Regenzeit

Rio Mamore

Trinidad, 22.2.80 [gemeint ist nicht die Insel Trinidad, sondern die Stadt in Bolivien, angekommen in Unna 1.3.]

Liebe Eltern!
Im Augenblick stecken wir in einer kleinen Siedlung im Norden von Bolivien seit 5 Tagen fest. Es gibt keine Straßen nach Norden zur brasilianischen Grenze, wo wir hinwollen, keine Flugzeuge, weil das Flugzeug der Linie, mit der wir fliegen, in La Paz festsitzt, weil die Piste des „Flughafens“ (Graspiste) vorher unter Wasser stand und alle anderen Flugzeuge bis März ausgebucht sind. Schiffe bzw. Lastkähne, mit denen wir heruntergeschaukelt sind bis hierher, gibt’s auch nicht, weil der „Hafen“ (nur 10 Holzhäuser) völlig unter Wasser steht. Jetzt wissen wir, was Regen ist, denn es hat seit drei Tagen und drei Nächten geschüttet wie aus Eimern und alles ist überschwemmt.

Das Dschungelgebiet im Norden Boliviens ist 1/3 so groß wie die BRD, aber es gibt nur drei Siedlungen mit mehr als 1000 Einw., sonst nur Flüsse und Dschungel. Wir wollen mit einer Militärmaschine zu einem Dorf hoch im Norden an der Grenze, von dort gibt’s eine Straße nach Brasilien + weiter nach Manaus am Amazonas. Mit einem Lastkahn dauert es 5 Tage, so viel Zeit haben wir nicht. Ich hoffe, daß das komische Flugzeug in den nächsten Tagen endlich losgeht – wenn es nicht wieder regnet.

Allerdings gab es im Büro der Militärs in den letzten Tagen, wo wir alle 2 Stunden hingerannt sind, sehr unterschiedliche Informationen von denselben Personen: 1. das Flugzeug fliegt nicht, weil es regnet, 2. sie fliegen nicht, weil Karneval ist, 3. das Flugzeug ist mit nur einem Motor gelandet und sie können es nicht reparieren, 4. die Elektronik ist ausgefallen, 5. das Flugzeug ist von La Paz gestartet, aber wir wissen nicht, wo es ist (!!!). Es ist zum Ausflippen.

Unternehmen kann man auch nichts, weil die „Stadt“ nur aus ein paar Straßen besteht und praktisch von der Außenwelt nur per Flugzeug erreichbar ist – und es fliegt eben keines in die richtige Richtung – leider.

Wir sitzen den ganzen Tag am der Plaza, trinken Kaffee oder sonstige leckeren Sachen, gucken uns die nassen Palmen und riesigen Gummibäume an oder spielen Schach oder Rommee oder schreiben Briefe. Und alle 2 1/2 Stunden heißt es im Flugbüro: Wir informieren 3 Stunden später!

mine san jose Oruro
Silbermine San Jose in Oruro, Bolivien

Ansonsten ist Bolivien sehr schön, der große Geheimtip in Südamerika. Die Leute sehr freundlich und ausgesprochen höflich, aber mit der üblichen Südamerika-Mentalität, wenn’s heute nicht geht – mañana – morgen. Wir waren zwei Wochen auf dem Altiplano, das ist das Andengebiet, die Städte inkl. La Paz liegen alle über 3000m hoch. In Oruro haben wir eine Silbermine besichtigt nach langem Hin- und Herfragen – sehr interessant, die Mine sieht aus wie eine Mischung aus Korallenriff und Tropfsteinhöhle, überall hängt grünen oxidiertes Kupfer herunter und dazwischen glitzernde Silberadern. Die Arbeit ist sehr anstrengend, wie bei uns vor 50 Jahren. Die mineros waren auch sehr erstaunt über uns, weil normalerweise keiner reinkommt – vielleicht will die Verwaltung nicht, dass die Gringos was über die Arbeitsbedingungen erfahren. Außerdem verdienen die Bergleute umgerechnet 2.30 DM pro Tag, sehr wenig auch bei den Preisen, denn 1 Essen in einem billigen Restaurant kostet schon 2 DM!

