Cusco, revisitado

Cusco

Cusco, Peru, fotografiert 1984. Ich muss aber an die hiesige Lateinamerika-affine Schwarmintelligenz appellieren: Ich kriege ums Verrecken nicht heraus, von wo ich das Foto gemacht haben könnte. Es könnten natürlich der Mirador de Plaza Sán Cristobal sein – aber das passt nicht. Vor allem verwirrt mich die Kirchturm (?), der eben nur eine Öffnung hat. Wenn man einschlägig sucht, kommt nichts, was passt. Ich dachte erst, dass es wohl die Iglesia de San Pedro am Hauptmarkt sein könnte, weil das langgestreckte Dach eben zur Markthalle passen würde, aber das kann nicht stimmen, sogar wenn das Foto seitenverkehrt eingescannt worden sein sollte.

Cusco, visitado de nuevo

cusco peru

Cusco, Peru, Blick auf den Plaza de Armas. Geradeaus, also auf der östlichen Seite des Platzes, die Iglesia de la Compañía de Jesús, links die Kathedrale.

Ich kriege nicht heraus, von wo aus ich das Foto Ende Juli 1984 gemacht habe, da die Autos von Google natürlich nicht Treppen steigen können. Ich vermute, dass ich in der Calle Ccoricalle war, westlich der Suecia.

Aus meinem Reisetagebuch:
Wir besichtigen [nach der Rückkehr von Machu Picchu] fast nichts mehr. Das archäologische Museum ist ständig wegen Personalstreiks geschlossen. Gestern verübte auf der Straße zum Markt ein ungeschickter ladrón ein Shampoo-Attentat auf mein Hemd, wohl um meine vermeintliche Verwirrung zu einem kleinen Raub oder Taschendiebstahl auszunutzen, was zum Glück nicht gelang [weil er das Shampoo auf mein Hemd statt in meine Augen spritzte – ich bin für peruanische Diebe zu groß].

Die Abende verbringen wir zumeist in einem der Restaurants in der Procuradores, die da sind: Comida de Dioses – einmal und nie wieder [gibt es nicht mehr]. Kukuly [ist heute offenbar eine Pizzeria], teuer, aber ganz nett, am besten natürlich die Pizzeria [ist heute Mia Pizza, war 1979 die einzige Kneipe, in der sich Touristen trafen, 1984 gab es schon mehrere], deren größter Teil der Gerichte auf der Speisekarte aus dem Ursprungslokal El Corsario [gibt es nicht mehr] herbeitransportiert werden muss. Unten [an der Plaza] hat ein neues Lokal eröffnet unter deutscher Leitung, es gibt Bob Marley und den neuesten „Spiegel“. (…)

Abends spät gehen wir ins Varayoq [oder Varayoc] oder ins Las Violinas, eigentlich die beste Bar, nur ziemlich voll und gestört von besoffenen peruanischen Machos, die um jeden Preis eine Gringa abschleppen wollen…

Cusco, revisitado

cusco

Cusco, Peru, am Mercado Central de San Pedro, auf den Treppen vor dem Bahnhof fotografiert, Juli 1984.

Cusco, revisitado

Cuzco

Cusco, Peru, links der Mercado Central de San Pedro, rechts die Estación Ferroviaria de San Pedro – die Eisenbahnlinie, die nach Huancayo führt -, auf den Treppen fotografiert, Juli 1984.

Calle Ccoricalle, Cusco

cusco

Calle Ccoricalle, Cusco, Peru, die verlängerte Calle Procuradores, nordwestlich des Plaza de Armas. Das Foto habe ich 1984 gemacht. Heute sieht die anders aus.

Urcos und ein paar Rätsel [Update]

urcos

Auch die Bilder meiner beiden Reisen nach Peru sind bald alle online. Bei einigen weiß ich absolut nicht weiter, wo und wann ich sie gemacht habe oder was darauf zu sehen. Das letzte, bei dem das klar ist: Oben ist die Kleinstadt Urcos samt Lagune zu sehen, fotografiert am 07.07.1984. Wir waren auf dem Weg von Puerto Maldonado nach Cusco auf der Interoceanica Sur – per LKW. Deswegen musste ich auch nicht durch irgendwelche verdreckten Scheiben fotografieren.

Wie man auf der Karte schön sieht, schlängelt sich die halsbrecherische Straße von den Andenpässen in unzähligen Serpentinen nach unten. „Unten“ heißt: Urcos liegt auf 3.127 Metern. Wir kamen aber vom Ausangate (6.384m), und Abra Pirhuayani, der Pass, um ihn nördlich zu umfahren, liegt 4.725 Meter hoch – also ein Unterschied von rund 1.270 Metern. Ich wundere mich heute noch, dass unser LKW das geschafft hat, zumal wir neben den Passagieren auch noch Baumstämme geladen hatten (das war illegal). Und die Straße war einspurig und mitnichten asphaltiert.

