Regenzeit
Trinidad, 22.2.80 [gemeint ist nicht die Insel Trinidad, sondern die Stadt in Bolivien, angekommen in Unna 1.3.]
Liebe Eltern!
Im Augenblick stecken wir in einer kleinen Siedlung im Norden von Bolivien seit 5 Tagen fest. Es gibt keine Straßen nach Norden zur brasilianischen Grenze, wo wir hinwollen, keine Flugzeuge, weil das Flugzeug der Linie, mit der wir fliegen, in La Paz festsitzt, weil die Piste des „Flughafens“ (Graspiste) vorher unter Wasser stand und alle anderen Flugzeuge bis März ausgebucht sind. Schiffe bzw. Lastkähne, mit denen wir heruntergeschaukelt sind bis hierher, gibt’s auch nicht, weil der „Hafen“ (nur 10 Holzhäuser) völlig unter Wasser steht. Jetzt wissen wir, was Regen ist, denn es hat seit drei Tagen und drei Nächten geschüttet wie aus Eimern und alles ist überschwemmt.
Das Dschungelgebiet im Norden Boliviens ist 1/3 so groß wie die BRD, aber es gibt nur drei Siedlungen mit mehr als 1000 Einw., sonst nur Flüsse und Dschungel. Wir wollen mit einer Militärmaschine zu einem Dorf hoch im Norden an der Grenze, von dort gibt’s eine Straße nach Brasilien + weiter nach Manaus am Amazonas. Mit einem Lastkahn dauert es 5 Tage, so viel Zeit haben wir nicht. Ich hoffe, daß das komische Flugzeug in den nächsten Tagen endlich losgeht – wenn es nicht wieder regnet.
Allerdings gab es im Büro der Militärs in den letzten Tagen, wo wir alle 2 Stunden hingerannt sind, sehr unterschiedliche Informationen von denselben Personen: 1. das Flugzeug fliegt nicht, weil es regnet, 2. sie fliegen nicht, weil Karneval ist, 3. das Flugzeug ist mit nur einem Motor gelandet und sie können es nicht reparieren, 4. die Elektronik ist ausgefallen, 5. das Flugzeug ist von La Paz gestartet, aber wir wissen nicht, wo es ist (!!!). Es ist zum Ausflippen.
Unternehmen kann man auch nichts, weil die „Stadt“ nur aus ein paar Straßen besteht und praktisch von der Außenwelt nur per Flugzeug erreichbar ist – und es fliegt eben keines in die richtige Richtung – leider.
Wir sitzen den ganzen Tag am der Plaza, trinken Kaffee oder sonstige leckeren Sachen, gucken uns die nassen Palmen und riesigen Gummibäume an oder spielen Schach oder Rommee oder schreiben Briefe. Und alle 2 1/2 Stunden heißt es im Flugbüro: Wir informieren 3 Stunden später!
Silbermine San Jose in Oruro, Bolivien
Ansonsten ist Bolivien sehr schön, der große Geheimtip in Südamerika. Die Leute sehr freundlich und ausgesprochen höflich, aber mit der üblichen Südamerika-Mentalität, wenn’s heute nicht geht – mañana – morgen. Wir waren zwei Wochen auf dem Altiplano, das ist das Andengebiet, die Städte inkl. La Paz liegen alle über 3000m hoch. In Oruro haben wir eine Silbermine besichtigt nach langem Hin- und Herfragen – sehr interessant, die Mine sieht aus wie eine Mischung aus Korallenriff und Tropfsteinhöhle, überall hängt grünen oxidiertes Kupfer herunter und dazwischen glitzernde Silberadern. Die Arbeit ist sehr anstrengend, wie bei uns vor 50 Jahren. Die mineros waren auch sehr erstaunt über uns, weil normalerweise keiner reinkommt – vielleicht will die Verwaltung nicht, dass die Gringos was über die Arbeitsbedingungen erfahren. Außerdem verdienen die Bergleute umgerechnet 2.30 DM pro Tag, sehr wenig auch bei den Preisen, denn 1 Essen in einem billigen Restaurant kostet schon 2 DM!
Die Städte sind aber wesentlich sauberer und gepflegter als in Peru, die schönsten Plätze mit riesigen Palmen und unwahrscheinlich bunten Blumen (was in Deutschland mühselig gezüchtet wird, wächst hier wie Unkraut – trotz der Höhenlage) gibts hier. Selbst in Potosi, zur Zeit der Spanier wegen seiner Silberminen die größte Stadt ganz Amerikas, das aber 3900 m hoch liegt, wachsen Palmen!
Sucre, die Hauptstadt Boliviens, La plaza 25 de Mayo, Februar 1980
Und obwohl die Busse im Vergleich zu Peru reine Luxusbusse sind, haben wir schon 3 Buszusammenbrüche hinter uns. Beim letzten montierte der Busfahrer abends um 9 beim Schein einer Taschenlampe mitten auf der Straße (ohne Absperrung!) die Hinterachse raus, weil das Hinterrad immer eine andere Richtung wollte als der restliche Bus – und jede 10 Minuten, wenn ein Auto kam, hämmerte er die Achse wieder rein, weil sonst kein Platz auf der Straße gewesen wäre. Wir waren nach 2 Std. bedient und sind getrampt, aber haben es nur geschafft, weil zwei sehr hübsche Bolivianerinnen einen Bus angehalten und uns als ihre Begleiter ausgegeben haben – die ganze Meute aus unserem Bus wollte nämlich auch mit und der andere Busfahrer wollte nur 2 Leute mitnehmen – uff!
Wir sind bis hierher auf einem kleinen Lastkahn einen Urwaldfluß abwärts gefahren, haben den ganzen Tag in der Hängematte gelegen und uns die Dschungelbäume beguckt. Die Ruhe brauchten wir auch, denn es gab nur Flußwasser zu trinken (der Fluß ist eine schmutzig-braune Brühe) und wir hatten leichte Magen- und Darmbeschwerden – aber Hygiene ist ein eigenes Kapitel.
Puerto Villaroel am Rio Mamoré, Boliven 1980.
In 5 Tagen gab es 1 Dorf, wo wir auch angelegt haben, aber in der einzigen Kneipe buw. dem Krämerladen gab es nur eine einzige (!) Flasche Bier, und unser Kapitän war schneller als wir. Ursprünglich wollten wir noch 1 Woche im Norden ganz tief in den Dschungel zu den Kautschukzapfern und uns mal ein paar Krokodile und Affen „live“ ansehen [dazu bin ich erst 1984 gekommen], aber wir sitzen ja hier fest und haben das gestrichen.
Zum Glück ist unser „Hotel“ ganz nett, man kann in einem teilweise überdachten Hof sitzen und auch essen, denn selbst wenn es hier gießt, kühlt es sich kaum ab, es sind immer 25° und mehr, und wenn es trocken ist, sind es über 30. Aber das Nichtstun nervt uns ganz schön. Wir sind auch schon etwas wieder auf Europa eingestellt [wir waren schon fünf Monate unterwegs], weil wir jetzt die 2000 km rauf nach Guyana nur mit einem Stop in Manaus machen, weil wir erst unsere Flugbuchungen in Georgetown bestätigen lassen müssen und dann erst wieder eine Woche Zeit haben, um in Guyana etwas zu unternehmen.
Und außerdem wollen wir ja noch ein paar Tage in Barbados am Strand liegen, daß wir wenigstens knackig braun sind, obwohl wir jetzt auch schon ganz schön braun sind.
Hier gibt’s auch einen ganz kleinen putzigen Papagei im Hotel, der überall herumkrabbelt und alles anknabbert, vor allem Kugelschreiber und Zehen. Wenn man ihn anflötet, piepst er zurück und krabbelt das Hosenbein hoch bis auf die Schulter oder den Kopf. Vielleicht ist es auch ein Kakadu, denn einen großen Papagei haben sie auch und der sieht etwa anders aus, aber sehr würdevoll.
