Museum auf dem Heuschreckenhügel

Museo Nacional de Historia, Castillo de ChapultepecMuseo Nacional de Historia, Castillo de Chapultepec

Fotografiert vom Museo Nacional de Historia, Castillo de Chapultepec, 06.10.1979, Mexiko-Stadt. Ich musste ein wenig herumsuchen, bevor ich die Perspektive fand, von der aus ich damals fotografiert hatte. Auf dem oberen Foto sieht man die Avenida Chapultepec; auch das gelbe Hochhaus steht noch da.

Auf dem unteren Foto in der Ferne der Vulkan Popocatépetl; also habe ich nach Südosten geblickt.

Mein Tagebucheintrag ist dünn: Ich war allein da, weil mein Begleiter von Montezumas Rache geplagt wurde.

image_pdfimage_print

Foodporn: Kaloriengefürchtetes Geselchtes

kasseler mit bohnen

Frage: Warum geht man in ein Restaurant, wenn man das Essen, was dort geboten wird, auch selbst zubereiten kann und sogar besser? Nur um sich die Mühe des Kochens zu sparen, aus Zeitmangel oder weil der Kreis der Esser zu groß ist? Gibt es noch andere Gründe? Mir fallen keine ein. Noch könnte ich es mir leisten, aber wer weiß, wie das wird, wenn ich erst einmal alt werde. (Hat da jemand gelacht?)

Hier also Kasseler im Topf geschmort an frischen Bohnen mit Speck und Erdäpfeln Kartoffeln als Sättigungsbeilage. Ich musste meinem Mitbewohner, der nur wenig Deutsch spricht, erklären, was Koscheres auf dem Teller lag. Auf Spanisch oder Englisch musste ich passen – also Alexa das Internet: Kasseler kommt mitnichten vom gleichnamigen Ort, sondern von der Kasserolle, ist also Französisch, obwohl es dazu auch andere Theorien, gibt, die ersteres nicht ausschließen. Carne curada, das mir von Google angeboten wird, trifft es vermutlich nicht richtig, weil „gepökelt“ eigentlich „salar“ heißen müsste?

Die frischen (!) Bohnen kann man auch professionell zubereiten: Nach dem Waschen und Kochen mit Bohnenkraut (Lidl: „Ham wa nich!“) mit Eiswasser abschrecken.

Die Dienstvorschrift geht so: Die Zwiebeln in große Würfel schneiden. Die Margarine oder das Butterschmalz in einem großen Topf zerlassen und das Kasseler darin von allen Seiten kräftig anbraten. Dann das Kasseler aus dem Topf nehmen und auf einem Teller zur Seite stellen. Die Zwiebeln in den Topf geben und braun werden lassen.

Wenn die Zwiebeln leicht angebräunt sind, das Kasseler wieder zurück in den Topf geben. Das Wasser (am besten: heißes) dazu gießen – ungefähr so viel, dass das Fleisch zu zwei Dritteln bedeckt ist. Aufkochen lassen und ca. 60 Minuten bei mittlerer Hitze im geschlossenen Topf schmoren.

Dann nach Bedarf Salzen und Pfeffern. Ich musste gar kein Salz nehmen, da das Fleisch schon salzig genug war. (Ich habe als Student einmal in einer „Speckfabrik“ gearbeitet; ich weiß, was man da macht und vor allem wie.)

Das Kasseler herausnehmen und in Scheiben schneiden. Die Flüssigkeit mit dem Soßenbinder andicken und die Kasselerscheiben zurück in die Soße geben.

Ich hatte in der Zwischenzeit schon die Kartoffeln und die Bohnen gekocht und letzere mit Speck noch einmal angebraten. Beides kam getrennt in eine offenen und gefettete Auflaufform in den Backofen, sodass ich ca. 20 Minuten, bevor das Fleisch mit der Sauce fertig war, denselben anwerfen konnte, damit alles gleichzeitig und warm auf dem Tisch war.

Nachtisch: Vanilleeis mit heißer Schokosauce und ebensolchen Himbeeren.