Ich habe also ungefähr von Cjunucunca aus fotografiert, oder wir waren sogar noch höher. (Ein ähnliches Foto vom 04.12.2022 ist vermutlich näher an Cusco.)

lima

Ein Foto aus Lima, im selben Jahr fotografiert. Ich finde die Perspektive nicht wieder, es war in den Innenstadt. Vermutlich wurde das kleinere Haus im kolonialen Stil schon abgerissen.

limalima

Die beiden Fotos oben habe ich 1979 gemacht. Ich war allein unterwegs in Lima, und der Ort war ein Museum. Ich weiß aber nicht welches, und Google wirft zu der steinernen Figur auch nichts aus. Ich dachte, dass es auch Bogotá in Kolumbien sein könnte, aber dort war ich nie allein unterwegs, nur sehr kurze Strecken. Es muss Lima sein.

machu picchu

Auch dieses Bild, aufgenommen im Januar 1980, ist ein bisschen rätselhaft. Mein damaliger Reisebegleiter ist zu sehen, und ich war mir ziemlich sicher, dass es in Machu Picchu war. Ich habe online zahllose Fotos von Steintoren dort gecheckt, aber keines sieht so aus wie das. Sie werden ja wohl kaum die Ruinen seitdem umgebaut haben. Vielleicht ist es Sacsayhuaman? Aber auch dort gibt es so ein Tor nicht.

[Update] Dank des reiseaffinen und kosmopolitischen Publikums kann ich korrigieren:

1. Das zweite Foto ist aus Havanna, Kuba, und zeigt das Hotel Ambos Mundos (mit eigener Website), Calle Obispo, fotografiert im August 1984.

2. Laut meinem Reisetagebuch war ich am 23.12.1979 im Anthropologie-Museum und im Museum für Nationalgeschichte. Ersteres dürfte das hier schon vorgeschlagene Museo Arqueológico Rafael Larco Herrera gewesen sein (Museo Larco). Die weiße Mauer mit den roten Ziegeln, vor dem die drei Kinder stehen, passt auch stilistisch dazu. Man kann sogar mit Google dort spazieren gehen. Die Steinfigur bleibt aber ein Rätsel.

3. Das unterste Foto war seitenverkehrt, wie das sachkundige Publikum anmerkte (ist jetzt korrigiert) und zeigt nicht Machu Picchu, sondern Sacsayhuaman bei Cusco.

Arquitectura colonial nisqa

cusco

Kaymi Qusqumanta qhipa kaq foto. Llakikuypaqmi, manam allintachu yuyarini maypi chay kasqanmanta. Sumaq sunqu ñawiriqkuna, munaspaqa, Google Earth nisqawan chaypi puriyta atinku, wasikunatataq mask’ayta atinku. 1984 watapi julio killapi foto horqosqa.

Manta, manta

manta

Manta bedeutet im Spanischen „Decke“. Ich weiß nicht mehr, wann genau und wo ich das 1984 in Peru fotografiert habe. Vielleicht in Cusco. Ich habe zwei von den wunderschönen Decken immer noch. Die echten Mantas darf man nicht in der Waschmaschine waschen, weil sie aus purer Baumwolle sind. Man muss nur aufpassen, dass keine Motten auftauchen. Heute ist vermutlich fast alles modern und halb aus Kunststofffasern.

Unbekannte enge Gasse

cusco

Cusco, Peru, fotografiert 1984. Ich finde die Gasse nicht mehr. Auch die Bildersuche nach narrow alley Cucso führt zu keinem Ergebnis. Hinten sieht man eine weitere Gasse mit aufsteigender Treppe. Das Foto ist natürlich viel zu dunkel, aber auch das Original-Dia, mit einer kleinen Pocketkamera fotografiert, war nicht viel besser.

Guckst du? [Update]

Cusco (Perú)

Fotografiert in Cusco, Peru, irgendwann im Juli 1984. Ich kriege leider nicht mehr heraus, wo genau das war.

Update: Es ist das Haus des deutschen Konsulats, Calle San Augustin 307.

An den Wassern des Rimac

Cerro San Cristóbal (Perú)

Lima, Perú, fotografiert 1984: Der Blick geht auf den Cerro San Cristóbal . (aktuelles Foto, aber vermutlich zu einer anderen Jahreszeit) Oben auf dem Berg kann man APRA lesen. Der Fluss ist der Río Rímac. Ich stand vermutlich auf der Jirón Amazonas.

In Peru gab es ein Art Putsch: In a surprise address to the nation, President Pedro Castillo on Wednesday declared the temporary closure of Congress and decreed a nationwide curfew but ended up booted from office instead. The announcement was met with broad resignations from Castillo’s revolving-door Cabinet and across his shaky administration. Congress defiantly pledged to oppose the attempted overthrow of constitutional order. The Joint Chiefs of Peru’s armed forces and the national police refused to back the beleaguered head of state. Congress promptly voted to remove Castillo from power in a 101-to-6 vote, with 11 abstentions, for moral incapacity.

