Hühner und andere Geschichten
Bogota, 4.1.81
Liebe Eltern!
Wir haben euren Brief heute bekommen – vielen Dank! Andererseits haben wir den Eindruck, daß unsere Post aus Nicaragua nicht überall angekommen ist. Wir haben für über 50 DM Postkarten und Briefe aus Managua und Leon losgeschickt und bis jetzt noch keine Reaktion. Wir vermuten aber, daß wegen der chaotischen Bürokratie alles zu spät angekommen ist. –
Zuerst mal, wie es weitergeht. Wir warten zur Zeit noch auf einen Freund aus Nürnberg, der aus Ecuador und Peru hierher unterwegs ist und mit dem wir weiterreisen wollen. Von hier aus bis Manaus in Brasilien werden wir höchstwahrscheinlich keine Post schicken, das sind 4 Wochen Dschungel, macht euch keine Sorgen. Falls ihr die Tour auf einer Karte verfolgen wollt – ich weiß nicht, was drauf ist. [Kleinere Orte waren auf den Karten bzw. Atlanten, über die meine Eltern verfügten, oft nicht zu finden.]
Villavicencio in den Llanos Kolumbiens, fotografiert 1982.
Von Bogotá südöstlich nach Villavicencio, von da aus entweder mit dem Lastwagen oder Privatflugzeug nach Miraflores und Mitu am Rio Vaupes fast an der brasilianischen Grenze. – Das wird ca. 2-3 Wochen dauern, weil wir noch zu einigen Indianerdörfern in der Gegend wollen. Wir hoffen, daß es einen Grenzübergang in der Nähe von Mitú gibt (oder per Boot) nach Taracua Richtung Icana in Brasilien, von da aus auf den Nebenflüssen des Amazonas (bes. Rio Negro) bis Manaus. [Aus dem Plan wurde nichts, weil wir weder ein Flugzeug noch ein anderes Transportmittel in die Richtung fanden. Wir sind irgendwann zurück nach Bogotá und dann nach Leticia geflogen.]
Wenn sie uns in Mitú nicht rüberlassen, müssen wir zurück und vielleicht von Leticia in Kolumbiens Südzipfel ein Schiff auf dem Amazonas bis Manaus nehmen [was wir dann taten]. So, das zum weiteren Verlauf der Reise.
Der Amazonas bei Leticia in Kolumbien
Bis jetzt ging von Nicaragua aus alles ziemlich glatt bis auf einige kleinere Unannehmlichkeiten wie z.B. einem 3-stündigen Warten auf meinen Pass bei der Ausreise aus Nicaragua, weil sie den Ort nicht kannten, wo wir eingereist waren [Leimus]. In Costa Rica an der Grenze stopften sie jeden Reisenden mit 4 Tabletten voll, die ihn gegen Malaria schützen sollen. Wenn man aber sowieso schon welche nimmt wie wir jetzt tun, ist das aber gefährlich. Eine andere Touristen konne einen Tag kaum etwas sehen. Es war aber auch kein Arzt da und der Mensch und ich haben uns angebrüllt. Wir haben dann die Dinger nur zum Schein in den Mund genommen und später wieder ausgespuckt..
In San José, Costa Rica, haben wir gemütlich Weihnachten gefeiert in einem erstklassigen Restaurant mit Schweizer Spezialitäten (4 Gänge, Suppe, Pastete, Truthahn mit Salat und Kroketten und Eisbecher für 15 DM). Costa Rica hat einen wahnsinnig guten Umtauschkurs für US-Dollar und wir haben sehr gut gelebt, obwohl ich die ersten drei Tage Durchfall, schreckliche Blähungen und ständiges Aufstoßen hatte. Wir fanden zufällig einen winzigen Laden, in dem in alter Chinese Krimskrams verlaufte (wir suchen nach Stäbchen, weil sie in vielen einfachen China-Restaurants keine haben). Da fanden wir eine kleines Flasche mit China-Öl, was man bei uns eventuell gegen Schnupfen nimmt. Auf der Gebrauchsanweisung war „interne Anwendung“ überall durchgestrichen. Der alte Chinese lächelte verschmitzt und sagte – auf Spanisch natürlich – daß 4 Tropfen Öl mit Wasser alle Magenprobleme beseitigen würden, nur dürfte er dafür keine Reklame machen. Und so war es auch!
