Unter Ahnenforschenden

ahnenforschung

Ich habe via Ancestry.org einen DNA-Test machen lassen. Das Ergebnis war so zu erwarten laut den mir bisher vorliegenden Quellen, da alle meine Vorfahren zwischen Westpreußen, westlich von Warschau im Weichselbogen und in Wolhynien verstreut waren. Überraschend ist aber, dass das sowohl für die patriarchale als auch die matriarchale Linie gilt. Die „deutschsprachigen Regionen“ sind die Vorfahren der Großmutter meiner Mutter.

ahnenforschung

Die Vorfahren des Vaters meines Vaters waren schon im 18. Jahrhundert – exakt 1778 – an der Wechsel ansässig. Die Vorfahren des Vaters meiner Mutter stammen alle aus Wolhynien in der heutigen Ukraine bzw. Russland. Das gesamte Areal ist gar nicht so groß. Offenbar sind noch ein paar Wikinger Balten oder Skandinavier dabei.

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Unter Pappkartenbenutzern

monatskarte

Da kommt man sich uralt vor – eine Monatskarte für die Bahn aus Pappe, und 27 Jahre lang benutzt. Wer kennt sowas noch? Mein Großvater Hugo Schröder hat die Karte also in meinem Geburtsjahr zum ersten Mal benutzt. 1952 konnte er wegen Staublunge nicht mehr als Bergmann bzw. Zimmerhauer arbeiten und bekam einen Job in der Kreisverwaltung Unna (damals Lüningstrasse 30) in der Poststelle.

Nachdem er Rentner geworden war, suchte er sich einen neuen Job, obwohl er das finanziell nicht nötig hatte, – und bekam ihn im Lager der Kettenfabrik Unna. (Die Kettenfabrik scheint sich schon sehr früh ihre Domain gesichert zu haben!)

Mein Opa hat erst mit knapp achtzig Jahren aufgehört zu arbeiten. Das Publikum wird daher vermuten, das Arbeiten nach Eintritt des Rentenalters sei in meiner Familie irgendwie genetisch bedingt.

Unter Schtieseln

konfirmation NAK
Meine Konfirmation 1966 oder 1977. Ein grandioses Foto, das meine Kindheit anschaulich zusammenfasst. Alle außer mir sind schon tot. Von links nach rechts: Meine Tante Leni (Hausfrau, neuapostolisch und Ehefrau eines Priesters/Laienpredigers der NAK), mein Vater Kurt (Bergmann, später kaufmännischer Angestellter, Priester in der NAK), meine Oma Caroline Baumgart (Hausfrau, neuapostolisch), neben mir mein Opa Hugo Schröder (Bergmann, Hirte und Gemeindevorsteher in der NAK), vorn rechts mein Opa Peter Baumgart (Bergmann, Priester der NAK), ganz rechts mein Onkel Otto Mey (Bahnangestellter, Hirte und Gemeindevorsteher in der NAK). Leni war die Tochter meines Onkels Otto.

Jetzt brüllen auch in Dresden die Muezzine herum. Ein Fall für Arthur Harris? Die Weltläufte geben zur Zeit nichts Überraschendes her. Daher darf ich – das Einverständnis des Publikums vorausgesetzt – einen Besinnungsaufsatz schreiben eine religionssoziologische Studie verfassen.

Vorab sollten einige anthropologischen Fragen geklärt werden.

Warum tragen alle Männer schwarze Anzüge, der Konfirmand eingeschlossen? Ein normaler Anzug, aber ganz in schwarz, ist die „Uniform“ der „Geistlichen“ in der NAK. Niemand hat eine theologische Ausbildung, und sie machen trotzdem das, was Pfaffen so tun. Und da das funktioniert, ist das für sie ein „Beweis“, dass der Heilige Geist aus ihnen spricht. Der „Straßenanzug“ soll genau das zeigen.

Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz an die Kette gelegt. (Karl Marx) Die protestantischen Sekten ebnen die Hierarchie zwischen Glaubensvolk und Paffen konsequent ein. Jeder (Mann) kann alles sein und werden. Mein Opa Peter konnte, als er 1918 nach Deutschland kam, weder richtig lesen noch schreiben. Prediger wurde er trotzdem.

