Aber die Gegend ist sehr schön oder: Von Belize nach Ecuador

gringo
Nahe der Grenze zwischen Belize und Guatemala bei Melchor de Mencos, 27.10.1979

Hier ein Brief, der einen Teil meiner erste Reise nach Lateinamerika beschreibt – zwischen Belize und Kolumbien. Die Rechtschreibung habe ich nicht verändert.

reisepass
Mein Reisepass mit den Stempeln von Belize und dem Einreisestempel von Guatemala, Melchor de Mencos

Quito, den 26.11.79
Liebe Eltern,

Nun sind wir mittlerweile in Ecuador, haben soeben den Äquator überschritten und haben seit dem letzten Brief aus Belize, der hoffentlich angekommen ist, schon so viel erlebt, daß ich nur das Wichtigste schreiben kann.

Von Belize aus sind wir nach Guatemala getrampt. Das Gute an Belize ist, daß jeder Anhalter mitnimmt, weil so wenig Busse fahren und es sowieso nur 2 größere Überlandstraßen gibt, von Mexico nach Belize City und von da nach Guatemala. Zuletzt sind wir von englischen Soldaten mitgenommen worden (Belize ist zwar angeblich unabhängig, aber in Wirklichkeit immer noch eine englische Kolonie), die kurz vorher in Hamm stationiert waren – sie kannten auch Unna.

Tikal
Tikal, Guatemala, 29.10.1979

In Guatemala ging es richtig los: für die 200 km nach Tikal – d.i. eine große Ruinenstadt der Mayas – brauchten wir drei Tage. Die einzige Straße ist so schlecht, daß kein PKW fahren kann, nur 1x am Tag ein Bus. Zwischendurch haben wir noch an einem sehr romantischen See übernachtet. Tikal war das Beeindruckendste, was ich bisher gesehen habe. Hier wohnten vor 2000 Jahren mehr als 200000 Mayas! Heute ist überall tiefer Dschungel, nur ein paar kleine Dörfer, und mittendrin ein riesiges Ruinengelände mit Pyramiden, die mit der Spitze aus dem Dschungel gucken, Palastanlagen und Tempeln.

Busfahren in Guatemala geht z.B. so: Nachts um 11 soll der Bus fahren. Um 11 sagt der Busfahrer, der oben auf dem Dach liegt und schläft: Der Bus fährt um 1. Die Passagiere, darunter auch wir, sitzen auf einem schmutzigen Marktplatz, rundum voll Bretterbuden, wo man Kaffee und seltsames Gebäck verkauft, dazwischen streunende Hunde und ein paar Schweine, die im Müll wühlen. Um 1/2 2 kommt der Busfahrer vom Dach, will den „Bus“ starten, aber der springt nicht an. Alle Passagiere klemmen sich hinter den Bus und schieben ihn durch die halbe Stadt unter Höllenlärm, während ich auf dem Platz sitze und das Gepäck bewache und mich halb totlache. Der Bus springt aber nicht an und der Busfahrer legt sich wieder schlafen, Wir beide legen uns samt Rucksack auf einen der Markttische und schlafen bis um 3, bis ein anderer Bus kommt und unseren anzieht.

Dann geht es wie die wilde Jagd los, der Bus schwankt wie ein Schiff im Sturm, kracht in die Schlaglöcher, Hühner gackern, weil ihnen immer wieder auf den Schwanz getreten wird, eine dicke Indiofrau hat gleich 4 Truthähne mit. Der Bus braucht 19 (!) Std. bis Guatemala City, der Hauptstadt. Der Busfahrer fährt natürlich in einem Stück und kurzen Pausen durch und man kommt kaum zum Pinkeln.

Allgemeiner Eindruck von Guatemala: Das Land ist ein absoluter Polizeistaat, überall Militärkontrollen und man sagte uns, daß es hier wohl bald knallt wie in Nicaragua. Aber die Gegend ist sehr schön, vor allem die Indios sehr freundlich.

Wir sind 1 Woche in Antigua geblieben, einer Stadt mit viel spanischer Kolonialarchitektur, die aber durch verschiedenen Erdbeben sehr zerstört worden ist. Rundherum gibt es viele Indiodörfer, sehr arm, aber die Leute sind sehr nett. Die Frauen haben alle unwahrscheinlich bunte Gewänder an. Sie kennen noch kaum Touristen. Ihr müßt euch das so vorstellen, daß in den meisten Staaten Mittel- und Südamerikas die Indios den Hauptanteil der Bevölkerung stellen einschließĺich der Mischlinge, aber kaum in größeren Städten leben, sondern in Dörfern. In den Städten lebt die weiße Oberschicht, d.h. die Nachkommen der Spanier. Die Indios sehen sehr asiatisch aus und manche erinnern sehr an die Steinfiguren der Azteken und Maya, die die Spanier unterworfen haben.

agua
Der Vulkan Agua (3760 m) in der Nähe von Antigua, Guatemala (01.11.1979).