Schon klar, dass die herrschende Klasse in Peru einen Präsidenten, der sich Marxist nennt, nicht lange ertragen würde. Heutzutage putscht nicht das Militär, sondern man findet eine mehr „zivile“ Lösung, wie zuvor in Bolivien. Schon bei der Bürgermeisterwahl in Lima hatte sich angedeutet, dass Rechtspopulisten eine Chance hatten, die Macht zu ergreifen.

Rechtspopulisten, weil man gleichzeitig die Interessen der Bourgeoisie durchsetzen, andererseits aber das Volk ruhigstellen muss – wie in der Hauptstadt Lima: Besonders wohlhabende Schichten der Stadt scheinen durch die Fortschrittsrhetorik Aliagas angesprochen worden zu sein. Aliaga begann während des Privatisierungsprozesses unter dem Diktator Alberto Fujimoris (1990 – 2000) ein Eisenbahnimperium in Cusco aufzubauen. Nun versprach er die Hauptstadt in eine „weltweite Kraft“ zu transformieren, umfassende Infrastrukturprojekte anzustoßen, darunter den Bau einer Seilbahn sowie den Ausbau von comedores populares (Volksküchen) mit ganzen zehn Prozent des Haushalts.

Interessant ist vor allem – aber nicht neu in Lateinamerika -, dass das Proletariat zu den Evangelikalen tendiert, wie auch in Chile, deren Ideologie eine Art Calvinismus mit ein paar Jahrhunderten Verspätung predigt. Angeblich sichern Fleiß und Arbeitseifer den sozialen Aufstieg. Die Unterschichten wissen natürlich, dass das gelogen ist, aber die Arbeiterklasse in Lateinamerika hofft, sich den sozialen Status durch entsprechende Verhaltensnormen, die die Evangelikalen verkörpern, erhalten zu können (was auch eine Illusion ist).

In Nordafrika nimmt übrigens der Islamismus diese Rolle ein. Die protestantische Religion schafft soziale Netze, die das System aus Regierung und Katholizismus nicht hinbekommen, und predigt gleichzeitig eine sehr konservative Sicht des Alltagslebens. Das erfüllt einen Zweck für die angesprochenen sozialen Klassen, sonst hätte diese Ideologie keinen Erfolg. Wer hingeben auf Schwule und Lesben setzt oder irgendwelche Lifestyle-Fragen, hat schon verloren, wie die hiesige Linke.

Eine Gegend, revisited

Interoceanica Sur

Irgendwo in den Ausläufern der Anden in Peru (1984, vgl. Eine Gegend, 21.06.2021 ). Leider kann ich nicht mehr genau bestimmen, wo das war – entweder im Bus von Cusco nach Lima oder, was wahrscheinlicher ist, von der Ladefläche eines LKWs aus fotografiert auf dem Weg von Puerto Maldonado auf der Interoceanica Sur, zwischen Urcos und Cusco. Es könnte in der Nähe des Parque Arqueológico Tipón gewesen sein.

Regenbogenfahne

cusco
Cusco, Peru. Die Regenbogenfahne war die Fahne der Inka – deswegen hängt die da.

Martin Dornis schreibt auf Fratzenbuch: „Die sogenannte „Regenbogenfahne“ ist schon längst nicht mehr die von Schwulen und Lesben im Kampf gegen ihre Ausgrenzung, sondern sie steht heute für die heute allgegenwärtige Ideologie der „Vielfalt“. Diese propagiert einen kulturellen Relativismus im Namen von „Toleranz‘ und „Respekt, derzufolge jede Kritik an anderen Religionen und Kulturen als Anmassung und Zumutung gilt, jedenfalls wenn sie von westlicher Seite vorgetragen wird. In diesem Sinne ist sie die Fahne der Kapitulation der Aufklärung vor dem Islam. Daher ist es bezeichnend, dass gerade dieses Symbol aktuell dazu dient, bekenntnishaft seine korrekte Gesinnung vorzuzeigen. Um nichts anderes nämlich handelt es sich bei all diesen one love binden, von denen gerade im Kontext der WM im Katar die Rede ist.“

Die einzig fortschrittliche Regenbogenfahne ist die des Bauernkriegs.

Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II)

Inka Roca
Inca Roca, erster Herrscher der 2. Dynastie von Hanan Qusqu (Ober-Cusco), Gründer der Inka-Schulen Yachaywasi (Häuser des Wissens). Gemälde von Amilcar Salomón Zorilla (Postkarte 1984).

Fortsetzung von Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) von Herrmann Parzinger

Wir müssen uns kurz mit negativer Dialektik der Subjunktion befassen, also eine Art Kontrollversuch starten, der uns erläutert, warum der kürzeste Weg zum Kapitalismus zu einer Hochkultur, also einer Zivilisation, die nicht mehr tribalistisch organisiert ist oder aus bloßer Subsistenzwirtschaft besteht, der des fruchtbaren Halbmonds und Ägypten war. Wir argumentieren also negativ: Warum blieben ganz Amerika und Afrika und Ozeanien noch im Stadium der Bronzezeit, während in Europa schon das Zeitalter der ursprünglichen Akkumulation anbrach, also des frühen Kapitalismus, mit dementsprechender ökonomischer und waffentechnischer Überlegenheit? (Asien kriegen wir im dritten Teil.) Was sind also die Variablen und die Konstanten?

