Fleisch ist konzentrierte Nahrung

Wurst

„Die Zeit vom ersten Steingerät vor 2,7 Millionen Jahren bis zum Ende des Altpaläolithikums um 300 000 macht über 90 Prozent der Menschheitsgeschichte aus. Zu den entscheidenden Innovationen dieser langen Periode gehörte, wie bereits erwähnt, das Herstellen von Geräten aus Stein und Holz, zum Erlegen und Zerteilen von Tierkörpern. Damit einher ging die Umstellung der Ernährung von ursprünglich rein pflanzlicher auf immer stärke, durch Fleisch und damit Proteine bestimmte Nahrung. Fleisch ist konzentrierte Nahrung, vergleichbar mit Samen und Nüssen. Es enthält hohe Anteile von Eiweiß, einige Innereien besitzen zudem wichtige Vitamine, die in der Pflanzenkost fehlen. Außerdem lieferte Pflanzennahrung, die in den Mägen von erlegten Pflanzenfressern bereits angedaut und damit aufgeschlossen war und von den Jägern ebenfalls verzehrt worden sein dürfte, neben Vitaminen auch Fermente. So lag der entscheidende Vorteil der Umstellung auf tierische Nahrungsmittel also neben der Möglichkeit zur Anpassung an andere Umweltverhältnisse ganz wesentlich auch in dem höheren Nährwert der tierischen Produkte gegenüber der reinen Pflanzenkost. Fett, Eiweiß und Phosphor wiederum spielten im weiteren eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des menschlichen Gehirns.“ (Hermann Parzinger: Die Kinder des Prometheus: Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift (2016) – übrigens sehr empfehlenswert.)

Man kann natürlich auch dazu Friedrich Engels lesen. Esst mehr Fleisch und denkt an euer Gehirn!

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Das Ende ist nahe

Die Versuchung des Heiligen Antonius (Hieronymus Bosch)

Die AfD bekommt die Ausschüsse Inneres und Gesundheit im Bundestag, die Globuli- und Glottisschlag-Partei den Bildungsausschuss. Was sagen die Zeugen Jehovas dazu? Wieviele Tage noch bis Armageddon?

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Neue Ware eingetroffen

Whisky

Ich muss immer an das DDR-typische Schild „Neue Ware eingetroffen“ (oder auch nicht) denken, das ich im Beitrittsgebiet noch lange nach dem Einzug des Kapitalismus öfter sah. Aber bei Whisky wird es jetzt wieder so: Drei Monate musste ich warten, bis meine Hausmarke beim Drogendealer meines Vertrauens wieder verfügbar war. Man darf auch mit Preissprüngen nach oben rechnen, wegen des Brexits und allerlei sonstigen Krisen der so genannten freien Marktwirtschaft. Der bezahlbare Lagavulin kostet schon ein Drittel mehr als früher.

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Carthaginem esse delendam

karthago

The Punic cothon of Carthage, in modern-day Tunisia, as it would have appeared in the 3rd century BCE compared to today (Zinedine Loucif auf Facebook).

Vor mehr als zwei Jahrtausenden sah das da besser aus.

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Negotiating

avatare Genesian port

Komplizierte Verhandlungen mit dem Ubar (Warlord) von Genesian Port. (Ich bin der mit der Rasta-Frisur, aber das interessiert wieder niemanden.)
#roleplaying #roleplay #fantasyworld #SecondLife #Gor

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KAX17

KAX17

Heise: „KAX17 führt massive Deanonymisierungsangriffe durch. – Laut einem IT-Sicherheitsforscher betreibt ein mysteriöser Akteur seit 2017 große Teile des Anonymisierungsdiensts Tor, womit dieser unterwandert werde.“

Tarnkappe.info dazu: Besonders besorgniserregend ist seiner Meinung nach die Tatsache, dass KAX17 seine Server im industriellen Stil betreibt. Er nutzt dafür Rechenzentren auf der ganzen Welt und lässt sich diesen Spaß richtig was kosten. (…) KAX17 kann aufgrund seiner umfassenden Überwachung des Tor-Netzwerks Tor-User mit den folgenden Wahrscheinlichkeiten de-anonymisieren:
Guard: 10,34 %
Middle: 24,33 %
Exit: 4,6 %
.