Kurz vor Silvester sind wir dann nach Panama-City, wo wir euren Brief auch erhalten haben. Die Stadt und die Leute haben uns sehr gut gefallen, daß wir uns entschlossen haben, Neujahr dort zu feiern. Der Panama-Kanal ist wirklich eine technische Meisterleistung, aber darüber mehr in Dias.
Silvester hatten wir über 30 Grad und es war schon etwas exotisch, Neujahr ausgerechnet da zu verbringen. Wir wollten ursprünglich anrufen, aber 3 Minuten kosten über 50 DM und R-Gespräche gehen nicht, weil Panama mit Deutschland darüber keine Abmachung getroffen hat.
Am 2.1. [1982] sind wir ins Flugzeug gesteigen und nach Medellin, Kolumbien, geflogen. Die Einreise verlief glatt, nur war es Sonntag und es gab keine Möglichkeit, Geld zu tauschen. Wir wollten bloß per Taxi zu einer Busgesellschaft, die nach Bogota fährt, weil man uns gewarnat hatte, in Medellin herumzulaufen wegen Räubereien und Dieben. Schließlich nach langer Fragerei fanden sich ein paar Flughafenpolizisten, die ihr privates Geld zusammenkratzten und uns unsere Dollar tauschten. Bei dem Busunternehmen mußten wir noch ein paar Stunden warten, ständig alle Leute belauernd, und dann ging es ab nach Bogota.
Dort hatten wir das seltene Vergnügen, mit einem 42-jährigen Chevrolet (!) ins Hotel gefahren zu werden. Hier fahren viele uralte amerikanische Straßenkreuzer herum. Das Hotel ist sicher (das ist hier die Hauptsache), sauber und die Leute freundlich, nur auf den Straßen geht es manchmal anders zu. Ein Australier aus unserem Hotel hatte Pass, Geld und Kamera in einer Umhängetasche (selbst schuld!), ging am hellichten Tag auf der Hauptstraße spazieren, solange, bis 4 Männer um die Ecke kamen und ihn aller seiner Sachen beraubten. Jetzt muss er mit Hilfe der Botschaft wieder nach Hause, der Arme.
Hotel Aragon, Bogotá, Kolumbien 1982
Wir haben übrigens heute nach 4-stündigen Verhandlungen und Bürokratentum die 1000 DM erhalten, die Hartmut uns geschickt hatte und sind wieder gut bei Kasse, weil wir in Nicaragua viel gespart haben. Ich weiß gar nicht zu schätzen, wie viel Pfund Papier die Bank dafür gebraucht hat. Ohne Spanisch ist man in Kolumbien völlig hilflos. –
Nach ein paar Stunden kannte ich mich sogar wieder aus hier. [Ich war zum zweiten Mal in Kolumbien]. Wir haben unsere Wertsachen alle am Körper und im Gürtel, die Kamera in der Hostentasche darüber eine Rolle Klopapier, die ein bisschen herausguckt, damit alle wissen, was in der Tasche ist. Tragen sonst keine Taschen und haben italienische Lira (die 1000-Lira-Noten machen bei Dieben einen guten Eindruck) und ein paar 1-Dollar-Scheine, bei uns nur im Falle eines Falles. Vor uns in der Bank stand ein Mann, der nicht sehr solide [gemeint ist seriös] aussah und wollte einen 1000-Lire-Schein wechseln, was aber nicht ging. Er wußte aber nicht, daß es nur ein paar Mark sind. Vermutlich hatte er einen Touristen beraubt, der ihm die Lira angedreht hat und sich jetzt kaputtlacht wie wir.
Morgen werde ich die Frau anrufen, die ich vor 2 Jahren in Peru kennengelernt habe, eine Kolumbianerin mit dunklem Vater. Sie wohnt in einem absoluten Reichenviertel, und wir werden werden vielleicht Zugang zu den „höheren“ Kreisen finden. Es wäre auch vermutlich gut, für den Dschungel noch irgendwelche Empfehlungsschreiben zu haben für die örtlichen Behörden. Tief im kolumbianischen Urwald gibt es auch einen Ort, der Berlin heißt. –
Was mir gerade einfällt: Bei euren Briefen habt ihr jetzt beim Absender alle Sprachen für „Deutschland“ durch italienisch und französisch, aber auf Spanisch heißt es einfach ALEMANIA mit einem L. Das ist aber nicht so wichtig, und die nächsten Briefe gehen jetzt in Länder, wo portugiesisch oder Englisch gesprochen wird.
