Unzoomig

bigbluebutton

„Zoom ist der Versuch, Menschen, die miteinander in einer Videokonferenz kommunizieren wollen, in den Strudel des Überwachungskapitalismus zu ziehen.“ (Digitalcourage)

Ich weiß schon, warum ich einen eigenen BigBlueButton-Server habe. (Danke, Minuskel!)

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Bitte beflaggen Sie sich

1. mai

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Iglesia de la Virgen de Altagracia „La Caimana“

Iglesia de la Virgen de Altagracia

Es war extrem schwierig herauszufinden, wo und was ich – vermutlich im Februar – 1998 fotografiert hatte. Ich tippte zunächst auf Barquisimeto oder Quibor. Die Schrift auf der kleinen Tafel den der Mauer bekam ich nicht entziffert. Dann habe ich per brute force und Goolge images search nach iglesia Barquisimeto und iglesia Quibor gesucht. Das dauerte eine halbe Stunde meiner kostbaren Lebenszeit.

Es gibt nur zwei Fotos der Kirche: auf Flickr von Patricia Brolati und bei Jose Pepe Polo. Es ist die Iglesia de la Virgen de Altagracia „La Caimana“ in Quibor an der Avenida Baudilio Lara.

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Er hat [bitte selbst ausfüllen] gesagt

neger

Deutsche Journalisten bei der Nachricht, Boris Palmer habe „Neger“ gesagt

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Besser gucken

brillenladen

Ich habe meinen Optiker gewechselt, der mir zu teuer wurde. Also weg von der Kleinbourgeoisie, hin zur Großbourgeoisie. Nur halb so teuer – und ich kriege für rund 500 Euronen noch eine Sonnenbrille mit Gläsern in meiner Stärke dazu. Da kann man nicht meckern. Den Laden kann ich auch empfehlen, weil der junge Mann, der mich sehr kompetent bediente, sich als Gamer outete und wir gleich ins Fachsimpeln kamen, was virtuelles Hauen und Stechen angeht.

Meine Augen werden besser, einer der wenigen Vorteile des Alterns.

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What a day!

KI

Via Cirque du Kitsch, Instagram

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Brunsviger, karamellig-apfelig

Königsberger KlopseKönigsberger Klopse

Das erste Gericht wurde hier schon mehrfach lobend erwähnt. Das untere ist neu: Brunsviger oder: Dänischer Karamellkuchen mit Röstapfelpurree.

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Unter Eidechsenrennern

Tharlarion raceTharlarion raceTharlarion race

Hat jemand schon einmal mit einem Avatar an einem Drachen- bzw. Eidechsenrennen teilgenommen? Wenn nicht: So sieht das dann aus. Nein, ich war nur Sportjournalist Zuschauer. Die Viecher sind Tharlarions, also virtuelle Eidechsen im Saurier-Format, die ziemlich weit und hoch springen können.

Chor des Publikums im Hintergrund: „Was es nicht alles gibt!“

Es existiert sogar eine eigene Liga dafür in Secondlife. Die Rennstrecke war in Isfahan.

[Sorry, über das Posting lach ich mich gerade kaputt. Ich weiß nicht, warum genau.]

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Iglesia San Francisco

Iglesia San Francisco

Iglesia San Francisco, Coro, Venezuela, fotografiert im Januar 1998, vom Innenhof aus. Warum mir diese Kirche so viel bedeutet, habe ich hier schon geschildert.

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Das Kreuz mit der Sucht IV

Wer wird süchtig?

– aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

Wer immer Drogenabhängige therapieren will, hat auch eine Theorie über die «Sucht», um seine Maßnahmen zu rechtfertigen. Dabei ist es mehr als merkwürdig, dass die schwache Basis, auf der diese Theorien stehen, kaum jemals einer radikalen Kritik unterzogen wurde. Wer sollte das aber tun, wenn nicht die Ärzte und Therapeuten, deren Arbeitsplätze gerade von der Definition des Drogengebrauchs als «Krankheit» abhängen!

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Credits: DrugAbuse.com

Dabei zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die theoretischen Voraussetzungen, dass das, was die Suchtexperten über die Persönlichkeit bzw. den Charakter der Drogen-Konsumenten zu wissen glauben, auch auf einen großen Teil der Bevölkerung zutrifft, der relativ «drogenfrei» lebt. «Psychisch Schwache» greifen zu Drogen: Heißt das, dass der Rest «psychisch stark» ist? Gilt diese «Schwäche» nicht auch als Merkmal derjenigen, die in Sekten und ähnlichen Organisationen landen; kann man totalitäre religiöse oder politische Vereinigungen dann als «Droge» verstehen? Selbst wenn wir dem orthodoxen psychiatrischen Ansatz, dem Christiane Schmerl diese Ansichten zuschreibt (1), zubilligen, Symptome von Persönlichkeitsstörung bei Heroinabhängigen manchmal richtig beobachtet zu haben, heißt das noch lange nicht, dass diese Symptome zum Drogenmissbrauch geführt haben.

Die Frage bleibt offen, warum seelisch Kranke viele Verhaltensauffälligkeiten zeigen, darunter aber kaum jemals Drogenmissbrauch.