In Antigua haben wir einen Vulkan bestiegen, der über 4000m hoch ist. Aber das ist hier alles anders als in den Alpen, weil alles relativ höher liegt. Z.B. hier in Ecuador liegen die meisten Städte über 2000m hoch, Quito 2800! Dementsprechend hoch sind die Berge, aber in Quito gibt es sogar Palmen! Das liegt daran, daß es tagsüber – wegen der Äquatornähe – meist warm ist, 20° Grad vielleicht und teilweise mehr, aber nachts ist es knapp über 0 Grad!

nicaragua
Das Hochland von Nicaragua, Flug von Guatemala nach Tegucigalpa, Honduras, 04.11.1979

Von Guatemala sind wir geflogen mit einer klapprigen Propellermaschine nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Dort ging die Maschine kaputt und wir mussten umsteigen. Aber die Fluglinie kann man nur weiterempfehlen: Es gibt gutes Essen an Bord und Alkohol ist frei, dabei gute Aussicht über das Hochland von Nicaragua.

So kamen wir in San Andrés an, einer Karibik-Insel zwischen Nicaragua + Kolumbien, die aber zu Kolumbien gehört. Dort sah es auch wie in Belize (s. Karte): Sandstrand, Palmen, das Meer blau und kristallklar und nie weniger als 30 Grad. An dem Küsten Südamerikas und in der Karibik leben fast nur Schwarze, die Nachkommen der afrikanischen Sklaven.

Medellín
Medellín, Kolumbien, Flug von Tegucigalpa, Honduras, nach Bogotá, 04.11.1979

Nach einer knappen Woche inklusive Sonnenbrand flogen wir über Barranquilla und Medellin nach Bogota, wo wir spät abends mit gemischten Gefühlen ankamen, denn man hatte uns erzählt, daß Bogota eine der gefährlichsten Städte Südamerikas wäre. Wir mußten erst eine Stunde nach dem Gepäck suchen und waren etwas gestresst.

Bogota
Ankunft in Bogotá, Kolumbien, 08.11.1979

In Bogota (5 Millionen Einwohner) ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch und die Leute sehr arm, dementsprechend hoch ist auch die Kriminalität. In bestimmten Stadtvierteln kann man nachts nicht mehr auf die Straße gehen, weil man sonst ausgeraubt wird. Und die Pauschaltouristen, die meistens reich aussehen, sind das selbst schuld. Die Stadt ist häßlich, die Häuser phantasielos, überall liegt Müll herum und ein unwahrscheinlicher Krach und Gestank. Die südamerikanische Autofahrer-Mentalität kann man sich kaum vorstellen: Verkehrszeichen geben nur grobe Anhaltspunkte, rote Ampeln sind uninteressant und jeder hupt, so laut er kann. Dabei sehen die Autos aus, als wenn sie gerade vom Schrottplatz kämen. Wir haben um 4 Uhr nachmittags einen uralten Bus mitten auf einer Kreuzung zur Hauptverkehrszeit gesehen, die Busfahrer lagen darunter und reparierten etwas, die Passagiere schauten interessiert zu, hinter dem Bus lag ein R4 auf der Straße, der gerade ein Rad verloren hatte, alle Autos fuhren kreuz und quer herum und mittendrin stand ein Polizist, der aus Leibeskräften auf einer Trillerpfeife flötete, den aber keiner irgendwie beachtete.

Wir haben in 3 Tagen keinen einzigen Europäer gesehen außer einer deutschen Reisegruppe im Goldmuseum, die aber in einem teuren Hotel wohnten und ziemlich verängstigt waren. Auf der Straße laufen Bettler herum, einer hatte sich einen Tropf organisiert, lag auf der Straße und hielt ihn hoch, bettelte gleichzeitig um Geld.

Es gibt eine ganze Menge interessanter Dinge, aber der Brief wird zu lang.

San Augustin
San Agustín, Kolumbien, 12.11.1979

Von Bogota aus sind wir ins Gebirge, d.h. die Anden, in ein kleines Indiodorf. Die Entfernungen sind hier etwas anders. Kolumbien ist 4 1/2 mal so groß die die BRD [sic], hat aber nur 30 Mio. Einwohner und der Bus braucht durchschnittlich 8-10 Stunden für eine normale Strecke. Eisenbahnen gibt es kaum, weil im Süden fast alles wildes Gebirge ist. Aber die Landschaft ist einfach großartig!

In San Augustin [es heisst San Agustín] sind wir 1 Woche geblieben. Es gibt nur eine Straße und das nächste Dorf ist 1 1/2 Stunden mit dem Bus entfernt. Elektrisches Licht gibt es nur ein paar Stunden am Tag. Wir haben uns Pferde organisiert und sind in der Gegend herumgeritten. Hier stehen überall auf den Bergen und im Dschungel 2000 Jahre alte Steinfiguren herum, die von einem Volk stammen, das sich damals, als die Spanier kamen, in die Berge zurückgezogen hat. Hier gibt es richtige Hünengräber wie in Norddeutschland.

San Augustin [San Agustín] ist relativ sicher, weil die Indios nicht klauen, aber fast alle Touristen, die hier ankamen (es gibt nur 3 oder 4 Übernachtungsmöglichkeiten, sodaß man sich trifft) waren beklaut worden, in einem Bus, der ankam, gleich 7 auf einmal.

tumaco
Tumaco, Kolumbien, 21.11.1979

Von San Augustin [San Agustín] sind wir nach Popayan, Pasto (das liegt auf der Panamericana in Richtung Ecuador), dann mit einem Nachtbus 10 Std. an die pazifische Küste von Kolumbien nach Tumaco. Hier sieht es wieder ganz anders aus: Ein Fischerdorf, nur Holzhütten, nur Schwarze, sehr dreckig und staubig, viele Häuser auf Pfählen und ringsherum nur Mangrovensümpfe. Mangroven sind Bäume, deren Wurzeln alle oberhalb des Wasserspiegels liegen, sodaß man von nirgendwo durchkommt.