Punta Gorda, Belize
Noch ein paar lustige Erlebnisse, die mir gerade einfallen. In Belize haben wir in einer Hängematte in einer Hütte geschlafen, und an einem Morgen fand ich in meinem Schlafsack ein noch warmes Ei. Ein Huhn wohnte wohl sonst dort da und ließ sich beim Eierlegen gar nicht stören. – In Granada in Nicaragua lief auch immer ein Huhn in unser Zimmer, was ein Fenster hatte und zu ebener Erde lag. Nachdem ich es zum wiederholten Male wieder hinausgejagt hatte, lag ich auf dem Bett – ohne Brille -, als sich das Fenster bewegte und was großes Braunes hineinguckte, wie das Huhn immer. Ich brüllte: Raus, du Scheiß-Huhn!, aber es war nur Susannes Kopf, den ich ohne Brille mit dem Huhn verwechselt hatte. Jedenfalls haben wir den ganzen Tag gelacht und tun es immer noch, wenn das Gespräch auf Hühner kommt.
In Managua hatten wir unser Öfchen in Betrieb gesetzt, um Frühstück zu machen. Die anderen Gäste in der Herberge fanden das so aufregend (so etwas gibt es hier nicht), daß sie sich Stühle nahmen und sich im Kreis um den Ofen setzten wie zum Fernsehprogramm. Wir konnten vor Lachen kaum unseren Kaffee trinken. –
Heute saßen wir in einem Café bei einer Tasse Kaffe, als der Kellner kam und uns einfach unsere Löffel wegnahm, ohne etwas zu sagen. Vermutlich hatten sie davon nicht genug, aber ich muß noch immer lachen, wenn ich mir das in Deutschland vorstelle.
Die nächsten kleineren Erlebnisse kann man kaum beschreiben, sie machen aber auch den Reiz der Reise aus. Oder könnt ihr euch vorstellen, wie sehr wir uns gefreut haben, als wir in Panama den ersten Waschsalon nach 3 Monaten sahen? In einer Wäscherei waschen wir nämlich nur kalt, und unsere Wäsche kam fast genauz so wieder heraus wie vorher.
Wir haben jetzt schon 3 Pakete mit Souvenirs nach Hause nach Berlin geschickt, 1 von Mexico und 1 von Costa Rica und 1 von Panama, aber unsere Rucksäcke wiegen immer noch fast 20 kg.
Altstadt von Panama
Das wär’s erst einmal, die Post hier ist ziemlich sicher und der Brief wird wohl ankommen. Also wie gesagt, der nächste Brief höchstwahrscheinlich erst in 4 Wochen nach der Ankunft dieses Briefes bei euch… [Der Brief kam am 19.01.1982 an.]
Von Honduras nach Nicaragua
Managua, 9.12.1981
Liebe Eltern,
Ich habe heute Euren Brief bekommen, er war schon seit dem 21.11. hier angekommen, wir allerdings erst gestern. Wir haben uns über alle Briefe sehr gefreut, weil wir ja seit September nichts mehr gehört hatten. Jetzt machen wir erst einmal ein paar Tage Pause, schreiben Briefe und quatschen mit den anderen Rucksacktouristen hier in der Herberge (Wir haben seit dem 7.11. keine Deutschen mehr gesehen – das war in Belize) und werden dann die anderen Städte Nicaraguas im Westen aufsuchen.
Die letzten 2 Wochen waren äußerst anstrengend. Wir sind von La Ceiba, Honduras, mit einem kleinen alten Holzschiff die Küste lang gefahren und haben 3 Tage und 2 Nächte (Schlafen nur auf Decksplanken) mit einer fürchterlichen Schaukelei verbracht bei miserablen Essen (die ganze Zeit nur Bohnen und Reis, mit Meerwasser gekocht). Ich war am ersten Tag seekrank, die anderen Passagiere die ganze Zeit – das Schiff war 20 m lang und 5 m breit und über 50 Leute!
Bei jedem Dorf an der Küste, wo nur Schwarze wohnen, hielten wir an – ungefähr 1 km vor der Küste, und die besten Ruderer des Dorfes kamen in einem riesigen Einbaum herangepaddelt, mitten durch die riesigen Wellen der Brandung – das war das Schöne, diese prächtigen Gestalten zu sehen, alle über 1,70 groß, die meisten größer als ich, muskelbepackt und über alle Backen grinsend, ohne Karies. Einer der „Matrosen“, auch einer von den Garifunas (so nennen sie sich), hob ohne sichtbare Anstrengung 50-kg-Säcke voll Salz aus dem Laderaum nach oben.
