Bauchgefühl

Lehrreicher Artikel im Tagesspiegel: „Menschen nutzen den Kopf nur, um das Bauchgefühl zu bestärken. (…) Wir haben festgestellt, dass die Wähler die Welt auf eine Weise sehen, die ihre Werte und Identitäten stärkt – unabhängig davon, ob sie jemals Fox News oder MSNBC gesehen haben und unabhängig davon, ob sie ein Facebook-Konto haben.“

Medien bestärken die Meinungen, die man eh schon hat. (Schrieb ich hier schon gefühlt 283 Mal – das an diejenigen, die meinten, sich müssten sich in den „sozialen Netzwerken“ herumstreiten.)

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Die Geier am Gesäß der Welt

puerto lempira

Ich hatte schon 2011 über die Küste der Miskito geschrieben und die Pension Santa Teresita erwähnt, in der ich 1982 die Ehre hatte, wenige Nächte zu residieren.

„… Nach einer Woche Schiffsreise erreichen wir den winzigen Hafen von Puerto Lempira (Bild oben) im Nordosten von Honduras. Der Ort liegt sozusagen am Gesäß der Welt (das gilt immer noch). Auf dem Dach unserer Hospedaje versammeln sich die Aasgeier. Eine rostige Tonne schmückt den Vorhof. Wir treiben uns in den wenigen Spelunken des Ortes herum. Endlich gute Musik: Radio Cayman („The Voice of the Cayman Islands“) sendet beschwingte karibische Rhythhmen. Wir knüpfen Kontakt mit einem Chinesen, der mit allem und jedem handelt. Er will in den nächsten Tagen mit seinem Jeep nach Leimus in Nicaragua, was zufälligerweise auch genau unser Ziel ist.“

Man könnte das Foto natürlich auch als eine Allegorie auf den Kapitalismus nehmen.

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Trojaner und ihre Pferde

Fefe zum „Trojaner“-Befall (gemeint ist ein trojanisches Pferd – die Trojaner saßen bzw. standen außerhalb) bei Heise: „… hattet ihr keine Antiviren? Ich meine, seit wie vielen Jahren verkauft ihr jetzt fröhlich Antiviren als die Lösung gegen Malware?“

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Nichts gelernt und nichts vergessen

„Weder ist daher der Antizionismus bloß Import aus den maroden Weiten des Marxismus-Leninismus, noch ließe sich in Deutschland irgend zwischen Antizionismus und einer sog. ‚legitimen Israel-Kritik‘ unterscheiden. Ob vor über dreißig Jahren eine von der DKP importierte KPdSU-Broschüre mit dem Titel „Zionismus: Lüge von A bis Z“ erklärte, „die Gründung eines ‚Judenstaates‘ war den zionistischen Führer… lediglich ein Mittel… zur größtmöglichen Bereicherung um der Macht und des parasitären Wohlergehen… willen“, ob die “Junge Welt” von vorgestern & übermorgen Israel als ein „Staatswesen“ denunziert, „das sich nicht auf die Gesamtheit seiner Bürger, sondern auf das gesamte jüdische Volk, wo immer sich das auch befinden mag, bezieht“, d.h. als Staatsunwesen schlechthin, ob die obskure Gruppe Arbeitermacht („Liga für die Fünfte Internationale“) den Zionismus selbst für „ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung“ hält – jedenfalls harmoniert diese materialismusvergessene Propaganda von links so innig mit der Agitation von rechts, daß man darüber fast zum Parteigänger des Liberalismus und seiner totalitarismustheoretischen Projektionen werden könnte…“ (Joachim Bruhn: „Nichts gelernt und nichts vergessen – Ein Schema zur Geschichte des Antizionismus in Deutschland)

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Kapitalfreunde und niemals Vaterlandsverräter

Bagration

Leseempfehlungen:

– Thomas Konicz in Telepolis über die „Operation Bagration: Vergessener Jahrestag“.

– Ein Interview mit Jutta Difurth in konkret: „Für die kommenden sozialen und ökologischen Grausamkeiten braucht das Kapital eine Regierung mit fortschrittlicher Fassade.“

Ich mag große Führerinnen mit eigener Politsekte nicht. Ditfurth hat sehr oft recht, aber diese Attitude führt nicht weit.

– Kacem El Ghazzali in der Neuen Zürcher Zeitung: „Warum die Linke muslimische Islamkritiker lieber ausgrenzt“.