Dumme Frage: Hätte eine römische Legion die Inka-Armee plattgemacht? Oder hätten die Spartaner gegen die Muisca gewonnen? Ja, weil die Hochkulturen Süd- und Mittelamerikas zwar Gold und Silber in Hülle und Fülle besaßen, aber keine Eisenverhüttung kannten, keine Pferde und das Rad nicht zum Transport genutzt wurde. Auch Afrika – etwa die Nok-Kultur – war hier viel „langsamer“.

Laut Parzinger fand man erste Spuren menschlicher Siedlungen in Südamerika schon 12.000 Jahre v. Chr., also im Pleistozän. Sechs Jahrtausende später bauten die Menschen der Las-Vegas-Kultur“ schon Mais und Kürbisse an. (Leider kannte ich damals die Liebenden von Sumpa nicht, sonst hätte ich heute ein Foto von ihnen.)

schädel
Künstlich herbeigeführte Schädeldeformationen aus der Paracas-Kultur (900 bis 200 v. Chr.) bei Ica in Peru (Marcin Tlustochowicz/Wikipedia)

Die Valdivia-Kultur in Ecuador existierte zeitgleich mit dem alten Ägypten; man hat laut Parzinger auch Monumentalbauten errichtet (die ich aber im Internet nicht finden konnte). Spannend ist, dass heute sogar ein Kontakt der Ur-Ecuadorianer mit Japan nicht mehr unwahrscheinlich ist.

Als sich in Südamerika die ersten Chiefdoms bildeten, etwa im kolumbianischen San Augustin mit seinen kolossalen Steinfiguren, sind wir in Zentraleuropa schon bei den Domschätzen angelangt, die ich der Leserschaft zum Erbrechen vorgeführt habe, Kaifeng in China hatte schon eine halbe Million Einwohner, Cordoba, Kairo und Bagdad waren Weltstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Die „Großstadt“ Chavín de Huántar in Peru hatte ihre Blütezeit, als die Römer schon halb Europa eroberten.

Parzinger spricht in Südamerika von vielen „retardierenden Bedingungen“, vor allem ökologischer Natur, zum Beispiel bei der Chinchorro-Kultur, deren Mumien 2000 Jahre älter sind als die der Ägypter:
Der trotz allem unwirtliche Lebensraum beeinträchtigte auch ihren allgemeinen Gesundheitszustand, wie paläopathologische Untersuchen an den Skeletten erbracht haben. Der permanente kalte Wind führte allenthalben zu Entzündungen des Ohrkanals. Hinzu kam die hochinfektiöse sogenannten Chagas-Krankheit – eine ebenso heimtückische wie unheilbar-chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die den Betroffenen oft ein jahrzehntelanges Leiden beschert-, während der Verzehr von rohem Fisch vielfach zur Infektion mit Bandwürmern führte. Osteoporose war weitverbreitet, und die meisten Männer wie Frauen litten aus unterschiedlichen Gründen an manifesten Rückenproblemen. Viele Infektionen zogen sich die Träger der Chinchorro-Kultur aber ganz offensichtlich auch bei der Mumifizierung ihrer Verstorbenen zu, wenn sie mit infizierten Körpern hantierten und dabei keine entsprechende Vorsicht walten ließen.

Das allein beantwortet aber nicht die Frage nach den Variablen und Konstanten. Zum Beispiel gab es – im Unterschied zu Vorderasien, Afrika und Europa – in Amerika keine Reittiere und auch keine, die schwere Lasten ziehen können. Lamas finden Menschen auf ihrem Rücken unsympathisch und wollen auch partout nichts ziehen; Kamel und Dromedare lassen es hingegen mit sich machen. Das Pferd als Ackergaul ist eine „Erfindung“ des frühen Feudalismus in Nordwesteuropa. Rinder gab es in China schon vor zehn Jahrtausenden, und Pferde mindestens so lange wie im Vorderen Orient. Aber für den Reis- und Hirseanbau, die zentralen Pfeiler der chinesischen Landwirtschaft, braucht man Rinder und Pferde kaum als Nutztiere.

Parzinger schreibt, dass vor allem die ökologische Kontinuität im Fruchtbaren Halbmond ein Vorteil für Ackerbauern war; in Afrika hingegen wechselten die klimatischen Bedingungen oft (wenn man in Jahrtausenden denkt). Indien, China und auch das alte Mesopotamien und Ägypten haben mit den Hochkulturen Mittel- und Südamerikas gemein, dass die herrschende Klasse Teile der Arbeit kollektiv organisieren musste, vor allem die Regulierung des Wassers für die Landwirtschaft. Die Inka kannten überhaupt keinen Privatbesitz an Grund und Boden. Deren Klassenherrschaft war immerhin so effektiv, dass die Konquistadoren sie fast bruchlos übernehmen konnten und nur das Personal austauschten. Allerdings wurden alle „alten“ kollektiven Formen wie etwa des eher „genossenschaftlichen“ Ayllu, marginalisiert.