Die Straße von Puerto Lempira, Honduras, nach Leimus, Nicaragua, bisher unveröffentlicht.
In Puerto Lempira in Honduras, einem Dorf ohne Straßenverbindung und nur mit ein paar tausend Einwohnern, sind wir dann eine Stichstraße (wer die gebaut hat und warum, weiß ich nicht) 6 Std. an den Grenzfluß [Rio Coco] zu Nicaragua. Dort an der anderen Seite war ein kleines Dorf, aber sehr viele Soldaten, alle sehr jung, mit abenteuerlichen Uniformen, teilweise langen Haaren, unterschiedlicher Bewaffnung, aber alle sehr revolutionär aussehend.
Nachdem sie unsere Rucksäcke bis auf die letzte Wäscheklammer auf dem Fußboden ausgebreitet hatten (einige Dinge kannten sie gar nicht, z.B. Tampons, den Benzinofen, die Taschenlampe hielten sie für eine Kamera) und sich überzeugt hatten, daß wir keine amerikanischen Spione waren, bekamen wir erst mal ein ausgezeichneten Gratis-Essen in der „Volkskantine“ (nur eine Holzhütte), und wir hatten die Ehre, mit dem Kommandanten zu speisen (er war jünger als ich und gab sich mit Erfolg Mühe, wie Che Guevara auszusehen), anschließend ein Empfehlungsschreiben an das Einreisebüro in der nächsten Stadt. Leider durften wir keine Fotos machen, aber alles war äußerst freundlich und vor allem neugierig.
Nach einen 6-stündigen Fahrt mit einem kleinen Lastwagen waren wir dann wieder an der Küste in einer kleinen Stadt – im Frühstücksraum des Hotels Bilder von Lenin und Arafat (!), sehr ungewohnt.
Islas del Maíz, Nicaragua, englisch: Corn Islands, fotografiert in der ersten Dezemberwoche 1981.
Nach ein paar Tagen sind wir dann wieder mit einem Schiffchen die Küste Nicaraguas entlang bis zu einer winzigen Insel, wo wir wegen nicht existierender Verbindung mit dem Festland hängengeblieben sind, dafür aber am Meer unter Palmen und am menschenleeren Sandstrand baden konnten. Dann ging es per Schiff nach Bluefields an der südlichen Küste, wo wir 2 Tage Wäsche gewaschen haben, und gestern endlich von der Küste weg ins Landesinnere hier nach Managua – endlich!
Hier ist auch alles sehr seltsam – die Stadt gibt es eigentlich gar nicht, die meisten Gebäude sind beim Erdbeben 1972 völlig zerstört und dann noch sehr viel im Bürgerkrieg 78/79. Es gibt nur noch riesige Außenbezirke mit einstöckigen Häusern, im Stadtzentrum stehen ein halbes Dutzend großer Häuser, ziemlich verstreut, dazwischen riesige Ruinenfelder oder einfach Wiesen. Wir werden uns mal umsehen in den nächsten Tagen.
Straßenszene in Managua, Nicaragua 1981, kurz nach der sandinistischen Revolution.
Ich weiß nicht, ob ich es schon geschrieben habe: am 22.12. oder einen Tag später fahren wir nach San José, Costa Rica, vor Neujahr nach Panama (vielleicht wird es schwierig mit der Post, weil angeblich alles zurücḱgeschickt wird, wenn nicht „Republic of Panama“ draufstehe). H. hat uns geschrieben, daß er uns Geld nach Bogotá schickt, das beruhigt uns.
Wir schrieben viele Weihnachts- und Neujahrskarten, wenn wir jemanden vergessen, bitte entschuldigt uns – das Porto ist auch nicht gerade billig bei der Menge. Sonst geht es uns gut, wir sind gesund und munter und schon kräftig gebräunt.
Die nächste Post wahrscheinlich aus Panama, deshalb jetzt schon ein fröhliches Weihnachen und vorsorglich einen guten Rutsch – wir werden Weihnachten in großer Hitze erleben, aber sehr gut essen gehen. Grüße von Susanne!
