Anordnung und Durchführung und schleichender Irrsinn

Psychisch Kranke dürfen in geschlossenen Einrichtungen wieder gegen ihren Willen mit Psychopharmaka behandelt werden. Die Sprache auf der Website des Bundestags ist verräterisch: „Die Anordnung und Durchführung ärztlicher Zwangsmaßnahmen“.

Der Bundesgerichthof hatte Zwangsbehandlungen verboten (XII ZB 99/12), weil es (bis 2012) dafür keine gesetzliche Grundlage gab. Das ist offenbar niemandem aufgefallen.

Wieso sind die Pappnasen, die sich „Online-Redakteure nennen, nicht in der Lage, das Urteil irgendwo zu verlinken? War zu zu viel Arbeit? Konnten die den Link nicht finden? Es nervt, wenn man das selbst nachholen muss.

Die Taz wies im letzten Jahr darauf hin: „Bisher konnten Medikamente auch gegen den Wille des Patienten verordnet werden. Lediglich der Betreuer musste einverstanden sein. Es gibt leider zahlreiche Berichte darüber, wie diese Allmacht missbraucht wurde. Denn einige Ärzte und Betreuer handeln nicht immer im Sinne des Patienten. Und sei es nur, dass ein unruhiger Patient ’stillgelegt‘ werden soll, weil es an Pflegekräften fehlt.“ (Es gibt auch eine andere Meinung.)

Die Grünen mahnten etwas an, aber enthielten sich bei der Abstimmung. Keine Meinung ist auch eine Meinung. Nur die Linken stimmten dagegen.

Zur Geschichte der Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie ist dieser Spiegel-Artikel (1983) interessant: „Schleichender Irrsinn“.

Übrigens, liebe medienkompetente Leserinnen und kritischen Leser! Falls ihr über Menschenrechtsverletzungen und Psychiatrie forscht, fallt nicht auf die Citizens Commission on Human Rights (CCHR) oder die KVPM rein. Das sind Tarnorganisationen der [bitte selbst herausfinden].

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Kommentare

20 Kommentare zu “Anordnung und Durchführung und schleichender Irrsinn”

  1. andreas am Januar 18th, 2013 12:05 pm

    Geht doch nix über ausgefuxte Tarnungen.
    Erschrocken stelle ich, wenn ich das Datum im zweiten Absatz lese, allerdings fest wohl heftig verschlafen zu haben.

  2. admin am Januar 18th, 2013 12:36 pm

    Ist korrigiert.

  3. hue am Januar 18th, 2013 12:50 pm

    Die Denksportaufgabe ist ja fast langweilig.
    –> Scientology

    Schon die kitschige Website der KVPM lässt das vermuten. Aber mit Google:
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/scientology-inkognito/824788.html

  4. Jan-Malte am Januar 18th, 2013 2:14 pm

    Scientology?

  5. phese am Januar 18th, 2013 5:38 pm

    „Zersetzung“ klingt irgendwie besser.

  6. Herr Lehmann am Januar 18th, 2013 6:59 pm

    Habe die Meldung heute morgen im SWR gehört, beängstigend das ganze.
    Wer auffällt wird demnächst ruhig gestellt, vielleicht auch eine Vorbereitung auf kommende Massenunruhen…

  7. elvis am Januar 19th, 2013 10:22 am

    Sorry Burks, aber es geht um den Notfall. „Im Notfall dürfen … “ heisst es.

    Du sugerierst Deinen Lesern wie Herrn Lehmann, phese, Jan-Malte, hue und Andreas aber das es der Regelfall ist. Das ist nicht richtig und Du weisst das. Trotzdem schreibst Du es nicht. Warum?

    Stattdessen regst Du Dich auf

    Wieso sind die Pappnasen, die sich “Online-Redakteure nennen, nicht in der Lage, das Urteil irgendwo zu verlinken? War zu zu viel Arbeit? Konnten die den Link nicht finden? Es nervt, wenn man das selbst nachholen muss.

    bist aber selber nicht in der Lage richtig zu verlinken.