Aus Berlin werden wir ja bis zu unserer Rückkehr nichts mehr erfahren (…). Mein Auto wurde wohl abgemeldet – leider. Sonst geht#s uns gut, auch gesundheitlich, ich hoffe, auch allen auch. Macht euch keine Gedanken, denn gefährlich wird es jetzt nicht mehr besonders – Hauptsache, der Flug mit den Klapperdingern klappt. Wenn ihr den Brief bekommt, bin ich hoffentlich schon tief in Brasilien, wenn nicht schon in Guyana. Bis dann, viele liebe Grüße…
Ein Mädchen auf der Mario Angel, einem „Seelenverkäufer“ auf dem Río Mamoré im Dschungel Boliviens.
Wanderer, kommst du nach
Schreibe ein Gedicht in Hexametern, das einen einsamen Wanderer durch die Wüste beschreibt, der endlich in der Ferne, von Sandstürmen umtost, eine kleine Oase erblickt, mit alten, aber sehr schönen Gebäuden, und mache das Gedicht im Stil von Friedrich Schiller: „Wanderer, kommst du nach Sparta“.
Einsam wandert der Mann, von der glühenden Sonne gepeinigt,
Dürr ist der Boden, und heiß erhebt sich der Staub um die Füße.
Sandstürme toben, verwehen den Weg und verhüllen den Himmel,
Keinen Schatten gewährt ihm der dürre Tamariskenbusch mehr.
Durst brennt wild in der Kehle, die Lippen sind spröde wie Scherben,
Doch in der Ferne erglimmt ein Schimmer im goldenen Staube,
Wagt er den Blick, und siehe, es hebt sich im flirrenden Dunstmeer
Grünendes Leben empor, ein Wunder im endlosen Öde.
Datteln wiegen sich sanft in der Krone der uralten Palmen,
Klares Wasser entspringt aus steinernen, moosigen Becken.
Mauern, gezeichnet von Zeit, doch reich in erhabener Schönheit,
Künden vom Ruhm jener Tage, da Kunst hier die Wüste belebte.
Sachte betritt er den Ort, doch Ehrfurcht hemmt seine Schritte,
Staunend lauscht er dem Flüstern des Windes in Säulenarkaden.
„Ruhe,“ so scheint es zu rufen, „erschöpfte Seele, verweile!
Fremdling, das Leben erblüht, wo der Mühsal Gnade erstrahlet.
Wie man unschwer erkennen kann, hat meine Bibliothek ihren Platz gefunden.
Unter Kommunisten und patriotisch geilen Korpsstudenten
Sie rufen auf gegen das Judenkapital, meine Herren! Wer gegen das Judenkapital ist, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. sie sind gegen das Judenkapital imd wollen die Börsenjobber niederkämpfen. recht so. Treten die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie. aber meine Herren, wie stehen sie zu den Großkapitalisten, den Stinnes, Klöckner…?
(Große öffentliche Versammlung am Mittwoch, den 25. Juli, abends 7 Uhr in der Aula des Dorotheengymnasiums, Dorotheenstraße 12. Wofür starb Schlageter? Referentin: Genossin Ruth Fischer, Kommunistische Studentenfraktion, in: Die Rote Fahne 169, 25. Juli 1923. Zit. n. Olaf Kistenmacher: Arbeit und »jüdisches Kapital«. Antisemitische Aussagen in der KPD-TageszeitungDie Rote Fahne während der Weimarer Republik, 1916)
Der Rätekommunist Franz Pfemfert, ehemaliges Mitglied der KPD und Herausgeber der Zeitschrift Die Aktion, besuchte die Veranstaltung und berichtet kurze Zeit später als Augenzeuge….“ Das Publikum bestand laut Pfemfert aus „patriotisch geilen Korpsstudenten“ und „antisemitischen Weißgardisten“.
Unter Ersthelfern
Wisst ihr, was ich heute getan habe. Was gar nicht schön ist, wenn Nachtschichten mit wenig Pause mit Frühschichten wechseln. Ab Morgen wieder drei Nachtschichten…
Unter Gestauten
Kaum leihe ich mir ein Auto, stehe ich im Stau. Ist das in Berlin immer so um 17:00 Uhr? Mit dem Fahrrad hätte ich die 16 Kilometer schneller geschafft…. (Nur kann ich das zu Transportierenden nicht auf mein E-Bike schnallen…)
Wokeismus und Islamismus
Ich empfehle zwei Artikel der „Jerusalem Post“, die man so in deutschen Medien nicht unbedingt finden würde – und in der gendernden „Taz“ oder dem „Tagesspiegel“ erst recht nicht. Lustig sich vorzustellen, wenn sich jetzt noch die Woken und die Muslime zusammentun – das ist bei der so genannten „Linken“ eh schon der Fall.
Unter Second-Life-Mobile-Beta-Testenden, revisited
Ich revidiere schnell zwischendurch – der Fairness halber – mein Verdikt vom 22.11.2024 über die neue mobile App für Secondlife. Jetzt funktioniert alles hervorragend, und auch Mesh-Avatare werden pixelkorrekt gerendert.
Vermutlich musste man sich bei Lindenlab Mühe geben, da der Standing-alone-Gamer-PC nicht mehr der Standard ist und die Kunden oft nur mit Smartphone unterwegs sind. Textviewer wie Radegast laufen zwar auch auf uralten Möhren schwachbrüstigen Uralt-Computern und Handys, aber erinnern eher an IRC oder Lynx. Dafür loggt man sich aber nicht in 3D-Welten ein.
Die Bedienung ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber wenn man die unzähligen Features und die Einstellung durchprobiert hat, läuft der Avatar sogar ziemlich smooth.
Unter Gelben und Braunen
Ich baue gerade eine Bibliothek für eine Wüstenoase in Secondlife. Ist also nicht „arabisch“, sondern Fantasy. Wenn ich von der Nachtschicht zwischen fünf und sechs Uhr morgens nach Hause komme, bin ich aufgedreht, weil ich mit dem E-Bike brettere, das auf höchster Stufe 27 km/h macht, ohne dass ich mich verausgaben müsste. Die meisten Autofahrer erwarten aber von einem Fahrradfahrer so eine Geschwindigkeit nicht – man muss höllisch aufpassen. Dann muss ich wieder „runterkommen“, bevor ich einschlafe. Außerdem wollte ich etwas posten, in dem sowohl „Secondlife“ als auch „Alice Weidel“ vorkommen. Vermutlich bin ich der einzige Mensch auf der Welt, der das kann.
„Die Feindschaft gegen die Juden ist nur dort von Dauer, wo die Gutsbesitzer und Kapitalisten die Arbeiter und Bauern durch Leibeigenschaft in tiefster Unwissenheit gehalten haben. Nur ganz unwissende, ganz unterdrückte Leute können die Lügen und Verleumdungen glauben, die gegen die Juden verbreitet werden.“ (Wladimir Iljitsch Lenin)
Ich schrob auf Fratzenbuch:
„Man kann das „Kommunistische Manifest“ auf der Brust tätowiert haben und „Das Kapital“ in Cis-Moll singen können: Wenn man aber bei X ist, ist man „rechts“.“
„Die meisten Deutschen haben mit freier Rede Probleme, weil sie von den Anstalten zu betreutem Denken erzogen wurden. „Free speech“ im Sinne der US-amerikanischen Verfassung ist ihnen unheimlich. Wo kämen wir denn da hin?“
Hitler sei also irgendwie „links“ oder „Sozialist“ meint die Weidel. Man sollte ihr Schönbach zur Strafe zu lesen geben. Wer sich [bitte selbst ausfüllen] nennt, ist damit nicht automatisch [bitte selbst ausfüllen]. Die Antisemiten sind auch nicht links – Lenin hätte sie erschießen lassen.
Die AfD hat sich so weltanschaulich kostümiert, als sei sie für die Arbeiterklasse „kleinen Leute“. Wenn man aber das Wahlprogramm anschaut, wird es schon sehr klar, dass es gegen die Arbeiter und ihre Rechte geht.