Burkhard
Alfabetización
Postkarte aus Nicaragua an meine Großeltern, abgeschickt am 10.12.1981. Damals war Nicaragua noch fortschrittlich. Heute müsste man die Regierung zum Teufel jagen wie damals Somoza.
Auf der Rückseite steht gedruckt: Serie: Postales Educativas. Diseño gráfico de la collectión de afiches de las Cruzada Nacional d Alfabetización. Ministerio de Ecucación – Nicaragua libre. 1980. Año de la Alfabetización.
Unter Überfliegenden
Ich habe alle Fotos meiner vier Reisen nach Lateinamerika zwischen 1979 und 1998 jetzt online. Drei oder vier fehlen noch; die sind aber wenig aussagekräftig und nicht zuzuordnen. Hier ist das letzte, womit ich eventuell etwas anfangen kann. Ich hatte es als „irgendwo in Mexiko“ eingeordnet, aber das stimmt vermutlich nicht.
Ich habe einen Verdacht, wo es sein könnte: Ich habe 1979 beim Flug von Guatemala City über Tegucigalpa in Honduras nach San Andrés in Kolumbien (die Insel liegt auf der Höhe von Nicaragua) ein Foto gemacht, das ich aber nicht finde. Es könnte dieses sein, zumal ich weder 1979 noch 1982 in Mexiko geflogen bin.
Aus meinem Reisetagebuch, 04.11.1979: „Wecken um 5.30 Uhr. Ohne Frühstück zum Flughafen. 5 $ Ausreisetax. 8.30 Uhr Start nach Tegucigalpa. In Honduras Maschinenwechsel. Exzellentes Mittagessen [im Flugzeug], Wein und Wodka. Hochebene von Nicaragua bis zur Küste fast menschenleer. [Vielleicht zeigt das Foto Nicaragua – auf der ersten Reise habe ich das Land nur überflogen.] Von Tegucigalpa bis San Andrés 1 1/2 Stunden. Das Meer ist knallblau. Einreiseformalitäten in San Andrés ohne Schwierigkeiten. Brüllende Hitze. Banken und Fluggesellschaften alle geschlossen. Fragen uns durch zum „Restrepo“ oder so ähnlich. (Flughafen links, noch mal links, gegenüber eine Fischbraterei auf der linken Seite.) 70 Pesos pro Person. Essen 50 Pesos. Treffen zwei Deutsche, geben uns Adressen und Empfehlungsschreiben für Ecuador. [Ich weiß nicht mehr, was ich damit meinte.] Wunderschöne Mädchen.“
Warum habe ich das damals alles notiert? Vermutlich, weil ich es nicht besser wusste bzw. konnte. Meine Tagebücher von 1981/82 und 1984 lesen sich ganz anders.
Als ich die ersten Fotos aus Lateinamerika (ich weiß nicht, wann das war) hier online stellte, habe ich nur selten in meine Reisetagebücher geschaut. Ich überlege, ob ich deshlab noch mal ganz von vorn anfangen sollte, und auch in der zeitlichen Reihenfolge, in der ich real gereist bin. Ich will das alles auch den Nachgeborenen hinterlassen, ganz gleich, ob die daran interessiert sind oder nicht. Man hat sich bemüht.
Was sagt das Publikum? Oder habt ihr genug davon gesehen?
Iglesia de Guadalupe
Iglesia de Guadalupe, Calle de la Calzada, Granada, Nicaragua, fotografiert Mitte Dezember 1981.
Die Kirche, eine der ältesten in Nicaragua, hat eine bewegte Geschichte.
Am 22. November 1856 begann die die Zerstörung Granadas („quema de Granada“). Piraten unter dem Anführer Charles Frederick Henningsen, einem Söldner, brannten auf Befehl William Walkers die Stadt vollständig nieder.