Unlogisch ist auch der Schluss, dass eine Behandlung dieser Störungen zur Abstinenz führen könnte oder sollte. Wenn die Drogeneinnahme «primär Symptom eines psychischen Konflikts» sei, garantiert das nicht — wenn der Konflikt nicht mehr vorliegt -, dass der Patient Drogen in Zukunft nicht auch aus anderen Gründen nimmt. Diese Ansätze könnten nicht erklären, folgert Schmerl kritisch, «wieso es eigentlich zu bestimmten Zeiten zu einem epidemischen Anstieg von Drogengebrauch und -abhängigkeit kommt». Die beobachteten frühkindlichen Störungen und negativen Erfahrungen, die angeblich zum Drogenmissbrauch disponieren, seien «keineswegs spezifisch für Drogenabhängige, sondern finden sich bei anderen ‘unangepassten’ ebenso und – nicht zu vergessen – auch bei unauffälligen, als ‘normal’ klassifizierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen». (2) Außerdem bleibt die Frage offen, warum «wirklich seelisch Kranke viele Verhaltensauffälligkeiten zeigen, darunter aber kaum jemals Drogenmissbrauch». (3)

Sollte die Opiat-Abhängigkeit eine eigenständige psychische Krankheit sein? Zu dieser These hat sich bisher noch niemand durchgerungen. Angesichts der zweifelhaften empirischen Basis der meisten Untersuchungen über Drogensucht wäre sie aber auch sehr gewagt: Die Drogenabhängigen in Kliniken, Gefängnissen oder Therapie-Einrichtungen, die zum Thema befragt und untersucht werden, sind schlicht für Konsumenten nicht repräsentativ. Und selbst gravierende methodische Fehler, die in jedem anderen Wissenschaftszweig den Vorwurf der Unseriösität nach sich zögen, werden bei den Theorien über Sucht schweigend entschuldigt. «Die meisten Untersuchungen arbeiten zwar mit Kontrollgruppen, diese müssten sich aber nur im Merkmal der Drogenabhängigkeit unterscheiden.» (4)

Das führt zu so obskuren Vergleichen wie dem zwischen drogenabhängigen Jugendlichen aus der Unterschicht mit drogenfrei lebenden aus der Mittelschicht. Schmerl führt das Beispiel an, dass sich die Merkmale Jugendlicher, die ohne Drogen auskamen und sich freiwillig für eine Befragung zur Verfügung gestellt hatten, und Drogenabhängiger, die ebenfalls freiwillig Auskunft gaben, mehr glichen als die zweier Kontrollgruppen – drogenfrei lebend oder drogenabhängig – von straffälligen und internierten Jugendlichen.

Therapeutischen Maßnahmen gegen die «Drogensucht» sollte mit erheblichem Misstrauen begegnet werden.

Da die psychiatrischen und psychoanalytischen Ansätze einer Sucht-Theorie ohnehin weder zwischen verschiedenen Drogen noch zwischen Abhängigen und gelegentlichen Konsumenten unterscheiden, sollte, so Schmerl, den therapeutischen Maßnahmen gegen die «Drogensucht» mit erheblichem Misstrauen begegnet werden. Bei Heroin komme noch hinzu, dass es «viel eindeutiger eine geschlechtsspezifische Ungleichverteilung zugunsten männlicher Adepten» gebe, «ein Verhältnis, das noch keinen Drogenforscher zu der Behauptung hingerissen hat, Männer seien eher neurotisch prädisponierte Drogenpersönlichkeiten». (5)

Die eher sozialisationstheoretischen Ansätze, die das Umfeld oder, noch grober: die Gesellschaft für Drogenmissbrauch verantwortlich machen, erfreuen sich vor allem deshalb großer Beliebtheit, weil sie sich durch populäre Stammtisch-Theorien bestätigt wissen und durch die Medien relativ simpel darzustellen sind. Die klassische Heroin-Story ist so einfach gestrickt, dass sie ein journalistischer Anfänger als Gesellenstück vorlegen könnte, ohne jemals einen Junkie zu Gesicht bekommen zu haben: Ein armes Mädchen aus chaotischen Familienverhältnissen (mangelnde Liebe usw.) gerät auf die schiefe Bahn, hängt an der Nadel und klopft endlich, nach mancherlei schlimmen Erfahrungen, an die Tür einer Therapie-Einrichtung, wo sie gerichtet, nein, gerettet wird? (6)

Auch in dieser Argumentation ist keinerlei zwingende Logik zu erkennen. Die statistische Häufigkeit von Merkmalen, die angeblich den Drogenkonsum fördern, wie sexueller Missbrauch in der Kindheit, mangelnde Zuwendung, «broken home», gestörtes Verhältnis zum Vater, wahlweise zur Mutter, Pubertätsprobleme, verzögerter Reifungsprozess, grassierende Arbeitslosigkeit usw. bedeutet noch keinen kausalen Zusammenhang. Bestätigt wird diese Kritik auch durch die schlichte Tatsache, dass 40 Prozent der Drogenabhängigen die «suchtfördernden» Merkmale – aus sozialisationstheoretischer Sicht — nicht haben, sich aber die gleiche Anzahl von Nichtabhängigen mit diesen negativen Voraussetzungen plagen muss.