– Die FAZ schreibt über die korrupte Führung der so genannten Palästinenser: „Zehntausende öffentliche Angestellte erhalten seit Monaten nur noch die Hälfte ihres Lohns. Trotzdem hat Präsident Abbas die Gehälter der Minister im Stillen drastisch erhöht.“

-Ich hatte zum Datenaustauschgesetz und zum Migrationspaket (Warum nicht Einwanderungspäckchen?) keine vorgefasste Meinung. Ich denke nicht in Textbausteinen. Nach der Rede Jan Kortes habe ich eine bzw. seine größtenteils übernommen.

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Seltene Erden!

seltene Erden

Wer die Dynamik des globalen Kapitalismus und die gegenwärtigen Verteilungskämpfe verstehen will, braucht manchmal nur ein Schaubild:

seltene Erden

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Lechts und rinks velwechsern

Berliner Morgenpost: „Polizei observierte lieber Linksradikale statt Anis Amri. Dokumente zeigen, dass die Behörde ab Juni 2016 nicht mehr den späteren Attentäter beobachtete, sondern Aktivisten der ‚Rigaer 94‘.

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Massaker und Propaganda-Sprache

Wer den Propaganda-Begriff Tian’anmen-„Massaker“ benutzt, muss konsequent sein und in Venezuela auch vom Caracazo-Massaker sprechen oder in der Ukraine vom Euromaidan-Massaker. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat es gar kein Massaker gegeben. (N-TV: „Falsche Berichterstattung hält sich jahrelang“. Warum wohl?)

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Unter dem Führerbalkon

Westentorbunker Hamm

Vermutlich wissen weder die Einwanderer in Hamm (Westfalen) noch die Nachgeborenen, was es mit dem riesigen Gebäude in der Nähe des Bahnhofs genau auf sich hat. Ich bilde mich gern auch im Urlaub fort, deswegen fuhr ich da hin.

Meine Mutter hat im Alter von 18 Jahren (1944) ganz oben in Raum 905 gesessen, im so genannten Westentorbunker, viele Male, während Bomben die ganze Stadt in Schutt und Asche legten und Hunderte verbrannten und starben. In Hamm stehen heute noch fünf der neungeschossigen Bunker.

Das Stadtarchiv teilte mir vorher mit, jetzt gehöre der Bunker der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sitz Dortmund, eine Institution, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Der Tonfall, mit der mir diese Auskunft erteilt wurde, legte nahe, dass ich es gar nicht erst versuchen solle, eine Besichtigung zu beantragen, da noch nicht einmal die Stadtarchivare einen Schlüssel hätten.

Das Motto des Stadtarchivs Hamm, das im Souterrain eines hässlichen Zweckbaus residiert, ist: „Für Ihre Recherche stellen wir alles auf den Kopf.“ Das taten sie auch. Als ich eintraf, lagen schon dicke Folianten mit Bauplänen usw. auf dem Tisch. (Man sollte wissen, dass große Teile des Archivs im Krieg zerstört wurde.)

Westentorbunker Hammstadtarchiv Hamm

Über den Bombenkrieg in Hamm und die Bunker gibt es nur zwei Bücher, die ich mir beide besorgt habe. Karl Wulf: Hamm im Bombenkrieg (2018) sowie ders.: Hamm – Planen und Bauen 1936-1945.

Meine Mutter hat 1943 und 1944 bei Schönherr & Alves (Herren-, Knaben- u. Berufskleidung, wurde ausgebombt) in der Weststraße gearbeitet und musste von dort bei Luftalarmen in den Westentorbunker rennen. Mehrfach gab es Massenpanik, weil hunderte Menschen gleichzeitig in den Bunker flüchten wollten.

Die Hammer Archivare hatten sogar einen alten Stadtplan für mich, auf dem die exakte Lage des Geschäfts zu erkennen war. Es gibt nur ein Foto, das die Weststrasse – mit der Pauluskirche im Hintergrund – kurz nach dem Bombenangriff vom 22. April 1944 zeigt, den meine Mutter miterlebt hat. Auf dem untere Foto ist die Straße heute zu sehen, die Perspektive stimmt nicht ganz. Wo Rossmann ist, war damals Schönherr & Alves.

Weststrasse Hamm

Vor 1940 gab es fast keine Bunker in Deutschland. „Öffentlich geäußerte Vorschläge zu einem umfangreichen und sicheren Luftschutzbau galten bis zu diesem Zeitpunkt als ‚zersetzend‘ und konnten sogar zur Verhaftung durch die Gestapo führen und mit der Einlieferung in ein KZ enden.“ (Wulf: Hamm – Planen und Bauen, S. 93) Hitler ordnete nach dem ersten alliierten Angriff auf Berlin im August ein „Sofortprogramm“ für das Luftschutzbauwesen an. Die Anlagen sollten die gesamte Bevölkerung schützen. Hamm war der größte Eisenbahnknotenpunkt Europas; nur dort wurde der Bunkerbau wie geplant vollzogen. Wenn man die Dokumente studiert, wird man fassungslos: Wie selbstverständlich gehen die Verfasser in ihrem Wahn davon aus, dass „nach dem Krieg“ weitergebaut würde.