Man könnte herumspekulieren, dass die kollektive Organisation der Arbeit – auch die so genannte „Asiatische Produktionsweise“ (hier auch „alt-amerikanische“) – für die Entwicklung zum Feudalismus eher hinderlich ist, was die „Geschwindigkeit“ angeht. Der Kapitalismus setzt voraus, dass es Massen von Menschen gibt, die nichts mehr zu verkaufen haben als die Arbeitskraft, also den „freien Warenproduzenten“. Das setzt aber den an die Scholle und an den Feudalherrn gebundenen Bauern voraus: Wenn der von beiden „erlöst“ wird, ist er Proletarier oder Landstreicher oder tot. Der Feudalismus setzt mitnichten eine Sklavenhaltergesellschaft voraus. Die – die mitteleuropäische Antike – ist eher ein historischer Sonderfall, begünstigt aber den Ruin der kleinen Bauern, der letztlich im Kolonat endet. Von dort ist es nicht mehr weit – sogar ein fließender Übergang – zur Villikation und zum Feudalismus.

Post Scriptum: Ich werde den Parzinger in die allgemeine Reihe über den Feudalismus aufnehmen. Der dritte Teil über Asien folgt alsbald.

unku
„Unku“ (Tunika oder Poncho) aus gewebter Baumwolle, ca. 1400-1600 (Postkarte 1984)
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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

Bunte Heuchelei

katheoy

Das Stammpublikum kennt mein Misstrauen: Wenn ich das Gefühl habe, durch die Mainstream-Medien in eine Volksgemeinschaft einen vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens eingemeindet zu werden, den es bei näherem Hinsehen gar nicht gibt, stimmt etwas nicht. Warum jetzt die allgemeine Schnappatmung über ein ungarisches Gesetz, das vermutlich niemand im Wortlaut gelesen hat? Warum wieder Fackelzüge und Lichterketten Gesicht zeigen für Homosexuelle und Transgender-Personen?

Müssen wir bald vor der so genannten Regenbogenfahne strammstehen, die ich eher mit dem Bauernkrieg oder Cusco verbinde, weil ich nicht nach „links“identitärer Art unentwegt nur an Geschlechtliches denke?

Allüberall schwallt einem das Thema entgegen. Ich finde die Entscheidung der UEFA, welche Motive sie auch immer haben mag, korrekt. (Ich vermute, dass mir niemand aus der Journaille beipflichtet außer den rechten Pappkameraden, und die aus ganz anderen Gründen – und das macht mich stutzig). Wenn die gutmenschliche gefühlte Masse auch einmal „Zeichen“ gegen die kapitalistische Ausbeutung setzen würde, etwa rote Fahnen schwenkte, – aber nein, es geht immer nur um skurrile Minderheiten Sex.

Hintergrund ist ein vergangene Woche vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das „Werbung“ für Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen verbietet, schreibt der Tagesspiegel. Dazu gibt es nur wenige besonnende Stimmen wie die Gerhard Papkes, dem Vorsitzenden der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft: Das Ganze war eben nicht geplant als allgemeine Aktion für Diversität und Liberalität, sondern als politische Demonstration gegen Ungarn. Und damit hätte man die Ungarn vor der Weltöffentlichkeit entwürdigt und bloßgestellt. (…) Aber es kann auch nicht sein, dass jetzt alle Leute ständig vor der Regenbogenflagge salutieren müssen. Mit ihr verbindet sich inzwischen ein Machtanspruch, dem auch einmal Grenzen zu setzen sind. In der Politik traut sich das aber kaum noch jemand. (…) Viele, die Ungarn Homophobie vorwerfen, kennen scheinbar die Sachlage überhaupt nicht. Es gibt in Ungarn das Institut der eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ähnlich wie in Deutschland. Schwule und Lesben können in Ungarn sicher leben, ganz im Gegenteil zu vielen islamischen Ländern, wo Frauenrechte und Homosexuelle nichts gelten.

Ach? Dann war alles nur heiße Luft? In einem Land mit sehr fragwürdigen Paragrafen zum „Kinderschutz“ sollte man sich bedeckt halten, eine andere Regierung zu kritisieren, die verbietet, etwas Minderjährigen zuzumuten – natürlich unter dem propagandistischen Deckmantel, es gehe gegen Pädophilie. Kein Mensch sollte glauben, dass den ungarischen Präsidenten Schwule und Lesben interessieren – es handelt sich um reine Innenpolitik nach der Methode Donald Trumps: Sollen die Leute sich über mich aufregen, dann beschäftigen sie nicht mit den wirklich wichtigen Dingen (wie zum Beispiel dem Verfahren der EU gegen Ungarn wegen Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips). Ich würde es genau so machen, wäre ich Diktator von Deutschland oder von anderswo.