  8. ... der Trittbrettschreiber am Januar 19th, 2013 11:24 am

    Ach wie gut dass niemand weiß…

    Derartige Gesetze (oder Vorhaben) haben reine Alibifunktion in unserer demokratischen Maschinerie.
    Die meisten von uns Erdbewohnern in der materiellen „Wohlstands-Hemisphäre“ mit dem Nebeneffekt der geistigen Demenz brauchen keine von der Profit orientierten Pharma-Industrie erzeugten und von der „neuerdings“ der Korruption bezichtigen weißen Zunft injizierten Zwangsmaßnahmen. Unter permanent von selbst generierten Existenzängsten leidend, schmeißt sich
    diese modern(d)e Gemeinschaft überalternder Zeitgenossen und -genössinnen in vorauseilendem Gehorsam die Ritalin-Köstlichkeiten täglich selbst ein. Gesetze hinken der Realität eben immer hinterher. There’s raw business but law business.

  9. Carsten Thumulla am Januar 19th, 2013 3:39 pm

    „Wieso sind die Pappnasen, die sich “Online-Redakteure nennen, nicht in der Lage, das Urteil irgendwo zu verlinken? War zu zu viel Arbeit? Konnten die den Link nicht finden? Es nervt, wenn man das selbst nachholen muss.“
    Hier hast Du mal ein Thema:
    http://konservative.de/thv_syPf_2.pdf

    Aber die Juristen sind noch schlimmer.

    Carsten

    „Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen“
    Johann Christoph Friedrich von Schiller

  10. admin am Januar 19th, 2013 4:05 pm

    Über konservative.de und http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Siegerist
    „Kritiker aus Publizistik und Politik werfen Joachim Siegerist vor, in seinen Schriften rechtsradikale, antisemitische und rassistische Positionen zu vertreten“.

    Was der kackbraune Kamerad Siegerist meint, interessiert mich nicht.

  11. bartleby am Januar 19th, 2013 4:50 pm

    Lieber Elvis.

    Schon mal in Psychiatrie gewesen? Oder in einem Pflegeheim (egal ob für Ältere, oder Eingeschränkte)? Schon mal erlebt, was passiert wenn einer der „Klienten“ seine „Medikamente“ nicht nehmen möchte?

    Schon mal den Satz aus nem Mund gehört: „Danach bin ich kein Mensch mehr und lebe nicht mehr?“, oder „Ich möchte nicht vegetieren sondern leben, denken und arbeiten?“ (mit arbeiten war an sich arbeiten, ebenso wie das Tätige gedacht)?

    All dies kenne ich pers. aus der Behipflege & von Besuchen aus der Psych. bzw. durch dort arbeitende Freunde& Bekannte.

    Die „Notfallmedikamentation“ die in meinen Erfahrungsfällen einige dort bekamen (auch über Monate hinweg) wurde bspw. gegeben, weil eine Pflegerin mit einem Menschen nicht umgehen konnte – er war umgänglich und handzahm, hat gearbeitet, geholfen, weder sich noch andere verletzt – Notfälle können eben auch durch pers. Abneigung entstehen…

    Zudem ist „Notfall“ ohne nähere Definition ein relativ weiter Begriff. Das kann eben auch ein personeller „Notfall“ sein, egal ob zu wenige anwesend, nicht geeignet, überfordert….etc..

    Spannender wäre hier eher der Hinweis, dass diese Praktiken auch schon vorher üblich waren und nun nur wieder eine legale Rechtsgrundlage bekommen.

    Denn problematisch wurde es bisher, wenn jemand wieder rauskam und klagte – nun hat er wohl keine Chance mehr, früher zumindest eine kleine.

  12. Carsten Thumulla am Januar 20th, 2013 7:11 am

    Wikipedia, unsere, im Internet,
    Geheiligt werde dein Name.
    Dein Reich komme.
    Deine Wahrheit herrsche,
    wie im Internet, so in unseren Hirnen.
    Unsere tägliche Erleuchtung gib uns heute.
    Und vergib uns unsere Neugier,
    wie auch wir vergeben unsern Fragern.
    Und führe uns nicht in Versuchung,
    sondern erlöse uns von den Fakten.
    Denn dein ist die Wahrheit
    und die Kraft und die Herrlichkeit
    in Ewigkeit. Amen.

    Thema verfehlt, Burks! Es ging nicht um das Braun, es ging um Journalismus und eine Kritik daran. Über die Punkte sollte man mal nachdenken — oder Denken verweigern.