Was machen die da, und wo sind die anderen Frauen? Natürlich wurde immer und permanent und ausschließlich über die Bibel (liegt auf dem Tisch) und religiöse Themen geredet. Frauen mussten die Klappe halten und wurden dabei nur geduldet. Meine Oma Caroline widersetzte sich dem unausgesprochenen Verbot – sie gesellte sich zu den Männern, sagte aber nichts, sondern hörte nur zu. Ich durfte auch nichts beitragen, ich war noch zu jung.

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden.“ (Paulus, 1. Brief an die Korinther 14, 34)

Wiederholt sich das nicht alles unendlich oft? Nein, die „theologischen Themen“ wurden mit persönlichen Geschichten angereichert. Wie sich ein ostpreußischer Bauer mit dem Teufel verschworen hatte und mein Onkel Otto, der aus Gumbinnen stammte und in seiner Jugend als Bauernknecht arbeitete, ihn überlistete, mit Gottes Hilfe. Wie meinem Vater in einem Hohlweg in Holzwickede der Geist eines Selbstmörders erschien. Wie ein „Apostel“ der NAK in Opherdicke den Geist eines Selbstmörders vertrieb, der dort in einem Haus herumspukte. Wie Onkel Otto im 1. Weltkrieg ganz allein und mit Gottes Hilfe mehr als ein Dutzend Franzosen gefangen nahm und dafür einen Orden bekam. Wie mein Opa Peter in Russland während der Revolution zu Tode verurteilt wurde und aus dem Gefängnis floh, mit Gottes Hilfe.

Wie informierte man sich über die Weltläufte? Information wird überschätzt. Fernsehen war verboten. Radio eigentlich auch – mein Opa Hugo hat das bis zum Lebensende konsequent durchgezogen. Mein Opa Peter aber hatte ein Radio, weil er aus dem damals russischen Polen stammte und Russisch verstand und hören wollte. Die „Welt“ – also known as Babylon – brauchte man nicht, und man sollte sie auch meiden. Tanzstunde oder Disko? Verboten? Kirmes oder Schützenfest? Verboten. Freundschaften mit Leuten, die nicht neuapostolisch waren? Verboten, vor allem für Kinder von „Amtsträgern“ – wie mich. Bücher? Sind gefährlich. Mein Opa Hugo riet meinen Eltern, mich nicht auf ein Gymnasium zu schicken. Kino? Verboten. Meine Mutter erzählte mir noch gestern, wie sich sich als junges Mädchen in Hamm heimlich einen Kinofilm ansah und dabei ein fürchterlich schlechtes Gewissen und viel Angst hatte, Gott (der bei den Neuapostolischen meistens „der himmlische Vater“ genannt wird) würde sie dafür bestrafen. Die Verbote mussten gar nicht ausgesprochen werden. Man wusste einfach, was zu tun und zu lassen war.

Und jetzt zur religionssoziologischen Studie. Kann sich das Publikum vorstellen, warum mir Filme wie Shtiesel, Unorthodox oder Rough Diamonds (empfehlenswert!) „unheimlich“ bekannt vorkommen und warum mir die oft ein beklemmendes Gefühl erzeugen, das sich gleich verwandelt in das Bedürfnis, in diese Milieus hineinzufahren wie der Teufel unter die armen Seelen und alles auszuräuchern?

Emma Ströwer

emma weiss

Meine Urgroßmutter (matriarchale Linie) Emma Weiß, geborene Ströwer (geb. ca. 1875, gestorben ca. 1935). Aufnahmedatum unbekannt. (Rückseite: „Foto Haberland“ – da sie aus Dortmund stammt, könnte es dort gemacht worden sein.)

Familienidylle

familie

Im Vordergrund meine Urgroßeltern Emma Weiß, geborene Ströwer (geb. ca. 1875, gestorben ca. 1935) und Julius Weiss, und ihre drei Töchter Frieda (nach der meine Mutter benannt wurde), Minni und Caroline (meine Oma, geb. 28.08.1901 in Dortmund-Sölde, gest. 28.01.1985 in Bönen).

Mein Urgroßvater war von 1921-1925 Priester (Prediger) der Neuapostolischen Gemeinde in Altenbögge-Bönen und ein Frauen-Grabscher. Sogar meine Mutter – seine Enkelin! – hat er angefummelt. Er war in der Familie verhasst. So sind sie, die Ultrafrommen… Ich weiß weder sein Geburts- noch sein Sterbedatum.

Unter Pagenschnittigen

pagenschnitt

Meine Mutter (rechts, Jahrgang 1925) und ihre Cousine Leni (Mitte) und zwei unbekannte Kinder in den 30-er Jahren (Weimarer Republik). Die Frisur – der so genannte Pagenschnitt – war damals modern.