Wir haben einen Einheimischen aufgegabelt, der uns für 20 DM nach Ecuador fahren wollte – mit einem hölzernen Einbaum mit Außenborder. So zogen wir, inklusive 6 leeren Ölfässern, Rucksäcken und 2 Mann Besatzung los. Das „Schiff“ blieb im „Hafen“ ein paar Mal stecken, wir mußten ins Wasser und anschieben. Die Fahrt kann ich kaum beschreiben, das war das Abenteuerlichste, was ich je erlebt habe. Wir sind 9 (!) Stunden durch kleine Flußarme, durch Sümpfe, teilweise auf größeren Flüssen gefahren. Die Gegend ist fast menschenleer, nur alle halbe Stunde ein winziges Dorf aus Schilfhütten, in denen ein paar Schwarze wohnen, die fast alle nackt herumlaufen und entweder mit Einbäumen fahren, weil es absolut keine Wege und Straßen gibt, oder auf Flößen mit langen Stangen herumschwimmen und Kokosnüsse und Bananenstauden transportieren. Anders kann es in Afrika nicht aussehen. Dabei ringsherum riesige Urwaldbäume und undurchdringliches Dickicht, aus dem man jeden Augenblick Tarzan erwartet.

Rio Mira
Rio Mira, Pazifikküste Kolumbiens, 21.11.1979

Nach 8 Stunden hatten wir wieder den Pazifik erreicht. Plötzlich knallten ein paar Schüsse, ein anderer Einbaum kam herangeflitzt, in dem ein paar Soldaten aus Ecuador saßen, die unser „Schiff“ enterten, den „Kapitän“ festnahmen und wieder zurücktransportierten und uns im „Polizeieinbaum“ nach San Lorenzo in Ecuador brachten. Unser „Kapitän“ war nämlich ein Schmuggler, der billiges Benzin von Ecuador nach Kolumbien schmuggeln wollte. Aber wir hatten ja damit nichts zu tun und nach kurzer Kontrolle der Rucksäcke ließ man uns laufen.

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San Lorenzo, Ecuador, 22.11.1979

San Lorenzo ist genauso wie Tumaco, nur ein bißchen sauberer und die Leute sind freundlicher. Hier sind wir einem deutschen Juden aus Berlin (!) begegnet, der 1936 aus Deutschland ausgewandert ist und den es nach hier verschlagen hat. Er kannte sogar noch die Knesebeckstraße [da wohnte ich damals]. Doch darüber auch mündlich!

Kapitel: Eisenbahnfahren in Ecuador! Der Schienenbus (es gibt keine Straße) sollte um 6 Uhr morgens fahren. Wir hatten am Vortag ein Gefährt gesehen, was aus einem Lastwagen bestand, dem man die Räder abmontiert hatte und stattdessen Eisenbahnräder anmontiert hatten und waren recht gespannt. Der Zug kam nicht, obwohl bestimmt 50 Leute herumstanden. Ich weiß nicht, wer mehr gestaunt hat: Wir über die oder sie über uns. Um 1 (!) Uhr kam ein Güterzug mit drei Waggons, alle Leute kletterten auf das Waggondach, auch ein Schwarzer, der Kokospalmenschößlinge von ca. 4m Länge dabei hatte, und wir auch.

san lorenzo
Eisenbahnfahrt von San Lorenzo nach Ibarra, 23.11.1979

Dann ging es los, der „Schaffner“ sprang während der Fahrt von Waggondach zu Waggondach und kontrollierte die Tickets. Nach eineinhalb Stunden Fahrt durch tropischen Regenwald kam plötzlich ein uraltes Ding von Schienenbus hinterhergerattert, Plätze für 30, aber wie hier so üblich, mit ca. 50 Leuten besetzt. Bei einer Ausweichstelle, wo der Bus den Güterzug überholen konnte, haben wir uns auch noch reingequetscht. Der „Lokführer“ hatte eine Gangschaltung wie im Auto und sogar ein Lenkrad, an dem er wie wild dreht. Ich weiß aber nicht warum, denn auf Schienen braucht man normalerweise nicht zu lenken. Jedenfalls sind wir einmal entgleist, weil die Schienen fast lose auf den vermoderten Holzbalken liegen. Sie waren wohl für ein kurzes Stück zu weit auseinander, aber irgendwie kam alles wieder ins Lot. Die Bahn schlängelt sich in endlosen Serpentinen an Abgründen vorbei auf 300km von 0 auf 2200m Höhe nach Ibarra und baucht dafür ca. 7. Stunden.

