Nazis haben nichts gegen „Ausländer“

Beim ehemaligen Nachrichtenmagazin lesen wir über den Film „Ihr Kampf“: „Marisa, 20, schlägt hemmungslos zu, wenn sie mit ihren Freunden Jagd auf Ausländer macht.“

Ihr habt nichts begriffen, nichts, Spiegel-Redakteure. Überhaupt nichts. Und der Mainstream-Diskurs ist so in Beton gegossen, dass Argumente nichts nutzen. Hier dazu eine Passage aus meinem Buch „Nazis sind Pop“ (erschienen 2000):

Das eigentümlich Verschrobene des so genannten Volks der Dichter und Denker manifestiert sich in begrifflichen Sonderwegen, die Dolmetschern regelmässig den Schweiss auf die Stirn treiben: In Deutschland soll es einen merkwürdigen Zustand der Gefühle geben, eine Feindseligkeit, die sich gegen Menschen richtet, die einen anderen Pass besitzen als die Mehrheit. Da eine Emotion unstrittig nicht in der Lage ist, komplizierte Fragen des Staatsbürgerschaftsrechts zu beurteilen, lässt einen US-Amerikaner das holperige Wort „Ausländerfeindlichkeit“, um das es hier unter anderem gehen soll, ratlos zurück. Grammatikalisch janusköpfig – wer ist „feindlich“? Die Ausländer? Ein Synonym – die Feindschaft – lässt sich nicht benutzen – könnte es auch „Ausländerfeindschaft“ heissen?

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ kann in keine Sprache der Welt übersetzt werden. Wer vorschnell hofft, bei „Xenophobie“ fündig zu werden, irrt: Die „Fremdenfeindlichkeit“ bedeutet etwas ganz anderes. Der „Fremde“ ist immer ein fiktives Konstrukt, dem eine Definition im kollektiven Diskurs voraufgegangen sein muss. Auch „Inländer“ können zu Fremden gemacht werden. Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen – „Ausländer“ im Sinn des Wortes, etwa Isländer, Norweger, Dänen, werden in Deutschland weder angepöbelt noch zusammengeschlagen. Das geschieht aber Afrodeutschen, die noch nie einen anderen Pass besessen haben als den deutschen, jedoch eine andere, etwas dunklere Hautfarbe besitzen als der durchschnittliche Deutsche.(…)

Was will uns der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ sagen? Er muss emotional stark besetzt sein, denn selbst der zarteste Hinweis, dass mit diesem „Unwort“ die Welt nicht auf den Begriff käme, löst, vor allem bei Medienschaffenden und vor gutmeinenden Berufsjugendlichen, die sich bei ritualisierten Meetings gegen „Ausländerfeindlichkeit“ versammeln, wütende und trotzige Reflexe aus, als nähme man einem Kind das liebste Spielzeug oder einem Hundebesitzer den Kampfhund weg.

Die Liebe zur „Ausländerfeindlichkeit“ steht nicht allein, sondern korreliert mit der Abscheu vor Worten, die im Ausland für das Phänomen kursieren, etwa „Rassismus“. Wer in Deutschland öffentlich bekundet, es gebe Rassismus, outet sich als Angehöriger eines marginalisierten und akademischen Diskurses, der nur in Publikationen zu finden ist, die ständig in „Gefahr“ schweben, im nächsten Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch“ aufzutauchen.

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Die lehrt vor allem eines: Deutschland verdrängt, dass es Rassismus gibt. Der Konsens der Nachkriegsgesellschaft war, nicht an diesem Tabu zu rütteln. Man gab sich „gastfreundlich“ zu „Gastarbeitern“, man hatte es per definitionem zu sein, auch wenn die Realität anders aussah. Das Ergebnis dieser kollektiven Amnesie: „In der Folgezeit stand nicht einmal das wissenschaftliche Vokabular zur Beschreibung und Einordnung rassistischer Praktiken und Kategorien zu Verfügung.“

Würde eine US-amerikanische Zeitung von „Ausländerfeindlichkeit“ reden, falls eine Bande von Ku-Klux-Klan-Anhängern einen Afroamerikaner überfiele und krankenhausreif schlüge, verstünde niemand, was damit gemeint wäre. „Fremd“ heisst im amerikanischen Englisch „alien“, aber es käme niemand auf die Idee, dieses Wort im Zusammenhang mit rassistischen Motiven zu benutzen. So etwas ist nur in Deutschland möglich. Afroamerikaner sind keine „Fremden“ in den USA und natürlich auch nicht per se in Europa.