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Credits: DrugAbuse.com

Wenn zwei Dinge gleichzeitig auftreten, etwa – wie in Schleswig-Holstein – die höchste Geburtenrate und die größte Anzahl von Storchen-Populationen, heißt das nicht, dass eines die Ursache des anderen ist. Detaillierte Untersuchungen in England ergaben, dass zwar ein Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der sozialen Situation insgesamt und dem Anstieg des Heroin-Konsums bestehe, dass der Schluss aber falsch sei, die ökonomische Lage mit ihren Folgen für die Familien bewirke eine Zunahme von «Sucht-Persönlichkeiten». (7)

Auslöser für den (ersten) Drogenkonsum sei keine psychische Störung, sondern eine jedem Menschen mehr oder weniger stark immanente Neugier.

Ein dritter Ansatz für die Erklärung des Drogen-Konsums – vor allem im anglo-amerikanischen Raum verbreitet – baut auf den Prämissen der Lerntheorie auf. Es sei nachgewiesen, so Schmerl, dass «bei Beginn, Beibehaltung und Rückfall im Heroin-Gebrauch sich das Wirken klassischer Lernprinzipien beobachten und mit Erfolg zur Erklärung von Drogenverhalten heranziehen lässt». (8) Diese Lernprozesse seien bei jedem Menschen gleich, wenn er in eine dementsprechende Situation gerate, es bedürfe daher zur «Entwicklung einer Abhängigkeit keiner persönlichkeitsspezifischer Zusatzannahmen». Ähnlich argumentiert auch der Kieler Arzt Gorm Grimm: Auslöser für den (ersten) Drogenkonsum sei keine psychische Störung, «sondern eine jedem Menschen mehr oder weniger stark immanente Neugier, ein Erlebnisdrang, der zwar fatale Folgen haben kann, aber doch für sich gesehen eine ganz normale menschliche Motivation darstellt».

Die wissenschaftliche Diskussion in den USA war in den sechziger Jahren noch von der Voraussetzung ausgegangen, Drogenkonsum sei ein Quasi-Rückzug aus der Gesellschaft. Den Street-Gangs, die sich mehr auf kriminelle Aktionen spezialisierten, und den Jugendbanden, die mehr auf «action» aus waren und nur ihr Territorium verteidigten, stellte man diejenigen sozialen Abweichler gegenüber, die sich in die Traumwelt der Drogen zurückzogen («retreatist adaptation»). Deren Motto: «A flight into inactive phantasy in the face of a harsh world.»

Ende der sechziger Jahre wandelte sich das Bild, somit auch die Theorie. Nicht mehr der abgedriftete, passive «freak» galt als der Drogenkonsument an sich, sondern der Straßenjunkie als «resourceful entrepreneur», der ständig aktiv sein musste, alert, flexibel, und der in der Lage war, seinen «Beruf» erfolgreich auszuüben. Nicht der kranke, zurückgezogene oder lernunfähige Straßenjunge probiert zuerst Heroin, sondern derjenige, der abgebrüht, schlau ist und respektiert wird, vor allem die Anführer der Straßengangs. HeroinKonsum gilt als Beweis der Männlichkeit: Bist du Manns genug, es zu nehmen? Kannst du damit umgehen, oder kontrolliert es dich? (9)

Im lerntheoretischen Ansatz zur Sucht spielen diese Beobachtungen eine wichtige Rolle. Positive Verstärker der Gruppe, in der man sich bewegt, können den Wunsch erzeugen, durch die Droge Anerkennung und Geltung in der Clique zu bekommen. Was positiv empfunden wird, führt in der Regel zur Wiederholung des Verhaltens. Dabei ist die real erlebte Wirkung der Droge weniger bedeutsam: Dass der Erst-Konsument von Heroin sich körperlich schlecht fühlt, kann durch die positive Verstärkung der Gruppe überlagert werden.

Die Droge ist Teil des sozialen Status, ja kann sogar, wie in England untersucht, für diejenigen ein wichtiges Element des «lifestyle» werden, denen der traditionelle soziale Aufstieg durch Arbeit verwehrt bleibt. Der hier eingeführte Begriff der «sozialen Ansteckung» besagt, dass Neulinge von erfahrenen Drogengebrauchern initiiert werden, dass die Meinungsführer in einer Gruppe eine wichtige Rolle spielen, ob jemand eine Droge probiert oder nicht – ungeachtet seiner Persönlichkeit.

War noch in den sechziger Jahren der Anführer in subkulturellen Gruppen «tough», zeichnete sich also vorwiegend durch körperliche Stärke und Fitness aus, wandelte sich das Bild: Jetzt musste man «cool» sein – eine Aussage über eine bestimmte psychische Qualität, deren Vorhandensein insbesondere durch Heroin suggeriert wird.

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Credits: Crest View Recovery Center

Die positiven sozialen und, bei erfolgter Gewöhnung, auch psychischen Verstärker werden ihrerseits ergänzt durch negative Verstärker: Wenn man die Entzugssymptome der Droge vermieden hat, ist das ein Erfolg. Die Assoziationen «Droge – positive Sensation» und «Droge -Beendigung negativer Sensationen», so Christiane Schmerl, bekämen selbst psychische Qualität. Der Nachweis dieser These werde auch dadurch geführt, dass durch medizinische Opiatgaben abhängig gewordene Personen — trotz gleicher psychischer Konstellation – sich nicht zu Heroin-Abhängigen entwickelten, «solange sie nicht lernten, ihre körperlichen Beschwerden auf die Abwesenheit von Opiaten zurückzuführen, das blitzartige Verschwinden der Beschwerden nicht mit einer erneuten Dosis assoziierten». (10)

Einige Lerntheoretiker sprechen sogar von einem «künstlich» erzeugten Trieb — eine sprachliche Anleihe aus der klassischen Psychoanalyse: Die Drogenabhängigkeit sei ein «Zustand eigengesetzlicher Art», der aufgrund «der ihm innewohnenden Konditionierungsmechanismen nicht mehr als ‘Symptom’ für irgendeine ‘primäre’ Krankheit, Neurose usw. angesprochen werden kann, weil er unabhängig von ehemaligen Motiven oder Gründen seine Eigendynamik entwickelt habe».