Zu unserem Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft gehört ein gedeihliches Zusammenwirken von Unternehmern und Beschäftigten. Sie sind keine Gegner, sondern kooperieren im Geiste der Sozialpartnerschaft [har har], um betriebliche Ziele zu erreichen und Interessengegensätze ins Gleichgewicht zu bringen.
Guckst du bei Gelbe Gewerkschaft.
Unter Nachtwächtern
1.1.-3.1.: 12 Stunden Nachtschicht. 7.1. und 8.1.: 12 Stunden Nachtschicht. 9.1.-11.1.: 10 Stunden Nachtschicht. 14.1.: 8-16 Schicht. 15.1.-17.1.: 10 Stunden Nachtschicht. Wisst ihr Bescheid, warum ich wenig blogge.
Vielen Dank an den edlen Spender Björn Sch.!
Was macht eigentlich der US-Imperialismus?
Unter Apokalyptikern und ihren Reinigungsritualen
Eine Kuh wird jetzt den Schwanz heben und hoffen, dass alle anderen auch den Schwanz heben.
In Wokistan folgt jetzt nach dem Klimaapokalypsen-Hype der X-und-Facebook-Verlassen-Hype. Danach sind alle Seelen wieder kathartisch rein.
Man braucht bei solchen Aufrufen der Blasen-und Anstaltsbewohnern nur wenige Worte lesen („Unterstützer.innen“), dann kann man den schmallippig zusammengestoppelten Text selbst ergänzen. Gegen Antisemitismus sind sie nicht so agil. Zum Glück schießen die Woken sich selbst ins Abseits. Aber sie wollen ja unter sich bleiben. Und das ist auch gut so.
PS. Stimmt es, dass Elon Musk und Alice Weidel sich auf Mandarin unterhalten werden?
Ali Akbar et al
Vielleicht sollte ich aus medienkompetenzübungstechnischen Gründen den Hinweis weglassen, dass dass Foto von der AI und mir generiert wurde? Und wieso hat NIUS keine Hinweise auf die Urheber der dortigen Fotos? Was machen die sonst so allgegenwärtigen Abmahnanwälte eigentlich beruflich?
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ (Bertold Brecht)
Wir haben wieder eine Diskussion um Vornamen. Die Taz Die Website… igitt.. ächz… Schwefelgeruch… Nius wertet die „Vornamen der Verhaftungen in Berlin“ aus: „Die Lüge von den „deutschen Tätern“ an Silvester“.
Vielmehr hat ein Großteil der deutschen Tatverdächtigen offenkundig Migrationshintergrund – und in sehr vielen Fällen muslimische Vornamen. Die Liste der deutschen Täter beginn mit Abdul Kerim, Abdulhamid, Abdulkadir, Abdul Karim und Abdullah. Der Vorname Ali findet sich in der Liste der Festgenommenen insgesamt achtmal, Hassan dreimal, Mohammed (in verschiedenen Schreibweisen) zwölfmal, Youssuf (in verschiedenen Schreibweisen) sechsmal.
Wir wissen alle, was gemeint ist. Aber: „Deutsch“ ist aber eine Staatsbürgerschaft, und wenn ein Deutscher Yussuf heißt, bleibt er immer noch Deutscher. Deswegen von einer „Lüge“ zu sprechen, ist Unfug. Wenn man aber verschweigt, dass bei bestimmten Straftaten westasiatische Einwanderer aus ganz bestimmten Regionen und deren Nachfahren überproportional beteiligt sind – was hier offenbar der Fall ist -, dann ist das Verschweigen sehr wohl eine Lüge.
„Was ist eine silvestertypische Straftat gegenüber Angriffskriegen und dem Fördern derselben durch Waffenlieferungen?“ (Burks)
Unter unpolemischen Shitbürgern
„Die Rede ist von einem Fremdeln mit der Unerbittlichkeit des Textes in der Kritik jener Milieus, die das Verlagswesen, den Buchhandel, das politische Feuilleton prägen“, schreibt die bürgerliche Presse. Ich glaube, ich könnte heute in einem deutschen Verlag gar kein politisches Buch mehr veröffentlichen…
Der Verlag kritisierte an Poschardts Buch auch „Philosemitismus“. Das sollten sie mir mal sagen…
Nehmt dies, Faktenchecker!
Die bürgerliche Presse berichtet: „Meta-CEO Mark Zuckerberg hat am Dienstag einen dramatischen Kurswechsel in den Netzwerken Facebook und Instagram verkündet. In einem Videobeitrag bei Instagram kündigte Zuckerberg an, dass er die Moderation von Inhalten, die Nutzer auf diesen Netzwerken posten, komplett umstellen werde. Künftig sollen deutlich mehr Inhalte erlaubt sein – insbesondere politische Inhalte sollen künftig seltener gelöscht werden als bislang. Es gehe darum zu den „Wurzeln der freien Rede“ auf den Plattformen zurückzukehren, sagte der Facebook-Gründer.“
Woher kommt nur dieser Stimmungswechsel? Telepolis ahnungsvoll dazu: „Die Ankündigung fällt zeitlich mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus zusammen, der zuvor ein scharfer Kritiker von Metas Moderationsansatz war. (…) Meta spendete eine Million Dollar für die Amtseinführung des wiedergewählten Präsidenten. Metas Entscheidung wird von manchen als Versuch gesehen, sich der neuen Trump-Regierung anzunähern.“ Ach. Ach was.
Muss man jetzt Notfallseelsorger zu Correktiv schicken? Oder zur Bundesregierung?
PS Hendryk M. Broder dazu: „Schauen Sie sich den Auftritt von Andreas Audretsch an und lesen Sie, was unser Freund und Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel dazu meint: „Hören Sie sich Audretsch an! Wie er betont ruhig und sachlich versucht, das Ungeheuerliche als plausibel zu verkaufen. Da spricht kein kleiner totalitärer Ideologe, es spricht die Stimme von Habeck. Er und sein Meister sind eine klare und aktuelle Bedrohung für unsere Demokratie“.“
Im Nahen Osten auch nichts Neues
Ich habe jetzt von Benny Morris „1948: Der erste arabisch-israelische Krieg“ gelesen. Wie ich schon am 02.11.2024 schrieb: Morris weist anhand zahlreicher Quellen nach, dass die meisten Araber in Palästina schon vor 1948, also vor der Gründung des Staates Israel, „freiwillig“ flüchteten, weil sie zu Recht den abzusehenden Krieg fürchteten, dass es aber im Unabhängigkeitskrieg auch Vertreibungen gab, fast immer aus militärischen Gründen und auf Befehl lokaler Kommandeure, also ohne „Masterplan“.
Das Buch ist zu detailreich, als dass es Leute, die sich nur flüchtig für das Thema interessieren, komplett lesen würden. Was aber das – für die unbedarften Leser – etwas überraschende Fazit ist: Es hat sich seit 1948 eigentlich nichts geändert, weder an den Problemen noch an den nicht vorhandenen Lösungen.
„Wir werden die Araber nicht zurückkommen lassen.“ (Yosef Weitz: My Diary and Letters to the Children, vols 1-6, Masada, Ramat Gan [hebräisch], Ramat Gan: Masada 1965, hier: 18.,19.12.1948, 3:360,364, zit. nach B. Morris 214)
„Der Einmarsch der Carmeli-Brigade [im Oktober 1948 im Rahmen der „Operation Hiram”] in den Libanon war das erste Mal, dass die Israelis eine anerkannte internationale Grenze [die von den Kolonialmächten 1923 willkürlich gezogen worden war] überschritten und in einen souveränen arabischen Staat eindrangen.“
Und was haben wir heute? Wieder mal sind die Streitkräfte Israels auf dem Berg Hermon, und da werden sie auch bleiben ganz gleich was die deutschen Wähler denken. Und die drusischen Dörfer im Süden des Libanon wollen sich auch Israel anschließen. Die „anerkannten internationalen Grenzen“ sind Schall und Rauch, und das ist dort auch gut so. Allerdings wird es jetzt ganz verschiedenen Landkarten von demselben Gebiet geben, analog zu Neurussland und der Krim.
