Sex, Krieg und Bodenschätze

puff
Bordellszene, Braunschweiger Monogrammist, 1537; Gemäldegalerie Berlin

– Apropos „Sex geht immer“, also auch käuflicher. In der Hinter-der-Paywall-Qualitätsmedien lese ich: Die Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, nimmt die Ergebnisse zum Anlass für eine Positionierung für eine andere Rechtslage. „Nach vielen Gesprächen mit Betroffenen und Vor-Ort-Besuchen ist meine Überzeugung: Alles ist besser, als was jetzt ist. Ich persönlich bin für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland“, sagte die CSU-Politikerin.

Das mit dem „vor Ort“ glaube ich sowieso nicht. Die Politikerin „mit Herz“ möchte also Prostituierte in die Illegalität treiben, weil deren Tätigkeit – die Simulation der geschlechtlichen Vermehrung – zwar legal bleibt, aber die Kunden vertrieben werden. Das wird Zuhälter freuen, die dann „geschützte Räume“ anbiete werden, in denen sich nichts nachweisen lässt, es sei denn durch Lockspitzelinnen. Das Thema erinnert mich sehr stark an Drogenpolitik: Man schlägt sich fassungslos die Hände vor’s Gesicht, wenn man hört, was Politiker so absondern und fragt sich, wie bekloppt eine(r) allein sein kann.

bakhmut

– Nun zu uns, Russen. In der bürgerlichen Presse fand ich – wieder hinter der Paywall – ein hervorragendes Interview mit dem in Deutschland lebenden russischen Journalisten Nikita Gerasimov (der hat denselben Beruf wie ich: freier Journalist und „Konfliktbeobachter“. Aber wie verdient man damit Ged, um die Miete zu bezahlen?)

Gerasimov: In Deutschland ist die Vorgeschichte des Krieges seit dem 24. Februar tatsächlich fast komplett verschwunden. In Russland und der Ukraine keinesfalls. In den Kriegsdebatten beider Länder werden die Jahre 2014 bis 2022 und die Kausalitäten derzeit umso ausgiebiger diskutiert. In der Ukraine gibt es beispielsweise eine starke Meinungsströmung, dass der Krieg nicht im Februar 2022 begann, sondern eigentlich schon 2014. Der 24. Februar habe nur die nächste, vermutlich die finale Phase des längeren Krieges eingeläutet.

In Russland wird die Zeit vor 2022 vor allem vor dem Hintergrund diskutiert, ob und was man alles anders hätte machen können. Verbreitet ist etwa die Meinung, dass Moskau gleich im Jahr 2014 in die eine oder andere Richtung „die Sache klarmachen musste“ – also entweder den Donbass ganz lassen oder gleich bis nach Kiew vorrücken. (…)

Nach meinem Empfinden ist die Vorgeschichte des Krieges nur in Deutschland aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. In der Ukraine und Russland ist sie dagegen permanent da, nur natürlich mit umgedrehten Vorzeichen, aber oftmals mit demselben Fazit: Der Krieg sei ab einem bestimmten point of no return unvermeidbar gewesen. Der habe Jahre vor dem 24. Februar 2022 gelegen. (…)

Etwas ketzerisch gefragt: Hatte Russland überhaupt einen Plan oder nur die von Putin in seiner Fernsehansprache vom 21. Februar formulierten Motive?
Gerasimov: Aus meiner Sicht war es vor allem eine massive Unterschätzung des Gegners und eine Fehleinschätzung der Stimmung in der ukrainischen Bevölkerung. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass es kaum bis gar keinen Widerstand geben würde. Möglicherweise, dass die einrückenden russischen Truppen in manchen ukrainischen Regionen feierlich mit Blumen empfangen werden. Die Kolonnen rückten teilweise in Paradeformation ein. Eine fatale Fehleinschätzung.

Vor allem in der Ukraine und in Polen nehmen Aussagen zu, dass das finale Ziel des Krieges nicht mehr die Verteidigung der ukrainischen Grenzen und Territorien sein solle, sondern langfristig ein Zusammenbruch oder eine Aufteilung Russlands. (…) Mit solchen Aussagen schadet sich Kiew vor allem selbst, denn es heizt in Russland die „Moral an der Heimatfront“, wie Sie es formulieren, erst an und erleichtert es russischen Medien, die Bevölkerung zu mobilisieren. (…)