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Tulcán, Ecuador, an der Grenze zu Kolumbien, 24.11.1979

Wir haben in Ecuador noch ziemlichen Ärger mit der Polizei gehabt und mußten eine Strafe zahlen, weil seit neuestem die Einreise nur an bestimmten Stellen gestattet ist, nicht aber in San Lorenzo. Die Polizei dort wußte das aber nicht, nur die Polizei in Tulcan. Das ist der Grenzort zu Kolumbien, wo wir wieder hinaufgefahren sind, weil alle Einreisebüros geschlossen hatten und man ohne [Einreise]Stempel nicht nach Quito kann. Dort saßen wir drei Tage fest, weil Wochenende war, und heute morgen nach 3-stündigem Verhandeln und 80 DM Strafe konnten wir endlich nach Quito. Wir werden aber noch den Botschafter einschalten, weil das Ganze nicht unsere Schuld war, denn die Polizei hatte uns ja die Éinreise erlaubt. [Haben wir natürlich nicht gemacht.]

Quito, die schönste Stadt, die ich bisher und überhaupt gesehen habe! Doch davon später und in Fotos, da wir erst gerade angekommen sind. Wir bleiben ca. eine Woche, fahren 1 Woche in den Urwald östlich den Anden zum Rio Napo. brauchen ca. eine Woche über Riobamba u. Guayaquil zur Grenze nach Peru, sind kurz vor Weihnachten in Lima, Peru, und zu Silvester auf eine indianischen Landkooperative, von der wir Adresse und ein Empfehlungsschreiben von einem deutschen Entwicklungshelfer haben. Wir wollen nach ca. 4 Wochen Peru weiter nach La Paz, Bolivien, wissen aber noch nicht, ob das möglich ist, weil die mal gerade wieder einen Putsch hatten. (…)

Quito
In einer Vorstadt von Quito, Ecuador, mit Blick auf die Altstadt (November 1979)

Preise hier: Hotel ca 3 DM, Mittagessen 2 DM, 1 Banane 20 Pfg, Schachtel Zigaretten 30 Pfg, 400 km Busfahrt 5 DM! Wir geben ohne Andenken und Sonderausgaben ca. 10-13 DM pro Tag und Person aus. Vorher war es etwas teurer, aber Peru ist noch billiger.

Bis bald und viele Grüße an alle! Ich hoffe, daß ein paar von den vielen Ansichtskarten angekommen sind! (…) Und außerdem herzliche Glückwünsche zum Geburtstag, aber ich habe keine Ahnung, wann der Brief ankommen könnte.

Unter Überfliegenden

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Ich habe alle Fotos meiner vier Reisen nach Lateinamerika zwischen 1979 und 1998 jetzt online. Drei oder vier fehlen noch; die sind aber wenig aussagekräftig und nicht zuzuordnen. Hier ist das letzte, womit ich eventuell etwas anfangen kann. Ich hatte es als „irgendwo in Mexiko“ eingeordnet, aber das stimmt vermutlich nicht.

Ich habe einen Verdacht, wo es sein könnte: Ich habe 1979 beim Flug von Guatemala City über Tegucigalpa in Honduras nach San Andrés in Kolumbien (die Insel liegt auf der Höhe von Nicaragua) ein Foto gemacht, das ich aber nicht finde. Es könnte dieses sein, zumal ich weder 1979 noch 1982 in Mexiko geflogen bin.

Aus meinem Reisetagebuch, 04.11.1979: „Wecken um 5.30 Uhr. Ohne Frühstück zum Flughafen. 5 $ Ausreisetax. 8.30 Uhr Start nach Tegucigalpa. In Honduras Maschinenwechsel. Exzellentes Mittagessen [im Flugzeug], Wein und Wodka. Hochebene von Nicaragua bis zur Küste fast menschenleer. [Vielleicht zeigt das Foto Nicaragua – auf der ersten Reise habe ich das Land nur überflogen.] Von Tegucigalpa bis San Andrés 1 1/2 Stunden. Das Meer ist knallblau. Einreiseformalitäten in San Andrés ohne Schwierigkeiten. Brüllende Hitze. Banken und Fluggesellschaften alle geschlossen. Fragen uns durch zum „Restrepo“ oder so ähnlich. (Flughafen links, noch mal links, gegenüber eine Fischbraterei auf der linken Seite.) 70 Pesos pro Person. Essen 50 Pesos. Treffen zwei Deutsche, geben uns Adressen und Empfehlungsschreiben für Ecuador. [Ich weiß nicht mehr, was ich damit meinte.] Wunderschöne Mädchen.“

Warum habe ich das damals alles notiert? Vermutlich, weil ich es nicht besser wusste bzw. konnte. Meine Tagebücher von 1981/82 und 1984 lesen sich ganz anders.

Als ich die ersten Fotos aus Lateinamerika (ich weiß nicht, wann das war) hier online stellte, habe ich nur selten in meine Reisetagebücher geschaut. Ich überlege, ob ich deshlab noch mal ganz von vorn anfangen sollte, und auch in der zeitlichen Reihenfolge, in der ich real gereist bin. Ich will das alles auch den Nachgeborenen hinterlassen, ganz gleich, ob die daran interessiert sind oder nicht. Man hat sich bemüht.

Was sagt das Publikum? Oder habt ihr genug davon gesehen?

Der Fetisch des erinnerten Geldes

cents guyanamünzen Nicaraguasoles perumünzen Belizemünzen Honduras

Jagd auf Meerestiere

la ceiba

Ein Nachtrag zu La Ceiba an der Atlantikküste von Honduras (1981).

