Unter Pegidasten und Ausländerfreunden

ausländer

Foto: Michael Schilling | Wikipedia

Nein, Jakob Augstein, wer so argumentiert, liegt daneben: „Ausländerfeinde und Anti-Islamisten wagen sich aus der Deckung. Das ist ein Zeichen der deutschen Krise.“

Ganz falsch. Nazis haben nichts gegen „Ausländer“. Aber wer so schwurbelt wie Lichterkettenträger, ist auch beratungsresistent. Ich darf mich selbst zitieren – seit 15 Jahren hat sich nichts geändert bei den gutmeinenden Textbaustein- und Sprechblasenfacharbeitern.

Ihr habt nichts begriffen, nichts, (…). Überhaupt nichts. Und der Mainstream-Diskurs ist so in Beton gegossen, dass Argumente nichts nutzen. Hier dazu eine Passage aus meinem Buch „Nazis sind Pop“ (erschienen 2000):

Das eigentümlich Verschrobene des so genannten Volks der Dichter und Denker manifestiert sich in begrifflichen Sonderwegen, die Dolmetschern regelmässig den Schweiss auf die Stirn treiben: In Deutschland soll es einen merkwürdigen Zustand der Gefühle geben, eine Feindseligkeit, die sich gegen Menschen richtet, die einen anderen Pass besitzen als die Mehrheit. Da eine Emotion unstrittig nicht in der Lage ist, komplizierte Fragen des Staatsbürgerschaftsrechts zu beurteilen, lässt einen US-Amerikaner das holperige Wort „Ausländerfeindlichkeit“, um das es hier unter anderem gehen soll, ratlos zurück. Grammatikalisch janusköpfig – wer ist „feindlich“? Die Ausländer? Ein Synonym – die Feindschaft – lässt sich nicht benutzen – könnte es auch „Ausländerfeindschaft“ heissen?

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ kann in keine Sprache der Welt übersetzt werden. Wer vorschnell hofft, bei „Xenophobie“ fündig zu werden, irrt: Die „Fremdenfeindlichkeit“ bedeutet etwas ganz anderes. Der „Fremde“ ist immer ein fiktives Konstrukt, dem eine Definition im kollektiven Diskurs voraufgegangen sein muss. Auch „Inländer“ können zu Fremden gemacht werden. Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen – „Ausländer“ im Sinn des Wortes, etwa Isländer, Norweger, Dänen, werden in Deutschland weder angepöbelt noch zusammengeschlagen. Das geschieht aber Afrodeutschen, die noch nie einen anderen Pass besessen haben als den deutschen, jedoch eine andere, etwas dunklere Hautfarbe besitzen als der durchschnittliche Deutsche.(…)

Was will uns der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ sagen? Er muss emotional stark besetzt sein, denn selbst der zarteste Hinweis, dass mit diesem „Unwort“ die Welt nicht auf den Begriff käme, löst, vor allem bei Medienschaffenden und vor gutmeinenden Berufsjugendlichen, die sich bei ritualisierten Meetings gegen „Ausländerfeindlichkeit“ versammeln, wütende und trotzige Reflexe aus, als nähme man einem Kind das liebste Spielzeug oder einem Hundebesitzer den Kampfhund weg.

Die Liebe zur „Ausländerfeindlichkeit“ steht nicht allein, sondern korreliert mit der Abscheu vor Worten, die im Ausland für das Phänomen kursieren, etwa „Rassismus“. Wer in Deutschland öffentlich bekundet, es gebe Rassismus, outet sich als Angehöriger eines marginalisierten und akademischen Diskurses, der nur in Publikationen zu finden ist, die ständig in „Gefahr“ schweben, im nächsten Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch“ aufzutauchen.

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Die lehrt vor allem eines: Deutschland verdrängt, dass es Rassismus gibt. Der Konsens der Nachkriegsgesellschaft war, nicht an diesem Tabu zu rütteln. Man gab sich „gastfreundlich“ zu „Gastarbeitern“, man hatte es per definitionem zu sein, auch wenn die Realität anders aussah. Das Ergebnis dieser kollektiven Amnesie: „In der Folgezeit stand nicht einmal das wissenschaftliche Vokabular zur Beschreibung und Einordnung rassistischer Praktiken und Kategorien zu Verfügung.“

Würde eine US-amerikanische Zeitung von „Ausländerfeindlichkeit“ reden, falls eine Bande von Ku-Klux-Klan-Anhängern einen Afroamerikaner überfiele und krankenhausreif schlüge, verstünde niemand, was damit gemeint wäre. „Fremd“ heisst im amerikanischen Englisch „alien“, aber es käme niemand auf die Idee, dieses Wort im Zusammenhang mit rassistischen Motiven zu benutzen. So etwas ist nur in Deutschland möglich. Afroamerikaner sind keine „Fremden“ in den USA und natürlich auch nicht per se in Europa.