Aufklärung, da sind sich die meisten Fachleute einig, schützt nicht vor Drogenkonsum.

Dieser Ansatz zur Erklärung, was Sucht sei, gibt keinen Anlass zu Optimismus. Gerade das «aufregende» Erleben in der illegalen Drogenszene führe zu Verhaltensgewohnheiten, die kaum zu verändern seien, da sie nach dem Prinzip der «unregelmäßigen (intermittierenden) Verstärkung» aufgebaut seien. Heroin-Abhängige müssen eine Reihe von Fertigkeiten entwickeln, um sich den Stoff zu beschaffen. Sie sind in der Regel in ihrem «Metier» recht erfolgreich. Diese Flexibilität, auf die unterschiedlichsten Situationen angemessen zu reagieren – die unregelmäßige Verstärkung —, erzeuge aber weitaus festere und schwerer zu lösende Muster als regelmäßige Verstärker (wie etwa im Schulunterricht). Als Konsequenz des lerntheoretischen Ansatzes steht daher eher die Prävention im Vordergrund, nicht aber die Rehabilitation Drogenabhängiger.

Doch ist damit etwas gewonnen? Was kann Prävention anderes sein als die Vermittlung von Verhaltensnormen? Die hehre Absicht, Menschen zu veranlassen, das Böse zu meiden und das Gute zu tun, scheitert auch in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft. Aufklärung, da sind sich die meisten Fachleute einig, schützt nicht vor Drogenkonsum. Ohnehin lässt sich der Nutzen von Einrichtungen, die um Prophylaxe bemüht sind, nicht messen: Wie soll man kontrollieren, ob jemand durch eine Beratung vor Drogenmissbrauch geschützt wurde? Prävention, so kann man vermuten, dient vor allem der moralischen Beruhigung derer, die mit dem Thema Drogen befasst sind. Man hat getan, was man konnte. Wer dennoch uneinsichtig ist, dem ist nur begrenzt zu helfen.

Die Gründe, warum Menschen Drogen nehmen, sind so vielfältig, dass man sie nicht in einen Begriff wie «Sucht» pressen und diese dann pauschal zur Krankheit erklären kann.

Die Gründe, warum Menschen Drogen nehmen, sind so vielfältig, dass man sie nicht in einen Begriff wie «Sucht» pressen und diese dann pauschal zur Krankheit erklären kann. Was in der einen Gesellschaft als «Abhängigkeit» von psychothrophen Substanzen und als «unkontrolliertes» Verhalten gilt, ist in der anderen ein wenig beachteter Teil des alltäglichen Lebens. Natürlich muss der Staat die Bürger und Bürgerinnen davor schützen, andere und sich selbst in Gefahr zu bringen – aber um welchen Preis? Die Definition dessen, was wir als «Sucht» verstehen, beantwortet immer auch die Frage, wie weit wir unsere eigene Verantwortung selbst in die Hand nehmen wollen oder das anderen überlassen.

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(1) Ch. Schmerl (1984), S. 48 ff
(2) ebd., S. 55
(3) G. Grimm, (1985), S. 77
(4) Ch. Schmerl (1984), S. 66
(5) ebd., S. 77
(6) Bei allem Respekt für die brillante journalistische Leistung Marie-Luise Scherers, die für ihre Reportage über einen Fixer «Auf deutsch gesagt: gestrauchelt» mit dem Kisch-Preis ausgezeichnet wurde: Auch der Junkie und Held «Manni» endet in der «Therapie» Synanon, was den Leser zu der verfrühten Annahme verleitet, damit sei ihm geholfen. [Einer der besten Reportagen, die ich jemals gelesen habe! Die eindeutig beste Geschichte ist auch von ihr: Der unheimliche Ort Berlin über eine Leiche im Kreuzberg der 80er-Jahre. Jeder Satz wie gemeißelt, und kein Wort überflüssig. („Eine Frau darf scharf aussehen, den Pelz einer geschützten Tierart tragen und Gold auf den Lidern, wenn ihr darüber nicht das irisierende Moment von Sperrmüll abhanden kommt.“) Man muss abwechselnd schallend lachen, oder es stehen einem die Haare zu Berge. Ich habe die Scherer damals bei ihren Recherchen persönlich kennengelernt. Sie war oft im legendären Slainte in der Oranienstrasse. Meine damalige Freundin wohnte in der Naunynstrasse. Ich war damals noch kein Journalist, kannte aber einige der Protagonisten ihrer Reportage, zum Beispiel „Schmutzfuß“, „Pille“. Santana“ und „Chaota“.]
(7) So J. v. Scheidt, der in seinem Buch «Der falsche Weg zum Selbst. Studien zur Drogenkarriere» (1976) behauptet, die Schädigung der Drogen-Konsumenten durch die Eltern werde «auf seiten der Frau natürlich noch durch den allgemeinen Drang nach Emanzipation» vorangetrieben. Vgl. Geoffrey Pearson: Social deprivation, unemployment and patterns of herein use, in: N. Dorn/N. South (1987): Zwischen 1979 und 1981 stieg die Arbeitslosigkeit in England von 1,5 Mio. auf 3 Mio., die parallele Zunahme des Rauschgiftkonsums war aber nicht der ökonomischen Entwicklung geschuldet, sondern hing mit ganz anderen Faktoren zusammen.
(8) Ch. Schmerl (1984), S. 110
(9) G. Pearson, in: N. Dorn/N. South (1987), S. 80
(10) Ch. Schmerl (1984), S. 112