Warum also die unerträglich medial gleichgeschaltete heuchlerische Aufregung? Heuchlerisch? Dann schauen wir dorthin, wo es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sondern Transgender-Personen anerkannt sind – und warum das so ist. (Man muss nicht Treechada Petcharat fragen.)
Matt Chauveau, an expat and the co-founder of MojoSons Events in Bangkok observes that Buddhism permeates Thai society, and despite the fact that to an outsider looking in Thailand seems remarkably open, the country is actually quite conservative culturally. The catch is that Buddhism is vastly different than the Abrahamic faiths. Tolerance and understanding are central Buddhist tenants, and there is even an explanation for transgender people in Buddhist mythology. Thai Buddhists believe that kathoey are women who were born as men in order to atone for sins committed in a past life; they are thus looked upon with pity and empathy rather than hatred or disgust. Another factor Matt notes stems from Thailand’s history: Thailand was the only country in Southeast Asia to avoid being wholly colonized and influenced by the Western Powers during the 19th century. In the nations Europe colonized European values were partially forced on native populations; this did not happen in Thailand.

Umkehrschluss: Toleranz und Verständnis sind eben nicht Teil der abrahamitischen Religionen. Und das Christentum, das mit dem Kolonialismus und späteren Imperialismus meist zwangsweise anderen Nationen aufgedrückt wurde, exportierte damit auch seine intolerante und prüde Sexualmoral. Nur eben nicht nach Thailand. Vielleicht haben unsere Regenbogenfahnenschwingerglottisschlaginnen nur heimlich ein schlechtes Gewissen und machen deshalb so einen Radau, weil sie hoffen, sich und ihrer Peer Group zu zeigen, dass sie die Guten sind.

Eine Gegend

landscape Peru

Irgendwo in den Ausläufern der Anden in Peru (1984). Leider kann ich nicht mehr genau bestimmen, wo das war – entweder im Bus von Cusco nach Lima oder, was wahrscheinlicher ist, von der Ladefläche eines LKWs aus fotografiert auf dem Weg von Puerto Maldonado auf der Interoceanica Sur, zwischen Urcos und Cusco. Es könnte in der Nähe des Parque Arqueológico Tipón gewesen sein.

Durch die Wüste

wüste

Die Küstenlandschaft von Peru, fotografiert aus einem Bus von Cusco nach Lima, Anfang August 1984.

Qusqu

cusco panoramic view

Cusco, Peru, mit Blick auf den Plaza de Armas, aufgenommen im Juli 1984 von Sacsayhuaman (ungefähr von hier aus).

Zickzack und das Bad der Inka

qenkoqenkoqenkotambomachay

Die oberen drei Fotos zeigen Qenko – das Quechua-Wort für „Zickzack“, ein „heiliger“ Platz der Inka; das untere Tambomachay, das „Bad der Inka“ im Valle Sagrado bei Cusco, alle fotografiert im November 1980. Auf dem unteren bin ich zu sehen.

Mein Tagebucheintrag an dem Tag ist lächerlich und kurz. Offenbar war ich von Eindrücken schon so übersättigt, dass ich die beiden archäologischen Stätten nicht mehr verkraften konnte. (Im deutschen Wikipeida ist Quenko irrelevant.) „It is one of the largest huacas (holy places) in the Cusco Region. Many huacas were based on naturally occurring rock formations. It was believed to be a place where sacrifices and mummification took place“. Natürliche Felsenformation? Man muss das gesehen haben – ich keine keinen Ort auf der Welt, der so ähnlich ist, auch nicht in den Andenstaaten. Der riesige Felsblock ist perforiert und ähnelt eher einem Meteoriten.

Qenko war und ist mir heute noch unheimlich. Innen wie eine Art labyrinthische Tropfsteinhöhle, und steinerne „Tische“, zweifellos aus dem Felsen gehauen. Man man mag sich gar nicht vorstellen, was die da gemacht haben. Offenbar ist auch die Literatur zu Qenko spärlich und überschaubar. Man weiß also kaum etwas.

Speicher meines Gottes

Wakaywillqueollantaytamboollantaytamboollantaytambo

Ccollanan Pachacamac ricuy auccacunac yahuarniy hichascancuta.

Die meisten Touristen antworten auf der Frage, was der interessanteste Ort in Peru sei, Cusco oder – natürlich! – die Ruinenstadt Machu Picchu. Ich sage: Ollantaytambo, das in Quechua „Speicher meines Gottes“ bedeutet.

