Guckst du? [Update]

Cusco (Perú)

Fotografiert in Cusco, Peru, irgendwann im Juli 1984. Ich kriege leider nicht mehr heraus, wo genau das war.

Update: Es ist das Haus des deutschen Konsulats, Calle San Augustin 307.

Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II)

Inka Roca
Inca Roca, erster Herrscher der 2. Dynastie von Hanan Qusqu (Ober-Cusco), Gründer der Inka-Schulen Yachaywasi (Häuser des Wissens). Gemälde von Amilcar Salomón Zorilla (Postkarte 1984).

Fortsetzung von Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) von Herrmann Parzinger

Wir müssen uns kurz mit negativer Dialektik der Subjunktion befassen, also eine Art Kontrollversuch starten, der uns erläutert, warum der kürzeste Weg zum Kapitalismus zu einer Hochkultur, also einer Zivilisation, die nicht mehr tribalistisch organisiert ist oder aus bloßer Subsistenzwirtschaft besteht, der des fruchtbaren Halbmonds und Ägypten war. Wir argumentieren also negativ: Warum blieben ganz Amerika und Afrika und Ozeanien noch im Stadium der Bronzezeit, während in Europa schon das Zeitalter der ursprünglichen Akkumulation anbrach, also des frühen Kapitalismus, mit dementsprechender ökonomischer und waffentechnischer Überlegenheit? (Asien kriegen wir im dritten Teil.) Was sind also die Variablen und die Konstanten?

Dumme Frage: Hätte eine römische Legion die Inka-Armee plattgemacht? Oder hätten die Spartaner gegen die Muisca gewonnen? Ja, weil die Hochkulturen Süd- und Mittelamerikas zwar Gold und Silber in Hülle und Fülle besaßen, aber keine Eisenverhüttung kannten, keine Pferde und das Rad nicht zum Transport genutzt wurde. Auch Afrika – etwa die Nok-Kultur – war hier viel „langsamer“.

Laut Parzinger fand man erste Spuren menschlicher Siedlungen in Südamerika schon 12.000 Jahre v. Chr., also im Pleistozän. Sechs Jahrtausende später bauten die Menschen der Las-Vegas-Kultur“ schon Mais und Kürbisse an. (Leider kannte ich damals die Liebenden von Sumpa nicht, sonst hätte ich heute ein Foto von ihnen.)

schädel
Künstlich herbeigeführte Schädeldeformationen aus der Paracas-Kultur (900 bis 200 v. Chr.) bei Ica in Peru (Marcin Tlustochowicz/Wikipedia)

Die Valdivia-Kultur in Ecuador existierte zeitgleich mit dem alten Ägypten; man hat laut Parzinger auch Monumentalbauten errichtet (die ich aber im Internet nicht finden konnte). Spannend ist, dass heute sogar ein Kontakt der Ur-Ecuadorianer mit Japan nicht mehr unwahrscheinlich ist.

Als sich in Südamerika die ersten Chiefdoms bildeten, etwa im kolumbianischen San Augustin mit seinen kolossalen Steinfiguren, sind wir in Zentraleuropa schon bei den Domschätzen angelangt, die ich der Leserschaft zum Erbrechen vorgeführt habe, Kaifeng in China hatte schon eine halbe Million Einwohner, Cordoba, Kairo und Bagdad waren Weltstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Die „Großstadt“ Chavín de Huántar in Peru hatte ihre Blütezeit, als die Römer schon halb Europa eroberten.

Parzinger spricht in Südamerika von vielen „retardierenden Bedingungen“, vor allem ökologischer Natur, zum Beispiel bei der Chinchorro-Kultur, deren Mumien 2000 Jahre älter sind als die der Ägypter:
Der trotz allem unwirtliche Lebensraum beeinträchtigte auch ihren allgemeinen Gesundheitszustand, wie paläopathologische Untersuchen an den Skeletten erbracht haben. Der permanente kalte Wind führte allenthalben zu Entzündungen des Ohrkanals. Hinzu kam die hochinfektiöse sogenannten Chagas-Krankheit – eine ebenso heimtückische wie unheilbar-chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die den Betroffenen oft ein jahrzehntelanges Leiden beschert-, während der Verzehr von rohem Fisch vielfach zur Infektion mit Bandwürmern führte. Osteoporose war weitverbreitet, und die meisten Männer wie Frauen litten aus unterschiedlichen Gründen an manifesten Rückenproblemen. Viele Infektionen zogen sich die Träger der Chinchorro-Kultur aber ganz offensichtlich auch bei der Mumifizierung ihrer Verstorbenen zu, wenn sie mit infizierten Körpern hantierten und dabei keine entsprechende Vorsicht walten ließen.