Luftschutzmaßnahmen
„Betrifft: Anordnungen des Führers zur sofortigen Durchführung baulichen Luftschutzmaßnahemn“, 13. Oktober 1940″, aus: ebd. (Ausriss)

Der Bunker am Bahnhof von Hamm hat oben eine Art Balkon. Wulf schreibt dazu:
Bunker mit Stilelementen der offiziellen Baukunst. Sie sind durch Gesimse, Konsolenfries, Attikabänder und betonte Eingänge künstlerisch aufgewertet. Einige von ihnen zeigen auch das neben dem Hoheitszeichen wichtigste Zeichen der Herrschaftspolitik: den Führerbalkon, der aber nicht zugänglich ist und lediglich symbolisch die Anwesenheit des Führers dokumentiert.

Luftschutzmaßnahmen

Ich habe das Buch über Hamm im Bombenkrieg mit Spannung gelesen – ein Horrorfilm ist nichts dagegen. Um so ungeheuerlicher ist die Unbelehrbarkeit, mit der sich die Nationalsozialisten und auch die „normale“ Bevölkerung an die Illusion klammerten, Hitlers verbrecherische Krieg würde zum Sieg führen.

Von der schönen Stadt Hamm ist nichts mehr übrig geblieben. Das Foto unten zeigt die Innenstadt bei Kriegsende – der Westentorbunker steht im linken oberen Viertel. Für mich ist es kaum vorstellbar, dass meine Mutter da durchlaufen musste, oft sogar zu Fuß zehn Kilometer bis Bönen, wo meine Großeltern wohnten, weil die Züge nicht mehr fuhren, einmal sogar unter Tieffliegerbeschuss, zusammen mit einer Arbeitskollegin, wie sie erzählte. Dass ich existiere, ist eigentlich ein glücklicher Zufall.

Hamm 1945

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Hammern, Bohren und Sicheln

werkstatt

Da ich gerade eine Homestory nach der anderen liefere – falls die „Linke“ oder die SPD repariert werden will: Werkzeug habe ich.

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Autosurveillance

Autosurveillance

Kamera (Link geht zu Amazon, auf Empfehlung eines Freundes): Littlelf WLAN IP Kamera (Nachtsicht, Fernalarm, Bewegungserkennung). App: littlelf. Bei mir funktioniert alles ausser WLAN. Ich habe einfach ein LAN-Kabel genommen.

Made by Shenzhen Skyline Security Co.,LTD. 由深圳天际安防制作. Die Chinesen kennen sich halt mit Überwachung aus.

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Religion ist Terror

Jörg Kantel aka Schockwellenreiter auf Facebook (soll hier dokumentiert werden, bevor er vielleicht wegen „Hassrede“ gesperrt wird):
Ich besitze ja schon von Haus aus wenig Toleranz gegenüber Religioten. Aber sie wird zu Hass, wenn man von einem Balkon aus der Nachbarschaft stundenlang aus voll aufgedrehten Lautsprechern mit religiösem Geplärre zu Ehren Mohammeds terrorisiert wird. Religion IST Terror.

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Savant-Syndrom oder: All systems go

riemann

„Der Große Kunstgriff, kleine Abweichungen von der Wahrheit für die Wahrheit selbst zu halten, worauf die ganze Differential-Rechnung aufgebaut ist, ist auch zugleich der Grund unserer wizzigen Gedancken, wo offt das Ganze hinfallen würde, wenn wir die Abweichungen in einer philosophischen Strenge nehmen würde.“ (Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher, verfasst 1764–1799)

Jetzt muss ich also die Wünsche des Publikums abarbeiten?! Da habe ich mir etwas eingebrockt. Ich kann aber zunächst zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Themen Riemann sowie Donald Byrne gegen Bobby Fischer haben beide etwas mit der so genannten Inselbegabung aka Savant-Syndrom zu tun. Riemann war ein Mathematik-Genie, und Robert Jamnes „Bobby“ Fischer ein Schach-Genie, den Stefan Zweig in seiner Schachnovelle vielleicht zum Vorbild genommen hätte, wäre er damals schon am Leben gewesen. (Fischers Sieg gegen Byrne ist IMHO eines der interessantesten und schönsten Schachspiele aller Zeiten.)