Nachdem wir die Kirche von Guadalupe betreten und eingeschlossen hatten, fanden wir zwanzig Leichen der hessischen Pioniere und Green’s-Schützen, unbegraben; einer war verkohlt und hatte die Hände auf dem Rücken gefesselt, was die von Kapitän Hesse zu sein schien; zehn oder zwölf unbegrabene Leichen und etwa dreißig Gräber des Feindes, nur wenige Zentimeter Erde bedeckt, alle bei dem Angriff vom Vortag getötet. Mehrere unserer Kranken und Verwundeten starben. Unsere Grabwerkzeuge, das heißt vier Spitzhacken und zwölf Hacken, wurden verwendet, um letztere zu begraben und die Gräben von Fort Henry zu bauen, so dass uns etwa sechzig verwesende Leichen neben uns in einem äußerst giftigen und abstoßenden Gestank einhüllten. Wir hatten Mehl für mehrere Tage und reichlich Kaffee, und ich hatte sofort das Bedürfnis, unsere Maultiere und Pferde zu zerlegen, um sie zu verzehren. Heute (Samstag) verteilen wir die ersten Rationen Pferdefleisch. (Henningsen laut Alejandro Bolaños Geyer)
Mehr Fotos aus und ein ausführlicher Text über Granada: Granada – die fette Rosine (15.09.2012).
Noch nicht auferstanden aus Ruinen
Fotografiert im Dezember 1981, León, Nicaragua. Man wusste bei den vielen Ruinen nicht, ob die Schäden vom Erdbeben 192 herrührten oder von den Kämpfen während der Revolution 1978/79. (Vgl. u.a. „Masaya und Léon – von Löwen und Katzen“ (20.09.2012 und „Junta de Reconstruccion de Managua“ (06.09.2012)
Islas del Maíz, revisitado
Islas del Maíz, Nicaragua, englisch: Corn Islands, fotografiert in der ersten Dezemberwoche 1981.
Man kann sich das eigentlich nicht vorstellen: Ĺeere Sandstrände, türkisblaues Meer, keine (null) Touristen – aber wir wollten da so schnell wie möglich weg, und das war gar nicht so einfach. Und geplant war der Aufenthalt auch nicht.
Vgl. Selva caribeña (26.08.2022), Esst mehr Meerestiere! (05.08.2019), Maisinseln oder: Esst mehr Fleisch! (26.02.2019), sowie ausführlich: Die Küste der Miskito (07.09.2012).
Catedral de Nuestra Señora de la Asunción
Catedral de Nuestra Señora de la Asunción, Granada, Nicaragua, fotografiert am 26.12.1981. Heute ist die Kirche bunt angemalt.
Aus meinem Reisetagebuch:
Granada, eine quirlige, alte, teilweise vornehme Stadt, in der man das Konservative spürt. Wir fragen uns durch zur Pension Cabrera (40s), in der es nur Frühstück gibt. Kirchen und Plätze schön angelegt, Straßencafés. Disco sehr amerikanisch, auch Salsa-Musik. Zwei tanzende Gringos die Attraktion. Sehr viele Häuser und Veranstaltungen für Jugendliche. (…) Der Markt interessant wegen vieler unbekannter Dinge, aber extrem schmutzig. Vor dem Einganh hospital de los zapatos. Ein Nicaraguenser, Däniken-Fan. lässt sich einladen, bezahlt aber später das Essen und die Getränke….
Kathedrale und Schildkröten
Die Alte Kathedrale Santiago de Managua, fotografiert vom Parque central aus. Vorn sind ein paar Schildkröten zu sehen. Das Innere der 1926 bei einem Erdbeben zerstörten Kathedrale hatte ich am 12.12.1981 auch fotografiert.
Rio Escondido, revisited
Auf dem Rio Escondido von Bluefields an der Miskitoküste Nicaraguas nach El Rama im Landesinneren. Fotografiert Anfang Dezember 1981.
Die Pointe: Nach dem Sieg der sandinistischen Revolution am 19.07.1979 sollte alles „modern“ werden. Modern hieß: Starke Dieselmotoren. Die Boote, die dann – so modern – bestückt worden waren, machten aber auf dem Rio Escondido so hohe Wellen, dass die hart am Wasser gebauten Holzhäuser unterspült wurden und reihenweise in den Fluss fielen – Kollateralschaden des Fortschritts.
Vgl. Rio Escondido (04.09.2022) sowie „Die Küste der Miskito, revisited oder: The atmosphere is relaxed, revisited“ (07.09.2012, unterstes Foto)
Tourismo Rural oder: Poneloya, revisited
Poneloya an der Pazifikküste Nicaraguas. Fotografiert Mitte Dezember 1981.
Ich schrieb am 17.08.2019: „Ich fand es damals bemerkenswert, dass der Strand von Villen der Reichen gesäumt war, die aber fast alle leer standen, weil eben diese Herrschaften während oder nach der Revolution geflohen waren.
