichen Einschätzungen hatten zwischen 18 und 35% aller Bauernwirtschaften überhaupt kein bebaubares Land, wobei der größte Teil von ihnen weder Vieh noch irgendeine andere Art von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln besaß. Die großen Viehzüchter hatten den größten Teil der Viehweideplätze unter ihrer Kontrolle. Die landwirtschaftliche Produktionsweise war sehr primitiv, und das Produktionsvolumen fiel demgemäß niedrig aus. Denn die Großgrundbesitzer investierten nicht in diesem Bereich, sondern setzten ihr Kapital im gewinnträchtigeren Handel ein.*

Die Probleme und die innere Dynamik einer vorwiegend agrarischen Gesellschaft bleiben also auch immer gleich, von den Gracchen im 2. vorchristlichen Jahrhundert bis zum Transoxanien und Afghanistan im 20. Jahrhundert: Es geht nur darum, wer den Boden besitzt und wer darauf produzieren darf. In einem theoretischen Modell wären in Afghanistan die besitzlosen Bauern in die Städte abgewandert, freiwillig oder gezwungen, wie zur Zeit der industriellen Revolution in Europa. Wenn die Bourgeoisie aber nur handeln will und sich nicht um die Produktion kümmert, wird das nichts mit dem Kapitalismus. Der Zug war aber für die „Dritte Welt“ ohnehin abgefahren – und das gilt jetzt auch für Südamerika und Afrika – weil die imperialistischen Mächte (also die Industriestaaten, die am schnellsten auf dem Weg zum Kapitalismus waren), die Märkte schon mit ihren Produkten kontrollieren.

Vorläufiges Fazit: In China hat sich eine zentralistische „Verwaltung“, auf der der ganze Staatsapparat und auch die Produktion fußt, wesentlich früher entwickelt als in Europa. In Indien war das nicht so. In Frankreich und in Preußen gab es das erst vergleichbar erst im späten 16. Jahrhundert, also zur Zeit der Manufakturen, den Vorläufern der Fabriken.

* Martin Baraki: Die „goldenen Zeiten“ am Hindukusch – Afghanistan nach dem Zweiten Weltkrieg (Teik 1), in Z – Zeitschrift für Marxistische Erneuerung, Nr. 128, Dezember 2021
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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

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Fortschritt

burks staubsauger

Da bin ich vermutlich drei Jahre alt. Es könnte sich um einen Progress-Staubsauger handeln.

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Grand Mal Bay, revisited

grand mal bay grenada

Fischer an der Grand Mal Bay, nördlich der Hauptstadt St. Georges. Gesehen und fotografiert auf Grenada (Kleine Antillen) während der leider fast vergessenen Revolution 1982. Das Foto ergänzt mein Posting „Grand Mal Bay“ vom 22.05.2015.

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Die Küste der Miskito, revisited oder: The atmosphere is relaxed, revisited

Dieser Text erschien erschien hier schon einmal am 05.02.2011, also vor rund einem Jahrzehnt. Wer ihn schon kennt, wird mit mir seufzen: Kinder, wie die Zeit vergeht!

LeimusBilwiBilwiBurksLeimusCorn islandBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsBluefieldsRio Escondido

Über meinem Grenzübertritt von Honduras nach Nicaragua, von Puerto Lempira („In the 1980s, the town became a center for CIA operations against the Sandinistas“) an der Atlantiküste über Leimus und Waspam nach Puerto Cabezas, auch bekannt als Bilwi, habe ich schon hier hier geschrieben – 05.02.2011: „Die Küste der Miskito.. (…).

Das obere Bild zeigt den Rio Coco, der die Grenze zwischen Honduras und Nicaragua bildet, auf der anderen Seite der winzige Ort Leimus in Nicaragua, der damals voll mit bis an die Zähne bewaffenen sandinistischen Guerillas war, die uns nach einigem Hin und Her freundlicherweise mit einem Militärjeep bis nach Puerto Cabzeas fuhren.

Das Schiff von Puerto Cabezas tuckerte zunächst nach Corn Islands, in spanisch: Islas del Maiz. Der gestürzte Diktator Somoza hatte angeblich geplant, sich dorthin zurückzuziehen. Die kolumbianische Insel San Andres (da war ich 1979) liegt nicht weit, und der Drogenhandel blühte schon damals. Auf der Insel gibt es nichts von Belang, auch keinen Mais. Aus meinem Reisetagebuch: „Ein verdreckte Unterkunft, Hotel Playa, ein winziges Zimmer über einem laden. Im Hinterhof backen sie Brot aus Kokosnüssen, zwei riesige schwarze Öfen qualmen vor sich hin. Ein Affe, ein Esel, jede Menge Hühner und Hunde. Vorn auf der Strasse hackt jemand Fleisch auf einem Holzklotz, die Köter geifern herum. In Sichtweite des Strands zahlreiche Schiffswracks. Das Innere der Insel besteht nur aus Dschungel. Ein paar Soldaten dösen in Hängematten. Sand mit Steinen, Steine mit Sand. Ein Schiff fährt uns vor der Nase weg. Wer weiß, was die transportieren und von dem wir Ausländer nichts wissen sollen….“
Nicaragua
Endlich: die bei Globetrottern in der Karibik berühmte Moravier-Kirche von Bluefields. Der Ort ist ein Dorf, aber wuselig. Nach wenigen Tagen nehmen wir ein weiteres Schiff, das den Fluss bis fast zum grossen Binnensee aufwärts fährt. Hier soll einmal eine Alternative zum Panama-Kanal gebaut werden. Das Schiff ist hier das wesentliche Transportmittel, aber oft so überfüllt, dass kaum noch ein Kind darauf Platz findet. Nach einem Tag anstrengender Reise erreichen wir die Hauptstadt Managua.

Bluefields, Corn Island and the Caribbean Coast:

Nicaragua’s eastern tropical lowlands, adjacent to and including the Caribbean, are very different from the rest of the country geographically, ecologically and culturally. The area is in reality, a world unto itself. Much of the area is uninhabited and covered with dense tropical rain forest. The most populous area is on the coast. The two largest towns are Blufields and Puerto Cabezas.

The inhabitants of the area are mostly English-speaking. Also along the coast are Indians from the Miskito, Rama and Sumu tribes. The atmosphere is relaxed. The easy tropical living and culture of the Caribbean is the norm.

Bluefields, and much of the Caribbean was hit by the 200-mile an hour winds of Hurricane Joan in October, 1998. Today, the architecture of Bluefields reflects its racial mixture and its colorful past… a mixture of British colonial, west Indian cottages and Louisiana-style plantations.

Die anderen Fotos von oben nach unten: Ein tropisches Gewitter zieht über Puerto Cabezas auf. Ein Miskito-Mädchen. ;eine Wenigkeit, schon auf dem Schiff nach Süden. Die Küste bei Punta Perlas. Ein Fischer auf Corn Island, aka Islas del Maiz. Der Hafen und die Moravier-Kirche in Bluefields. Eine ethnologische Studie: Ein „Kreole“ (links), der Mann im dunkelblauen Shirt ist ein Rama, vor ihm ein Sumu, die Frau, die mich so grimmig anschaut (und anschließend anschnauzte), ist eine Miskito. Frau mit Lockenwicklern vor einem Propaganda-Schild der Innica in Miskito. Straßenszenen in Bluefields. Das unterste Bild zeig ein hoffnungslos überfülltes Schiff auf dem Rio Escondido in Süd-Nicaragua.

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