Na gut. Man kennt die Risiken, auch im Darknet, schon länger. Aber ich frage mich, warum die üblichen Verdächtigen so viel Mühe auf sich nehmen und so viel Geld verprassen, um ein paar Leute zu deanonymisieren?

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It’s never an accident but a Blow Up

mossad
Gerade gekauft: Mossad T-Shirt – falls ich mal nach Persien reisen muss.

Manche Geschichten sind so irre, dass sie in einem Filmplot albern wirken würden. Der Mossad hat den Iranern wieder mal die Atomanlagen weggesprengt. „Up to 10 scientists were approached by Israeli agents and agreed to destroy the underground A1000 centrifuge hall at Natanz in April, though they believed that they were working for international dissident groups.“ OK, der Mossad at its best. Aber das ist noch nicht alles:

„Der Komplex ist mit über einem Dutzend Metern Stahlbeton geschützt und deshalb aus der Luft nur schwer zu zerstören. Dem Bericht des »Jewish Chronicle« zufolge umgingen die Agenten die Sicherheitsvorkehrungen, indem sie bereits bei der Errichtung der Anlage als Baumaterial getarnte Sprengvorrichtungen in die Zentrifugenhalle schmuggelten. Die Spione hatten sich offenbar als Baustoffhändler getarnt“, schreibt die Jüdische Allgemeine.

Kann man machen, kann aber nicht jeder. „Andere Spione schmuggeln Explosivstoffe auf einem Catering-Lastwagen in das Gebäude. Ein drittes Team schmuggelt eine zerlegte Drohne in das Land und schießt mit ihr eine Rakete ab.“

Wir haben ja jetzt eine grüne Außenministerin. Und wie allgemein bekannt, tragen Grüninnen gerne Hijab. Die Baerbock könnte doch in den Iran reisen und den Ajatollahs Wind- und Sonnenenergie anpreisen?! So was sprengt der Mossad bestimmt nicht. Aber wer weiß.

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Triggern und die Totengräber der Kunst

olympia
Olympia von Édouard Manet, 1863

Dazu die NZZ: „In vorauseilender Korrektheit säubern manche Verlage und Autoren ihre Werke von allem potenziell Anstössigen“.

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Bitte erinnern Sie sich!

Aus der Rubrik „nützliches Wissen“: Die neue Regierung aus SPD, FDP und den Grünen (inklusive Lauterbach) ist ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Kapitalistenklasse verwaltet.

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Das Schlimmste verhindern

Nimm dies, Baerbock: „Ein Regierungssprecher bestätigte der WirtschaftsWoche, dass Scholz nach der Bundestagswahl mit Merkel ein Gespräch zu China geführt hat. Einem Insider zufolge soll sie darin Sorge um die künftige Chinapolitik zum Ausdruck gebracht haben. Scholz habe daraufhin Außenminister Heiko Maas in die Koalitionsgespräche geschickt, mit dem Auftrag „das Schlimmste zu verhindern“, heißt es übereinstimmend aus Koalitionskreisen.“

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Der lange weltpolitische Atem

xi mao

So ein Teaser (Paywall) machte mich extrem neugierig: Kishore Mahbubani gilt als einer der klügsten geostrategischen Denker Asiens. Der aus Singapur stammende Ex-Botschafter wirft dem Westen im Gespräch mit Stefan Aust vor, China aus Arroganz falsch eingeschätzt zu haben. Die vergangenen 200 Jahre hält er für einen Unfall der Geschichte.

Beide Herren wollen natürlich auch ihre neuen Bücher bewerben. Kishore Mahbubani veröffentlichte Hat China schon gewonnen?: Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht; Stefan Aust schrieb Xi Jinping – der mächtigste Mann der Welt. Es habe bisher keine Biografie XI Jinpings gegeben, was – da muss ich zustimmen – einigermaßen erstaunt.

Kishore Mahbubani: Der Westen nimmt an, das 19. und 20. Jahrhundert sei der Normalzustand gewesen und die 1800 Jahre davor nicht normal. Ich sehe es genau umgekehrt: Die vorherigen 1800 Jahre waren der Normalzustand, mit China und Indien als den beiden führenden Volkswirtschaften der Welt. Die letzten 200 Jahre waren eine Abweichung.