Damit habe ich jetzt alle ehemaligen Dias von Honduras online, es sei denn, ich finde noch in irgendeinem Verzeichnis eines, das dort nicht hingehört. Ich staune immer noch, dass ich bei den rund 2.000 Fotos aus Lateinamerika, die zum Teil schon vor vierzig Jahren gemacht wurden, genau weiß, was zu sehen ist und wo.

La Ceiba, revisited

la ceiba

Passagiere an den Docks von La Ceiba an der Atlantikküste von Honduras (1981, vgl. die Küste der Garifuna, 20.08.2012).

Aus meinem Reisetagebuch, 25.11.1981:
Wir lernen einen Cariben kennen, mit dem wir ein nettes Gespräch führen. Er erzählt von einem Freund, der in Afrika nach den Ursprüngen der Garifuna-Sprache gesucht hat, sie aber nicht fand. Am Hafen treffen wir einen Miskito-Pastor, der uns erzählt, er sei schon in Berlin gewesen, im Hotel Hamburg.

Abends reichlich Krach. Die Stadt ist interessant und quirlig, besonders das Hafenviertel, wo es viel Absteigen gibt, und die umliegenden Slums. Der Rest bedeutungslos.

Mich überraschen die reichlich ausgestatteten Supermärkte und Läden mit US-amerikanischen und Produkten aus Mittelamerika. Wir kaufen Blechgeschirr und Kleinkram. Der Markt ist voller Gemüse, aber nicht ganz billig. (…)

Unser „Höllenschiff“: Viel zu viel Passagiere, sie sitzen auf Brettern, die auf die seitwärts an der Reling stehenden Fässern gelegt wurden. Versuche mit der Hängematte schlagen fehl, es schaukelt zu sehr. Ein kleiner nerviger Junge kotzt irgendwo hin, interessiert niemanden; der Rest der Passagiere kotzt spätestens am frühen Morgen. Bei mir kommt der Kaffee wieder raus.

Die Besatzung: Der Kapitän und die Mannschaft sind Miskito, der „Stauer“, ist Garifuna, dumm, stark wie ein Ochse, aber gutmütig, schielt ein bisschen. Der Koch mit zerrissener Hose. Ein paar fette Frauen, die herumsauen und die jungen Männer anmachen. Das Essen ist schlecht, täglich Kochbananen, Reis, sonst nichts.

Das Schlimmste ist die Schaukelei. Sie fahren ohne Rücksicht auf Verluste seitwärts der Wellen, der Steuermann muss keinen Magen mehr haben.

Das Schiff ist voll mit Mehl, Zucker, Reis, Coca, die Fässer fast alle leer. (…)

Am 20.08.2012 schrieb ich:

Übrigens hatten wir uns nachts, da wir nicht auf den Decksplanken schliefen, sondern auf den Ölfässern, die alles blockierten und die genau so hoch waren wie die hölzerne Reling, mit Seilen angeschnallt, um nicht schlafend ins Meer zu fallen.

Wer denkt, dass Palmen, türkisblaues Meer, Sonne und braungebrannte Menschen automatisch romantisch sind, der sollte sich mal überlegen, wie man auf einem Schiffs-Plumpsklo sein Geschäft verrichtet, während die gesamte „Toilette“ sich abwechselnd in beide Richtungen um rund 50 oder mehr Grad neigt – und zwar mit Caracho und das eine Woche lang ohne Pause.

Seit dieser Reise habe ich eine Abneigung gegen Kokusnuss-Geschmack – die ersten vier Tage bekamen wir nur eine Art Fraß vorgesetzt, zermatschten Reis mit ein Paar Bohnen – alles von der Schiffsbesatzung aus den Kisten geklaut, die sie befördern sollten. Und wir lebten von den Kokusnüssen, die wir dabei hatten. Kokusnuss-Diät ist aber scheusslich. Das änderte sich erst, als ich einige der Mitreisenden beiläufig fragte, wem das Schiff eigentlich gehöre. Da die guten Leute nicht wirklich einschätzen konnten, welchen Einfluss ein Ausländer haben konnte, sprach sich das schnell zum Kapitän herum, der uns plötzlich eigenhändig eine akzeptable Mahlzeit servierte. Als ich ihm dann noch eine Karte der Küste von Honduras schenkte (offenbar fuhr er nur auf Sicht), nannte er mich „hermano“ („Bruder“) und behandelte mich wie den Pascha von Dingsda.

Alte Kathedrale

Alte Kathedrale Santiago de Managua

Die Alte Kathedrale Santiago de Managua wurde bei einem Erdbeben am 23. Dezember 1972 total zerstört (fotografiert 1981) Der Diktator Somoza und seine Familie leiteten große Teile der internationalen Hilfsgelder auf ihre Konten um, geschenkte Hilfsgüter wurden von ihren Firmen verkauft, und sie rissen das durch die Katastrophe aufblühende Bau- und Bankgewerbe an sich. Das Erdbeben war auch eine Initialzündung für die sandinistche Revolution.

Nicaragua, Honduras, Salvador und Guatemala brauchen erneut eine Revolution, um die Regimes von korrupten Politikern und Verbrechern davonzujagen. In diese Länder kann man nicht mehr reisen.

Die Geier am Gesäß der Welt

puerto lempira

Ich hatte schon 2011 über die Küste der Miskito geschrieben und die Pension Santa Teresita erwähnt, in der ich 1982 die Ehre hatte, wenige Nächte zu residieren.