Der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ ist ein zentraler Topos des rassistischen Diskurses. Er hat sich so verfestigt, dass selbst nach stundenlangen Diskussionsrunden gutmeinender und sich liberal und aufgeschlossen gebenden Menschen über das Thema und vorgeblicher Erkenntnis, das Rassismus nichts mit einer Staatsangehörigkeit zu tun hat, das Wort reflexartig und automatisch wieder in das Gespräch einfliesst. „Ausländerfeindlichkeit“ suggeriert einen Tatbestand, der so nicht existiert – als richteten sich Hass und Gewalt gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, die durch das Fehlen eines deutschen Passes gekennzeichnet ist. Das ist selbstredend Unfug. Dieser Begriff hat dazu geführt, dass jeder Dunkelhäutige mit grosser Wahrscheinlichkeit, wird er in Deutschland öffentlich wahrgenommen, zum „Ausländer“ abgestempelt wird, zu dem man sich gut oder böse verhalten kann.

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Kommentare

11 Kommentare zu “Nazis haben nichts gegen „Ausländer“”

  1. NetReaper am Januar 18th, 2012 9:37 pm

    Rassismus – das ist wenn selbstständige Gastronome mit Migrationshintergrund ermordet werden, und die Polizei rassistische Motive für die Taten nicht einmal in Erwägung zieht.

    Wenn Rassismus nicht verwurzelt wäre, dann würden einige der Opfer der so genannten „Dönermorde“ noch immer leben.

  2. Jan-Malte am Januar 18th, 2012 9:48 pm

    Da ist jetzt gerade was schief gegangen.
    Die Klammern vertragen sich scheinbar nicht
    mit der Forensoftware.
    Das wollte ich ursprünglich mitteilen:

    Sind die Tippfehler im Buch auch vorhanden?

    „So etwas in nur in Deutschland möglich.“

    „kollektiven Diskurs voraufgegangen sein muss.“

    Inhaltlich wars natürlich interessant.
    Habe noch nie über das Wort „Ausländerfeindlichkeit“
    nachgedacht.

  3. admin am Januar 18th, 2012 10:26 pm

    Interessant – die Fehler sind im Buch. Das liegt offenbar daran, dass ich das Original-Mnuskript genommen habe für das pdf, eine lektorierte Fassung habe ich vom Verlag nie zurückbekommen.

  4. altautonomer am Januar 19th, 2012 10:30 am

    Du beschreibst in Deinem Text nur den ersten Teil der Begriffskombination. „….feindlichkeit“ lenkt genauso vom Rassismus ab, weil sie suggeriert, es bedürfe eigentlich nur der Freundlichkeit, um nicht rassistisch zu sein. Dabei geht es um Rechte, um Gleichbehandlung und der Abschaffung von Vorurteilen und Stigmatisierungen.

  5. Maxim am Januar 19th, 2012 5:28 pm

    Hab die Stelle schon mehrmals gelesen, und die Fehler sind mir nicht aufgefallen. Habs jetzt nochmal nachgeschaut, ist zumindest in der 2. Auflage richtig gestellt.

  6. admin am Januar 19th, 2012 7:27 pm

    Ich habe die Fehler korrigiert. Deshalb fallen sie nicht mehr auf :-)

  7. Alien am Januar 19th, 2012 8:39 pm

    So ein Schwachsinn.Es weiss wohl jeder warum das in den USA anders ist.

    ps:In allen Einwaderungsländer ist das Urprüngliche Volk fast nicht mehr vorhanden.Wenn Deutschland auch eins ist…

  8. Serdar am Januar 20th, 2012 7:44 pm

    @Alien

    Das ursprüngliche Volk? Das hat es in Amiland nie gegeben.

    @Burks

    Wie wäre eine aktualisierte Neuauflage deines Buches :))
    Es muss ja nichts neues drin stehen, hauptsache Du regst Dich auf und polemisierst. Schon dafür würde es sich lohnen :)

  9. Serdar am Januar 20th, 2012 7:44 pm

    @Alien

    Ah jetzt weiß ich es, Sie meinen die Indianer. Ja da haben sie wohl recht.

  10. Radikaler Hallscher Konstuktivismus : Burks' Blog am Dezember 2nd, 2014 7:40 pm

    […] auch diese sind in Deutschland, wo der Volksmund und die Mainstream-Medien stattdessen über “Ausländerfeindlichkeit” reden, weitgehend […]

  11. Unter Pegidasten und Ausländerfreunden : Burks' Blog am Dezember 19th, 2014 11:30 am

    […] Aber wer so argumentiert wie Lichterkettenträger, ist auch beratungsresistent. Ich darf mich selbst aus dem Jahr 2000 zitieren – seit 15 Jahren hat sich nichts geändert bei den gutmeinenden Textbaustein- und […]

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