„Karmel hatte sich an Jadin gewandt, der offenbar Ben Gurion anrief, welcher dann grünes Licht gab. Karmel, so seine spätere Aussage, war durch die Überlegung motiviert, dass der Litani-Fluss und das Wadi Duba natürliche verteidigungsfähige Grenzen für Israel darstellen und zudem durch den Wunsch nach Geländegewinnen, welche er als Vorteil bei eventuellen Verhandlungen mit Syrien ansah…“ (Zit. nach Morris S. 459, der sich auf Reuven Erlich (aka Reuven Avi-Ran): The Lebanon Triangle (hebräisch), tel Aviv: Defense Ministry Press 2000, bezieht.)
„Die Araber in Palästina haben nur noch eine Aufgabe – wegzulaufen.“ (Ben Gurion 1948, laut Danin an Sasson, Paris 24.10.1948, Iraelisches Staatsarchiv, Außenministerium 2570/22. Bei B. Ganz, 461, folgt: „Aber das war nie in politische Leitlinien oder operative Anweisungen umgesetzt worden, zumindest nicht zu dem relevanten Zeitrahmen.“)
Gibt es eine Lösung? Damals wie heute nicht: [Ben Gurion] hatte „es versäumt, die tiefe Verachtung der Araber gegen die zionistische Präsenz in Palästina vollumfänglich zu begreifen, eine Verachtung, die in einer jahrhundertelangen islamischen Judenfeindschaft mx religiösen und historischen Wurzeln verankert ist. Die jüdische Ablehnung des Propheten Mohammed durchdringt den Koran und wurde in die Psyche derjenigen eingebrannt, die auf der Grundlage der Suren des Korans erzogen wurden.* Die Muslimbruderschaft formulierte es 1948 so: „Die Juden sınd dıe Erbfeinde der Muslime und tragen den größten Hass gegen das Volk Mohammeds in sich.“* Dieses Denken prägte die arabische Welt, in der die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gläubig war und es weiterhin ist.”
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*Abd Al-Fattah M. El-Awaisi: The Muslim Brothers and the Palestine Question, 1928-1947, London: I.B. Tauris 1998 [by the way: Wie zitiert man richtig? Ich musste das an der Uni noch lernen…]
Unter unerbeten Ratschlagenden
Deutsche Außenpolitik (Symbolbild, made by AI and Burks)
„Einmischung in die deutsche Politik, durch den reichsten Mann der Welt, Elon Musk? Wie irre klingt das denn, nachdem gefühlt jeder zweite deutsche Politiker vor der Wahl Donald Trumps oder des Argentiniers Javier Milei gewarnt hat und wo doch unsere Außenministerin global mit ihren unerbetenen Ratschlägen ein Porzellanservice nach dem anderen zerschlägt? (…) Wie hieß noch gleich früher die wichtigste Aufgabe von Zeitungen? Ach so: die Leute zu informieren. Nicht, sie zu erziehen. (…)
Sie führen anonyme Meldestellen ein, sie reden allen Ernstes über das Verbot der zweitstärksten deutschen Partei. Und sie erklären es allen Ernstes zum Skandal, dass einer der mächtigsten Amerikaner in einer deutschen Zeitung seine Meinung sagen darf – was so wirkt, als knurrte ein Chihuahua einen Labrador an.“ (Harald Martenstein, paywallgeschützt in der bürgerlichen Presse)
Ein Linsengericht oder: Indisch kochen mit KI
Ich habe mir ein Linsengericht mit Hackfleisch und Gemüse gemacht. Ich nahm aber keine Linsen aus der Dose, sondern haben Trockenlinsen eine Nacht eingeweicht. Wieso sind Kochrezeptschreiber so eitel und benutzen Begriffe, die niemand kennt außer Profi-Köchen? „Die Zucchini in Julienne oder würfelig schneiden und zum Hackfleisch geben.“ Wie meinen?
ChatGPT: „In Julienne“ ist ein Begriff aus der Küche und bezeichnet eine spezielle Schneidetechnik. Dabei werden Lebensmittel, meist Gemüse oder Obst, in sehr feine, gleichmäßige Streifen geschnitten.
Mein südindischer Untermieter kocht sehr gut und permanment Indisch. Wir haben gestern über Linsen gefachsimpelt. In Indien nutzt man wohl eher kleine rote Linsen, die angeblich sehr gesund sind. Zur Ehrenrettung der typischen grauen deutschen Linse benutze ich die, aber schaufelte zusätzlich indische Gewürze hinein, die in meiner Küche massenhaft vorhanden sind dergestalt, dass ich die Gewürzregale sogar erweitern musste.
ChatGPT: Indische Linsengerichte, wie Dal, sind bekannt für ihre aromatische Würze. Typische Gewürze und Zutaten, die häufig verwendet werden, umfassen:
Grundgewürze für Linsengerichte:
Kreuzkümmel (Cumin): Oft geröstet oder in heißem Öl angebraten, um ein nussiges Aroma zu entfalten.
Kurkuma (Turmeric): Gibt den Linsen eine leuchtend gelbe Farbe und einen erdigen Geschmack.
Koriander (Coriander Powder): Mild-würzig, ergänzt den Geschmack von Linsen gut.
Senfkörner: Oft in heißem Öl angebraten, bis sie springen, um ein würziges Aroma zu erzeugen.
Asafoetida (Hing): Wird in winzigen Mengen verwendet, um den Geschmack zu intensivieren, besonders bei vegetarischen Gerichten.
Chilipulver oder frische grüne Chilis: Für Schärfe, je nach Geschmack.
Zusätzliche Gewürze:
Garam Masala: Eine Mischung aus warmen Gewürzen wie Zimt, Kardamom, Nelken und Pfeffer, die oft gegen Ende des Kochens hinzugefügt wird.
Ingwer und Knoblauch: Frisch oder als Paste, für eine würzige Grundlage.
Bockshornkleeblätter (Kasuri Methi): Getrocknet für ein leicht bitteres, aromatisches Finish.
Lorbeerblätter: Für ein subtil würziges Aroma.
Zimt: Besonders bei festlichen Gerichten, um Tiefe hinzuzufügen.
Frische Zutaten:
Korianderblätter: Zum Garnieren, um Frische hinzuzufügen.
Curryblätter: Oft in Südindien verwendet, für einen unverwechselbaren Geschmack.
Zubereitungstipps:
Gewürze werden häufig in Ghee (geklärter Butter) oder Öl erhitzt, um ihre Aromen freizusetzen. Dieser Schritt heißt Tadka oder Tempering.
Kombinationen variieren je nach Region und Art des Gerichts, beispielsweise mild und cremig in Nordindien oder würzig und scharf in Südindien.
Sicherheitsrisiko HTML-E-Mails
Finde den Fehler! Ich weiß schon, warum meine E-Mail-Programme – sowohl Linux als auch Windows – so etwas gar nicht anzeigen.
Der DJV findet den Fehler seit 20 Jahren nicht und verschickt seine Newsletter ausschließlich im HTML-Format. Aber dort ist man auch beratungsresistent und zu sehr damit beschäftigt, zu Gendern und sich selbst zu bejubeln, obwohl dazu nicht der geringste Anlass besteht.
Unter Spezifisch Sozialisierten
Ahmad Mansour auf X:
„Wer die Silvesternacht in Berlin aus Angst vor einer notwendigen politischen Debatte als „weitgehend friedlich“ beschreibt, akzeptiert ein neues Normal, das ich als Berliner nicht akzeptieren kann. Verletzte Polizisten, Angriffe auf Rettungskräfte, zerstörte Wohnungen – Szenen, die gefilmt und ins Netz gestellt wurden – zeigen deutlich, wie schwach unser Rechtsstaat von bestimmten Gruppen wahrgenommen wird.