Ollantaytambo, nordwestlich von Cusco gelegen, ist das einzige verbliebene Beispiel für Stadtplanung aus der Inka-Zeit. Die Gebäude und Inka-Terrassen sowie die engen Gassen der Stadt sind noch so, wie sie erbaut wurden. Die geraden und engen Straßen bilden 15 quadratische Blocks (canchas), die je einen Eingang zum zentralen Innenhof besitzen, der von Häusern umgeben ist. Einige Häuser bestehen aus perfekt gearbeiteten Inka-Mauern aus dunkelrosa Stein.

Auf der dem Berg zugewandten Seite von Ollantaytambo ist ein imposanter Inka-Komplex, der auf Grund seiner außerordentlich starken Mauern fortaleza (dt. Bollwerk oder Festung, vgl. 2. Foto) genannt wird. Dieser Komplex lag strategisch günstig, um das Heilige Tal der Inka zu dominieren. Manco Cápac II. zog sich 1537 nach der gescheiterten Belagerung von Cusco zurück, um seine verbliebenen Krieger im Kampf gegen die spanischen Konquistadoren und deren Hilfstruppen zu sammeln. [Der jüngste Sohn Manco Capac II. war Tupac Amaru, der letzte Herrscher der Inka in Peru, der für einige Guerilla-Bewegungen Namenspatron war, u.a. die Tupamaros in Uruguay.]

Der Inka Pachacútec Yupanqui ließ Ollantaytambo im 15. Jahrhundert erbauen – angeblich auch Machu Picchu. [Die Namen hören sich einfach total spannend an – wie auch die Sprache Quechua.]

ollantaytambo

Aus meinem Reisetagebuch, Juli 1984:
Die Schlucht wird enger, und die ersten Befestigungen tauchen auf, die das Tal gegen Eindringlinge von Cusco aus verteidigen. Den Eingang von Ollantaytambo bilden Terrassen, die quer die ganze Breite des Tales ausfüllen, „successful defeated by Manco Capac’s warriors“ [das ist vermutlich ein Zitat aus dem South America Handbook]. Ollantaytambo ist die positive Überraschung unserer ganzen Reise. Die Leute leben noch in den zu Zeiten der Inkas gebauten Häusern. Die Gassen sind schnurgerade, die Ecken der Straßen aus wuchtigen Quadern, und oft fließt ein kleiner Bach durch einen schmalen Kanal in Richtung des Rio Urubamba, auch auf den Plätzen. Nur scheint das die Leute offenbar nicht viel zu interessieren, weil sie sich nicht darum scheren, wenn das Wasser nicht läuft.

ollantaytamboollantaytambo
Die beiden obigen Fotos waren kaum noch zu restaurieren und viel zu dunkel; das Licht auf fast 4.000 Metern Höhe ist schrecklich für einfache Kameras. Meine damalige Freundin klettert oben auf den Felsen oberhalb des Sonnentempels (templo del sol) herum.

Das Dorf ist vollständig umgeben von Ruinen, die wir ausnahmslos erklettern, angefangen von rechteckigen Gebäuden, die sich übereinander bis hoch auf den Berg ziehen, aber ziemlich verfallen sind. [Heute weiß ich: Es waren PinkullyunaLagerhäuser für Getreide] Der ganze Bergkamm ist im Halbkreis ist terrassiert. Rechts, wo der Hang fast senkrecht abfällt, führt ein halsbrecherischer Pfad hinab. In den Terrassen ganz oben erkennt man viele Nischen für Idölchen. Ganz oben über den Ruinen liegen riesige rosige Steintrümmer, die seltsam bearbeitet sind, wahrscheinlich die Mauern des obersten Turms. Dieselbe Form finden wir später im Haupttempel von Machu Picchu. Richtung selva [nach Norden] wird das Gelände von einer an den steilen Hang gebauten hohen Lehmziegelmauer abgeschlossen, die sich über das ganze Terrain zieht. Ich verbringe mehrere Stunden allein in den Ruinen und bekomme direkt Lust, Architektur zu studieren, so rätselhaft schön ist alles ringsum.

Aber das ist noch nicht alles – ein entzückendes kleines Hostal – der dueño ist so ein Typ wie unserer in Cochabamba, und ein Grino-like Restaurant, wo alles amerikanisch ist, sogar Time und Newsweek liegen aus. Hier verbringen wir jeden Abend im Gespräch mit anderen Gringos und lernen zwei New Yorker unseren Alters kennen. Eine interessante Kombination – das gegenseitige Akzeptieren als „Weltstädter“. Man ist aufeinander sehr neugierig. In uns erwacht die Lust, mehr von New York kennenzulernen. Im Café Alcazar [das gibt es wahrhaftig noch!] haben sie Pudding, Spaghetti und andere Leckereien. Frühstück ist besser auf der Plaza, wo wir bei einer dicken und geschäftstüchtigen jungen Frau in einem kleinen Kiosk manches Sandwich mit Honig und Ei verzehren. Sogar das Mittagessen ist ausreichend, der Essraum mit Gemälden von Inkas verziert.

