Alte Tore und alte Klagen

Jerusalem
Sab al-Wad, Brunnen im arabischen Viertel Jerusalems, Israel.

Die zweite Garnitur der Fotos meiner Reise nach Israel, reloaded. (Vgl. Reise nach Jerusalem 3 vom 11.10.2023). Ich habe an dem Tag so viele Fotos gemacht, so dass ich zwei Teile daraus machen werde. Einige Fotos sind in sehr hoher Auflösung.

Jerusalem
Ein fast identisches Foto aus dem arabischen Viertel hatte ich schon am 11.10.2023 gepostet.

Es ist ein bisschen seltsam, dass ich hier touristische Fotos poste, während der Krieg in Gaza tobt, das so genannte Parlament dort sich auflöst und die Hamas nicht nur ein Problem hat. („Israel Heute“ habe ich aus der Blogroll genommen. Diskussionen über den Messias kann ich einfach nicht ertragen. Den Telegram-Kanal verfolge ich, sehe aber über das religiöse Gesülze hinweg.)

Jerusalem
Die Karte habe ich aus mehreren anderen selbst gemacht, um einen Überblick zu haben. Es gibt noch mehr Stadttore, aber nicht alle sind geöffnet. Ich habe noch nie so ein Gewirr von Gassen und verschachtelten Sträßchen gesehen. Vermutlich sahen alle orientalischen Städte früher so aus. Warum baut man heute nicht so? Das ist doch sehr platzsparend…

Ich marschierte den Ölberg wieder hinunter und durch das Löwentor in das arabische Viertel. Wahrscheinlich haben nur wenige Leute das so menschenleer gesehen wie ich. Man kann das arabische kaum von den anderen Vierteln unterscheiden, nur dass die Moscheendichte höher ist und mehr Menschen typisch arabisch gekleidet sind. Wenn man sich noch unzählige Touristenströme dazudenkt, wird es sowieso chaotisch. Auch die Geräuschkulisse vermischt sich. Im arabischen Viertel hört man die Kirchenglocken (Video) aus dem christlichen und armenischen Viertel und umgekehrt. Die Muezzins (Video, am Damaskus Tor) sind eh so laut, dass sie alles übertönen.

Jerusalem altstadtJerusalem altstadtJerusalem altstadtJerusalem altstadtJerusalem altstadtJerusalem altstadtJerusalem Damaskus Tor
Damaskus Tor

Vor dem Damaskus-Tor sprach mich noch ein älterer Araber neugierig an, der schon mal in Deutschland war. Wir unterhielten uns eine Weile in Englisch.

Die Soldaten waren hier mehr und irgendwie nervös – mit gutem Grund. „Nirgendwo sonst im Land gab es auf so kleinem Raum so viele Attentate.“ Nur wenige Stunden später wurde ein Araber genau da erschossen, als er zusammen mit anderen einen Molotow-Cocktail auf die Polizisten bzw. Soldaten werfen wollte. Der hätte mich auch erwischen können. Wenn da jemand komisch aussieht und einen verdächtigen Gegenstand in der Hand hat, wird verständlicherweise nicht lange gefackelt.

Jerusalem
Modell Jerusalems im 19. Jahrhundert, von Westen aus gesehen. Die Klagemauer ist schwer zu erkennen – zwischen dem Felsendom und dem Minarett rechts davon. Das Maghrebinerviertel vor der Klagemauer wurde nach dem Sechstagekrieg abgerissen. Ganz rechts am Ende der Mauer um den Tempelberg ist das Dung Tor. Das Modell steht im Davidsturm-Museum am Jaffa Tor.

Am nächsten Tag betrat ich das jüdische Viertel durch das Dung Tor aka Misttor. Die Klage- aka Westmauer war natürlich auf meine To-Do-Liste.