Jetzt die Pointe: Wenn man die Kosten meines Mahl mit dem Preis eines vergleichbaren Gerichts im Restaurant meines Vertrauens vergleicht, lernt man etwas über Surplusprofit (man möge mir verzeihen – das ist nicht der korrekte Begriff): Kasseler kostet beim Metzger meines Vertrauens 20 Euro pro Kilo; ich hatte 750 Gramm für zwei Personen gekauft, was schon recht viel ist. Kasseler für eine Person kostet also, wenn man es selbst macht, halb so viel wie in einem guten Restaurant. Der Selbstkostenpreis meines Bratens samt Beilagen für eine Person läge um die zehn Euro. Jetzt mein Stundenmindestlohn dazugerechnet…

Oder habe ich mich verrechnet?

image_pdfimage_print

Fußbodenschleifmaschinenverleih

fußbodenabschliff

Fußboden bei einer Freundin abgeschliffen. Motto: Einmal mal richtig einsauen… (18.3.2004)

image_pdfimage_print

Gehe nicht über Los

monopoly

Kapitalistisches Gesellschaftsspiel im engsten Familienkreis (07.11.2006)

image_pdfimage_print

Down but not out and stronger than ever

times
Aus einem russischen Propaganda-Kanal und deshalb automatisch voll gelogen.

Ich habe hier noch ein paar Nachrichten.

Berliner Zeitung: „Selenskyj bietet uns Strom an – den er nicht hat und den er nicht bezahlen kann!. Ach?!

NATO Defense College: „Russia’s military after Ukraine: down but not out“. Will heißen: Die NATO glaubt, dass die Russen ihr militöärische Potentail nur begrenzt einsetzen, weil sie eventuell einen NATO-Staat angreifen wollen – als Option. Das entspräche Putins Aussage, man habe noch gar nicht richtig angefangen.

– Apropos Putin. Der Guardian meint: „The rouble is soaring and Putin is stronger than ever – our sanctions have backfired“.

– Dann habe wir noch etwas über die westlichen Werte. Die Nachdenkseiten haben einen schönen Artikel Werner Rügemers über den Zustand der Ukraine: „Die Ukraine ist korrupt – wissen wir, macht nichts, ist ja für die gute Sache. Aber die ärmste und kränkeste Bevölkerung, Land als Drehscheibe der europaweiten Niedrigstlöhnerei und des Zigarettenschmuggels, Weltspitze beim Handel mit dem weiblichen Körper – und mehr Soldaten als jeder europäische NATO-Staat“.

Jetzt verstehe ich auch, warum „der Westen“ der Ukraine hilft.

image_pdfimage_print

Ponton et al

pontonbrücke
Pontonbrücke neben der zerstörten Antonovskiy Bridge. Source: Russische Propaganda, also voll gelogen.

CNN führt die Gründe auf, warum die ukrainische „Gegenoffensive“ im Süden wahrscheinlich nicht gelingen wird. Ich vermute aber, dass das in den deutschen Medien nicht erörtert wird.

image_pdfimage_print

Die Lage und auch anderes [Update]

raumstation
Russische Raumstation, ca. 2028 – die wird aber ein bisschen teuer.

– Russland zieht sich vom Rückzug zurück will sich doch nicht von der ISS zurückziehen, solange es keine eigene Raumstation hat. Es bleibt also vorläufig alles, wie es ist. Gut, dass wir darüber geredet haben.

Meine Meinung: Die Russen werden irgendwann mit den Indern kooperieren oder als Gäste bei den Chinesen mitmachen, obwohl deren Raumstation angeblich nur rund zehn Jahre hält.

vogue
„Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass irgendjemand sich bewusst ist, wie wir es emotional bewältigen konnten.“

– Die russische Offensive hat begonnen. („The entire front has been activated since yesterday morning.“) Offenbar ist Bakhmut („geringes Verkehrsaufkommen“) das nächste Ziel im Donbass. Die Ukrainer meinen wie gewohnt, sie hätten schon fast gewonnen, weil sie eine Brücke zerbröselt haben. Die nächste, über die russischer Nachschub per Straße kommen könnte, ist aber nur rund 30 Kilometer entfernt.