Das allein beantwortet aber nicht die Frage nach den Variablen und Konstanten. Zum Beispiel gab es – im Unterschied zu Vorderasien, Afrika und Europa – in Amerika keine Reittiere und auch keine, die schwere Lasten ziehen können. Lamas finden Menschen auf ihrem Rücken unsympathisch und wollen auch partout nichts ziehen; Kamel und Dromedare lassen es hingegen mit sich machen. Das Pferd als Ackergaul ist eine „Erfindung“ des frühen Feudalismus in Nordwesteuropa. Rinder gab es in China schon vor zehn Jahrtausenden, und Pferde mindestens so lange wie im Vorderen Orient. Aber für den Reis- und Hirseanbau, die zentralen Pfeiler der chinesischen Landwirtschaft, braucht man Rinder und Pferde kaum als Nutztiere.

Parzinger schreibt, dass vor allem die ökologische Kontinuität im Fruchtbaren Halbmond ein Vorteil für Ackerbauern war; in Afrika hingegen wechselten die klimatischen Bedingungen oft (wenn man in Jahrtausenden denkt). Indien, China und auch das alte Mesopotamien und Ägypten haben mit den Hochkulturen Mittel- und Südamerikas gemein, dass die herrschende Klasse Teile der Arbeit kollektiv organisieren musste, vor allem die Regulierung des Wassers für die Landwirtschaft. Die Inka kannten überhaupt keinen Privatbesitz an Grund und Boden. Deren Klassenherrschaft war immerhin so effektiv, dass die Konquistadoren sie fast bruchlos übernehmen konnten und nur das Personal austauschten. Allerdings wurden alle „alten“ kollektiven Formen wie etwa des eher „genossenschaftlichen“ Ayllu, marginalisiert.

Man könnte herumspekulieren, dass die kollektive Organisation der Arbeit – auch die so genannte „Asiatische Produktionsweise“ (hier auch „alt-amerikanische“) – für die Entwicklung zum Feudalismus eher hinderlich ist, was die „Geschwindigkeit“ angeht. Der Kapitalismus setzt voraus, dass es Massen von Menschen gibt, die nichts mehr zu verkaufen haben als die Arbeitskraft, also den „freien Warenproduzenten“. Das setzt aber den an die Scholle und an den Feudalherrn gebundenen Bauern voraus: Wenn der von beiden „erlöst“ wird, ist er Proletarier oder Landstreicher oder tot. Der Feudalismus setzt mitnichten eine Sklavenhaltergesellschaft voraus. Die – die mitteleuropäische Antike – ist eher ein historischer Sonderfall, begünstigt aber den Ruin der kleinen Bauern, der letztlich im Kolonat endet. Von dort ist es nicht mehr weit – sogar ein fließender Übergang – zur Villikation und zum Feudalismus.

Post Scriptum: Ich werde den Parzinger in die allgemeine Reihe über den Feudalismus aufnehmen. Der dritte Teil über Asien folgt alsbald.

unku
„Unku“ (Tunika oder Poncho) aus gewebter Baumwolle, ca. 1400-1600 (Postkarte 1984)
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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

Grabwächter, revisited

san augustin

Ein Grabwächter der San Agustín – Kultur in den kolumbianischen Anden. Die Statue ist rund 1500 Jahre alt. (Fotografiert 1979)

Am Rio Magdalena

San AugustinBurksSan AugustinSan Augustin

Diese Fotos habe ich im November 1979 in San Agustín in den kolumbianischen Anden fotografiert. Im Tal fließt der Oberlauf des Rio Magadalena, des größten Flusses Kolumbiens, er ist ungefähr so lang wie der Rhein. Am Hang gegenüber (3. Bild) kann man den schmalen Pfad erkennen, der im Zickzack nach oben führt. Der auf dem Pferd bin ich.

Grim records and flattening the curve

truth

[Coole und zum Thema gar nicht passende Musik ertönt]

The New York Times: „New York City officials have hired contract laborers to bury the dead in its potter’s field on Hart Island as the city’s daily death rate from the coronavirus epidemic has reached grim new records in each of the last three days.“ Das nenne ich mal apokalypisch. Gilt auch für kleine Details: Laut WDR muss der Katastrophenschutz ein Pflegeheim übernehmen, weil alle Mitarbeiter positiv getestet wurden.