„… Nach einer Woche Schiffsreise erreichen wir den winzigen Hafen von Puerto Lempira (Bild oben) im Nordosten von Honduras. Der Ort liegt sozusagen am Gesäß der Welt (das gilt immer noch). Auf dem Dach unserer Hospedaje versammeln sich die Aasgeier. Eine rostige Tonne schmückt den Vorhof. Wir treiben uns in den wenigen Spelunken des Ortes herum. Endlich gute Musik: Radio Cayman („The Voice of the Cayman Islands“) sendet beschwingte karibische Rhythhmen. Wir knüpfen Kontakt mit einem Chinesen, der mit allem und jedem handelt. Er will in den nächsten Tagen mit seinem Jeep nach Leimus in Nicaragua, was zufälligerweise auch genau unser Ziel ist.“

Man könnte das Foto natürlich auch als eine Allegorie auf den Kapitalismus nehmen.

Kein Artenschutz

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Verkauf gefangener Schildkröten in La Ceiba, Honduras (1982). Vermutlich war das damals schon illegal. Schildkröten sind eine bedrohte Tierart.

Die Küste der Garifuna

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Die Atlantikküste von Honduras – die gepunktete Linie zeigt die Reiseroute zwischen La Ceiba und Puerto Lempiras im Osten. Quelle: OpenStreetMap

Einer der interessantesten und auch anstrengensten Reisen führte mich von Honduras nach Nicaragua – aber per Schiff und vom äußersten Osten Honduras per Jeep bis an die Grenze von Nicaragua. Die kleinen Schiffe brauchen für die Strecke – Luftlinie rund 200 Kilometer – rund eine Woche. (Unser Schiff sah so aus wie auf dem Foto in der dritten Reihe von oben, rechtes Bild, das kleine Holz-Schiff in der Mitte.)

Vor jedem kleineren Dorf wird geankert, und die besten Ruderer kommen und holen die Güter per Kanu. Am heutigen Biospärenreservat Rio Planato verläuft die Siedlungsgrenze zwischen den Garifuna und den Miskito.

Wikipedia-Auszug: Die Garifuna (Eigenname, ursprüngliche Bedeutung auf Igñeri: „Yamsesser“, in korrekter Pluralform eigentlich Garinagu), sind eine Volksgruppe mit heute über 100.000 Angehörigen in Zentralamerika und den USA. Die Ethnie der Garifuna basiert ursprünglich auf einer Verschmelzung von Sklaven westafrikanischer Herkunft mit Kariben, welche selbst mit den von ihnen einst unterworfenen Arawak verschmolzen waren, auf der Karibikinsel St. Vincent. Der Zusammenschluss beider Bevölkerungsgruppen nahm vermutlich 1635 seinen Anfang, als bei St. Vincent zwei Sklavenschiffe Schiffbruch erlitten: Die Afrikaner konnten fliehen, wurden von den Inselkariben (Kalipona) aufgenommen und vermischten sich mit ihnen. Ihre Sprache, das Igñeri, gehört zur indigenen amerikanischen Arawak-Sprachfamilie und zeigt im Lexikon indigene karibische, französische und englische sowie in neuerer Zeit regional auch spanische Einflüsse. Die vereinzelten afrikanischen Einflüsse im Igñeri entstammen am ehesten dem Yoruba in Südwestnigeria. Die religiös-kulturelle Überlieferung ist überwiegend (west-)afrikanisch. Die über 100.000 Garifuna leben heute in Belize, wo sie bis zu 7 % der Bevölkerung ausmachen, in Guatemala, Honduras und Nicaragua mehrheitlich als Fischer an der Küste sowie als Beschäftigte im Bananenanbau.

Die Skyline des Hafens La Ceiba in Honduras hatte ich hier schon gepostet. Die Fotos habe ich 1982 gemacht. Die junge Dame ist meine damalige Lebensabschnittsgefährtin.

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Auf einem der Fotos sieht man, wie schwierig es ist, schwere Gasflaschen (oder was auch immer da drin war) ohne Kran von einem schwankenden Schiff auf ein Ruderboot zu befördern. Der Seegang war schrecklich, weil der Misikito-Kapitän möglichst nah an die Küste fuhr, damit der Weg für die Ruderer nicht so weit war, und die Brandung uns alle wie ein Ball von der einen Seite auf die andere Seite warf. Übrigens hatten wir uns nachts, da wir nicht auf den Decksplanken schliefen, sondern auf den Ölfässern, die alles blockierten und die genau so hoch waren wie die hölzerne Reling, mit Seilen angeschnallt, um nicht schlafend ins Meer zu fallen.

Wer denkt, dass Palmen, türkisblaues Meer, Sonne und braungebrannte Menschen automatisch romantisch sind, der sollte sich mal überlegen, wie man auf einem Schiffs-Plumpsklo (auf den Fotos zu sehen) sein Geschäft verrichtet, während die gesamte „Toilette“ sich abwechselnd in beide Richtungen um rund 50 oder mehr Grad neigt – und zwar mit Caracho und das eine Woche lang ohne Pause.