– Dann haben wir noch die Documenta, reloaded. Man könnte aus Verzweiflung über diese antisemitischen Dumpfbacken auf die Idee kommen zu fordern, dass alle deutschen Künstler und alle, die aus islamischen Ländern kommen, erst einen Aufsatz über die Geschichte Israels seit 1948 schreiben müssen, bevor etwas von ihnen öffentlich gezeigt wird, und dass sie – falls sie sich weigern – gezwungen werden, in einer israelischen Siedlung nahe Gaza unter Raketenbeschuss der Hamas ein freiwilliges Jahr bei der Feldarbeit ableisten müssen.

– Lügen auf Fratzenbuch wird wieder erlaubt bei bestimmten Themen. Bei anderen war übrigens nie verboten.

[Update] Ich habe noch eine gute Nachricht, aber die verstehen nur Stammleser.

image_pdfimage_print

Narzissmus in Neukölln

narzissmus

Was sagen die hier mitlesenden Psychotherapeuten und Psychoanalytiker dazu?

image_pdfimage_print

Scharfe Paprikaförmchen à la Burks

paprikaförmchen

Hier etwas, was ich gestern zum ersten Mal ausprobiert und aus mehreren ähnlichen Rezepten zusammengekocht habe. Koscher (falls nur Rinderhack genommen wird), aber nicht vegetarisch.

Zutaten:
– Rote Paprikaschoten (so viele, dass die Hälften in eine oder zwei Auflaufformen passen (vgl. Bild)
– je nach Menge der Paprika-Hälften zwischen 300 und 500 Gramm Hackfleisch (bei fünf Paprika sind 500 Gramm zu viel)
– zwei Zwiebeln und vier Knoblauchzehen
– zwei grüne Peperoni
– Öl
– zwei (kleine) Dosen Kidneybohnen (ungefähr so viel wie das Hackfleisch)
– schwarzer Pfeffer und ein Esslöffel Oregano (frischer ist natürlich besser, aber ich kriege den kaum in den Supermärkten meines Vertrauens)
– drei bis vier Eier (ich nahm vier, ist auch ein bisschen zu viel)
– 200 Gramm Schmand (zwei Becker, dito)
– geriebener Käse
– Die Paprikaschoten und die Peperoni aushöhlen und waschen. Die Peperoni in kleine Streifen schneiden.
– Öl in die Pfanne. Die Zwiebeln, den gepressten Knoblauch, die Peperoni-Streifen und das Hackfleisch anbraten. Aufpassen, dass die Zwiebeln nicht anbrennen – die brauchen einen kleinen Vorlauf.
– Wenn das Hackfleisch nicht mehr rot aussieht, die vorher abgetropften Bohnen dazugeben.
– Alles mit Salz, Pfeffer und dem Oregano abschmecken, dann die Pfanne vom Feuer vom Herd nehmen.
– Backofen auf 225 Grad (bei meinem Ofen braucht es etwas weniger, vielleicht ist der einfach besser als andere) vorheizen.
– Mit gerollter Alufolie „Ringe“ bzw. „Förmchen“ anfertigen, weil die Paprikaschoten-Hälften nicht kippen dürfen – diese dann in die Auflaufform (oben offen) in die „Förmchen“ stellen. Wenn die die Auflaufform genau ausfüllen und von selbst nicht kippen, braucht man die „Förmchen“ nicht.
– Die Hackfleischmischung in die Paprikahälften füllen, so dass diese fast voll sind.
– Die Eier mit dem Schmand vermatschen verrühren und (am besten mit einer kleinen Schöpfkelle) vorsichtig in die Paprikahälften füllen.
– Danach den Käse darüber streuen.
– Auf der zweiten Einschubleiste von unten eine knappe halbe Stunde backen. Die Menge oben reicht für zwei Personen, und es bleibt noch etwas übrig.