Spiegel online attestiert den Mexikanern eine „gläubig-abergläubische“ und „irrationale“ Denkweise. Den „Schwarzen“ übrigens auch: „Manche Schwarze halten sich offenbar für immun gegen das Virus – ein alter Aberglaube.“

Ich kommentierte auf Fratzenbuch, bei Spiegel online schrieben Rassisten: „In Illinois, einem der wenigen Bundesstaaten, die Corona-Statistiken nach Rasse aufschlüsseln, sind Schwarze die Gruppe, die so schwer betroffen ist wie keine andere.“ Beim Homo sapiens gibt es keine Rassen. Und wer ist „schwarz“? Auch die Hellbraunen?“

Der Satz wurde alsbald geändert, jetzt steht da nicht mehr „nach Rasse“, sondern „ethnische Zugehörigkeit“. Das macht es nicht besser. Man kann auch nicht alles mit Rassismus erklären. Das ist zu einfach. Wer religiös ist oder abergläubisch, ist selbst schuld. Und sollte man nicht in Kuba nachfragen, ob dort „die Schwarzen“ auch öfter infiziert werden? Und wenn nein, warum nicht? Man könnte mit Blick auf die Statistik behaupten:

Je religiöser eine Gesellschaft ist, um so mehr Infektionen gibt es.

Eine der Lehren aus Wuhan ist: „Ärzte und medizinisches Personal sollten nur sechs Stunden arbeiten“.
Man hat in Wuhan eine klare Relation zwischen der Länge der Arbeitsschichten und der Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten sowie der Ansteckungswahrscheinlichkeit der Krankenhaus-​Mitarbeiter entdeckt. In der ersten hektischen Phase arbeiteten Ärzte und medizinisches Personal in Wuhan oft 12 bis 14 Stunden. Sehr viele Helfer haben sich damals angesteckt. Diese Entwicklung sehen wir auch in Italien und Spanien. Erst als in China sehr viel mehr Personal zur Hilfe kam und die Schichten sich auf sechs Stunden verkürzten, sanken die Ansteckungs-​ und Sterberaten. Das Personal konnte sich dann sehr viel genauer an die Vorschriften halten.

Jetzt kann man schon vorhersehen, was unsere grandiosen Politiker-Pappnasen hierzulande (laut Neues Deutschland u.a.) daraus machen: „Arbeitsminister Heil [nomen non est omen] erlaubt Ausweitung der Arbeitszeiten für Menschen in systemrelevanten Berufen“. Eine Krankenschwester in einer Rettungsstelle schrieb mir: „In der Schutzkleidung hält man es vier Stunden aus, dann ist man schon fix und fertig. Man kann nichts trinken oder essen. Meistens bleiben wir acht Stunden drin, mit ein oder zwei kurzen Unterbrechungen.“

Reporter ohne Grenzen hat im gewohnten Lautsprecherduktus Fake News verbreitet, der Begriff „Coronavirus“ werde in Turkmenistan zensiert. So was kann im freiheitlich-demokratischen „Westen“ natürlich nicht passieren.

Wer einen langen Text zu lesen imstande ist, sollte Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt lesen – obwohl der Titel „ein besorger Bürger“ abschreckt: Der Mann ist ganz vernünftig und zerlegt das kapitalistische schweizer Gesundheitssystem in winzige Stücke und trampelt darauf herum.

Die Kurve hat sich abgeflacht. Ja, aber das ist kein Grund, etwas zu ändern. Sie kann auch sehr schnell wieder in die Höhe schießen.

curve

Massnahmen zur Deradikalisierung

staatsenten

Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Steffen Bockhahn: „Auftragsvergabe an private Dienstleister im Bereich des Bundesministeriums des Innern“.
Im Zeitraum 2002 bis 2011 sind für Studien und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet der IT-Sicherheit folgende Kosten entstanden: Gesamt 81.832.000 (Studien) 88.315.000 (Entwicklungsvorhaben) (…) Eine detaillierte Aufstellung aller Studien und Entwicklungsvorhaben des BSI (Auftragssumme, Auftragnehmer, weitere Beschreibung der thematischen Anforderung, Zielsetzung) über den genannten Zeitraum ist in der vorgegebenen Frist nicht zu leisten. Da das BSI über kein zentrales IT-System verfügt, aus dem die geforderten Angaben abgerufen werden können, wäre eine umfangreiche, händische Recherche in Altaktenbeständen erforderlich.

Wenn man dieses Dokument liest, dann stehen einem die Haare zu Berge. Interessant auch die Frage 9: „Wie viele Aufträge hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit 2002 an externe Dienstleister vergeben, und welche Kosten sind dadurch entstanden“?
In der Zeit von 2002 bis 2012 wurden insgesamt 177 Aufträge in einem Gesamtvolumen von 50 720 182 Euro vergeben.

Wofür die Steuergelder zum Fenster hinausgeworfen werden, zeigt der Screenshot: Die Dauerskandalbehörde Verfassungsschutz gibt 25.000 Euro aus, um ein zweifelhaftes Internet-Video herstellen zu lassen, das angeblich Menschen „deradikalisiert“.

Das erinnert mich an ein Zitat Dr. Grace Augustines (aka Sigourney Weaver): „but now I see that you are intentionally screwing me.“

Ceterum censeo: Verfassungsschutz abwickeln!