Das trifft sich mit der hier schon – aber noch nicht abschließend – diskutierten Frage, ob nicht der chinesische Weg über den Kapitalismus hinaus derjenige sei, der das Land an die Spitze der „Entwicklung“ stellt und nicht etwas der europäische und russische Weg, der in der orthodoxen marxistischen Diskussion bis zum Zusammenbruch des so genannten „Sozialismus“ dort als solcher angesehen wurde. Im Wettrennen, wer es zuerst bis zum Kapitalismus schaffen würde, geriet China ins Hintertreffen, aber wer zuletzt lacht, bei dem kommt der Kommunismus zuerst. Ich hatte schon Mitterauers „Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs“ erwähnt, der genau diese Frage auch stellt und, wie der Titel suggeriert, ähnlich beanwortet wie Kishore Mahbubani.

Kishore Mahbubani: Die Chinesen haben ihre eigene politische Geschichte, ihre eigenen politischen Traditionen und ihre eigene politische Kultur. Sie wissen, was in China funktioniert und was nicht. Ein gespaltenes Zwei-Parteien-System wie in den USA funktioniert aus ihrer Sicht nicht für China. Ich sage nicht, dass das meine Sicht ist. Aber aus ihrer Sicht beweist die chinesische Geschichte, dass es der Bevölkerung unter einer starken Führung am besten geht, und dass vor allem die sozial gesehen unteren fünfzig Prozent der Bevölkerung leiden, wenn die Führung gespalten ist. Laut einer Studie der Harvard Kennedy School ist die Zustimmung zur Kommunistischen Partei Chinas von 86 Prozent im Jahr 2003 auf 93 Prozent 2016 gestiegen. Warum? Weil sie in den letzten 40 Jahren die beste sozialökonomische Entwicklung ihrer Geschichte hatten. (…)

Die westlichen Länder haben keine formale Zensur, aber eine informelle Zensur. Ich bin gerade aus den USA zurückgekehrt und habe von Studenten dort immer wieder gehört, wie die politische Korrektheit die Meinungsfreiheit einengt. Oder denken Sie an den Fall der britischen Professorin Kathleen Stock, die gerade von ihrem Lehrstuhl zurücktreten musste, weil Transgender-Aktivisten ihre Forschungsergebnisse nicht mochten. Was ist das, wenn nicht Zensur?

Wenn das die Baerbock läse! Aber das tut sie nicht, und sie ist als Grüne sowieso beratungsresistent.

Kishore Mahbubani: China ist in vielerlei Hinsicht der rationalste Akteur auf der internationalen Bühne heute. Es kalkuliert sein nationales Interesse sehr vorsichtig. Doch beim Thema Taiwan ist China kein rationaler Akteur, sondern ein emotionaler. Es ist bereit, einen massiven ökonomischen und militärischen Preis zu zahlen, um Taiwan zu sichern. Auch wenn das zehn Jahre Konjunkturrückgang für China bedeutet, wird China das hinnehmen, wenn seine rote Linie überschritten wird: Taiwan erklärt sich für unabhängig. (…) Darum kann China eine Unabhängigkeit Taiwans nicht akzeptieren – ich garantiere Ihnen zu hundert Prozent, dass China in einem solchen Fall Taiwan den Krieg erklären wird. Sollten die USA dann zugunsten Taiwans eingreifen, könnte das zum Atomkrieg führen. (…)

Doch die Chinesen glauben, der beste Weg, um einen Krieg zu gewinnen, ist ohne Kampf. Als schlaue Kenner der Geopolitik werden sie vorsichtig kalkulieren und wissen: Wenn sie um das Jahr 2030 herum die Wirtschaftsmacht Nummer eins sind, werden sich die anderen Länder ihnen gegenüber fügsamer verhalten. Dann pflücken sie die Frucht Taiwan, wenn sie reif ist. Warum sollten sie sich also beeilen?