Guten Appetit! (Wenn andere Leute Homestories machen lassen, kann ich auch in Kriegszeiten Rezepte anbieten.)

image_pdfimage_print

I love men

Avatar-profil

Avatar-Profil (vergrößern!) in Secondlife. Die Dame, wenn es denn eine ist, hat offenbar Humor. Sie spielt eine Art Amazone, in John Normans Büchern „Panther“ genannt.

image_pdfimage_print

Atlas der Nationen

atlas major
Der Atlas Maior, vom Amsterdamer Verleger Joan Blaeu 1662 bis 1665 zusammengestellt, blieb über 100 Jahre der verbindliche Weltatlas. Er kostete damals umgerechnet 20.000 Euro und war das teuerste Buch des 17. Jahrhunderts.

Ich lese gerade ein Buch zwischendurch, das mich angenehm überrascht -von Helmut Walser Smith Deutschland – Geschichte einer Nation. Wenn man das nationalistische Gefasel der Bandera-Fans anhört oder ähnliches aus Russland, dann möchte man mit einem großen Knüppel klarstellen, dass eine „Nation“ immer ein politisches Projekt und nie etwas Reales ist. Walser Smith zeigt sehr schön, dass bis zur Napoleonischen Zeit niemand auf die Idee kam, von einer „deutschen Nation“ zu reden, die etwa anderes war als eine gemeinsame Sprache zu sprechen.

Immerhin waren einige Teile des ursprünglichen Raumes des deutschsprachigen Europas bereits schweizerisch und niederländisch geworden, und große Teile wurden von zusammengewürfelten Staaten wie Preußen und Österreich beansprucht. Niemand verachtete diese Staaten, weil sie multiethnisch waren. Am Ende des Jahrhunderts bildeten die deutschsprachigen Untertanen in Österreich eine zahlenmäßige Minderheit, in Preußen machten sie rund die Hälfte der Bevölkerung aus. Preußische Patrioten hielten nicht weniger von Preußen, weil es fast zur Hälfte polnischsprachig war, und niemand, mit Ausnahme einiger weniger polnischer Nationalisten, hielt es für bedauerlich, dass die zweitgrößte Stadt in Preußen Warschau war. Noch 1800 gab es keinen Grund, den politischen Raum in den deutschen Gebieten mit dem sogenannten Nationalraum in Einklang zu bringen.

Schweizer verstehen das sofort. Aber wenn man darauf bestünde, was korrekt ist, dass die Ukraine keine Nation ist, sondern ein Staat, in dem mehrere Nationen leben – wie auch in Deutschland -, dass merkt man, dass an eine rationale Diskussion kaum zu denken ist. Schweizer, Kaschuben und Tscherkessen würden mich sofort verstehen.

Als Ernst Moritz Arndt das Vaterland beschwor, «so weit die deutsche Zunge klingt», dachte er an einen Zusammenschluss von Individuen zu einer Gruppe und nicht bloß an einen geographischen Raum. Umgekehrt wurde die andere, die Außenseite, nicht mehr additiv gedacht, als ein Nebeneinander von Nationen, wie es den Humanisten des 16. Jahrhunderts zufolge auf Karten und laut Gottes Plan sein sollte. Vielmehr projizierte der Nationalismus Gefühle der Liebe und des Hasses auf die eigene und andere Nationen und machte aus dem «Innen» eine begrenzte «imaginäre, erfundene Gemeinschaft», die Leidenschaft, Hingabe und Opfer hervorbrachte, während das «Außen» oder das «Andere» Neugier oder Bewunderung, ebenso oft aber auch Abneigung und sogar Hass weckte

atlas major

image_pdfimage_print

Eigentliche Vögel

papageien

Guyana Zoological Park, Georgetown, 1982 – wahrscheinlich der einzige Zoo einer Hauptstadt eines Landes, der keine Website hat. Die Vögel sind Eigentliche Aras.

image_pdfimage_print

Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II)

Inka Roca
Inca Roca, erster Herrscher der 2. Dynastie von Hanan Qusqu (Ober-Cusco), Gründer der Inka-Schulen Yachaywasi (Häuser des Wissens). Gemälde von Amilcar Salomón Zorilla (Postkarte 1984).