Wer Silvester nutzt, um patriarchale Männlichkeit auszuleben und seine Verachtung gegenüber dem Rechtsstaat zu demonstrieren, muss Konsequenzen spüren. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen leider: Viele dieser Jugendlichen haben nichts zu befürchten, weil unser System in diesen Fällen schlicht nicht so funktioniert, wie es sollte.
Wenn wir überhaupt Lösungen finden und aus Fehlern lernen wollen, müssen wir offen benennen können, was schiefläuft. Dazu gehört auch die Ehrlichkeit, über soziale Hintergründe zu sprechen. Es ist eine Tatsache, dass viele dieser Vorfälle von Menschen mit Migrationshintergrund begangen werden, die eine spezifische Sozialisation mitbringen. Und ja, sie gehen vielen Berlinern – auch uns Berlinern mit Migrationshintergrund – gewaltig auf die Nerven.
Es gibt unzählige Menschen, die einfach nur feiern möchten – Menschen, die nach der Feier in ihre Wohnungen mit intakten Fenstern zurückkehren wollen, die mit ihren Kindern und Freunden ein paar Minuten sicher auf der Straße feiern möchten. Doch selbst diese grundlegenden Freiheiten scheinen in Berlin inzwischen zu viel verlangt zu sein.“
Seid unbesorgt, wenn ihr keine Post mehr bekommt
Leider muss ich das Publikum mit einem Luftpostbrief belästigen, den ich vor 45 Jahren aus Südamerika an meine Eltern geschrieben habe, 17 Seiten auf hauchdünnem Papier (um Porto zu sparen: Aerogramm). Ich werde immer noch schamrot, wenn ich lese, was für einen Unsinn ich damals meinte von mir geben zu müssen. Man kann das nicht unkommentiert lassen; manches ist auch schlicht falsch. Die Rechtschreibung habe ich nicht verändert. Einiges ist doppelt (hier schon einmal erwähnt), weil ich damals nicht wusste, ob die Briefe überhaupt ihr Ziel erreichen würden.
Wie ich hier schon schrieb: Die Adressaten wussten fast gar nichts über die Länder Südamerikas oder auf dem Niveau des Bertelsmann Volkslexikons. Für mich wird es interessant, wenn ich meine heutige Sicht mit der von damals vergleiche oder mit den Briefen, die ich 1984 bei meiner dritten halbjährigen Reise schrieb – die waren ganz anders, aber auch nicht so, wie ich heute schreiben würde.
Vermutlich werden sich die Nachgeborenen auch nicht mehr vorstellen können, dass man überhaupt Briefe schrieb. Heute steht man von überallher ständig in Kontakt und schreibt zudem die sozialen Medien voll. Beim Verfassen des Briefes war ich drei Monate unterwegs gewesen und hatte die USA, Mexiko, Belize, Guatemala, Honduras, Kolumbien und Ecuador gesehen und war quer durch Peru gereist. Ich hatte keinen Reiseführer, und meine Kenntnisse über die Länder beschränkten sich auf Allgemeinbildung und Karl May. Schon witzig, dass ich mich damals – nach der Hälfte der Reise – als „erfahren“ fühlte. „Erfahren“ hätte ich mich vielleicht am Ende der 2. Reise 1980, die zum Teil viel abenteuerlicher und auch gefährlicher war, fühlen können.
Cuzco, [richtig: Cusco] 21.1.1980 (angekommen 2.2.80)
Liebe Eltern!
Leider weiß ich nicht, ob meine Briefe bisher angekommen sind, weil ich seit Kolumbien keine Post mehr bekommen habe (Anf. Nov.). Der letzte Brief ist in Quito, Ecuador, losgegangen, und seitdem ist sehr viel passiert und wir haben sehr viel erlebt. Zunächst einmal: Uns geht es ausgezeichnet, gesundheitlich wie stimmungsmäßig, finanziell wie üblich knapp.
Heute sitzen wir in einem kleinen Café in Cuzco im Süden von Peru und hören zum 2. Mal seit 4 Monaten Klassik – Tschaikowsky, und sind ganz glücklich nach den ewigen Schnulzen hier. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie begeistert wir über kleine Dinge sein können – ein bisschen europäische Musik, eine funktionierende Dusche (seit Quito habe ich nicht richtig heiß geduscht!) oder eine deutsche Zeitung. Seit Berlin gab es kein Schwarzbrot mehr, an Fleischsalat kaum zu denken – aber das sind Kleinigkeiten.
Von Quito sind wir eine Woche im Urwald von Ecuador gewesen – in einem kleinen Dorf gab es eine Anakonda als Haustier im „Hotel“. Bootsfahrten über Dschungelflüsse, schreiend bunte Papageien + Schmetterlinge + Stromschnellen, die uns manchmal Angst einjagten.
Stellt euch z.B. vor, man fährt 8 Std. mit einem urtümlichen Gerät von Bus zwischen Hühnern, Schweinen und viel zu viel Passagieren über Schotterpisten durch die Anden, durch Pässe von 5000m Höhe (!), und plötzlich reißen die Wolken auf und 1000m weiter unten dunkelgrüner Dschungel bis zum Horizont – und der Bus braucht 3 weitere Stunden über endlose Serpentinen nach unten. Ab und zu sind die Brücken über die Flüsse eingestürzt und man muß Stunden warten, bis die Fähre kommt. Nach einer Nacht Regen führen die Flüsse so viel Wasser und sind so reißend, daß sogar Stahlbrücken einstürzen – wir haben eine gesehen!
Im Süden von Ecuador waren wir in einem kleinen Ort – Banos (d.h. „Bäder“), der direkt unter einem noch tätigen Vulkan, d. Tungurahua, liegt und wo es heiße Schwefelquellen gibt, in denen wir gebadet haben. Wir hatten nichts besseres zu tun, als den Vulkan zu besteigen– eine 3-Tage-Tour mit leichtem Gepäck. Zuerst ging es zu einer Hütte auf 3600m Höhe – eine unbeschreiblich schöne Pflanzenwelt gibt’s dort oben – Heidekraut, Krüppelkiefern mit Moosen und Flechten bewachsen, die bis auf den Boden hängen, unzählige bunte Blumen und dazwischen Nebelschwaden.
Das Schönste war der Sonnenaufgang mit Fernsicht über 150 km und Blick auf mehrere schneebedeckte 6000er Vulkane, u.a. den Chimborazo, den höchsten Vulkan der Welt. Ich bin dann noch weitere 5 Std. hoch über Geröll, Felsen und Gletscher bis zum Vulkankrater auf 4800m (der Gipfel liegt etwas über 5000 und ist nur für Bergsteiger mit Ausrüstung begehbar). Sehr komische Gefühle bekommt man, wenn überall aus den Ritzen und Spalten heiße Dämpfe aufsteigen!
Wenn ich alles schreibe, was wir erlebt haben, wird der Brief zu lang, also nur einige Episoden.
Das Foto habe ich 1979 an der Bahnstrecke zwischen Guayaquil (eigentlich Durán) und Quito gemacht. Zuerst veröffentlicht 15.03.2023.
– Eisenbahnfahren in Ecuador ist lustig – auf der Strecke von Riobamba nach Guayaquil an der Küste fährt ein Pullman-Zug aus der Jahrhundertwende, mit knallrot angestrichenen Holzwaggons und einer ebenso putzigen Dampflok, die keuchend die Anden rauf und runter schnauft, wie im Wilden Westen! Der Zug hält in den Dörfern wie eine Straßenbahn mitten auf der Straße, und ringsum Holzhäuser mit Saloon, ein wahnwitziges Getümmel von Leute und Pferden. Ihr braucht euch nur mal einen Wildwest-Film anzusehen – es staubt sogar genauso.
Dann ging unser Geld fast aus und wir mußten nach Lima, Peru. Wir sind die ganze Strecke von von Guayaquil, Ecuador, bis Lima, Peru, an einem Stück gefahren, 57 Stunden Transport auf Zementlastwagen und Busfahren mit Reifenpannen.