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Museum of Holography

Museum of Holography

Postkarte aus dem Museum of Holography, New York. Die Ausstellung war damals in der 11 Mercer Street. Ich habe es am 19. oder 20.09.1979 besucht. Wahrscheinlich ist das Projekt im Virtual Museum of Holography aufgegangen.

Artists jumped on the technology in the mid-1960s, and a Museum of Holography was founded on Mercer Street in SoHo in 1976, with a first exhibition that went on to travel around the world…

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Museo Etnológico Monseño Enzo Ceccarelli

Museo Etnológico Monseño Enzo CeccarelliMuseo Etnológico Monseño Enzo Ceccarelli

Traditionelle Holzhäuser aus der Provinz Amazonas (die eigentlich vom Orinoco dominiert wird). Museo Etnológico Monseño Enzo Ceccarelli, Puerto Ayacucho, Venezuela 1998. Offenbar gibt es nur sehr wenige Fotos aus diesem Museum. Ich habe eine Sammlung auf einer russischen Website gefunden, die von Andrey Matusovskiy gemacht wurden und die aus diesem Jahr stammen, und ein Video auf TikTok.

Ich habe das Museum besucht, weil ich für meinen Roman „Die Konquistadoren“ recherchierte, wie die Bauten in Venezuela vor rund 500 Jahren ausgesehen haben könnten.

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Am Schlesischen Tor

Köpenicker strasse 194

Blick aus einem Fenster meiner Dachgeschosswohnung in der Köpenicker Strasse 194 in Richtung Schlesisches Tor, ca. 1995 oder 1996. Es war ein großer Fehler, in diese Wohnung zu ziehen: Sie war überteuert, hatte keine abgetrennten Räume, außer der Küche und dem Bad, und ich bin am ersten Tag von einer Leiter gefallen und habe mir die Hüfte gebrochen. Das mit meiner damaligen Freundin ging auch nicht lange gut, und sie zog nach zwei Jahren aus. In dieser Wohnung war ich nie wirklich glücklich und zufrieden.

Hier habe ich unter anderem das Buch über Tron geschrieben und die ersten Schritte ins World Wide Web getan (im Internet war ich schon ein wenig früher, als ich noch in der Pfuelstrasse 5 gleich nebenan wohnte).

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Stilfragen

klimastilistik

Aus der Facebook-Gruppe „Deutsch mich nicht voll“

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Das Kreuz mit der Sucht III

Der Zwang zur Heilung

– aus meinem Buch Heroin – Sucht ohne Ausweg?“ (1993)

Die Theorie der «Suchttherapie» hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht wie die staatlichen Maßnahmen gegen Rauschmittel: Sie hat ihren Geltungsbereich immer weiter ausgedehnt. Das ursprüngliche Problem geriet dabei zunehmend aus dem Blickfeld: Nicht der Missbrauch von Drogen muss bekämpft werden, sondern das angeblich sozial auffällige Verhalten der Süchtigen.

therapy

Da es den Medizinern und Therapeuten nicht gelingt, des «Problems» Herr zu werden, verlagern sich auch ihre Anstrengungen: Dem «Suchtcharakter» der Opiatabhängigen kommt man nicht so leicht bei, und deshalb muss man mit «sanfter» Gewalt nachhelfen, um die Einsicht des Drogen-Konsumenten in sein «Problem» zu fördern.

Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Fälle von «Morphinismus» (1) beschrieben wurden, dauerte es nicht lange, bis die Therapeuten auf den Plan traten. Ein Handbuch der Psychiatrie aus dem Jahre 1912 beschreibt das, was auch heute noch in manchen Drogentherapien gültig ist: «Die Energie zur Selbstentwöhnung besitzen nur wenige Morphinisten, meist ist Zwang nötig; selbst wenn die Kranken ihr Einverständnis für die Einleitung der Entziehungskur gegeben haben, suchen sie sich häufig, sobald die Beschwerden der Abstinenzperiode einsetzen, zu entziehen.» Deshalb empfiehlt man: «Bei Aufnahme in die Anstalt ist, vor allem bei uneinsichtigen, widerstrebenden Kranken, genaue körperliche Visitation nach mitgebrachten Morphiumvorräten erforderlich; sie hat sich gegebenenfalls auch auf die Körperöffnungen zu erstrecken.» (2) Für die Kranken sei «eine solche strenge Beaufsichtigung ein Halt und eine Stütze» in «ihrem» Kampf gegen den Rückfall. Während die ersten Vertreter der therapeutischen Zunft noch zwischen «willigen» und «unbehandelbaren» Drogen-Konsumenten unterscheiden, setzt sich in wenigen Jahrzehnten die auch heute noch von den meisten Ärzten und Therapeuten gebilligte Meinung fest, gegen «Sucht» helfe nur Zwang.