Das beantwortet natürlich nicht die für mich spannendste Frage, es ob es im Staatskapitalismus so genannten Sozialismus chinesischer Prägung Klassenkampf gebe und wer da gegen wen kämpft. In der Kulturrevolution wurde diese Frage schon einmal gestellt, mit dem bekannten chaotischen Ausgang. Und wenn man das heute in China fragt, wird man verhaftet.

Es gibt immer die gleichen Indizien: Wenn sich ein Machthaber unsicher fühlt, stellt er sich ikonografisch in die Tradition seiner Vorgänger, die jenseits von Gut und Böse sind. Xi wird zusammen mit Mao verehrt (vgl. Foto oben), für unsere Verhältnisse ziemlich kitschig und lächerlich. Aber unser Geschmack nicht der Maßstab, und die Chinesen sehen das vermutlich nicht so. Als Marxist fragt man sich aber: Warum hat er das nötig? Wem gegenüber möchte er sich rechtfertigen? Ich habe da einen Verdacht – und Bertold Brecht hatte schon eine Lösung.

xi

Beim Schreiben hörte ich übrigens Henri 1 und Henri 2.

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Avatare schauen dich an, reloaded

avatar

Es könnte natürlich sein, dass die Dame, die diesen Avatar spielt, im realen Leben 75 Jahre alt ist und wie eine Schreckschraube aussieht. Aber um das zu übertünchen, gebt es eben Avatare, deren body und shape man sich selbst zusammenschrauben zusammenstellen kann.

#secondlife #gor #tahari #fantasy #avatar

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4 vor 100

96

Meine Mutter feierte heute ihren sechsundneunzigsten Geburtstag und freute sich über geboosterten Besuch, Geschenke und Lesestoff.

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Überall lauern sie

„… manche schlafen sogar mit Leuten, die Gendersterne in ihren Texten machen, es muss so sein, weil manche von denen Kinder bekommen, die sie dann in Lastenrädern bis an die Horizonte ihrer Kieze verbreiten. (…) Generell ist der Mensch sehr fähig, alltägliche Risiken beiseitezuschieben und zu ignorieren, weshalb wir Drogen legalisieren, Clankriminalität neu definieren und Kinder in Lastenräder sowie Frau Baerbock ins Außenamt setzen.“ (Don Alphonso über die Gefahren, die überall lauern)

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Ganz geheime Postkarten

anonyme email

Vor ein paar Tagen bekam ich seit langer Zeit wieder einmal eine anonyme E-Mail mit interessanten Inhalten (nein, es ging nur um Vereinsmeierei). Ich war mir nicht bewusst, dass so etwas noch auf dem „Markt“ ist.

Ich traue aber den Angeboten nicht über den Weg. Wenn schon, dann aber richtig. Lustig ist zum Beispiel, wenn diejenigen, die so etwas offerieren, dann die IP-Adresse in den Header einbinden. ProtonMail ist nur per Tor-Browser wirklich sicher und auch nicht kostenlos.

Verschlüsselte E-Mails haben bekanntlich den Nachteil, dass „man“ herausfinden kann, wer mit wem kommuniziert – das ist manchmal wichtiger als der Inhalt (so war es auch in meinem Fall). Ich werde bei Gelegenheit die „Werkzeug“-Website updaten.

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欢迎!

Erster Besuch der deutschen Außenministerin in China.
Baerbock: Guten Tag, Herr Außenminister!
Wang Yi: Baerbok 女士,下午好,欢迎来到中华人民共和国。 你靠什么谋生?

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Shake It and Break It [Update]

burks

Geboostert, rechtzeitig, noch vor Winteranfang, und dieses Mal mit Corminaty, nach zwei Mal AstraZenaca. Nein, keine Neue Frisur, sondern Novembersturm.

So trübe der Himmel, als wär’s schon spät.
Die Wolken pilgern traurig.
Im Strudel taumelt verkommenes Laub
Um Baumgerippe so schaurig.

Dazu höre ich die passende Musik.

[Update] Keine Nebenwirkungen. Überhaupt nicht. Null. Zero. #boostern

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ἑλληνικός ἀλφάβητος

Isla McKetta: „This is not how I wanted to learn the Greek alphabet“.