Fortsetzung von Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) von Herrmann Parzinger

Wir müssen uns kurz mit negativer Dialektik der Subjunktion befassen, also eine Art Kontrollversuch starten, der uns erläutert, warum der kürzeste Weg zum Kapitalismus zu einer Hochkultur, also einer Zivilisation, die nicht mehr tribalistisch organisiert ist oder aus bloßer Subsistenzwirtschaft besteht, der des fruchtbaren Halbmonds und Ägypten war. Wir argumentieren also negativ: Warum blieben ganz Amerika und Afrika und Ozeanien noch im Stadium der Bronzezeit, während in Europa schon das Zeitalter der ursprünglichen Akkumulation anbrach, also des frühen Kapitalismus, mit dementsprechender ökonomischer und waffentechnischer Überlegenheit? (Asien kriegen wir im dritten Teil.) Was sind also die Variablen und die Konstanten?

Dumme Frage: Hätte eine römische Legion die Inka-Armee plattgemacht? Oder hätten die Spartaner gegen die Muisca gewonnen? Ja, weil die Hochkulturen Süd- und Mittelamerikas zwar Gold und Silber in Hülle und Fülle besaßen, aber keine Eisenverhüttung kannten, keine Pferde und das Rad nicht zum Transport genutzt wurde. Auch Afrika – etwa die Nok-Kultur – war hier viel „langsamer“.

Laut Parzinger fand man erste Spuren menschlicher Siedlungen in Südamerika schon 12.000 Jahre v. Chr., also im Pleistozän. Sechs Jahrtausende später bauten die Menschen der Las-Vegas-Kultur“ schon Mais und Kürbisse an. (Leider kannte ich damals die Liebenden von Sumpa nicht, sonst hätte ich heute ein Foto von ihnen.)

schädel
Künstlich herbeigeführte Schädeldeformationen aus der Paracas-Kultur (900 bis 200 v. Chr.) bei Ica in Peru (Marcin Tlustochowicz/Wikipedia)

Die Valdivia-Kultur in Ecuador existierte zeitgleich mit dem alten Ägypten; man hat laut Parzinger auch Monumentalbauten errichtet (die ich aber im Internet nicht finden konnte). Spannend ist, dass heute sogar ein Kontakt der Ur-Ecuadorianer mit Japan nicht mehr unwahrscheinlich ist.

Als sich in Südamerika die ersten Chiefdoms bildeten, etwa im kolumbianischen San Augustin mit seinen kolossalen Steinfiguren, sind wir in Zentraleuropa schon bei den Domschätzen angelangt, die ich der Leserschaft zum Erbrechen vorgeführt habe, Kaifeng in China hatte schon eine halbe Million Einwohner, Cordoba, Kairo und Bagdad waren Weltstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Die „Großstadt“ Chavín de Huántar in Peru hatte ihre Blütezeit, als die Römer schon halb Europa eroberten.

Parzinger spricht in Südamerika von vielen „retardierenden Bedingungen“, vor allem ökologischer Natur, zum Beispiel bei der Chinchorro-Kultur, deren Mumien 2000 Jahre älter sind als die der Ägypter:
Der trotz allem unwirtliche Lebensraum beeinträchtigte auch ihren allgemeinen Gesundheitszustand, wie paläopathologische Untersuchen an den Skeletten erbracht haben. Der permanente kalte Wind führte allenthalben zu Entzündungen des Ohrkanals. Hinzu kam die hochinfektiöse sogenannten Chagas-Krankheit – eine ebenso heimtückische wie unheilbar-chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die den Betroffenen oft ein jahrzehntelanges Leiden beschert-, während der Verzehr von rohem Fisch vielfach zur Infektion mit Bandwürmern führte. Osteoporose war weitverbreitet, und die meisten Männer wie Frauen litten aus unterschiedlichen Gründen an manifesten Rückenproblemen. Viele Infektionen zogen sich die Träger der Chinchorro-Kultur aber ganz offensichtlich auch bei der Mumifizierung ihrer Verstorbenen zu, wenn sie mit infizierten Körpern hantierten und dabei keine entsprechende Vorsicht walten ließen.