therapy

Seit knapp hundert Jahren hat sich offenbar nicht viel geändert. Die Theorien darüber, was als Ziel der Behandlungen von Opiatabhängigen erreicht werden soll und wie das zu geschehen habe, sind vage. Es werden nur Teilziele benannt. «Entwöhnung» meint den Prozess, die Droge abzusetzen, also den Entzug überhaupt erst einmal durchzuhalten. Die «Gewöhnung», von der man lassen soll, differenziert nicht zwischen der körperlichen Abhängigkeit und dem psychischen Verlangen, das auch nach dem Absetzen des Rauschmittels fortbesteht. Heute spricht man im engen Sinne von «Entgiftung»: Der Körper soll vom «Rauschgift» befreit werden, wobei «Gift» klammheimlich suggeriert, hierbei handele es sich um eine gefährliche und schädliche Substanz – was bei Opiaten zumindest fragwürdig ist.

Leider verhalten sich die Kranken uneinsichtig. Auch das ist gleich geblieben. Sie bringen nicht genug «Energie» auf. Um die Behandlung zu verlängern oder zu wiederholen, muss der Begriff «Sucht» herhalten. Die Abhängigkeit von einer Droge wird zu einem «strukturellen» Problem gemacht, das tief in der Psyche des Kranken verborgen sei. Das ständige Auf und Ab zwischen Entgiftung und Rückfall wird zu einer Selbstverständlichkeit, wobei das Ziel in immer weitere Ferne rückt. Der Kranke hat falsch gelebt und bringt nicht genug Energie auf, ein besseres Leben zu führen. Deshalb muss er «Leben neu lernen» (3). Das kann dauern und sichert die Arbeitsplätze der Therapeuten.

Die deutsche Therapie-Lobby geht mittlerweile schon so weit, dass sie die «Entwöhnung» bzw. Entgiftung anderen oder dem Patienten selbst überlässt. Voraussetzung, um einen Therapie-Platz zu ergattern, ist, dass der oder die Opiat-Abhängige «clean» ist. Eine absurde Umkehrung: Was das ursprüngliche Ziel war – sich der Droge zu «entwöhnen» —, wird jetzt zur Voraussetzung der Behandlung erklärt. Für so primitive und «einfache» Dinge wie den Entzug sind sich die hochspezialisierten Therapeuten und Psychologen zu schade. Erst wenn der uneinsichtige Kranke sich selbst in die Lage versetzt hat, von der Droge zu lassen – als Zeichen der Gutwilligkeit -, lässt man sich zu ihm herab, um ihn und seinen «Suchtcharakter» mit einer therapeutischen Maßnahme zu beglücken. «Es muss erst ohne Zutun der Drogentherapeuten ein Wunder geschehen: nämlich das Wunder der absoluten Drogenfreiheit, erst dann lässt man sich mit Exusern ein.» (4)

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Diese merkwürdige, verdrehte Logik hat ihre Vorteile. Sowohl die orthodoxen Vertreter der Therapeuten-Lobby, die den «Suchtcharakter» für das Problem – die Uneinsichtigkeit der Kranken und deren mangelnde «Energie» – verantwortlich machen, haben ein Interesse daran als auch die liberalen «Suchtexperten», die die Gesellschaft als das Übel ansehen. In beiden Fällen kann man angesichts des Scheiterns des Bemühens von den eigenen Misserfolgen ablenken: Nach einem Rückfall ist entweder das Individuum (die narzisstische und therapieresistente Persönlichkeit) oder die soziale Misere (die den Abhängigen keine Perspektive gibt) schuld Drogensucht als «schwere psychische Erkrankung der ganzen Persönlichkeit» versus Drogenabhängigkeit «als Folge gesellschaftlichpolitischer Defizite».

Hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Die Abstinenz hat sich ja nur deshalb als Behandlungsziel in die Kette der therapeutischen Maßnahmen eingeschlichen, weil man ursprünglich davon ausging, das sei mit helfendem Zwang zu bewerkstelligen. Die Frage, ob Sucht nicht auch tolerierbar sei, vermeidet man. Man definiert die drogenfreie Persönlichkeit als «normal» und den Drogenkonsumenten als «krank», um das eigene Eingreifen rechtfertigen zu können. Ist die Krankheit «schwer» und betrifft sie den ganzen Menschen, suggeriert das eine Hilflosigkeit des Patienten, die den helfenden Zwang geradezu herausfordert. Ungeachtet, ob der Drogenkonsum als Ursache oder nur als ein Symptom einer «tieferliegenden Störung» angesehen wird: Wenn man das Ziel nur ernst genug nimmt, rechtfertigt das alle Mittel.

Auch das ist im Interesse des Selbstbildes der Suchttherapeuten. Die mehr psychoanalytisch orientierte Fraktion wird sich bei einem Therapie-Erfolg – der Patient macht einen Bogen um die Drogen – zugute halten, dass ihre Methode selbst schwerste Persönlichkeitsstörungen zugunsten eines «neuen» Menschen ummodellieren kann. Es gibt wohl keine «Krankheit», deren Behandlungserfolg so einfach zu kontrollieren ist: Wenn ein ehemals Heroinabhängiger den Stoff nicht mehr anrührt, gilt er als geheilt, ganz gleich, wie das erreicht wurde.