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Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III)

otto-mathildenkreuz

Domschatzkammer Essen: Die vergoldete Kupferplatte im Vordergrund ist der Rest des so genannten Ida-Kreuzes (10. Jahrhundert), das nicht mehr erhalten ist. Das Kreuz stand im Dom hinter dem Altar auf einer Säule. 1443 wurde es dort heruntergenommen. Man entdeckte im Innern des Körpers des Gekreuzigten zahlreiche Reliquien. Das Ida-Kreuz wurde durch ein neues Kreuz aus Silber ersetzt; die Reliquien übernommen.

Auf der Platte steht: ISTAM CRUCEM (I)DA ABATISSA FIERI IVSST (Äbtissin Ida befahl, dieses Kreuz machen zu lassen).

dom essen Äbtissinnen

Ich muss zugeben: Mit einer der Damen Äbtissinen aus dem 10. Jahrhundert hätte ich gerne diskutiert. Aber dazu müsste ich zuerst mein Althochdeutsch auffrischen und mein Latein ohnehin. Die Frauen aber waren die intellektuelle Elite Europas, hatten Macht und mussten sich permanent gegen die feudalen Schlagetots ringsum absichern. Wahrscheinlich waren sie auch das, was wir heute als „gerissen“ bezeichnen. Wer, wie Mathilde II. – das über Jahrzehnte hinkriegte, war garantiert selbstbewusst genug, um selbst Königen die Stirn zu bieten.

vortragekreuzotto-mathildenkreuz

Otto-Mathilden-Kreuz: Das Stifteremail unten (vergrößert) macht das Kreuz einzigartig. Es zeigt die Äbtissin Mathilde II. mit ihrem Bruder Herzog Otto von Schwaben. Mathilde war Enkelin des Liudolfingers und späteren römisch-deutschen Kaisers Otto, der schon damals „der Große“ genannt wurde, ganz bescheiden „totius orbis caput“, das „Haupt der ganzen Welt“.

Für das 10. Jahrhundert gibt es kaum aussagekräftige schriftliche Quellen. Daher sind derartige Objekte von hohem historischen Wert. In Gold vor Schwarz: Der Essener Domschatz auf Zollverein liest man: „Das Otto-Mathilden-Kreuz ist das älteste erhaltene Beispiel der Verknüpfung eines edelsteinbesetzten Gemmenkreuzes, das traditionell als Zeichen der Wiederkunft Christi verstanden wurde, und des Kreuzes mit Kruzifixus, das auf die menschliche Natur Christi und seinen Opfertod verweist.“

Das Kreuz ist handwerklich und künstlerisch außerordentlich anspruchsvoll gearbeitet, so dass alle später entstandenen Kreuze es entweder zitieren oder versuchen zu imitieren oder die Form schöpferisch aufgreifen. Mathildes Bruder Otto starb 982 recht jung auf einem Feldzug in Italien, vermutlich an Malaria. Das Otto-Mathilden-Kreuz entstand nach 983, ist also eine so genannte Memorialstiftung. Beide Stifterfiguren auf dem Email sind in höfischer Tracht abgebildet, Mathilde trägt nicht das, was man damals normalerweise von einer Äbtissin erwartete. Die Stifterin handelte also eher als Schwester, als sie ihren Bruder abbilden ließ, denn als kirchliche Funktionärin.

mathildenkreuz

Otto-Mathilden-Kreuz, Rückseite: In der Mitte das Agnus Dei (das Zeichen des katholischen Kosmonauten in Wolfgang Jeschkes Der letzte Tag der Schöpfung!) Das Lamm wird umrahmt von Paradiesranken – ein „Zitat“ der Edelsteine der Kantenrahmung der Vorderseite (sorry für die zwei Genitive hintereinander).

Die herrschende Klasse in den fränkischen Reichen sah sich immer noch als Nachfolger der Caesaren, obwohl das Römische Reich schon ein halbes Jahrtausend vorher untergegangen war. Theophanu, die Nachfolgerin der Mathilde, war Enkelin der berühmten „deutschen“ (Mit)Kaiserin Theophanu aus Byzanz – die unstrittig die wichtigste Frau im 10. Jahrhundert in Mitteleuropa war und im damaligen Sinne Kosmopolitin. Was gäbe ich darum, einmal kurz das zu sehen, was die gesehen haben! (Mal abgesehen davon, dass ein Jahrtausend in der Zukunft – falls man als Zeitreisender die Wahl hätte – natürlich interessanter wäre, aber vermutlich ziemlich verstörend.)