Wir lernen noch zwei Schotten kennen, die im für uns unerschwinglichen Hotel El Albergue residieren: Ein rüstiger 73-jähriger Opa, der sich von uns später mit „gute Fahrt“ auf Deutsch verabschiedet, und sein 37-jähriger Sohn, dem man die Kondition aus zehn Metern Entfernung ansieht. Der Opa hatte auf dem Inca-Trail einen Unfall und konnte sich nicht mehr bewegen, und der Sohn musste den ganzen Weg nach Machu Picchu rennen, um den schon georderten Helikopter zu stoppen, als es dem Vater wieder besser ging.

Am Sonntag gehen wir in einem Seitental spazieren, was sich zu einer richtigen 10-Kilometer-Wanderung auswächst. Das erste Dorf ist schon wieder richtig „andin“, puro quechua, alle in Tracht und bei der gemeinsamen Feldarbeit. Die Häuser innen komplett schwarz verräuchert und weder tienda noch sonst irgendetwas. Die Ruinen, die es dort geben soll, finden wir nicht, und die, die wir sehen, sind zu weit weg. Der Weg ist manchmal kaum zu erkennen, aber die Sicht auf die Berge und Schluchten grandios.

Der Bach wird in mehrere „Stränge“ geleitet, von denen einige wohl die Bäder der Inkas – auch das Bad der Inka-Prinzessin – gespeist haben werden. Letzteres ist elegant und schön, hinterlässt aber ein wehmütiges Gefühl, wenn man mitansehen muss, was die heutigen Peruaner und sogar ihre Archäologen daraus machen. Das ganze Tal war ursprünglich terrassiert, und das Wasser floss von einem Becken in das nächste, so dass alles mehr oder weniger unter Wasser stand, mit Gängen dazwischen. Ein großer Felsblock diente als Bassin für sternförmig angelegte Rinnen, die wiederum in diverse Becken führen. Natürlich läuft heute nirgendwo Wasser, obwohl man das leicht ändern könnte.

Am Berghang sind viele ausgemeißelte Sitzflächen, Nischen für Götter-Statuen, und man kann über sehr steile Stufen noch weiter hinaufklettern, wo neue Rätsel aus Stein warten – zum Beispiel eine Art Knauf, der wie ein Sattelknopf auf einer steinernen Bank herausragt. Vielleicht wurde das nur aus ästhetischen Gründen angelegt? Es muss wunderbar ausgesehen haben, wenn auch nur für die damalige herrschende Klasse. Wir bleiben von jueves bis lunes da und ruhen uns vor dem „Sturm“ auf den Inca-Trail aus.

Am Dienstag morgen brechen wir nach einem ausgiebigen Frühstück am Kiosk zu Fuß nach Kilometer 88 auf [hier hält der Zug von Cusco über Ollantaytambo bis nach Urubamba – der Ausgangspunkt für den Inca-Trail. Damals musste man mit einer kleinen handbetriebenen „Seilbahn“ über den Fluss schweben – eine schwankende Angelegenheit und nur für Schwindelfreie].

Llachtapata
Die Ruinen von Llachtapata – der Anfang des eigentlichen Inca-Trails. Ich sitze da auf der Mauer, bin aber kaum zu erkennen, da alles im Schatten des Berges unterbelichtet ist.

Wir kreuzen den Fluss bei Chillca, wo wir auch noch die letzte Chicha kaufen können. Dann führt der Weg den unzugänglichen Teil des Flusstales auf und ab, von Tal zu Tal, ab und zu kleine Hütten, und es ist manchmal nicht zu sehen, ob der Pfad wirklich noch weitergeht. Gegen Nachmittag wird es richtig anstrengend, vor allem mit den schweren Rucksäcken. Bei einem wahnsinnigen Abstieg muss B. alle paar Meter pausieren, weil ihr die Beine zittern. Endlich, auf einer Anhöhe – es ziehen schon dunkle Wolken auf – auf der gegenüberliegenden Seite langgezogenen Ruinen, weiter unten ein niedlicher kleiner Turm, umgeben von Mauern – Llachtapata!

Den Turm suchen wir uns sofort von fern als Schlafquartier aus. Aber zunächst müssen wir noch runter zum Fluss und mit letzter Kraft wieder hinauf. Als wir gerade das Zelt aufgestellt haben, fängt es an zu regnen, was uns aber nicht schreckt. Wir genießen die erste heiße Suppe und die erste Schokolade, und wenig später hört auch der Regen auf. Unsere Kerze beleuchtet die Wände der Ruinen, und unsere eigenen Schatten flackern riesengroß darüber. Die Ruinen sehen wir uns gar nicht richtig an, wir sind von „unserem“ Türmchen mit einen behauenen Felsen innen – wie ein Tisch mit rundum eingelassenen steinernen Sitzflächen – begeistert. Trotzdem verbarrikadieren wir die beiden Eingänge mit trockenem Holz. Es passiert aber nichts, wir sind die einzigen Menschen weit und breit…

ollantaytamboollantaytamboNiño
Am Bahnhof von Ollantaytambo

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