Das allein beantwortet aber nicht die Frage nach den Variablen und Konstanten. Zum Beispiel gab es – im Unterschied zu Vorderasien, Afrika und Europa – in Amerika keine Reittiere und auch keine, die schwere Lasten ziehen können. Lamas finden Menschen auf ihrem Rücken unsympathisch und wollen auch partout nichts ziehen; Kamel und Dromedare lassen es hingegen mit sich machen. Das Pferd als Ackergaul ist eine „Erfindung“ des frühen Feudalismus in Nordwesteuropa. Rinder gab es in China schon vor zehn Jahrtausenden, und Pferde mindestens so lange wie im Vorderen Orient. Aber für den Reis- und Hirseanbau, die zentralen Pfeiler der chinesischen Landwirtschaft, braucht man Rinder und Pferde kaum als Nutztiere.

Parzinger schreibt, dass vor allem die ökologische Kontinuität im Fruchtbaren Halbmond ein Vorteil für Ackerbauern war; in Afrika hingegen wechselten die klimatischen Bedingungen oft (wenn man in Jahrtausenden denkt). Indien, China und auch das alte Mesopotamien und Ägypten haben mit den Hochkulturen Mittel- und Südamerikas gemein, dass die herrschende Klasse Teile der Arbeit kollektiv organisieren musste, vor allem die Regulierung des Wassers für die Landwirtschaft. Die Inka kannten überhaupt keinen Privatbesitz an Grund und Boden. Deren Klassenherrschaft war immerhin so effektiv, dass die Konquistadoren sie fast bruchlos übernehmen konnten und nur das Personal austauschten. Allerdings wurden alle „alten“ kollektiven Formen wie etwa des eher „genossenschaftlichen“ Ayllu, marginalisiert.

Man könnte herumspekulieren, dass die kollektive Organisation der Arbeit – auch die so genannte „Asiatische Produktionsweise“ (hier auch „alt-amerikanische“) – für die Entwicklung zum Feudalismus eher hinderlich ist, was die „Geschwindigkeit“ angeht. Der Kapitalismus setzt voraus, dass es Massen von Menschen gibt, die nichts mehr zu verkaufen haben als die Arbeitskraft, also den „freien Warenproduzenten“. Das setzt aber den an die Scholle und an den Feudalherrn gebundenen Bauern voraus: Wenn der von beiden „erlöst“ wird, ist er Proletarier oder Landstreicher oder tot. Der Feudalismus setzt mitnichten eine Sklavenhaltergesellschaft voraus. Die – die mitteleuropäische Antike – ist eher ein historischer Sonderfall, begünstigt aber den Ruin der kleinen Bauern, der letztlich im Kolonat endet. Von dort ist es nicht mehr weit – sogar ein fließender Übergang – zur Villikation und zum Feudalismus.

Post Scriptum: Ich werde den Parzinger in die allgemeine Reihe über den Feudalismus aufnehmen. Der dritte Teil über Asien folgt alsbald.

unku
„Unku“ (Tunika oder Poncho) aus gewebter Baumwolle, ca. 1400-1600 (Postkarte 1984)
__________________________________________

Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

image_pdfimage_print

Graziös im Dreier

indisches essen

Jetzt fühle ich mich wie Paris. Hoffentlich gibt es keinen Krieg wegen mir. Helena wäre aber ok. (Ab Morgen blogge ich wieder etwas Vernünftiges.)

helena
Helena (Symbolbild)

image_pdfimage_print

Unter Patamonas

annai

Nachdem das gestrige Foto aus Guyana ein Pleite war, da ich es schon einmal veröffentlicht hatte, hier eines, das garantiert noch nie online war – und exotisch ist es auch. Ich bin fast versucht zu wetten, dass niemand aus dem Publikum jemals dort war.