Kreuz mit den großen SenkschmelzenKreuz mit den großen Senkschmelzen, Detail

Kreuz mit den großen Senkschmelzen, um 1000: Das Kreuz ist rund zehn Jahre jünger als das Otto-Mathilden-Kreuz und wurde 1020, als Sophie von Gandersheim Äbtissin war, noch einmal umgearbeitet. Statt der Edelsteine an den Kreuzenden wurden Vollschmelzemails mit Ornamenten eingefügt, was handwerklich anspruchsvoller ist: Auf Metall wird flüssiges und farbiges Glas aufgeschmolzen. Das konnten aber schon die Ägypter zwei Jahrtausende vor den Franken und auch die Kelten.

Die Sophie war die Tochter Kaiser Ottos II. und der berühmten Theophanu. Klaus Gereon Beuckers schreibt in Gold vor Schwarz: Der Essener Domschatz auf Zollverein dazu: „Seine Funktion im Essener Kreis der Vortragekreuze ist unklar, allerdings legt die demonstrative Umarbeitung unter Äbtissin Sophia eine wichtige Rolle nahe. Sophia war als Äbtissin des Essener Schwesternstiftes in Gandersheim eng mit der bayrischen Ottonenlinie verbunden, der sie durch Kaiser Heinrich II. auch ihrer Essener Position zu verdanken hatte. Sie vertrat damit eine andere politische Ausrichtung als ihre Vorgängerin, die der bayrischen Linie höchst kritisch gegenüber gestanden hatte. Sophias Berufung 1011 in Essen kann als Versuch Heinrich II. gewertet werden, das Stift entgegen der bisherigen Haltung unter Mathilde und entgegen der im Kölner Umkreis geübten Opposition gegen den Bayer politisch zu vereinnahmen.“

So ein paar kleine Emaillearbeiten waren also eine politische Aussage, so wie heute ein Parteiprogramm. Man muss sich vergewissern, dass das Publikum, dem die Kreuze gezeigt wurden, vorwiegend aus Analphabeten bestand und auch die Details ohnehin nicht verstand – das waren ikonografische Interna der herrschenden Klasse. Aber anders konnte nicht „beschrieben“ werden, wer man war und was man wollte.

otto-mathildenkreuz

Mathilden-Kreuz, um 1051/1054: Die direkte Nachfolgerin Mathildes hatte hier ihre Hände nicht im Spiel, sondern deren Nachfolgerin Theophanu, die Enkelin der gleichnamigen Kaiserin. Diese ließ wieder der Mathilde gedenken und nicht deren religiöse Hinterlassenschaften umschmelzen. Das jüngere Mathilden-Kreuz imitiert das ältere. Das Kruzifix ist aber ein Vollguss, eine handwerkliche Kunst, die sich erst im 12. und 13. Jahrhundert durchsetzte. Der Künstler machte damit ein Statement, also hätte jemand schon im 19. Jahrhundert einen Vorläufer des Otto-Motors gebaut.

Ein Detail ist hier anders: Die mit dem Kreuz verehrte Mathilde kniet auf dem Email in weißer, also frommer Tracht, vor der Christusfigur. Sie wird nicht mehr als selbstbewusste höfische Feudaladlige gezeigt.

Das Kreuz wurde in den folgenden Jahrhunderten ziemlich demoliert, sogar die ursprünglichen Emails überschmolzen, und dadurch verschlimmbessert. An die professionelle Handwerkskunst des Originals kam man nicht mehr heran.

Fortsetzung folgt.

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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

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Pöhse Recherchen

recherchen

Habe gerade aus einem bestimmten Grund in meinen Kaderakten Akten geblättert. Manchmal fällt der Gegner schon beim ersten Schuss um sind Recherchen nützlich, damit sich Spreu vom Weizen trennt, mit – wie hier – einem guten Ergebnis.

Da fällt mir ein, dass ich mir die Sponsoren des Journalistenpreises Der lange Atem ansehen wollte. (Wie immer: To whom it may concern.)

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