Unter Beschuss [Update] [2. Update]

Hetman Sahaidatschnyj
Die Russen haben die Hetman Sahaidatschnyj versenkt, das Flagschiff Flaggschiff der ukrainischen Marine.

Ich bin kein Militarologe Militärexperte (ich kenne nur Mao-Zitate über den Guerillakrieg), aber so langsam wird mir klar, wie das geplant ist. Die greifen sich erst den Süden. Die Luftwaffe fliegt schon Angriffe südlich von Odessa. Bodenangriffe waren in Enerhodar, das heute eingenommen wurde. Die Truppen aus dem Süden bewegen sich also nordöstlich in Richtung Saporischschja und Dnipropetrowsk, am Djnepr entlang, um den gesamten Ostteil der Ukraine abzuschneiden.

Im Norden wird Kiew mehr und mehr eingekesselt. Luftangriffe gab es auf Shitomir westlich von Kiew. [Übrigens stammen meine Vorfahren mütterlicherseits aus der Region. Meine Ururgroßeltern wohnten in Roschyschtsche bei Ludz nicht weit von der polnischen Grenze. Eine meiner Urgroßmütter ist in Odessa gestorben.]

Dort verlaufen die Verbindungswege für den ukrainischen Nachschub vom Westen. Wenn die erst einmal gesperrt sind, wird sich Kiew nicht mehr lange halten können, ohne eine humanitäre Katastrophe in Kauf zu nehmen. Militärisch sinnvoll war es, nicht vom Norden her zu versuchen, die Hauptstadt zu erobern, solange noch vom Westen und Süden Nachschub kam. Daher wundert mich nicht, dass der viel zitierte russische Konvoi mit rund 60 Kilometern Länge nicht „weiterkommt“. Vermutlich ist das ein Feature der Planung und kein Bug.

[Update} Schrieb ich Saporischschja ?

[2. Update] Ich bin nicht allein mit dieser Analyse. Oder die haben von mir abgeschrieben.

Girlfriends

girlfriends

Meine 97-jährige Mutter (ganz rechts, ca. 1945, in Holzwickede) ruft mich an, ich solle bei dem Sturm vorsichtig sein. Ich habe ihr im Gegenzug verboten, im Garten herumzulaufen oder unter den Büschen herumzukriechen.

Petrus, geboren 1751

ahnenpass

Auszug aus dem mit Schreibmaschine Mitte der 90-er Jahre abgetippten Ahnenpass meines Großonkels Walter Erich Schröder (der Bruder meines Großvaters Hugo). Eigentlich ist es albern, bei diesen Vorfahren noch den Zusatz „Eltern“ zu benutzen. Aber aus reiner Neugier und aus mathematischer Insuffizienz: Wenn dieser Petrus der Ur-Ur-Urgroßvater meines Großonkels war, wie viele Urs kommen dann vor, wenn ich den in Bezug auf mich bezeichne?

Übrigens: Petrus könnten den Alten Fritz noch live gesehen haben.

Guckst du!

burks

Meine Mutter (geb. 1925) und ich, vermutlich 1954, in Holzwickede

Schule des Haushalts

haushaltungschule

Meine Mutter (ganz rechts) im Jahr 1941 beim Nähunterricht in der „Haushaltungsschule“ in der ehemaligen Märkischen Kinderklinik.

1759

Jacobus

Habe ich gerade bekommen – den Heiratseintrag eines meiner Vorfahren: Jacob Schröder (Szreyder) vom 22.09.1759 (katholisches Kirchenbuch Bromberg). Ich kann Jacobus noch nicht richtig einordnen, aber die Schröders saßen damals in Otteraue-Langenau an der Weichsel. Ich habe den Eintrag (rechts oben) noch nicht komplett entziffern können.

1759! Das war im Siebenjährigen Krieg. Einen Monat zuvor war die preußische Armee bei Kunersdorf geschlagen worden.

Der schönste Platz

der schönste platz

Neu in meiner Bibliothek und aus meiner alten Heimat: „Der schönste Platz – Kneipen und Gaststätten in Holzwickede, Hengsen und Opherdicke“. Herausgeber: Historischer Verin Holzwickede e.V. Arbeitskreis Geschichtswerkstatt, 2020. Das Buch wird hoffentlich bald im Literarischen Quartett von Lisa Eckart besprochen.