Der Küstenstreifen von Peru (über 1300km!) ist eine Sandwüste wie in der Sahara – bis zum Horizont nur Sand, Sand und noch mehr Sand mit riesigen Wanderdünen und Oasen mit Palmen [Die Strecke habe ich 1984 fotografiert]. Wir lagen nachts hinten auf der Ladefläche eines Lasters, sahen einen unbeschreiblich schönen Sternenhimmel, ringsum Sandwüste, und der Wagen rauscht mit einer Staubwolke die Straße entlang. Wir sahen allerdings aus wie die Räuber, ein Tuch vor dem Gesicht, Bartstoppeln – ich hatte leider Durchfall und mußte in den Oasen mitten auf dem „Bürgersteig“ (morgens um 1/2 5 war zum Glück keiner auf der Straße – nur die Dorfhunde guckten ganz interessiert). Die letzten 24 Stunden hatte wir die Nase voll und sind mit dem Bus gefahren.
Lima, die Hauptstadt von Peru, hat wenig Sehenswürdigkeiten zu bieten, wenn man in die Außenbezirke fährt, sieht es aus wie nach einem Bombenangriff, alles total zerfallen, Slums, bettelnde Kinder, alles total verdreckt – vielleicht kann ich durch Fotos einen Eindruck verschaffen. Peru ist ein sehr armes Land. Ich glaube, 4 oder 5x so groß wie Deutschland, nur 20 Mio. Einwohner [heute 34,4 Mio.], allein 6 Mio. in Lima, also ziemlich „leer“. Die gutgestellten Bauern verdienen ca 100 DM im Monat!
Wir brauchten inklusive Hotels, Restaurants + Andenken jeder 400 DM in 5 Wochen, so billig ist es hier! Ein Essen mit Suppe und Getränk kostet 1.20 DM, allerdings ist die Qualität nicht mit Europa zu vergleichen, aber hier gibt es eben nichts! Die Bauern ziehen alle in die Stadt, weil sie glauben, mehr verdienen zu können – dabei stimmt das überhaupt nicht. Ganz Lima ist voll vom fliegenden Händlern, die buchstäblich alles verkaufen – unbeschreiblich – vor Weihnachten war die Hölle los.
Nach Lima sind wir mit der höchsten Eisenbahn der Welt (über 4.800m!) [heute nur noch die höchste Eisenbahn in Amerika] zu einer Landkooperative gefahren, d.h. eine ehemalige amerikanische Hazienda, die enteignet wurde und von den Bauern kollektiv bewirtschaftet wird. Die Leute sind unglaublich gastfreundlich – Touristen aber auch so gut wie unbekannt. Wir wurden bei einer Familie zum Essen eingeladen – der Mann ein sonnengebräunter Indio, der uns zur Begrüßung umarmte, seine Frau ganz dick mit 4 oder 5 Röcken, langen schwarzen Zöpfen und einem großen weißen Hut (d.i. hier die Tracht und auch oder gerade die alten Frauen sehen alle sehr hübsch aus) und zum Essen gab es —drei Meerschweinchen! Wenn man nicht daran denkt, schmeckt es gut, nur wenig Fleisch, aber bei der Armut verständlich, daß die Leute zu Tieren ein anderes Verhältnis haben als wir. [Es existierte ein Fotos dieses Mahls, aber ich habe es weder veröffentlicht noch gefunden.]
Rente oder Versicherung gibt es nicht, die alten Leute leben von ihren Kindern – und ihr könnt euch vielleicht denken, mit welchen Gefühlen wir uns verabschiedet haben. Sie entschuldigten sich dafür, daß sie so „schlecht“ vorbereitet gewesen waren – dabei hatten sie selbst kaum etwas zu essen.
Wir haben hier (die Kooperative nennt sich SAIS Tupac Amaru, das heißt so viel wie „landwirtschaftliche Interessengemeinschaft“ – Tupac Amaru ist ein Indio, der vor 200 Jahren den Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier angeführt hat und dafür gevierteilt worden ist) vieles über die Verhältnisse in Peru erfahren.
Nach 4 Tagen sind wir dann langsam weiter in den Süden Perus, haben malerische Indiomärkte besucht, einen 45-Std.-Horror-Trip mit dem Bus von Ayacucho nach hier über 5000er Pässe, Fernsicht aus dem Bus wie von einem Schweizer Alpengipfel, Lamaherden auf kahlen Hochebenen, bitterarmen Hirtenkindern und 8stündigem Steckenbleiben des Busses im Schlamm (hier ist Regenzeit, d.h. aber, es regnet nur nachts oder nur ein paar Stunden täglich, sonst scheint die Sonne.)
Unser Bus, links ein liegengebliebenes Auto (in einer Kurve!), rechts 700m Schlucht. Oben ca. 20 Hühner, ein Schwein, hinten in einer Klappe ein Schäferhund, ca. 70 Gepäckstücke auch noch auf dem Dach – und alle Passagiere mussten beim Überholmanöver aussteigen, damit es im Falle eines Absturzes nur 1 Toten gegeben hätte!!! Die „Straße“ nur Schotter und Schlamm. Mir wurde es recht mulmig.
Jetzt mal was über die letzten 2 Wochen. Cuzco im Süden ist die alte Hauptstadt der Inkas, deren Reich von den Spaniern im 16. Jahrhundert zerstört wurde. Ihr müsst wissen, daß ca. 3/4 der Bevölkerung Perus Indos sind, d.h. Nachfahren der Inkas, die kaum Spanisch sprechen, sondern Quechua, eine uralte Sprache, die eigentlich gar nicht in schriftlicher Form existiert. [Der Unterschied zwischen dem Quechua der Inka-Zeit und dem von heute ist so groß wie der zwischen Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch.] Ich habe mal ein bisschen gelernt, es ist aber so schwer wie Chinesisch. Z.B. heißt „Feind“ in Quechua „auca“. Die Aucas [sie heißen Huaorani – nur die Inka nannten sie Auca – im Sinne von „Barbaren“] sind ein Indiostamm im Dschungel von Ecuador. Das Inkareich erstreckte sich im 16. Jh. von Quito, Ecuador bis nach Chile! Die Inkas kannten das Rad nicht, haben aber 6m breite Straßen gebaut von Cuzco nach Quito, über 5000km lang! Alle paar Kilometer gab es kleine „Raststätten“ für die Läufer (Pferde gab es nicht) mit Bädern.
Die Inkas hatte nur einen Fehler – sie waren friedfertig [das ist natürlich totaler Unsinn!] und besaßen haufenweise Gold – und die Spanier mit ihrer europäischen „Kultur“ haben alles kurz und klein geschlagen. Die Landwirtschaft heute ist auf einem niedrigeren Stand als damals, weil die Inkas Terrassenanbau bis auf 4500m Höhe betrieben haben, heute ist alles verfallen. So, das zur Einführung für das Folgende.
Die Häuser von Cuzco sind noch auf den alten Inkamauern gebaut – d. sind teilweise Felsbrocken bis 30 Tonnen (wie haben die die ohne Maschinen bewegt?), die so miteinander verfugt sind, daß man an einigen Stellen kein Messer dazwischen stecken kann – und ohne Mörtel! Obendrauf stehen viele spanische Kolonialkirchen, die aber bei den verschiedenen Erdbeben wegen der „fortschrittlichen“ europäischen Bauweise fast alle zusammengefallen sind, während die Inkabauwerke noch alle stehen.
Die berühmteste Sehenswürdigkeit Südamerikas ist die alte Ínkastadt Machu Pichu, ca. 120km von Cuzco in den Bergen – ich glaube, irgendwer in der Verwandtschaft hat eine Postkarte mit Machu Pichu bekommen. Man kann mit einem Zug hinfahren, wir sind nach 88km aufgestiegen (Hartmut + ich + und noch ein Belgier) und haben uns mit Rucksack, Zelt, Gaskocher, Haferflocken, Wasserflasche, Kaffee, Milchpulver, Schlafsack + Kleinigkeiten in die Berge geschlagen. Es gibt die letzten 33km vor Machu Pichu eine alte Inka“straße“, eben weil die Inkas keine Fahrzeuge kannten, haben sie ihre Wege per Luftlinie in die Berge gebaut.