Zweigs grandiose und immer noch lesenswerte Novelle ist politisch: Die Nazis hielten den literarischen Helden in Isolationshaft, und das Schachspiel diente ihm dazu, dem Wahnsinn zu entkommen. Fischer war außerhalb des Schachbretts ein Antisemit, Frauenverächter, paranoid (er wurde aber vom FBI beobachtet) und ziemlich bekloppt exzentrisch.

These: Auch Schach, das so streng logisch ist wie Mathematik, kann man politisch diskutieren. (Ich bin, wie man weiß, begeisterter Schachspieler, spiele mit Weiß im Blitz fast immer Königsgambit, habe aber Mathematik in der Schule immer gehasst.)

Und nun zu uns, Riemann. Ich verstehe überhaupt nichts auf Anhieb. Lasst mich also in Frieden mit der Zahlentheorie et al. Von der Riemannschen Geometrie hatte ich eine blasse Ahnung. Ich kann jedoch nichts volkstümlich erklären, und wenn ich es versuchte, wäre das Ergebnis vermutlich Unsinn.

Ich stöberte deshalb in meiner Bibliothek und fand drei Büchlein zum Thema (alle Buchlinks führen zu Amazon). Karl Marx: Mathematische Manuskripte (mit einer (!) albernen Rezension bei Amazon) – Textexzerpte, die Marx benötigte, um die politische Ökonomie auszuarbeiten. Der Herausgeber schreibt im Vorwort (1974): „Wir sind der Meinung, daß eine fruchtbare Verbindung von mathematischen Methoden und kritischer Gesellschaftsanalyse möglich ist, in der weder die letztere hinter dem mathematischen Formalismus verschwindet, noch in bornierter Abwehrhaltung verbleibt“. Nichts über Riemann in diesem Buch, was nicht verwundert.

Interessanter klingt schon Herbert Meschkowski: Mathematik als Grundlage: Ein Plädoyer für ein rationales Bildungskonzept mit der Überschrift des ersten Kapitels: „Erziehung zur Objektivität“ sowie Kapitel VI.1: „Die Grenzen wissenschaftlicher Verfahren – Unmöglichkeitsaussagen in der modernen Mathematik“. Schon einer der ersten Sätze ließ mich schmunzeln: „In einem Kreis von Schulmathematikern vertrat ich die Ansicht, daß jeder Schüler eine gewisse Zeit lang in der Überzeugung leben müsse: „‚Es gibt keine Zahl, deren Quadrat gleich 2 ist.'“ Auch der letzte Satz des Buches, ein Zitat des Physikers Max Born, ist bemerkenswert: „Ist doch der Glaube an eine einzige Wahrheit und die Überzeugung, deren einziges Besitzer zu sein, die tiefst Wurzel allen Übels in der Welt.“ Ich habe auch hier nichts über Riemann gefunden.

Dritter Versuch. Oskar Becker: Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung – Seiten 185-193 über Riemann und seine „Weiterentwicklung der nichteuklidischen Geometrie“ inklusive des Originaltextes seines Habilitationsvortrags: Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen. Versteht man den? Tl;dr. Har har.

Erkenntnistheoretische Frage: Warum hat Euklid die Sache nicht so gesehen wie Riemann? Kann es einen Riemann nur im entwickelten Kapitalismus geben, nicht aber etwa in der Renaissance? Und wenn ja oder nein, warum oder auch nicht?

Da kommt jetzt einer meiner Lehrer an der Uni ins Spiel – Wolfgang Lefèvre: Naturtheorie und Produktionsweise, der sich mit den materiellen Voraussetzungen neuzeitlicher Wissenschaft beschäftigt, allerdings mehr oder weniger mit Leibniz aufhört.

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

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Mercado

mercado

Straßenmarkt in La Paz, Bolivien (1984)

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Was ihr wollt

burks
Alter Mann vor altem Kran

By the way: Ich müsste mal wieder etwas Politisches posten, sonst springen die anspruchsvollen Leserinnen und kritischen Leser ab. Welche Themen? Tendenzieller Fall der Profitrate etwa? Je ein Kapitalist schlägt viele tot? Die Hijabisierung der „Linken“ und des öffentlichen Raums? Gödel? Riemann? Polygone? Donald Byrne gegen Bobby Fischer? Das Fermatsche Theorem? Der Fetischcharakter der Ware, revisited? Oder interessiert Euch mehr der Quedlinburger Domschatz und wie der Feudalismus zu definieren sei?