Die Städte sind aber wesentlich sauberer und gepflegter als in Peru, die schönsten Plätze mit riesigen Palmen und unwahrscheinlich bunten Blumen (was in Deutschland mühselig gezüchtet wird, wächst hier wie Unkraut – trotz der Höhenlage) gibts hier. Selbst in Potosi, zur Zeit der Spanier wegen seiner Silberminen die größte Stadt ganz Amerikas, das aber 3900 m hoch liegt, wachsen Palmen!

sucre
Sucre, die Hauptstadt Boliviens, La plaza 25 de Mayo, Februar 1980

Und obwohl die Busse im Vergleich zu Peru reine Luxusbusse sind, haben wir schon 3 Buszusammenbrüche hinter uns. Beim letzten montierte der Busfahrer abends um 9 beim Schein einer Taschenlampe mitten auf der Straße (ohne Absperrung!) die Hinterachse raus, weil das Hinterrad immer eine andere Richtung wollte als der restliche Bus – und jede 10 Minuten, wenn ein Auto kam, hämmerte er die Achse wieder rein, weil sonst kein Platz auf der Straße gewesen wäre. Wir waren nach 2 Std. bedient und sind getrampt, aber haben es nur geschafft, weil zwei sehr hübsche Bolivianerinnen einen Bus angehalten und uns als ihre Begleiter ausgegeben haben – die ganze Meute aus unserem Bus wollte nämlich auch mit und der andere Busfahrer wollte nur 2 Leute mitnehmen – uff!

Wir sind bis hierher auf einem kleinen Lastkahn einen Urwaldfluß abwärts gefahren, haben den ganzen Tag in der Hängematte gelegen und uns die Dschungelbäume beguckt. Die Ruhe brauchten wir auch, denn es gab nur Flußwasser zu trinken (der Fluß ist eine schmutzig-braune Brühe) und wir hatten leichte Magen- und Darmbeschwerden – aber Hygiene ist ein eigenes Kapitel.

puerto villaroel
Puerto Villaroel am Rio Mamoré, Boliven 1980.

In 5 Tagen gab es 1 Dorf, wo wir auch angelegt haben, aber in der einzigen Kneipe buw. dem Krämerladen gab es nur eine einzige (!) Flasche Bier, und unser Kapitän war schneller als wir. Ursprünglich wollten wir noch 1 Woche im Norden ganz tief in den Dschungel zu den Kautschukzapfern und uns mal ein paar Krokodile und Affen „live“ ansehen [dazu bin ich erst 1984 gekommen], aber wir sitzen ja hier fest und haben das gestrichen.

Zum Glück ist unser „Hotel“ ganz nett, man kann in einem teilweise überdachten Hof sitzen und auch essen, denn selbst wenn es hier gießt, kühlt es sich kaum ab, es sind immer 25° und mehr, und wenn es trocken ist, sind es über 30. Aber das Nichtstun nervt uns ganz schön. Wir sind auch schon etwas wieder auf Europa eingestellt [wir waren schon fünf Monate unterwegs], weil wir jetzt die 2000 km rauf nach Guyana nur mit einem Stop in Manaus machen, weil wir erst unsere Flugbuchungen in Georgetown bestätigen lassen müssen und dann erst wieder eine Woche Zeit haben, um in Guyana etwas zu unternehmen.

Und außerdem wollen wir ja noch ein paar Tage in Barbados am Strand liegen, daß wir wenigstens knackig braun sind, obwohl wir jetzt auch schon ganz schön braun sind.

Hier gibt’s auch einen ganz kleinen putzigen Papagei im Hotel, der überall herumkrabbelt und alles anknabbert, vor allem Kugelschreiber und Zehen. Wenn man ihn anflötet, piepst er zurück und krabbelt das Hosenbein hoch bis auf die Schulter oder den Kopf. Vielleicht ist es auch ein Kakadu, denn einen großen Papagei haben sie auch und der sieht etwa anders aus, aber sehr würdevoll.

Aus Berlin werden wir ja bis zu unserer Rückkehr nichts mehr erfahren (…). Mein Auto wurde wohl abgemeldet – leider. Sonst geht#s uns gut, auch gesundheitlich, ich hoffe, auch allen auch. Macht euch keine Gedanken, denn gefährlich wird es jetzt nicht mehr besonders – Hauptsache, der Flug mit den Klapperdingern klappt. Wenn ihr den Brief bekommt, bin ich hoffentlich schon tief in Brasilien, wenn nicht schon in Guyana. Bis dann, viele liebe Grüße…

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Ein Mädchen auf der Mario Angel, einem „Seelenverkäufer“ auf dem Río Mamoré im Dschungel Boliviens.