Seit dieser Reise habe ich eine Abneigung gegen Kokusnuss-Geschmack – die ersten vier Tage bekamen wir nur eine Art Fraß vorgesetzt, zermatschten Reis mit ein Paar Bohnen – alles von der Schiffsbesatzung aus den Kisten geklaut, die sie befördern sollten. Und wir lebten von den Kokusnüssen, die wir dabei hatten. Kokusnuss-Diät ist aber scheusslich. Das änderte sich erst, als ich einige der Mitreisenden beiläufig fragte, wem das Schiff eigentlich gehöre. Da die guten Leute nicht wirklich einschätzen konnte, welchen Einfluss ein Ausländer haben konnte, sprach sich das schnell zum Kapitän herum, der uns plötzlich eigenhändig eine akzeptable Mahlzeit servierte. Als ich ihm dann noch eine Karte der Küste von Honduras schenkte (offenbar fuhr er nur auf Sicht), nannte er mich „hermano“ („Bruder“) und behandelte mich wie den Pascha von Dingsda.

La Ceiba

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Das Foto der „Skyline“ von La Ceiba an der Atlantikküste von Honduras habe ich 1981 gemacht.

Leider ist es mir nicht gelungen, aussagekräftige aktuelle Fotos aus einer ähnlichen Perspektive zu finden. Schmunzeln musste ich beim Lesen eines Reiseberichts: „Man sollte auf keinen Fall zu Fuß in La Ceiba unterwegs sein, Überfälle finden sogar tagsüber statt.“ Kein Wunder, wenn man da mit einer Jacht ankommt und dann auch so aussieht.

Ich war übrigens allein in den Hafenbars von La Ceiba in der Nacht unterwegs. Das musste mal ganz uneitel gesagt werden.

Die Küste der Miskito

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Bei einem Blick in einen meiner uralten Reisepässe stellte ich fest, dass ich 1981 in Nicaragua war, nicht 1982, also ein knappes Jahr nach dem Sieg der Revolution (das ist das Stichwort). Im November und im Dezember 2003 habe ich hier schon etwa dazu gebloggt – die ältere Generation des Stammpublikums kann jetzt also wegzappen.

…Nach einer Woche Schiffsreise erreichen wir den winzigen Hafen von Puerto Lempira (Bild oben) im Nordosten von Honduras. Der Ort liegt sozusagen am Gesäß der Welt (das gilt immer noch). Auf dem Dach unserer Hospedaje („Herberge“, 2.Bild) versammeln sich die Aasgeier. Eine rostige Tonne schmückt den Vorhof. Wir treiben uns in den wenigen Spelunken des Ortes herum. Endlich gute Musik: Radio Cayman sendet beschwingte karibische Rhythmen. Wir knüpfen Kontakt mit einem Chinesen, der mit allem und jedem handelt. Er will in den nächsten Tagen mit seinem Jeep nach Leimus in Nicaragua, was zufälligerweise auch genau unser Ziel ist.

Wir starten mitten in der Nacht. Die Strasse führt durch endlose Kiefernwälder und würde in Deutschland als Waldweg der unteren Kategorie durchgehen. Am Nachmittag erreichen wir den Rio Coco, den Grenzfluss zwischen Honduras und Nicaragua. Die Situation ist brenzlig. Noch vor wenigen Monaten (1981) gab es hier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sandinistas, der Armee aus Honduras, Miskito-Milizen und irgendwelchen Banden, die auf eigene Rechnung morden und plündern. Ein Mann der honduranischen Geheimpolizei (steht auf seinem T-Shirt, und er hat eine Pistole) taucht auf und fragt, ob wir eine Erlaubnis der Immigracion in Puerto Lempira hätten. Haben wir nicht, aber ich erzähle ihm was vom Pferd, und er lässt sich zum Glück beeindrucken.

Eine halbe Stunde sitzen (3. Bild) wir im Gebüsch und spähen über den Fluss. Der Chinese ist verschwunden, und wir warten, ob sich auf der anderen Seite etwas regt. Dann steigen drüben zwei Mädchen in einen Einbaum und paddeln zu uns herüber.

Endlich – wir sind in Nicaragua, im Jahr zwei der Revolution. Überall bis an die Zähne bewaffnete Männer und Frauen im Che-Guevara-Look. Es gibt ein oficina de imigration. Dort ist man uns nicht wohlgesonnen. Offenbar sehen wir wie Spione der USA aus, und die würden die Sandinistas vermutlich gleich standrechtlich erschiessen. Erst das Visum des Konsulats von Nicaragua in Deutschland (vgl. Foto) hellt die Mienen auf. Unsere Rucksäcke werden bis auf die letzte Wäscheklammer auseinandergenommen. Die Karte von Nicaragua erregt wieder Argwohn, so eine haben sie selbst nicht. Der comandante will sie konfiszieren, ich bitte um eine Quittung. Dann muss der Vorgesetzte entscheiden. Und am Schluss kriege ich sie doch zurück und schenke dem comandante eine Zigarre, die ich noch in Mexico gekauft hatte und die ohnehin schon ramponiert ist. Das bricht das Eis völlig. Wir werden sofort eingeladen zu einem comida international („internationales Essen“), das sich als Spaghetti mit Tomatensoße entpuppt, und sitzen am Tisch der jungen revolutionären Garde Nicaraguas. Niemand trennt sich von seiner Waffe. Es ist wie im Western. Wir plaudern ein paar Stunden über die allgemeine und besondere Weltlage. Was dazu führt, dass der comandante von Leimus uns einen Militärjeep samt Fahrer und Soldaten zu unserem Schutz zur Verfügung stellt, der uns bis zur Küste nach Puerto Cabezas bringt. In den Miskito-Dörfern halten wir an, aber die Leute machen einen verschüchterten Eindruck. Eine Frau lädt uns dann doch zum Tee ein. (vgl. die beiden Kinder oben)