Ich war damals mit zwei Mädels unterwegs (auf dem Foto), und wir haben tagsüber nur faul herumgesessen. Der Trip war ein Tagesausflug von León. Ich wollte unbedingt einmal zum Pazifik.“
Curiosity
Mitte Dezember 1981, Nicaragua, entweder in Managua oder in Grenada in einer Pension. Wir haben oft selbst gekocht, und die Mädchen waren immer sehr neugierig, was wir – hier meine damalige Freundin – machten.
Rio Escondido
Auf dem Rio Escondido von Bluefields an der Miskitoküste Nicaraguas nach El Rama im Landesinneren. Fotografiert Anfang Dezember 1981.
Masaya Volcano, revisited
Pflanzen am Kraterrand des Vulkans Masaya, Nicaragua. Das Foto habe ich im Dezember 1982 gemacht. Es ergänzt mein Postings vom 07.07.2022 „Masaya Volcano“ und vom 29.12.2012 „Masaya und Léon – von Löwen und Katzen“. Von den dunklen Geheimnissen des Vulkans wusste ich damals noch nichts. (Kein Tagebucheintrag zum Vulkan vorhanden…)
Esst mehr Fleisch!
Eine Fleischerei in Bluefields, einer ehemaligen Piraten-Siedlung an der Miskitoküste Nicaraguas, fotografiert im November 1981 (mehr über Bluefields).
Aus meinem Reisetagebuch (folgt nach Prinzapoka, revisited, das immer noch ein elendes Nest ist, was aber wertfrei gemeint ist):
Die Miskito, erzählen sie [das sandinistische Ehepaar, bei dem wir in Prinzapolka waren], möchten am liebsten, dass alle Kreolen nach Afrika und die Weißen nach Managua transportiert werden. Außerdem warten sie auf einen „König“, der sie befreien kommt. Sie [das Ehepaar] scheinen nicht viel von ihnen zu halten.
Die Rama leben auf der Bahia von Bluefields, Die Sumu [Mayangna] mehr im Landesinneren, mischen sich aber nicht. Die Miskito im Inneren haben auch geschrien: Amis raus!, aber jetzt mögen sie englischsprachige Leute (und unterscheiden vermutlich nicht zwischen Gringos und Engländern). (…)
[Bluefields] …insgesamt enttäuschend. Bemerkenswert: Das Chaos auf den Märkten, obwohl zu merken ist, dass die Sandinistas hier völlig aufgesetzt sind.
Selva caribeña
Dschungel, karibische Version, auf Corn Islands (Nicaragua 1981), spanisch: Islas del Maiz. Eine Mischung aus Palmen, Mangroven und allerlei Gewächsen, die ich nicht kenne – man kommt da keinen Schritt weit, und wenn man erst drin steckt, verliert man sofort die Orientierung, wenn man keinen Kompass dabei hat.
Nicaragua’s eastern tropical lowlands, adjacent to and including the Caribbean, are very different from the rest of the country geographically, ecologically and culturally. The area is in reality, a world unto itself. Much of the area is uninhabited and covered with dense tropical rain forest. The most populous area is on the coast. The two largest towns are Blufields and Puerto Cabezas.
Es ist unfassbar, wie sich die Verhältnisse auf den zwei Inselchen geändert haben. Damals gab es nur eine Bruchbude, die sich Hotel Playa nannte, und keinerlei Touristen.
Als die Revolution noch Revolution war
Straßenszene in Managua, Nicaragua 1981, kurz nach der sandinistischen Revolution.
Die Guerillabewegung FSLN stürzte am 19. Juli 1979 die seit 43 Jahren bestehende Diktatur der Somoza-Dynastie unter Präsident Anastasio Somoza Debayle.
Aus meinem Reisetagebuch, 12.12.1980, über Managua:
Zuerst eine allgemeine Enttäuschung. Es hat sich das geändert, was sich in den Augen der Leute hat ändern müssen (warum auch mehr!) und nicht das, was wir ändern würden.
Architektur: Bei der Ankunft überrascht schon, dass ausser dem Intercontinental und der Bank of America keine Orientierungspunkte da sind, fast alle Häuser sind einstöckig. [Das scheint heute auch nicht viel anders zu sein.] Das Leben spielt sich in den barrios ab, die fast nur aus Holzhütten bestehen. Sie machen einen geschlossenen, „nachbarschaftlichen“ Eindruck. Es ist schwierig, sich sich bei der eigentlich wünschenswerten Dezentralisierung zurechtzufinden.