Grantley Adams International Airport

BarbadosBarbados

Wie ich schon schrieb: 1982 saß ich ein paar Tage auf dem Grantley Adams International Airport in Barbados fest, weil Laker Airways bankrott war. Zum Glück übernahm British Midland Airways aka Derby Airways die gestrandeten Passagiere. Wir flogen dann am 31. März um 3.30 Uhr morgens endlich ab.

Oben scheint eine Maschine der Wardair zu stehen: „Wardair Canada was a privately run Canadian airline, founded by Max Ward in 1952 under the name Wardair Ltd, before formally changing its name to „Wardair Canada“ in 1976. The airline was acquired by and merged into Canadian Airlines in 1989.“ Das geht immer so weiter: „Canadian Airlines International Ltd. (stylized as Canadi›n Airlines or Canadi‹n Airlines, or simply Canadian) was a major Canadian airline that operated from 1987 until 2001. (…) The airline and its aircraft were acquired by Air Canada in 2000, and the merger was officially completed on January 1, 2001. “ Immerhin gibt es die Air Canada noch.

Auf dem unteren Foto könnte eine Maschine der Blue Wing Airlines aus Surinam stehen. Wenn ich mit denen fliegen müsste, würde ich das vielleicht überdenken. Die Blue Wings scheinen aber nicht so große Maschinen zu besitzen, also ist es vermutlich die British World Airlines.

Die anderen Flugzeuge kann ich nicht erkennen.

Vgl. „Alle pleite [Update]“ (27.12.2018) und „Gelobt und gepriesen sei British Midland“ (03.02.2024).

Gelobt und gepriesen sei British Midland

british midland

Wie ich schon schrieb: 1982 saß ich ein paar Tage auf dem Flughafen von Barbados fest, weil Laker Airways bankrott war. Zum Glück übernahm British Midland Airways aka Derby Airways die gestrandeten Passagiere. Die Fluggesellschaft ist auch schon pleite. Ich bin ihnen aber immer noch dankbar.

Hier die Ankunft in Luxemburg, 01.04.1982, 18:00 Uhr. Wir waren alle erleichtert.

Barbados, revisited

youth hostel Barbados

Meine damalige Freundin beim subbotnik: „The guests are expected to put in 20 min. working a day around the hostel and its garden.“ Wir waren im hier schon vor 12 Jahren erwähnten Youth Hostel in Oistins, zwischen Bridgetown und dem Flughafen gelegen. Es ist merkwürdig, dass ich das Gebäude nicht wiederfinde. Sollte die schöne alte Villa abgerissen worden sein? Man musste nur die Straße überqueren, um zum Stand zu kommen – das ist der erste Hinweis.

youth hostel Barbados

Ich habe mir das South America Handbook aus dem Jahr 1984 angesehen, da wird es noch erwähnt.

ChatGPT: Zu meinem Wissensstand (bis September 2021) gibt es mehrere Busrouten, die vom Grantley Adams International Airport auf Barbados nach Bridgetown führen. Hier sind einige der häufig genutzten Routen:
Route 12: Diese Route verbindet den Flughafen mit Bridgetown. Es ist eine der Hauptverbindungen zwischen dem Flughafen und der Hauptstadt.
Route 4: Diese Route führt ebenfalls vom Flughafen nach Bridgetown. Sie bietet eine weitere Option für diejenigen, die in die Hauptstadt gelangen möchten.
Route 9: Diese Route kann auch von Flughafen nach Bridgetown führen. Sie bietet eine alternative Möglichkeit, in die Stadt zu gelangen.

Die Busroute 12 geht also über Oistins. Ich kann mich aber daran erinnern, dass wir direkt an der Straße vor dem Hostel gewartet haben.

passport

Aus meinem Reisetagebuch 30.03.1982:
In Barbados überrascht uns der Flughafen angenehm, es ist alles da, was das Herz des Reisenden wünscht, inklusive Geldwechsel. Keine Einreiseschwierigkeiten. Wir fahren mit dem Bus zum Youth Hostel.