    Carsten

    [Pussy Riot]
    „Stellen Sie sich vor, daß diese Mädchen zum Beispiel in eine Moschee gegangen wären. Sie wären da nicht mehr lebend rausgekommen. Selbst in der katholischen Welt wäre das schrecklich geworden. Aber wenn ich das in Frankreich sage, dann hält man mich für einen Idioten.“
    Gérard Depardieu

  13. elvis am Januar 20th, 2013 10:41 am

    bartleby am Januar 19th, 2013 4:50 pm

    Lieber Elvis.

    Schon mal in Psychiatrie gewesen? Oder in einem Pflegeheim (egal ob für Ältere, oder Eingeschränkte)? Schon mal erlebt, was passiert wenn einer der “Klienten” seine “Medikamente” nicht nehmen möchte?

    Schon mal den Satz aus nem Mund gehört: “Danach bin ich kein Mensch mehr und lebe nicht mehr?”, oder “Ich möchte nicht vegetieren sondern leben, denken und arbeiten?” (mit arbeiten war an sich arbeiten, ebenso wie das Tätige gedacht)?

    All dies kenne ich pers. aus der Behipflege & von Besuchen aus der Psych. bzw. durch dort arbeitende Freunde& Bekannte.

    Die “Notfallmedikamentation” die in meinen Erfahrungsfällen einige dort bekamen (auch über Monate hinweg) wurde bspw. gegeben, weil eine Pflegerin mit einem Menschen nicht umgehen konnte – er war umgänglich und handzahm, hat gearbeitet, geholfen, weder sich noch andere verletzt – Notfälle können eben auch durch pers. Abneigung entstehen…

    Zudem ist “Notfall” ohne nähere Definition ein relativ weiter Begriff. Das kann eben auch ein personeller “Notfall” sein, egal ob zu wenige anwesend, nicht geeignet, überfordert….etc..

    Spannender wäre hier eher der Hinweis, dass diese Praktiken auch schon vorher üblich waren und nun nur wieder eine legale Rechtsgrundlage bekommen.

    Denn problematisch wurde es bisher, wenn jemand wieder rauskam und klagte – nun hat er wohl keine Chance mehr, früher zumindest eine kleine.

    … und Du glaubst wirklich Burks wusste das als er seinen tendenziösen Post verfasste?

  14. Susanne Stetter am Januar 20th, 2013 12:25 pm

    Es gilt das Prinzip: Der Arzt empfiehlt die Therapie, der Patient entscheidet, ob er sie macht.

    Die „Anordnung“ ist die Entscheidung über Maßnahmen, für die die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden müssen (es liegt Krankheit vor und diese Krankheit ist behandlungsbedürftig, geht ohne Behandlung nicht weg oder bessert sich ohne Behandlung nicht), falls die Einwilligung zur Behandlung, zur Durchführung also, vorliegt. –> Stichwort „Verschreibungspflicht“ bei behandlungsbedürftiger Krankheit im Sinne der Sozialgesetzgebung. Auch empfehlenswerte nicht anordnungsfähige Maßnahmen können in Frage kommen. Die sind dann eben selbst zu zahlen.

    Krankenkasse zahlt, wenn ein Behandlungsvertrag vorliegt (Arzt sagt, ich bin bereit dich zu therapieren, Patient sagt, therapier mich im Rahmen der Kostenübernahme durch meinen Kostenträger). Es gibt nun Fälle (etwa bei Koma), in denen klar die Einholung der Einwilligung nicht möglich ist, oder Fälle, in denen die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen bezweifelt wird (etwa bei psychischen Auffälligkeiten oder Krankheiten). Es geht also um „stellvertretende Einwilligung“ und um „ersetzende Einwilligung bei entgegengesetztem natürlichen Willen“.

    Letzteres (die Sache der Zwangsbehandlung) ist nun dahin gehend geregelt, dass beim sogenannten einwilligungsunfähigen Betroffenen mit natürlichem Willen zur Abwendung eines erheblichen gesundheitlichen Schadens eine deutlich überwiegend nutzenbringende Behandlung bei richterlich genehmigter Einwilligung in die Maßnahme durch einen rechtlichen Betreuer/Bevollmächtigten legal durchgeführt werden darf gegen den natürlichen Willen, jedoch nicht gegen den in einer Patientenverfügung vorausverfügten freien Willen.