Ich schrieb hier am 13.01.2011: „Ich war zwei Mal in Guyana und bin beide Male mit der Guyana Airways Corporation geflogen, die eine bewegte Geschichte hat: Guyana Airwyys Corporation„In the 1980s Guyana Airways Corporation’s domestic operations started to deteriorate for a number of reasons, not least among them the unrealistically low fares it was required to charge and the lack of access to foreign exchange for imported aircraft parts and other requirements. The private sector therefore began to fill the gap and by 1991 three major domestic charter operators had emerged. In the meantime, Guyana Airways Corporation’s domestic service continued to deteriorate and, by 1993, possessed only one Twin Otter DHC-6 to service the entire country“.

Haha. Das Luftwesen Guyanas machte schon damals keinen guten Eindruck auf mich. [Dieser] Flughafen ist der in Annai bzw. Mahdia in Zentral-Guyana. Ja, ist schon gut, es handelt sich nicht um einen Flughafen, sondern um einen „Landeplatz“, Kennung MHA. So sah das auch aus. Damals gab es noch keine Straße, die die Savanne an der Grenze zu Brasilien mit der Hauptstadt an der Küste verband. Das Hubschrauberwrack auf der Landebahn beruhigte die wenigen Fluggäste auch nicht gerade.

„The population in Mahdia as of 2012 was 2,563 people, and is of three groups. The Patamonas, an indigenous Amerindian tribe, are involved in farming, hunting and mining. The Coast Landers, residents from the coastlands of Guyana, migrated to the hinterland to seek employment mainly mining. The third group, called Islanders, are immigrants, and their descendants are from the Caribbean Islands, particularly, St Lucia and Dominica.“

„Ein Brunnen ist nicht mehr in Betrieb, die Einwohner nutzen Regenwasser zur Wasserversorgung.“ Also die absolute Pampa.

Aus meinem Reisetagebuch 25.02.1981: „Am Morgen, nach der obligatorischen Auto-Reparatur werden wir [von der Manari-Ranch] nach Lethem gebracht (…). Am Flughafen haben wir erst einmal 35 Guyana Dollar für das Übergewicht [der Rucksäcke] zu zahlen, weil nur 25 lbs erlaubt sind. Leider ist das Wetter nicht so gut, so dass wir nur am Anfang ein bisschen sehen können. Im Flugzeug ein schwitzender Engländer mit Uralt-Kamera. In Annai macht das Flugzeug – vermutlich seinetwegen – einen „Test“. [D.h.: wir mussten alle aussteigen, das Flugzeug startete, flog eine Runde und landete wieder, während der Engländer fotografierte.] Viele Amerindians, die Frauen in Gruppen isoliert von den Männer…

image_pdfimage_print

Weites Land, revisited [Update] [Update 2]

rupununi

Die Rupununi-Savanne im Westen Guyanas in der Nähe der Manari-Ranch, fotografiert Ende Februar 1980. Ich war auch schon einmal 1980 da. Aber beim ersten Mal war meine Kamera kaputt, weil sie in Brasilien in den Rio Branco gefallen war. Ich habe daher von meinem ersten Aufenthalt in Guyana keine Fotos.

Auf Facebook gibt es eine grandiose Panorama-Aufnahme der Ranch von oben – mit dem Foto konnte ich anhand der Bergkette klären, dass ich meine Bilder aus der Perspektive nicht seitenverkehrt eingescannt hatte.

[Update 2] Im Hintergrund die Kanuku Mountains.

[Update] Ich habe gerade gemerkt, dass ich das Foto schon einmal hier veröffentlicht hatte.

image_pdfimage_print

The Masculine Soul

würstchen mit Senf
The Masculine Soul (Symbolbild): Wiener Würstchen, selbst gemachte Berliner Currywurstsauce, bayerischer süßer Senf, Düsseldorfer Löwensenf. #multikulti

Ich bin ein biologischer Mann. Das darf man übrigens nicht mehr sagen.

image_pdfimage_print

Hier ist nicht Sparta

class struggle greece

Hat hier jemand die FDP gewählt?
– „Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Reformpolitik Griechenlands nach der Schuldenkrise als „sehr beeindruckend“ bezeichnet und sie auch Deutschland als Vorbild empfohlen.(…) „Für uns ist dabei ein Orientierungspunkt die beeindruckende und erfolgreiche Politik der griechischen Regierung“, hob er hervor.“ (07.12.2021)