Heute haben wir unsere Moskitonetze für 12 US $ verkauft, an Dänen, die noch zwei Jahre unterwegs sein wollen. Die re-confirmation [des Fluges von Barbados nach Berlin] geht problemlos, die Tante erinnert sich sogar noch an unsere Namen und dass wir in Port of Spain gebucht haben. Leider gibt es auf der Post eine unangenehme Szene, weil die Frau wohl gerade keine Lust hat zu arbeiten und uns sehr unfreundlich versichert: „no letters“.

Von Bridgetown sind wir nicht sehr angetan. Das Hafenwasser ist dreckig, viele Leute + Autos, außer der Post alles Beton.

Obst und Zigaretten sind kaum bezahlbar. Der Supermarkt neben dem Youth Hostel [ich finde das trotzdem nicht] hat ein sogar für deutsche Verhältnisse sagenhaften Angebot, besonders an Spitituosen.

Torrell [der Besitzer des Youth Hostel] schenkt uns ein Kochbuch aus Deutschland, was ich in der Bücherei gefunden hatte. Lesen kann es wegen der Schrift auch keiner. Wir lesen darin wie in einem spannenden Roman und denken uns schon die tollsten Kombinationen aus.

Die Insel ist überschwemmt von Touristen. Gerüchte laufen ein, dass CA wegen der Lakers-Pleite auch pleite sei und Passagiere nach Frankfurt und London geflogen würden. Wer werden sehen, sind aber guten Mutes.

Einige Skat- und Schachspieler sind zum Glück auch da, und wir wechseln vom Hausputz, Schwatzen (das Essen ist sauschlecht und phantasielos, Ausnahme Chow Mein heute), Baden und Sonnenbraten (ich halte es kaum aus, 2 Stunden sind das höchste…) Es muss wohl bessere Strände geben, aber wir sind zu faul.

Viele Amis [im Youth Hostel], insbesondere die Obergurin, die vom Händchen halten und Lagerfeuer schwärmt. Beim Frühstück fragt sie: „Are you interested in politics?“, als wir über Nicaragua erzählen und ich antworte dementsprechend. Der Oberguru fängt an, S. Komplimente zu machen. Sonst passiert nichts. Gestern Abend mindestens 25 Leute da und viel freakige Gitarren. In der Bvd.-Zeitung steht eine Calypso-Hymne auf Reagan, „beat out communism“ etc., zum, Totlachen. Zum Schluss großer Stress wegen Torrells Beitrag zum Punsch, den er nicht zahlen will und wegen dessen er das Licht „zur Strafe“ ausmacht.

Wir sind um 1 am Flughafen, nicht ohne den verrückten Österreicher mitgeschleppt zu haben. Nach vielen Änderungen fliegen wir um 3:40 morgens ab und kommen um 18 Uhr Ortszeit Luxemburg an.

praktisches Kochbuch

Alle pleite [Update]

British MidlandBritish Midland

1982 saß ich ein paar Tage auf dem Flughafen von Barbados fest, weil Laker Airways bankrott war. Zum Glück übernahm British Midland Airways die gestrandeten Passagiere. Ich habe gerade gelesen, dass die auch schon pleite sind. Schade drum.

Ich durfte auf dem Rückflug nach Berlin auch ins Cockpit gehen.

Der Weg zum Strand

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Lassen wir die Revolution in Libyen mal kurz beiseite. Ich bin den blöden Winter satt. Ich hasse es, wenn es kalt ist und ich friere.

Da fielen mir die Kleinen Antillen ein – genauer gesagt Barbados. Nach einer halbjährigen Reise kreuz und quer durch Mittel- und Südamerika habe ich hier 1984 eine Woche relaxt, um mich mental wieder auf Deutschland vorzubereiten. Der Hafen der damals verschlafenen Hauptstadt Bridgetown wird heute sicher anders aussehen, als ich ihn in Erinnerung habe.

Das Youth Hostel bei Oistins an der Südküste habe ich nicht mehr gefunden, aber es ist auch schon eine Weile her. Ich kann es, wenn es noch existiert, nur empfehlen (wenn man noch zur Jugend gehört). Ich hatte nur zwei Minuten Fußweg zum Strand (2. Bild von unten)….

Genau das brauchte ich jetzt.

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