Baumgart am Styr

baumgart

Ein kurzes Zwischenspiel und ein Beispiel für historische Fummelei, die einem schwierigen Puzzle gleicht. Aus der oral history meiner Familie weiß ich, dass die Vorfahren des Vaters meiner Mutter aus Schwaben nach Russland bzw. Polen gezogen sein sollen. Das erzählte meine Oma Caroline Emma Baumgart (geb. Weiß). Ich habe das angezweifelt, weil nichts dafür sprach und die Möglichkeiten der Recherche in den 30-er Jahren mit den heutigen nicht vergleichbar sind. Meine Mutter erinnert sich, einer der entfernten Verwandten, vielleicht eine Großtante, sei in Odessa gestorben.

Mittlerweile weiß ich, dass die matriarchale Linie Wolhyniendeutsche waren. Viele siedelten im Kirchspiel Roshischtsche, heute heißt der Ort Roschyschtsche am Styr. Aber wann und wie sind die in die heutige Ukraine gekommen, und wie die Vorfahren meines Großvaters nach Polen, westlich von Warschau? Und waren sie Mennoniten?

Eine Karte aus dem Jahr 1927 von Karl Lück zeigt das damalige Wolhynien und die deutschen Sprachinseln.

Roschyschtsche

Mit dieser Karte kann man auch den obigen Sterbeeintrag eines Kirchenbuchs von Rożyszcze (polnische Schreibweise) lokalisieren: Ludwig Baumgart aus Glinsche. Das heißt eigentlich Gliniszcze und läge auf der heutigen Karte bei Kremenez (oder ist identisch mit dem alten Gliniszcze), einem „Ort in der ukrainischen Oblast Wolhynien, Rajon Roschyschtsche“, laut Wikipedia „irrelevant“. [Update] Das „richtige“ Glimcze liegt auf der Karte weiter westlich, südlich von Adamowka.

Interessant ist der letzte Eintrag im obigen Kirchenbuch vom Ludwig Baumgart „Odessa von den russischen Behörden“. Was das genau besagt, kann ich (noch) nicht interpretieren.

Dazu passt ein Fund, den ich schon vor einiger Zeit machte. Es gibt eine Liste der Auswanderer aus Deutschland ins Schwarzmeergebiet 1763 bis 1862. Darin findet man Franz Joseph Baumgart aus Germersheim in der Pfalz, der 1809 nach Taurien ausgewandert sei. Taurien hieß früher die Krim, wo auch später einige Baumgarts nachweisbar sind.

Sollten einige der krimdeutschen Baumgarts wieder zurück nach Polen gewandert sein? Fragen über Fragen…

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Kommentare

4 Kommentare zu “Baumgart am Styr”

  1. oblomow am Januar 3rd, 2019 1:38 am

    „Interessant ist der letzte Eintrag im obigen Kirchenbuch vom Ludwig Baumgart „Odessa von den russischen Behörden“. Was das genau besagt, kann ich (noch) nicht interpretieren.“

    Schau dir deine quelle doch mal genau an. Ich habe das jetzt nur kurz überflogen und mir einige andere seiten deiner quelle angesehen und dazu jetzt folgende anmerkungen:

    1. Die sterbeeinträge auf der von dir kopierten seite wurden nachträglich erfasst – 1922 siehe oben links. (neu beginnende zählung, kommt häufiger vor und ein anderes jahr als das todesjahr ist mir jetzt nur dort aufgefallen, ich habe aber auch nur wenige stichproben gemacht.)

    2. Es handelt sich wohl um abschriften, bzw. sterbefallmitteilungen, die später im buch erfasst wurden.

    3. Todeszeitpunkt 1916 – na, und was haben wir da: WK I und damit hätte man dann u.u. bereits eine mögliche erklärung für Odessa (=dort gestorben und durch russische behörden mitgeteilt), z.b. kriegsgefangenschaft oder gefallen.

    4. Wenn du dir andere einträge deiner quelle anschaust, wird dieser zusammenhang evtl. nachvollziehbar. Hinweise auf gefallene oder in gefangenschaft verstorbene gibt es an einigen stellen deiner quelle.

    Das nur als anregung. Muss nicht so sein – stecke ja nicht in der materie.

  2. Marianne am Januar 3rd, 2020 10:41 am

    oben genannter Ludwig Baumgart ist der Bruder meiner Ururgroßmutter Marianne Baumgart…. und nein, er ist nicht gefallen. Befasst man sich etwas mit der Wolhynischen Geschichte wird man schnell feststellen, dass die Wolhynier zum 1. WK nach Sibirien und Kasachstan deportiert worden sind. Meine Baumgart-Familie hat es irgendwie geschafft dem zu entkommen. Nach Erzählungen meiner Oma verbrachte ein Teil der Familie den 1. WK auf der Krim. Der andere Teil, einschließlich meines Ururgroßvaters (Mariannes Ehemann), lebte in dem Mennonitendorf New York / Ignatjewo Kolonie. Der Mann verstarb dort 1916, nach Überlieferungen hatte er Probleme mit der Galle.
    Die Baumgarts kehrten nach dem 1. WK wieder zurück nach Wolhynien. Im Winter 1939/40 wurden sie in das Reichsgau Wartheland umgesiedelt. Im Februar wird es in Gifhorn eine große Ausstellung dazu geben.

  3. admin am Januar 3rd, 2020 4:41 pm

    Wann und wo genau ist die Ausstellung?

  4. Baumgart am Styr, reloaded : Burks' Blog am Januar 3rd, 2020 4:51 pm

    […] habe eine Ortsangabe in der heutigen Ukraine bei Baumgart am Styr (02.01.2019) korrigieren […]

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