    Es ist also keineswegs so, dass Ärzte von sich aus zwangsbehandeln dürfen. Was zulässige Notfallmaßnahmen sind und was nicht, darüber wird weiter zu streiten sein. Auf der sogenannte rechtfertigende Notstand kann keine Rechtfertigung für Routinemedikamentierungen sein.

    Die rechtliche Lücke, die der Gesetzgeber geschlossen hat, ist auch vor dem Hintergrund des Grundrechtsschutzes zu sehen. Es ist keineswegs so, dass der Gesetzgeber hier eine fremdnützige Eingriffsgrundlage schaffen will. Die Brisanz besteht aber gerade darin, dass dieses Gesetz auch ganz offensichtlichen Mißbrauch nicht verhindern wird. (Ein Betreuer wird im Eilverfahren eingesetzt, dessen Einwilligungserklärung wird im Eilverfahren richterlich genehmigt. Es gibt keine Hürde, dass der Betroffene vor Durchführung der Maßnahme Rechtsschutz beantragen könnte.)

  15. Granado am Januar 20th, 2013 12:55 pm

    Bundestag winkt Gesetz zur psychiatrischen Zwangsbehandlung durch – wieder mal in überwältigender Besetzung:
    http://www.youtube.com/watch?v=mC7ZfYrU8vs&feature=player_embedded

  16. bartleby am Januar 20th, 2013 3:16 pm

    @ Susanne:

    Schön erklärt und beschrieben! Stimme dir weitgehend schon zu, jedoch habe ich die Erfahrung gemacht: einmal in der Mühle, meistens zerrieben. Egal ob freiwillig oder nicht. Gerade bei bspw. bei geistig besonders geprägten Menschen habe ich diese Erfahrung oft gemacht, aber auch in der geschlossenen.

    Das ein Mensch, der mit einer Krisensituation nicht klar kommt und deswegen freiwillig in Behandlung geht nicht die Regel ist, gut.

    Aber ich glaube Fälle wie der in Bayern sind leider nicht so selten wie man glaubt. Einmal drinne, sind zu Behandelnde leider oft auch einfach Melkvieh.

  17. Susanne Stetter am Januar 21st, 2013 4:11 pm

    zu Behandelnde als Melkvieh: in ganz vielen Fällen wird man das so sehen müssen

  18. PatVerfü am Januar 23rd, 2013 5:52 pm

    In diesen Zeiten kann nur allen empfohlen werden, sich persönlich gegen diese ertmals seit Inkrafttreten des GG’es der BRD legalisierten Zwangsmaßnahmen abzusichern:
    Qua Verbot der Ertstellung psychiatrischer Diagnosen an der eigenen Person.
    Mit einer PatVerfü!

    Geisteskrank?
    Ihre eigene Entscheidung!

    http://www.patverfue.de/

    PatVerfü – Die schlaue Patientenverfügung.

  19. Susanne Stetter am Januar 23rd, 2013 10:47 pm

    Diese schlaue P., nun ja, mache sich ein jeder sein eigenes Bild. Doch, im Prinzip ist es schon so, dass eine Patientenverfügung die Fremdeinwilligungsmöglichkeit stark beschränkt, denn die stellvertretenden Betreuer/Bevollmächtigter müssen sich daran halten insoweit die Vorausverfügungen legal sind.

    http://www.carl-auer.de/blog/simon/patverfu/
    (siehe Kommentare dort)

    ———–

    http://wohlbefinden.blog.de/2013/01/23/fatale-gesetz-1906-bgb-normalbevoelkerung-interessiert-kommentar-reblog-15456755/

  20. Susanne Stetter am Januar 31st, 2013 11:31 am

    Der Rechtsanwalt, der die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.2011 erwirkt hat, stellte mit Schriftsatz vom 25.01.2013 „Strafanzeige“ mit hilfsweise „Strafantrag“ gegen die Drahtzieher dieses Zwangsbehandlungsgesetzes im eigenen Namen und im Namen seiner Mandantschaft (Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrieerfahrene, die auch RA Saschenbreker und Prof. Narr unterstützt).

    http://www.die-bpe.de/strafanzeige_schnarrenberger.html

    Vom hier diskutierten Gesetz geht eine falsche Signalwirkung aus. Bürger müssen sich das nicht gefallen lassen, was die Politik mit Unterstützung der geschätzten Presse veranstaltet.

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