Mit jedem Monat dürfte die Ukraine größere Schwierigkeiten haben, junge Männer für den Krieg zu mobilisieren. Auf russischer Seite dürfte die Lage ähnlich sein, wobei die Ressourcen dort natürlich um ein Vielfaches größer sind. (…)

ich denke, die Medien sollten vielmehr „nur“ beschreiben, was passiert. Informieren, im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht versuchen, dem Leser – oder Zuschauer – eine vorgefertigte Meinung vorzulegen. Der Leser soll die Chance haben, sich seine Meinung selbst zu bilden. Das versteht man ja unter einem „mündigen Bürger“. Versucht man, eine Meinung vorgefertigt vorzulegen, fühlt sich der Leser schnell bevormundet und weicht auf alternative Quellen aus. Insgesamt führt dies dazu, dass sich viele von den klassischen Medien abwenden und stattdessen Informationen auf Telegram, Twitter und Co. suchen. Diese Tendenz ist natürlich nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern verstärkt insbesondere in Russland und der Ukraine. Gerade die jüngere Generation steigt fast komplett auf alternative Informationsangebote um.

Full ack, Euer Ehren.

chile lithium
Source: Sociedad Quimica Minera de Chile (SQM)

– Die Lautsprecher des Kapitals jaulen auf: „Chile verfügt über die größten Lithium-Reserven der Welt. Staatschef Gabriel Boric will die Bodenschätze staatlich kontrollieren.“ Mal sehen, wann die USA wieder einen Putsch organisieren. Ist hier jemand Aktionär?

– Apropos „Wo kommt die Kohle her?“ Falls jemand gerade keine Geschäftsidee hat: Bei Twitter gibt es einen Thread dazu. Stichworte: „interdisziplinäre Expertise zu Themen wie Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Rechtsextremismus.“ Ist sowas wie „Völkerrecht“. Man wird war kein Außenminister, aber ohne viel Ausbildung auch als Quereinsteiger CEO einer schwerreichen Stiftung. (Nein, meine ursprüngliche Quelle war eine sehr attraktive junge Dame, von der ich hoffe, dass sie im Kopf nicht allzu klimageschädigt ist.)

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Kommentare

9 Kommentare zu “Sex, Krieg und Bodenschätze”

  1. Wolf-Dieter Busch am April 26th, 2023 8:09 pm

    Die Politikerin „mit Herz“ möchte also Prostituierte in die Illegalität treiben, weil deren Tätigkeit (…) zwar legal bleibt, aber die Kunden vertrieben werden.

    Danke, danke, danke. „Bekloppt“ wäre noch geprahlt. Sie entzieht den Mädels die ökonomische Lebensgrundlage.

  2. Wolf-Dieter Busch am April 26th, 2023 8:38 pm

    Die Lautsprecher des Kapitals jaulen auf: „Chile verfügt über die größten Lithium-Reserven der Welt. Staatschef Gabriel Boric will die Bodenschätze staatlich kontrollieren.“

    Staatliche Kontrolle versprach zu allen Zeiten: das erwirtschaftete Vermögen gleichmäßiger zu verteilen. Und das Versprechen tatsächlich gehalten!

    Was Staatliche Kontrolle freilich nie versprach: das Vermögen zu mehren. Und tatsächlich schrumpfte dieses von Planzeitraum zu Planzeitraum, und zwar enorm.

    Die Schwachstelle aller realen Sozialismen lautet: gerechter wurde das Vermögen jederzeit verteilt (außer Nomenklatura), aber der Produktionsprozess war nicht gewachsen, sondern konstruiert. Erfolgskontrolle erfolgte durch jene, die für den gescheiterten Plan verantwortlich zeichneten. Statt zu kontrollieren feierten sie sich.

    Wir müssen der Tatsache ins Auge schauen, dass diese Schwäche nicht persönliches Versagen, sondern systemisch ist. Es gibt im Sozialismus keine Erfolgskontrolle, die dem unbestechlichen Konkurrenzdruck des Marktes ebenbürtig wäre, und sie ist nicht mal theoretisch denkbar.

    (Wer in der Jugend nicht Sozialist ist, hat kein Herz. Wer im Alter noch … ähm …)

  3. Godwin am April 26th, 2023 9:06 pm

    „fragt sich, wie bekloppt eine(r) allein sein kann.“
    wie Christoph Sieber schon fragt: Was setzt sich durch – künstliche Intelligenz oder menschliche Dummheit?

    „Aber wie verdient man damit Ged, um die Miete zu bezahlen?“
    vielleicht indem man einen Sprachstil verwendet, der nicht nach „ich-weiß-es-doch-so-oder-so-besser-als-alle-anderen“-Baptisten-Predigt klingt…

    „Mit jedem Monat dürfte die Ukraine größere Schwierigkeiten haben, junge Männer für den Krieg zu mobilisieren.“
    Das verspricht man uns schon seit Monaten. gekämpft wird immer noch.
    Mit wem?