Wir haben für die Strecke 5 Tage gebraucht, der 1. Pass war über 4200, der 2. 3800, der 3. 3500m, aber das war mit mein schönstes Erlebnis in Südamerika, aber auch sehr anstregend. Nachts haben wir meist in halbverfallenden Inkaruinen übernachtet, die alle hoch auf den Gipfeln sind – und jeder Sonnenauf- und -untergang war überwältigend – die 6000er Kordilleren Perus im Hintergrund. Teilweise sind die Wasserleitungen der Inkas noch heute in Betrieb, obwohl sie seit 400 Jahren nicht mehr erneuert wurden, und wir konnten uns mit eiskaltem Gebirgswasser waschen und hatten was zum Kochen.
Aufstieg am Morgen im Nebel, ca. 4.000 Höhenmeter, auf dem so genannten „Inca trail“ oder auch camino de los Incas nach Machu Picchu, Peru. Das Foto zeigt meinen damaligen Reisebegleiter (Januar 1979). Zuerst veröffentlich am 02.04.2021.
Dabei gibt es keine Dörfer, kein Haus, nichts als Gegend! Hier im Gebirge ist außerdem gerade Frühling, leider kann ich die Orchideen, die hier wie Unkraut wachsen, nicht mitbringen!
Leider können die Fotos nicht viel vom Eindruck vermitteln, z.B. die vorletzte Nacht – nur ein Beschreibungsversuch. Wir sitzen alle an einem Lagerfeuer in einer Inkaburg, ein Sternenhimmel wie im Bilderbuch, 750m weiter unten fast senkrecht in einer Schlucht ein reißender Fluß (Rio Urubama), steile Hänge, von tropischer Vegetation überwachsen (auf 3000m Höhe! Schneegrenze bei 4000-4500m), Unten verschwindet die Sonne gerade noch hinter der „Veronica“ (über 6000m!), rechts rauscht ein Wasserfall, das Feuer flackert über dem Gemäuer, wir essen Haferflocken und stellen uns vor, wie alles vor 500 Jahren ausgesehen hat. Überall auf den Ruinen blühen Orchideen, die Fotos müssten ein bißchen von dem Eindruck wiedergeben können.
Am 6. Tag sind wir bei Sonnenaufgang vom „Sonnentor“ (2700m) einen alten Pfad runter nach Machu Pichu, um ein paar Stunden ohne Touristen ruhig alles besehen zu können (die kommen mit dem Zug um 10 und werden mit Bussen über eine halsbrecherische 8km-Serpentinenstrecke nach oben gekarrt). Leider ging ausgerechnet da mein Fotoapparat kaputt (ist schon wieder repariert), aber unser belgischer Freund hat einen besseren und wir werden die Fotos tauschen bzw. ihm abkaufen [was nicht passiert ist, aber ich habe Machu Picchu dann 1984 fotografiert].
Machu Pichu ist von den Spaniern zum Glück nicht entdeckt worden und so noch ziemlich erhalten, hoch über dem Tal, aber zwischen noch höheren Bergen (die Berge sind so steil wie in den Dolomiten, aber mit Regenwald bewachsen). Die Stadt ist sehr geheimnisvoll, man weiß eigentlich nichts über ihre Funktion. Man hat hier über 100 weibliche Mumien [gemeint sind Skelette] gefunden, warum nur Frauen, weiß man auch nicht, vielleicht waren es Priesterinnen, vielleicht waren die Inkas matriarchalisch organisiert, vielleicht waren die Männer im Kampf gegen die Spanier gefallen?
Ich werde alles besser erzählen, jedenfalls als die ersten Touristen kamen und und verwundert anstarrten, waren wir schon wieder auf dem Marsch die Serpentinen runter zur Bahnstation. Eisenbahnfahren in Peru ist noch abenteuerlicher, aber auch etwas unangenehm, weil die Züge fürchterlich überfüllt sind, für europäische Verhältnisse unvorstellbar. 3 Personen auf einem, Sitz, jede Indiofrau hat einen Riesensack dabei, auf dem Gang steht, liegt und sitzt alles, Kinder schreien, fliegende Händler verkaufen Früchte, Schnaps (Chicha aus Mais, schmeckt so wie Alsterwasser, aber ein bißchen besser, ein Glas kostet 10 Soles, 1 DM=145 Soles) und Gebäck und zu allem Überfluß klettert der Schaffner über alles hinweg. Bei jeder Station gibt es ein Drama, Trauben von Leuten hängen draußen an den Türen, die Frauen kreischen und heulen – jeder deutsche Bahnangestellte würde einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen kriegen. Fahrpreise 100km =1 DM!
Aber für Normaltouristen sind solche Touren unmöglich, aber so kriegt man mit, wie die Leute hier wirklich leben. Es gibt einen „Touristenzug“ nach Machu Picchu, der 3000 Soles kostet, der Normalzug kostet 270, 3000 Soles sind ein Wochenverdienst! In Cuzco gibt es genug amerikanische und europäische Touristen mit dem Geld für 3 Wochen, was wir in drei Monaten brauchen und ihr könnt euch sicher denken, was der peruanische Indio für ein Verhältnis zu ihnen hat. Hunderte von bettelnden Kinder und Frauen, Schuhputzjungen von 8-10 Jahren, Kinder von 6,7, und 8 Jahren (wirklich!), die abends in den Restaurants Zigaretten verkaufen, kaum ein Hemd am Körper, total verdreckt und zerfetzt und hungrig. Da vergeht einem das „ach, wie süß“, wenn man wieder mal einen der schwarzäugigen Indiokinder im Wickeltuch auf dem Rücken der Mutter sieht.
Das Foto habe ich in 1979 Huancayo im Hochland von Peru gemacht. Zuerst veröffentlicht am 05.11.2011.
Ich habe sehr viel Geduld aufbringen müssen, um ein paar realistische Fotos zu machen. Ein Bekannter von mir, der recht unbefangen touristisch drauf losknipsen wollte, wurde von Marktfrauen mit heißen Kartoffeln beworfen und mußte wieder abziehen.
Es gibt sogar Leute, die, ohne ein Wort Spanisch zu können, hier hinfahren, was die hier wollen, weiß ich nicht. Ich glaube, ich bekomme langsam ein Gefühl dafür, was eigentlich „Entwicklungshilfe“ bedeutet.
So, morgen machen wir uns auf die Reise nach Bolivien (La Paz). Die politischen Verhältnisse sind ein wenig unsicher, Straßen- und Ausgangssperre – in Bolivien kann jederzeit wieder ein Putsch kommen. Aber macht euch mal keine Sorgen, wir haben uns bisher immer durchgebissen und werden das auch weiter tun. Ich spreche schon fast fließend Spanisch und wir haben ja auch schon eine ganze Menge Südamerika-Erfahrung und können eine Menge verkraften.
(…) Wir ändern die Route. 2 Wochen Anden von Bolivien, dann durch den Dschungel in den Norden (es gibt keine Straßen, aber in der Regenzeit müßte man von Dorf zu Dorf mit dem Boot kommen) an die brasilianische Grenze, dann weiter nach Norden nach Manaus (Brasilien) direkt am Amazonas, weiter nach Norden nach Boa Vista in den Süden von Guyana, von Georgetown je nach Zeit und Geld (ab La Paz haben wir zusammen noch 2000 DM, das müßte reichen) [drei Monate für zwei Personen] nach Surinam [das haben wir später aus Zeit- und Geldmangel weggelassen], Ende März von Guyana nach Barbados (vielleicht bleibe ich noch eine Woche in Trinidad), je nachdem ob ich aus Berlin Post nach La Paz bekomme oder nicht, dann spätestens am 28./29.3. zurück nach Luxemburg. Seid unbesorgt, wenn ihr keine Post mehr bekommt, wir schicken Karten vielleicht von Manaus + Georgetown, aber wer weiß, ob die ankommen! Und wenn ihr die bekommt, sind wir fast wieder da. Wir werden wahrscheinlich abǵeholt und kommen zuerst in Unna vorbei, ich fahre dann weiter nach Berlin, komme aber, sobald die Fotos fertig sind, für längere Zeit nach Unna. (…)
Die ursprünglich geplante Route über Sao Paulo und Rio dauert zu lange, und Rio ist sauteuer und wir wollen nicht hetzen. Die Entfernungen hier sind ja auch ein bisschen anders, allein der Dschungel von Bolivien im Norden, den wir in 14 Tagen „machen“ wollen, ist so groß die die ganze BRD!