Und wenn sich in der Person des Drogen-Konsumenten partout nichts finden lässt, was ihn von dem «normalen» Rest der Bevölkerung unterscheidet, sind eben die Vorfahren — normalerweise die Eltern — schuld. Die «Schwere» der Krankheit ist für den Drogenkonsumenten eben deshalb so schwer zu durchschauen, weil sie in einer Phase seines Lebens begann, die er noch nicht bewusst erleben konnte. «Intakte» Familienverhältnisse schützen angeblich vor Drogenmissbrauch, wobei keiner der Drogen- und Suchtexperten es bisher gewagt hat, diese «intakten» Verhältnisse genauer zu beschreiben. Meistens bleibt es bei philosophischen Bemerkungen allgemeiner Art wie der des Synanon-Chefideologen Ingo Warnke,: «Glückliche Leute werden nicht süchtig.» (5)

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Die liberale Fraktion der Therapeuten sonnt sich bei einem Erfolg in dem Gefühl, der bösen Gesellschaft ein Schnippchen geschlagen zu haben: Die Abstinenz des Patienten wird zum beinahe politischen Akt der Rebellion gegen die unzumutbare soziale Situation, die zum Drogenkonsum verführte. Der inadäquate Protest gegen die Gesellschaft – «gegen frustrierende Obrigkeit, gegen hierarchische Strukturen, gegen den Leistungsdruck, gegen Bevormundung… gegen Gebotskataloge der Konsumpflicht und damit Ausdruck des Unbehagens unserer Zeit… » (6) wird therapeutisch in die richtigen Bahnen gelenkt.

Der Therapeut macht sich zum heimlichen Komplizen des Patienten – ohne dessen Wissen -: Er gibt zu, dass die Gesellschaft besser sein könnte, als sie ist, und dass die Rebellion gerechtfertigt, nur dass Drogenkonsum eben die falsche Art des Protestes sei. «Ob man sich seine Gehirnwäsche nun durch süchtigen Konsum des TV- oder des LSD-Heimkinos durchführen lässt – das tatenlose zahme Lämmchen bleibt man allemal.» Fixen ist Opium fürs Volk. (7)

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(1) Roche-Lexikon Medizin, München/Wien/Baltimore 1998
(2) Zit. nach W. Burian/I. Eisenbach-Stangl (1980), S. 6
(3) So der ehemalige Berliner Landesdrogenbeauftragte Heckmann, zit. nach G. Grimm (1985), S. 43, Anm. 3
(4) F. Theyson/D. Spazier: Nowhere: Therapeutische Expedition in die Unwegsamkeit der Drogenszene, Frankfurt 1981, S. 189, zit. nach G. Grimm (1985), S. 43
(5) In: «Spandauer Volksblatt», 12.10. 75
(6) Zit. nach G. Grimm (1985), S. 71, Anm. 2
(7) E. Joite (1972), S. 27

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Aussicht vom schönen Berg

monte bello puerto ayachucho

Aussicht vom Mirador Monte Bello (Aussichtspunkt „Schöner Berg“) nach Norden, im Hintergrund der Orinoco. Puerto Ayachucho, Provinz Amazonas, Venezuela 1998.

Das Foto unten zeigt den Blick, ebenfalls von dort, auf die Wasserfälle des Orinoco nach Süden. Das hatte ich schon hier vor zehn Jahren gepostet. Diese Bild ist eines meiner Lieblingsfotos. Ich kann mich aber erinnern, dass es da oben auf dem Berg so brüllend heiß war, dass mir schwindelig wurde und ich fast in Ohnmacht gefallen wäre.

monte bello puerto ayachucho

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Unordnungsmacht

Das Ministerium für Wahrheit – aka Martina Meister von der bürgerlichen Presse – informiert: Antikolonialismus heißt jetzt: „ein weiterer Tiefpunkt des europäischen Engagements in Afrika“.

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Sex, Krieg und Bodenschätze

puff
Bordellszene, Braunschweiger Monogrammist, 1537; Gemäldegalerie Berlin

– Apropos „Sex geht immer“, also auch käuflicher. In der Hinter-der-Paywall-Qualitätsmedien lese ich: Die Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, nimmt die Ergebnisse zum Anlass für eine Positionierung für eine andere Rechtslage. „Nach vielen Gesprächen mit Betroffenen und Vor-Ort-Besuchen ist meine Überzeugung: Alles ist besser, als was jetzt ist. Ich persönlich bin für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland“, sagte die CSU-Politikerin.

Das mit dem „vor Ort“ glaube ich sowieso nicht. Die Politikerin „mit Herz“ möchte also Prostituierte in die Illegalität treiben, weil deren Tätigkeit – die Simulation der geschlechtlichen Vermehrung – zwar legal bleibt, aber die Kunden vertrieben werden. Das wird Zuhälter freuen, die dann „geschützte Räume“ anbiete werden, in denen sich nichts nachweisen lässt, es sei denn durch Lockspitzelinnen. Das Thema erinnert mich sehr stark an Drogenpolitik: Man schlägt sich fassungslos die Hände vor’s Gesicht, wenn man hört, was Politiker so absondern und fragt sich, wie bekloppt eine(r) allein sein kann.

bakhmut

– Nun zu uns, Russen. In der bürgerlichen Presse fand ich – wieder hinter der Paywall – ein hervorragendes Interview mit dem in Deutschland lebenden russischen Journalisten Nikita Gerasimov (der hat denselben Beruf wie ich: freier Journalist und „Konfliktbeobachter“. Aber wie verdient man damit Ged, um die Miete zu bezahlen?)