Am Abend treffen wir in Puerto Cabezas ein. Zum ersten Mal sehe ich revolutionäre Propaganda in der Sprache der Miskito (Bild links unten). „Taski lulkapra“ heisst auf spanisch „no botas basura“ und auf deutsch: Keinen Müll herumwerfen. map

Puerto Cabezas alias Bragmar Bluff [hehe, es gibt keinen Treffer bei Google zu „Bragmar Bluff“!], la Mosquitia (Mosquito Küste), Nicaragua, 29.11.1981.

Hotel Costena, very basic. Drei Mahlzeiten, alle bestehen aus Reis, Bohnen, Fleisch, papas fritas. Zum Frühstück gibt es Würstchen. Über uns ein Bild von Arafat, Sandino und der Jungfrau Maria. Eine merkwürdige Dreieinigkeit. Oder die Absicht, sich mit keiner Weltanschauung anzulegen und es allen recht machen zu wollen. Aber es ist das Jahr zwei der Revolution. Niemand weiß, wie alles enden wird. Revolution à la Sandinismus in Mittelamerika heisst, wie überall, mehr Bürokratie: zwei Stunden Warten im oficina de imigracion. Umständlicher Geldumtausch in Begleitung eines bewaffneten Soldaten.

Der erste Abend an der Atlantikküste seit langem ohne Stress. Das heisst für mich immer: Chinesisch essen gehen, ganz gleich wo. Also auch in Puerto Cabezas. Es gibt einen Chinesen, neun Mark das Menü, also sündhaft teuer. Aber das Etablissement ist es wert: rund vier Dutzend bis an die Zähne bewaffnete Männer und Frauen. Überall lehnen Gewehre an der Wand. Der Che-Guevara-Look ist hier mainstream. Alle schauen uns an wie Marsmenschen. Dos gringos, und die Frau ist auch noch blond.

Chop suey mit Gemüse, da kann nichts schief gehen. Aber die Frage nach palitos (Stäbchen) erregt Aufsehen, als hätten wir den Wunsch geäussert, mit den Füssen essen zu wollen. Die Küchenmann- und frauschaft glotzt komplett herein, ein eifriger alter Chinese wieselt an uns vorbei, gestikuliert unterwürfig mit den Händen, huscht hinaus und kehrt nach fünf Minuten mit zwei Paar Stäbchen zurück und überreicht sie uns mit breitem Grinsen. Alle starren auf unsere Hände, als würden wir uns gleich gegenseitig erstechen wollen. Ein kosmopolitischer Flair weht durch den Raum, und alle Gäste amüsieren sich köstlich.passportDie Stadt – oder sollte man besser „Dorf“ sagen, ist voller Kirchen, die meisten aus Holz. Hier haben die mährischen Brüder missioniert. Die Miskito sind evangelisch, sprechen eben miskito, suma oder englisch. Die Gottesdienst sind auch in miskito und englisch. Und wenn katholische Revolutionäre über die Berge kommen und erklären, jetzt seien sie befreit, wissen sie nicht, was das soll.

Die Stimmung ist „konterrevolutionär“, trotz der gut gemeinten Alfabetisierungs- und anderer Kampagnen der Sandinistas. Am Sonntag stellt sich die träge karibische Lebensart ein, mit einer Spur der Melancholie, wenn es regnet. Die alten Leute versammeln sich zum Glücksspiel auf offener Strasse in dem Wissen, dass das verboten ist.

Die Menschen auf dem schmuddeligen Markt (vgl. Foto) sprechen ausnahmlos englisch und sind sehr freundlich. Ein riesiger Schwarzer warnt uns ständig vor den „Spionen der Kommunisten“. Der Markt ist für Autos und Betrunkene verboten. Man verkauft Schildkröten, auch am Strand . Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht auch verboten ist: die Miskito-Küste ist bis hinauf nach Honduras zwar reich an den Tieren, die stehen aber vor der Ausrottung, wenn sie nicht geschützt werden.

Der Hafen ist traurig: Holzbohlen, ein verrosteter Schienenstrang, ein paar Güterwagen. Ein Schiff, das ähnlich aussieht wie die Schienen. Fotografieren verboten, warum auch immer. Wer will das kontrollieren? Es soll angeblich ein Schiff kommen, das die Küste nach Süden entlang schippert, bis nach Bluefields, unserem nächsten Reiseziel. Das geschieht auch, drei Tage später. Wir reden mit dem capitan. Er weiß nicht genau, wann er ablegen wird. Wir knüpfen die Hängematten auf und schlafen in der Tropennacht auf dem sanft schaukelnden Schiff. Schwere Regenwolken ziehen von Norden heran, als wollten sie uns forttreiben.

Hotel California

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Da sitze ich im „Hotel California“ in La Ceiba an der Atlantikküste von Honduras (1981). Von einer Sekunde zur anderen kann es in der Regenzeit zu schütten beginnen… Das Hotel war basic, aber offenbar gibt es das noch. Unfassbar, das sind ja schon 30 Jahre her…

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