Vielleicht noch ein paar allgemeine Sachen. Seit Kolumbien habe ich kein Klavier mehr gesehen. Nur 2x bisher hatte ich „Darmgeschichten“, beide Male in Peru (Hygiene ist hier ein unbekanntes Wort, aber wer denkt daran, die Töpfe vor dem Kochen zu waschen, wenn es kein Trinkwasser gibt, selbst in den Städten?), in Cuzco eine Woche lange mit Erbrechen und Magenkrämpfen, aber das hat hier jeder Europäer, der nicht gerade im Hilton übernachtet. Unsere Mägen haben sich schon abgehärtet, wenn andere Gringos nach einem Essen auf dem Markt oder nach Chicha-Genuß (mit Spucke von den Indiofrauen zubereitet!) den großen Durchfall bekommen, sind wir noch quietschvergnügt – aber bitte: über Schwarzbrot, Fleischsalat und Vanillepudding in Unna wäre ich trotzdem glücklich.
(…) Das Verhältnis zu anderen Rucksack-Reisenden hat sich mittlerweile gewandelt, jetzt sind wir die „alten Hasen“ und geben den anderen Tips. Es ist manchmal lustig zu sehen, wie unerfahrene „Gringos“ (das ist hier der Ausdruck für Ausländer) von den ausgekochten Indiofrauen fürchterlich über’s Ohr gehauen werden, auch wenn es nur um Pfennige – für uns! – geht. Ich habe gestern zum Beispiel 20 Minuten gefeilscht, nur um ein paar Strümpfe um 30 Pfennige billiger zu kriegen und habe Erfolg gehabt. Z.B. auf den Märkten: ein Alpaca-Pulli kostet 10 DM. Der erste Preis liegt bei 20 DM und man braucht eine halbe Stunde, um ihn herunterzuhandeln – was wäre das ohne Spanisch! [US-]Amerikaner zahlen sowieso das Doppelte und Deutsche mit umgehängter Kamera auch. Eine Banane kostet 8-10 Soles (1 DM= 145 Soles), der „Gringopreis“ liegt bei 20, aber nach einem kurzen „Pläuschchen“ kostet sie plötzlich nur noch die Hälfte. Wir haben auf einem Markt für Indios buntbemalte Früchte gekauft, eine für 3-4 DM, die in Europa nicht unter 50 DM zu haben wären [ich habe nicht herausgefunden, ob es die überhaupt außerhalb von Peru oder online zu kaufen gibt] – aber wir können das auch nicht alles transportieren – und jeder bekommt nur eine Kleinigkeit. 1 Schachtel Zigaretten in Peru kostet 23 Pfenning, 1 „Hotel“übernachtung 1,50-2 DM (das letztere schon gut!), Tagesdurchschnitt bei 10-12 DM (dafür kostete die Kamera-Reparatur 20 DM) – wenn ich das mit den Berliner Preisen vergleiche – ich habe wohl ein anderes Verhältnis zu Geld bekommen und die Umstellung wird recht groß sein. Vielleicht muß ich Taxifahren auch wieder lernen.
Hygiene: heute morgen wollten wir duschen – das Wasser floß spärlich und was eiskalt, nach dem Einseifen blieb es dann ganz weg! Klospülung gibt es so gut wie gar nicht in ganz Südamerika, die Leute werfen das Papier daneben und man gewöhnt sich mit der Zeit an den Anblick der Reste vom Vorgänger. Vielleicht ist es schwer zu vermitteln, warum wir das alles überhaupt machen und wieso es uns trotzdem gefällt. Einerseits sind die Leute hier unvorstellbar (für Europa) freundlich und hilfsbereit, wenn man sich nicht wie der „reiche Onkel“ benimmt und das werden wir vermissen. Andererseits lernt man zu begreifen, daß sehr viele Dinge, die man für selbstverständlich hielt, eben nur in Europa vorhanden sind, auch, was die Mentalität angeht. Die Indios sind wie die Kinder, sie freuen sich über Kleinigkeiten und erwachsene Männer sehen mit offenem Mund den Feuerschluckern und Zauberern auf den Märkten zu. Andererseits ist eben alles chaotischer, nichts funktioniert „ordentlich“ – aber wir in Europa haben vielleicht 500 Jahre mehr gebraucht dazu, was will man verlangen?
Burks auf der Mauer des Klosters „la Recoleta“ in Sucre, der Hauptstadt Boliviens. Zuerst veröffentlicht am 25.12.2010.
Aber es sieht so aus, als wenn die Leute hier vieles aus Europa unkritisch übernehmen, die Reichen sitzen in teuren Bars und essen amerikanische Hamburger, weil es „schick“ ist, obwohl Gemüse auf den Märkten viel gesunder wäre. Die Indiotracht, handgewebte Wolle, hält vielleicht 10 Jahre, aber die Leute in der Stadt tragen Synthetic-Zeug in den unmöglichsten Farbkombinationen, das hält halb so lange und ist außerdem für die Witterung unpraktisch. [Das ist vermutlich Quatsch.] Viele bewundern die Europäer, die viel Geld haben und weite Reisen machen, wo viele nicht einmal das Geld haben, um den Bus zum nächsten Dort zu bezahlen – und das bei den Preisen! Schulbildung bei den einfachen Leuten ist so gut wie nicht vorhanden, wir wurden gefragt, ob man mit dem Bus nach „Alemania“ fahren könnte.
Selbst Studenten wissen ohne Ausnahme (!) nichts über Berlin – aber wer in Deutschland weiß schon, wo Ecuador liegt? Oder Belize? Wir sind die große Sensation: Im Dschungel von Ecuador waren wir abends in einer Kneipe, wo Arbeiter Billard spielten – wir wurden nach jeder Kleinigkeit in Europa ausgequetscht und mußten selbstverständlich nichts bezahlen – stellt euch vor, 2 Südamerikaner mit Rucksack kämen nach Unna, wer die ansprechen oder gar zu seinen Eltern zum Schweinebraten einladen würde (Meerschweinchen gibt’s ja nicht)?
So, in Cuzco wird es jetzt heiß, 25 Grad und mehr zur Mittagszeit, heute Abend muss man wieder einen Pullover anziehen – [unleserlich] wenn wir – hoffentlich am Freitag – in La Paz angekommen sind, dann geht der Brief ab.
La Paz, 26.1.
Nun sind wir schon in der Hauptstadt Boliviens [die Hauptstadt ist Sucre]! Ankunft gestern nach ein paar schönen Tagen am Titicacasee und Einreise ohne Schwierigkeiten. Wir haben Probleme, unsere Rückflüge zu buchen, ich habe in Berlin angerufen, weil die Briefe an mich immer noch nicht angekommen sind (…) Ich komme Ende März, genau wann, weiß ich noch nicht – wenn es Schwierigkeiten gibt, melde ich mich noch mal. Das ist der letzte Brief. [Ich habe später noch einen geschrieben.]
Tschüß bis Ende März
Was ihr mit dem Schmetterling anfangt, weiß ich nicht, aber mir geht er kaputt. Er ist vom Rio Napo, einem Nebenfluß des Amazonas in Ecuador. [Offenbar hatte ich einen toten Schmetterling in den Brief gelegt. Von dem habe ich aber nie wieder etwas gehört.]