    „Gerade die jüngere Generation steigt fast komplett auf alternative Informationsangebote um.“
    Etwas problematisch daran finde ich aber, dass auch und gerade bei diesen alternativen Informationsangeboten die vorgegebene Meinung evtl. gar noch mehr der zentrale Dreh- und Angelpunkt ist.
    Die Suche nach Informationen wird da ungelich mehr gleichgesetzt mit der Suche nach Bestätigung dessen, was man eh schon zu wissen glaubt…

    Aya Velázquez – ich würde es tun

  4. ... der Trittbrettschreiber am April 26th, 2023 9:58 pm

    „Was setzt sich durch – künstliche Intelligenz oder menschliche Dummheit?“

    Es gibt also noch Hopfen – KI hat keine Chance.

  5. Cpt. Arrowhead am April 26th, 2023 11:15 pm

    Die Nazis hatten es ja schon immer mit den Nutten..diese Weltenbümmlerinnen..die keine Ländergrenze kennen, keine sozailen klassen, und erst recht keine abhängigkeit zu einen Ehegatten

    ..argh da steht den deutschen Volksempfinden die Nackenhaare zu berge..

    aber das sachlimmste an denen ist ja, jeder einzelen cent den die vom deutschen steuerzahler einnenhmen ist ein minus geschäft für das deutsche kapital..sag nur exportüberschhuss, und das geht gar nicht lol

    zu Pia Lamberty mus man nichts sagen ausser.

    Meine lieblings verschwörungs-erzählung ist ja: wer radio Wolfschanze durch „zwangsgebühren“ finanziert glaubt auch an unabhängige medien.

  6. Die Anmerkung am April 27th, 2023 8:34 am

    >> Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass es kaum bis gar keinen Widerstand geben würde. Möglicherweise, dass die einrückenden russischen Truppen in manchen ukrainischen Regionen feierlich mit Blumen empfangen werden. Die Kolonnen rückten teilweise in Paradeformation ein.

    Woher weiß dieser Mann das?

    oder.

    Er will doch nur plaudern, denn es handelt sich im vorliegenden Fall um wohlfeiles Gesülze.

    Nur die deutschen Politiker wollen etwas, nämlich die Welt retten, ersatzweise das Klima oder das, was sie dafür halten. Alle anderen handeln.

  7. blu_frisbee am April 27th, 2023 12:57 pm

    Woher weiß dieser Mann das?

    Man hats gefunden. Sagen Ukries bzw Dienste.
    Obs stimmt weiß ma nicht, anzunehmen isses.
    Die russische Armee hat Fehler gemacht, zB fehlte Logistik (Muni, Tanke, Blutkonserven etc).

  8. Albert Rech am April 27th, 2023 5:45 pm

    Die Vorgeschichte des aktuellen Konfliktes in der sogenannten Ukraine beginnt nicht 2014 sondern 1999 als die USA den Beitritt Polens zur NATO erzwungen hat obwohl Deutschland und Russland 1990 vereinbart hatten das sich die NATO nicht nach Osten ausdehnen wird.
    Diese und weitere Misachtung der russischen Sicherheitsinteressen und russischer Soveränität über die Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes habe dann 2022 dazu geführt das Putin keine andere Wahl hatte als der russischen Bevölkerung in der sogenannten Ukraine und den unabhängigen Volksrepubliken im Donbass zur Hilfe zu kommen die einem 8 jährigen Vernichtungskrieg durch ukrainische Faschisten und US-amerikanischen Biolaboren ausgesetzt gewesen ist.
    Gut möglich das die russische Armee die Lage in der sogenannten Ukraine falsch eingeschätzt hat, aber sicherlich nur wegen den perfiden Methoden der CIA die mit Doppelangenten und Desinformatione den russischen Geheimdiensten falsche Informationen zugespielt haben um ihren Auftrag zu erfüllen Russland in einen Krieg zu verwicklen.
    Leider hat sich Deutschland wieder auf die Seite der Faschisten in Polen und der Ukraine gestellt, statt seinem Versprechen von 1990 nachzukommen.

  9. blu_frisbee am April 27th, 2023 7:29 pm

    Selenskyi Faschist, Putin Faschist (Führer für politischen Körper).
    Wenn ma verstehen will was vorgeht sind moralische Urteile =Schuldzuweisungen daneben.
    Oberhalb der Staaten gibts keine Transzendentalie.
    Zwischen den Staaten gehts um größere Gewalt.
    Das Universum ist nicht moralisch.

    Es geht um die Weltherrschaft, dh ob westlicher Kapitalblock („regelbasierte Ordnung“) gegen Konkurrenz siegt.
    Statt mit RU gegen CN wird erstmal RU ausm Spiel genommen.
    Mit den Lemberger Nazis hat man nützliche Idioten.
    Wie immer: Rich mans war, poor mans blood.

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