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ ist ein zentraler Topos des rassistischen Diskurses. Er hat sich so verfestigt, dass selbst nach stundenlangen Diskussionsrunden gutmeinender und sich liberal und aufgeschlossen gebenden Menschen über das Thema und vorgeblicher Erkenntnis, das Rassismus nichts mit einer Staatsangehörigkeit zu tun hat, das Wort reflexartig und automatisch wieder in das Gespräch einfliesst. „Ausländerfeindlichkeit“ suggeriert einen Tatbestand, der so nicht existiert – als richteten sich Hass und Gewalt gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, die durch das Fehlen eines deutschen Passes gekennzeichnet ist. Das ist selbstredend Unfug. Dieser Begriff hat dazu geführt, dass jeder Dunkelhäutige mit grosser Wahrscheinlichkeit, wird er in Deutschland öffentlich wahrgenommen, zum „Ausländer“ abgestempelt wird, zu dem man sich gut oder böse verhalten kann.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Unter Pegidasten und Ausländerfreunden”

  1. flatter am Dezember 19th, 2014 12:13 pm

    Jemand, der „Türken und Arabern“ eine „angeborene Minderintelligenz“ bescheinigt und von vermehrt vorkommendem „angeborenen Schwachsinn“ wegen gewisser Verwandtschaftsverhältnisse (wissensschon) schreibt und spricht, ist hier kein Rassist. Das bescheinigt ihm gar eine Kommission seiner „linken Volkspartei“. Daraus kannst du in der Tat schließen, dass Rassismus ein Konstrukt ist, das in dieser Gesellschaft keinen Platz hat.

  2. Sprachliche betrachtung des tages | Schwerdtfegr (beta) am Dezember 19th, 2014 5:57 pm

    […] Das wort “ausländerfeindlichkeit“ […]

  3. Linuxprofi am Dezember 20th, 2014 10:16 am

    Linke Volkspartei? Welche? Die mit den Eselsmuetzen…?
    Koennte ja auch nach diesem Beispiel:
    http://tinyurl.com/qeemhkl
    Ich meine, es wuerde sich zum besseren wenden wenn man die auch… eventuell… mit dazupacken wuerde.

  4. finkeldey am Dezember 20th, 2014 11:18 am

    hab ich sogar noch n paar Jahre früher gesagt als Du ;-) Wenn auch nur privat im TB: „Ausländerfeindlicghkeit…falsch! Nicht der blonde, blauäugige Sven Soerensen aus Dänemark wird angegriffen und angespuckt, sondern die deutsche 800-Meter-Meisterin Linda Kisabaka“

    Btw: Wie löst Du meine juristische Rätselfrage: http://kritikundkunst.wordpress.com/2014/12/20/prufungsfragen-jura-erstes-staatsexamen/

  5. finkeldey am Dezember 20th, 2014 11:44 am

    @flater und die, die damals das CDU-Papierchen gegen den Doppelpaß unterschrieben haben („Wo kann ich hier gegen die Ausländer unterschreiben?“) sind auch keine Rassistin. Denn wie die damalige CDU-Generalsekretärin (weiland Physikerin Humboldt-Uni) erklärte: Man habe die Unterschreibenden gefragt und alle hätten klar erklärt, keine Rassisten zu sein… Na denn…

    Bei soviel Argumentationskunst würde ich ihre Marxismus-leninismus-Arbeit wirklich gerne mal lesen.

  6. Stefan Wagner am Dezember 22nd, 2014 4:24 pm

    Der Begriff Rasse trifft es aber auch nicht, und Fremdenfeindlichkeit ist auch nicht selbsterklärend.

  7. ... der Trittbrettschreiber am Dezember 26th, 2014 6:52 pm

    Dem `Markt´ ist die Hautfarbe „schweiß egal“.

    Außer:http://www.blueman.com/about-blue-man-group

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