In memoriam Kurt Waldemar Schröder *16.10.1927 †03.10.2020

chess

Mein Vater und ich beim Schachspielen. Da war ich zehn Jahre alt.

Saures Land

sauerland

Meine Mutter und ich in der Nähe der Daubermühle im Sauerland, vermutlich 1956.

To whom it may concern: Meine Mutter wird in der nächsten Woche aus dem Krankenhaus entlassen, kommt in eine Kurzzeitpflege und dann wieder nach Hause. In wenigen Monate könnten wir dann ihren 95. Geburtstag feiern, wenn nicht wieder etwas passiert.

In memoriam Kurt Waldemar Schröder *16.10.1927 †03.10.2020

krankenhaus

Mein Vater korrigiert den Sitz meines Schlipses anlässlich meiner Konfirmation (1966).

In memoriam Kurt Waldemar Schröder *16.10.1927 †03.10.2020

Kurt Waldemar Schröder

Mein Vater wäre heute 93 Jahre alt geworden.

Gute Besserung, Mama!

friedel

Meine Mutter (*04.12.1925) ca. 1929 oder 1930 mit zwei Tanten (deren Namen ich vergessen habe).

To whom it may concern: Meine Mutter ist wenige Tage vor dem Tod meines Vaters schwer gestürzt und wurde per Feuerwehr in die Rettungsstelle des AVK gebracht. Dort diagnostizierte man ein Blutgerinnsel im Gehirn. Eine Operation in dem Alter lehnen Mediziner ab. Es war ziemlich dramatisch: Sie war halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen.

Ihr Zustand besserte sich soweit, dass sie ein anderes Krankenhaus zur Rehabilitation verlegt wurde. Es war ein Auf und Ab – manchmal konnte sie wieder einigermaßen reden, später sprach sie gar nicht mehr und schien verwirrt. Am Wochenende ist natürlich in deutschen Krankenhäusern nur ein Arzt für alle da – und gerade dann wäre mehr Personal nötig, wenn etwas passiert. Ich habe einmal den Chef vom Dienst gerufen, weil ich die Abläufe ein bisschen kenne und weiß, auf welchen „Knopf“ man drücken muss. Bestimmtes, aber höfliches Auftreten hilft manchmal – man darf nur nie nachlassen und man muss dem überlasteten Personal deutlich machen, dass man sich nicht abwimmeln lässt. Der Arzt führte in meinem Beisein ein paar Tests durch und versicherte, es sei nicht gefährlich und sie reagiere zufriedenstellend – außer dem Sprechen.

In den letzten Tagen wurde es wieder schlechter, und jetzt kommt auch noch das Besuchsverbot dazu. „Ausnahmen können bei Kindern und Schwerstkranken vereinbart werden. Bitte sprechen Sie dafür mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt“ heißt es bei Vivantes. Ärzte waren nur selten zu erreichen, eine exakte Diagnose, wenn denn nur vorliege, bekamen wir nicht. Auch schien es so, dass man meinte, unsere Mutter fiele nicht in die Kategorie „schwerstkrank“.

Ich bin in solchen Fällen für den sofortigen Einsatz der Kavallerie, ohne lange hin- und her zu diskutieren. Meine „kleine“ Schwester ist Schuldirektorin und ähnlich veranlagt. Ich konsultierte eine Anwältin und was man so macht in der Waffenkammer. Sehr hilfreich ist die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner, die und deren Mitarbeiter ich hiermit in den allerhöchsten Tönen lobe: Man war nicht nur freundlich, sondern auch kompetent. Das ist in Berliner Verwaltungen nicht selbstverständlich. Dort bekamen wir die richtigen Tipps.

Und siehe da: Die Chefärztin der Station, wo unsere Mutter gerade behandelt wird, erteilte eine „Ausnahmegenehmigung“. Unsere Mutter darf besucht werden. Ihr Zustand scheint sich auch zu bessern, sehr langsam, wie in dem Alter nicht anders zu erwarten. Zur Zeit gehen wir davon aus, dass sie im November wieder nach Hause kann.

In memoriam Kurt Waldemar Schröder *16.10.1927 †03.10.2020

Kurt Waldemar Schröder

Mein Vater und ich im Frühjahr 1954 in Holzwickede.

Elise Marie

elise marie klang

Meine Großmutter Elise Marie Schröder, geb. Klang, genannt Lieschen, *18.01.1906 in Holzwickede, +27.11.1976 in Holzwickede. Das Foto ist aus dem Jahr 1923.

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