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Read on my dear, read on oder: Der Weltgeist schwebte über den Wassern

burkshavelburks

Ich las gerade im „Spiegel“ ein Zitat, das ich den literarisch und wissenschaftlich interessierten Leserinnen und den gebildeten Lesern nicht vorenthalten will, da es exakt dem entspricht, was ich von den meisten Leuten denke: „Ein elfseitiges PDF-Dokument – ernsthaft?! Das liest sich doch kein junger Mensch durch“. Sagt ein Moritz Bayerl, 18, Gymnasiast aus Köln, Wähler der „Grünen“ und jemand, der auch „Landesschüler*nnenvertretung“ stammelt, obwohl ich anzweifele, das die Interviewer, die ihn haben zu Wort kommen lassen, das Sternchen gehört haben.

Schon Klar. Die gesamte Weltliteratur – außer Thomas Gsella – ist bekanntlich kürzer als elf Seiten. Muss man nicht kennen, wenn man Grün wählt. Dem würde ich gern – womöglich zum Abitur – 50 Seiten aufdonnern, etwa Lohn, Preis und Profit und ihn anschließen examinieren, da, wenn wir schon in Stenografie schreiben und denken wollen, dieses Marxsche Traktat die Lektüre der drei Bände des „Kapitals“ ersetzen könnte, wenn man es denn verstünde.

Auch interessant: Marie Sophie Hingst war Bloggerin des Jahres 2017. Und niemand hat etwas gemerkt. Vielleicht sollte ich mir – der medialen Aufmerksamkeit wegen – auch eine etwas interessantere Lebensgeschichte ausdenken. Ich habe – hört genau zu! – eine Slumklinik (das „Slum“ ist wichtig!) in Cochabamba gegründet und dort eine Sexualberatung für junge indianische Frauen angeboten. Würde aber nicht funktionieren; ich bin keine junge Frau, der man automatisch alles glaubt, wenn sie nur treudoof guckt.

Auch interessant: Andrea Nahles ruft zum geordneten Untergang Übergang der SPD auf.

Auch interessant dazu ist die Kolumne Thomas Frickes: „Dramatisch auseinandergedriftet sind die verfügbaren Einkommen der Leute im Land vor allem: zwischen 1999 und 2005 – also exakt in jenen sechs Jahren, in denen die SPD erstmals seit Ewigkeiten den Kanzler stellte, zwischen dem Wahlsieg von Rot-Grün Ende 1998 und der Abwahl von Gerhard Schröder im Herbst 2005. (…) Zum Auseinanderdriften dürfte ebenso beigetragen haben, dass durch die Tarifflucht von Betrieben seit Mitte der Neunzigerjahre immer mehr Beschäftigte nicht mehr nach Tarif bezahlt wurden; oder dass es keine Steuer mehr auf Vermögen gab, was kurz vor Rot-Grün kam.

Was soll man dazu noch sagen? Ich weiß was: Die Umverteilung von unten nach oben ist die zentrale Aufgabe des Staates – eines Ausschusses der herrschenden Klasse – im Kapitalismus, und es ist egal, welche Partei regiert – schwarz, rot oder grün.

Ach so: der Titel. Die Anspielung des zweiten Teils kannte wer?

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If great Scientists had logos

logos

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Messing et al

messing

Da hat doch ein Dödel in meinem Hof eine kleine Kiste auf den Müll werfen wollen, was ihm durch mein beherztes Eingreifen nicht gelang, dergestalt, dass ich alles an mich nahm, da ich schon mit einem flüchtigen Blick sah, dass besagter Dödel eine Menge Klinken und Türbeschläge aus Messing plante zu entsorgen – eine Tat, die, obzwar sie letztlich nicht verwirklicht wurde und im Status des Planens steckenblieb, für geistige Insuffizienz spricht, sind doch derartige Dinge nur sehr schwer zu bekommen: Messing ist nicht nur wertvoll, sondern auch innerhalb des eigenen Besitz- oder Miettums ästhetisch ansprechend, wenn man die Altbau-Türen damit ausstattet, die, was man leicht erkennt, früher mit diesen Messingbeschlägen und -klinken versehen waren, was aber wegen des Kriegs und/oder wegen diverser Renovierungsversuche diverser Mieter nicht mehr der Fall ist. Meine Klinken und Beschläge waren ziemlich demoliert; ich habe einige schon mit den gefundenen Exemplaren ersetzt, nicht ohne sie vorher mit einem Gemisch aus jeweils drei Teilen, Mehl, Essig und Wasser gereinigt zu haben.

Der Beginn des Monats scheint unpolitisch zu sein, aber ich werde das alsbald ändern, wenn ich mich abgeregt habe über den Kapitalismus auf dem Wohnungssektor und die bekloppten islamophilen Link*innen.

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