Die Taxis fahren feste Routen, wir bezahlen 25 vom Busbahnhof Atlantico bis zur Hospedaje Santos Iich bin mir nicht sicher, aber das könnte es gewesen sein.] In der Stadt liegen einige Lagunen, die aber nichts Besonderes sind. Keine Straßen zum Lago zu sehen.
Das Zentrum: Fast alles zerstört. Die Kathedrale mit einem riesigen geschmacklosen Sandino-Plakat davor. Am Nationalpalast außenm verlegte Telefonloeitungen, im Park daneben ein Bassin mit Alligator und Tortugas. Zum Lago hin ein schrecklicher Museumtempel [?] im Baustil des World Trade Center, ebenso die Bank of America. Daneben das neue Casa de gobierno, hell, aber auf den Wind, der überall durchpfeift, hat man beim Bauen nicht geachtet.
Überall stehen Ruinen herum, in denen [Leute] unter primitivsten Bedingungen hausen. Sie bauen wohl viel, angeblich jede Woche ein paar neue Gebäude und Straßen (Avenida Bolivar soll 14 Mio. gekostet haben, drei davon kamen aus Venezuela.) Auf dem Mittelstreifen wird der Rasen gesprengt, natürlich vorwiegend in der Mittagssonne, und Unkraut gejätet. Die Post steht noch. Alles voller Militärs, fotografieren riskant.
Masaya Volcano
Blick in den Krater des Vulkans Masaya, Nicaragua. Das Foto habe ich im Dezember 1982 gemacht. Es ergänzt mein Posting vom 29.12.2012: „Masaya und Léon – von Löwen und Katzen“. Von den dunklen Geheimnissen des Vulkans wusste ich damals noch nichts. (Ich finde gar keinen Tagebucheintrag zum Vulkan…)
Prinzapolka, revisited
Ein Nachtrag zu meinem Posting vom 16.01.2011:
Eine von der Brandung unterspülte Baumwurzel an einem einsamen Strand an der Atlantiküste Nicaraguas in der Nähe von Prinzapolka. (Das Haus direkt am Stand scheint es nicht mehr zu geben.)
Miskito Coast, Nicaragua, 03.12.1981. Tropische Nächte auf einem kleinen Schiff, lauer Wind und kitschige Sonnenuntergänge. Die Küste ist noch in Sicht, am zweiten Tag verschwindet sie am Horizont. Nach Süden, nach Bluefields, dem ehemaligen Schmugglernest, das schon oft durch Hurrikane verwüstet wurde. Wie so oft bereitet uns der capitán des Schiffes eine Überraschung. Wir legen in Prinzapolka an, einem Küstendorf, besiedelt von Miskito, die alle zu den protestantischen Herrnhuter Brüdern gehören. Uns bleiben nur wenige Stunden. In einem komfortablen Haus am Strand wohnt ein junges Ehepaar, beide überzeugte Anhänger der Sandinistischen Bewegung und offenbar deshalb sozial isoliert. Sie freuen sich riesig über die Fremden und zeigen uns voller Stolz ihre Bibliothek, die fast ausschliesslich aus Reader’s Digest-Bänden besteht.
Was mag aus den beiden netten Sandinistas geworden sein? Haben die Contras sie umgebracht? Sind sie ins Landesinnere geflohen? Haben die Miskito sie vertrieben? Ich werde es nie erfahren…
Bekämpfung neuer Spezialherausforderungen
Friedhof in Granada, Nicaragua, fotografiert 1980
Die Russen feiern wie gewohnt mit großen unkritischem Geschwurbel den Diktator Nicaraguas. Ortega hat sich die Russen ins Land geholt, damit sie seine bröckelnde Macht sichern: „Der Erlass zur vorübergehenden Präsenz ausländischer Militärangehöriger in Nicaragua, einschließlich der russischen, sei keine Sensation, sagte die Vertreterin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Russland arbeitet zusammen mit Nicaragua auf dem Gebiet der Verteidigung und der Bekämpfung neuer Herausforderungen“ bla bla.
Zu Nicaragua habe ich schon alles Nötige gesagt. Ich schrieb: Nicaragua, Honduras, Salvador und Guatemala brauchen erneut eine Revolution, um die Regimes von korrupten Politikern und Verbrechern davonzujagen. In diese Länder kann man nicht mehr reisen.