Gerasimov: In Deutschland ist die Vorgeschichte des Krieges seit dem 24. Februar tatsächlich fast komplett verschwunden. In Russland und der Ukraine keinesfalls. In den Kriegsdebatten beider Länder werden die Jahre 2014 bis 2022 und die Kausalitäten derzeit umso ausgiebiger diskutiert. In der Ukraine gibt es beispielsweise eine starke Meinungsströmung, dass der Krieg nicht im Februar 2022 begann, sondern eigentlich schon 2014. Der 24. Februar habe nur die nächste, vermutlich die finale Phase des längeren Krieges eingeläutet.

In Russland wird die Zeit vor 2022 vor allem vor dem Hintergrund diskutiert, ob und was man alles anders hätte machen können. Verbreitet ist etwa die Meinung, dass Moskau gleich im Jahr 2014 in die eine oder andere Richtung „die Sache klarmachen musste“ – also entweder den Donbass ganz lassen oder gleich bis nach Kiew vorrücken. (…)

Nach meinem Empfinden ist die Vorgeschichte des Krieges nur in Deutschland aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. In der Ukraine und Russland ist sie dagegen permanent da, nur natürlich mit umgedrehten Vorzeichen, aber oftmals mit demselben Fazit: Der Krieg sei ab einem bestimmten point of no return unvermeidbar gewesen. Der habe Jahre vor dem 24. Februar 2022 gelegen. (…)

Etwas ketzerisch gefragt: Hatte Russland überhaupt einen Plan oder nur die von Putin in seiner Fernsehansprache vom 21. Februar formulierten Motive?
Gerasimov: Aus meiner Sicht war es vor allem eine massive Unterschätzung des Gegners und eine Fehleinschätzung der Stimmung in der ukrainischen Bevölkerung. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass es kaum bis gar keinen Widerstand geben würde. Möglicherweise, dass die einrückenden russischen Truppen in manchen ukrainischen Regionen feierlich mit Blumen empfangen werden. Die Kolonnen rückten teilweise in Paradeformation ein. Eine fatale Fehleinschätzung.

Vor allem in der Ukraine und in Polen nehmen Aussagen zu, dass das finale Ziel des Krieges nicht mehr die Verteidigung der ukrainischen Grenzen und Territorien sein solle, sondern langfristig ein Zusammenbruch oder eine Aufteilung Russlands. (…) Mit solchen Aussagen schadet sich Kiew vor allem selbst, denn es heizt in Russland die „Moral an der Heimatfront“, wie Sie es formulieren, erst an und erleichtert es russischen Medien, die Bevölkerung zu mobilisieren. (…)

Mit jedem Monat dürfte die Ukraine größere Schwierigkeiten haben, junge Männer für den Krieg zu mobilisieren. Auf russischer Seite dürfte die Lage ähnlich sein, wobei die Ressourcen dort natürlich um ein Vielfaches größer sind. (…)

ich denke, die Medien sollten vielmehr „nur“ beschreiben, was passiert. Informieren, im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht versuchen, dem Leser – oder Zuschauer – eine vorgefertigte Meinung vorzulegen. Der Leser soll die Chance haben, sich seine Meinung selbst zu bilden. Das versteht man ja unter einem „mündigen Bürger“. Versucht man, eine Meinung vorgefertigt vorzulegen, fühlt sich der Leser schnell bevormundet und weicht auf alternative Quellen aus. Insgesamt führt dies dazu, dass sich viele von den klassischen Medien abwenden und stattdessen Informationen auf Telegram, Twitter und Co. suchen. Diese Tendenz ist natürlich nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern verstärkt insbesondere in Russland und der Ukraine. Gerade die jüngere Generation steigt fast komplett auf alternative Informationsangebote um.

Full ack, Euer Ehren.

chile lithium
Source: Sociedad Quimica Minera de Chile (SQM)

– Die Lautsprecher des Kapitals jaulen auf: „Chile verfügt über die größten Lithium-Reserven der Welt. Staatschef Gabriel Boric will die Bodenschätze staatlich kontrollieren.“ Mal sehen, wann die USA wieder einen Putsch organisieren. Ist hier jemand Aktionär?

– Apropos „Wo kommt die Kohle her?“ Falls jemand gerade keine Geschäftsidee hat: Bei Twitter gibt es einen Thread dazu. Stichworte: „interdisziplinäre Expertise zu Themen wie Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Rechtsextremismus.“ Ist sowas wie „Völkerrecht“. Man wird war kein Außenminister, aber ohne viel Ausbildung auch als Quereinsteiger CEO einer schwerreichen Stiftung. (Nein, meine ursprüngliche Quelle war eine sehr attraktive junge Dame, von der ich hoffe, dass sie im Kopf nicht allzu klimageschädigt ist.)

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Helados EFE

caracas

Straßenszene irgendwo in der Nähe des Bulevard de Sabana Grande im Stadtviertel Sabana Grande in Caracas, Venezuela, fotografiert im März 1998. Den genauen Standort von damals finde ich leider nicht wieder. Das Eis ist von Helados EFE. Die Firma gehört der größten Brauerei Venezuelas.

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Unter Fliegenfangenden

cat

Mein Kater Antares, 1976 oder 1977, in meiner Wohnung am Willmanndamm in Berlin-Schöneberg.

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