– „Griechische Staatsverschuldung steigt auf über 357 Milliarden Euro. (…) Dazu kommt, dass die Inflationsrate in Griechenland im Juni 11,6 Prozent betrug, gegenüber 10,5 Prozent im Mai 2022, was eine der höchsten Raten in der Eurozone darstellt.“ Die Gesamtverschuldung Griechenlands liegt bei 193 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Keine weitere Fragen, Eurer Ehren.

image_pdfimage_print

Diaphragma pelvis und andere Schwellkörperschichten

beckenbodentraining

Zusätzliche Hausaufgabe von meiner schnuckeligen Physiotherapeutin: Jeden Tag Beckenboden-Training. Ich bin völlig platt.

Ich dachte, das machten nur Frauen? Aber nein, es gibt allerlei positive Nebenwirkungen auch bei Männern. Meine Physiotherapeutin meinte mit dem ihr eigenen Grübchen-Charme augenzwinkernd, das Training sei nicht nur zweckmäßig für meine Hüfte und das Drumherum, sondern auch wirksam gegen Inkontinenz im Alter.

Mit dem Beckenboden ist es so, was wenn man zum ersten Mal Querflöte spielen soll und man aufgefordert wird, mit dem Zwerchfell zu atmen und gar nicht weiß, wo das ist, geschweige denn, wie man es bewusst bewegen könnte. Die mir aufgetragene Übung besteht aus sechs Schritten, die jeweils nur ein paar Sekunden lang sind. Man legt sich platt auf den Rücken und zieht die Beine möglichst weit an. Die Unterlage sollte nicht durchhängen, sondern einigermaßen stabil sein.

– Dann fasst man mit den beiden Zeigefingern auf den vorstehenden Beckenknochen (den jeder hat) und mit den Daumen auf die untere Rippe.

– Jetzt das Becken nach vorn drehen, als wolle man etwa ausschütten (im Stehen ist das einfacher). Ob man sich dreht, merkt man an den Fingern, die die Knochen fühlen.

– Dann zieht man das Gemächt nach innen, als müsste man pinkeln, es aber zurückhalten (Eselbrücke).

– Dann zieht man den Bauchnabel noch nach innen.

– Nun hebt man – mit angespannten Muskeln untenrum! – die Schulterblätter an, so dass der Oberkörper vom Boden leicht abhebt.

– Jetzt noch abwechselnd mit den Händen jeweils die Hacken berühren, dabei mit der Spannung nicht nachlassen.

Ich schaffe nur das nur zehn Sekunden, dann muss ich wieder nachlassen. Ein paar Mal, wenn man ungeübt ist, und man ist erschöpft. Ich bin mal gespannt, wie oft ich das in einer Woche kann.

image_pdfimage_print

Betr.: Invadieren

arab invasionarab invasion

Die Russen marschieren in die Ukraine ein. Halt! Stopp! Das geht doch gar nicht? Wer marschiert hier wohin von allen Seiten ein? Muss man solche Leute nicht ächten, boykottieren, „Verbrecher“ nennen, vor ein Kriegsgericht stellen, sich von ihnen unabhängig machen? Zum Glück hatten die Deutschen damals keine Zeit, darüber nachzudenken, wem man jetzt schwere Waffen zukommen lassen sollte.

Übrigens: Ob ein Angriff an der Grenze bleiben, tief in das feindliche Land vordringen, ob er sich mit der Einnahme der festen Plätze vor Allem beschäftigen, oder den Kern der feindlichen Macht aufsuchen und unablässig verfolgen soll, hängt nicht von einer Manier ab, sondern ist Folge der Umstände, wenigstens kann die Theorie es nicht anders einräumen. In gewissen Fällen kann das weite Vordringen methodischer und sogar vorsichtiger sein als das Verweilen an der Grenze, in den meisten Fällen aber ist es nichts Anders als eben der glückliche Erfolg eines mit Kraft unternommenen Angriffs und folglich von diesem nicht verschieden. (Carl von Clausewitz: Vom Kriege)

image_pdfimage_print
image_pdfimage_print

Older entries