Dung gate
Das Dung – oder Misttor (hatte ich zuerst falsch als das Zion Tor eingeordnet)

Und da ich gen Jerusalem kam und drei Tage dagewesen war, machte ich mich des Nachts auf und wenig Männer mit mir; denn ich sagte keinem Menschen, was mir mein Gott eingegeben hatte, zu tun an Jerusalem; und war kein Tier mit mir, ohne da ich auf ritt. Und ich ritt zum Taltor aus bei der Nacht, vor dem Drachenbrunnen und an das Misttor; und tat mir wehe, dass die Mauern Jerusalems zerrissen waren und die Tore mit Feuer verzehret. Und ging hinüber zu dem Brunnentor und zu des Königs Teich; und war da nicht Raum meinem Tier, dass es unter mir hätte gehen können. Da zog ich bei Nacht den Bach hinan, und tat mir wehe, die Mauern also zu sehen; und kehrete um und kam zum Taltor wieder heim. (Nehemia 2, 13ff.), Jude und Statthalter der persischen Provinz Jehud 445 v. Chr.. Zum Einordnen: In diesem Jahr endete der Peloponnesische Krieg zwischen Athen und Sparta. Das Dungtor stand da schon, als Nebukadnezar II. 587/586 v. Chr. Jerusalem eroberte, also vermutlich seit der Eisenzeit. Es ist also älter als die Akropolis von Athen oder die keltischen Fürstengräber von Hochdorf.

Die Westmauer sieht nicht so „romantisch“ aus wie auf fast allen Fotos. Der Platz vor der Mauer ist voll mit Bussen und einer Art Busterminal. Fußgänger gegen durch eine Sperre. Ich wechselte ein paar Worte auf Deutsch/Jiddisch mit einem älteren Orthodoxen, den ich auf Hebräisch begrüßt und der mich freundlich angesprochen hatte, wollte mich aber nicht unter die Gläubigen mischen.

Dann wurde es kompliziert. Ich stieg an der westlichen Seite Treppen hinauf, um die Sache von oben zu sehen, aber verlief mich total – das sind mindestens drei Etagen und wieder verschachtelte Bauten. Endlich fand ich eine winzige Treppe, die zudem gar nicht ausgeschildert war, die mich zu einer Art Aussichtsplattform brachte.

Jerusalem klagemauerJerusalem klagemauer

Das untere Foto habe ich mit meiner GoPro HERO9 gemacht. Der Unterschied zu den Fotos mit dem Smartphone ist nicht zu erkennen. Vielleicht muss ich auch noch einmal das Handbuch lesen (90 Seiten). Das Foto hatte aber eine so hohe Auflösung, dass die App es nicht auf das Smartphone beamen konnte. Das geht nur mit einem Speicherkartenleser, den ich mittlerweile gekauft habe, oder ich müsste mir ein besseres Handy zulegen.

Man vergisst, dass sich nicht nur die Araber mit den Juden streiten, sondern alle gegen alle sind. Die Armenier hassen die Juden ganz besonders, im Vergleich zu den anderen Völkern der ehemaligen Sowjetunion. Warum, weiß ich nicht, vielleicht weil die Armenier neben den Juden am längsten in Jerusalem sind, länger als die Araber.

Beim Camp David-Treffen im Jahr 2000 schlug Israel eine Teilung der Altstadt vor, wonach das armenische und das jüdische Viertel unter israelischer Herrschaft bleiben sollten, während das christliche und das muslimische Viertel unter palästinensische Herrschaft gelangen würden. Die palästinensische Seite unter Leitung von Jassir Arafat wies diesen Vorschlag mit den Worten zurück: „Das armenische Quartier gehört uns. Wir und die Armenier sind ein Volk.“ Der Vorschlag wurde ebenso vom armenischen, griechisch-orthodoxen und lateinischen Patriarchat abgelehnt, die auf die Verbundenheit des christlichen und des armenischen Viertels im christlichen Glauben hinwiesen.

Ihr hattet eure Chance. Die kommt nicht wieder.

Jerusalem armenisches ViertelJerusalem armenisches Viertel
Jerusalem, Armenisches Viertel, Al Lewaa Etzeyoni, rechts hinter der Mauer das Patriarchat von Jerusalem der Armenischen Apostolischen Kirche.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Alte Tore und alte Klagen”

  1. Godwin am November 17th, 2023 2:05 pm

    meine Senf dazu ist beim falschen Beitrag gelandet…

  2. nh am November 17th, 2023 4:27 pm

    Mal eine generelle Frage an den Meister dieses Blogs.
    Wie halten Sie es mit der Unterstützung Israels (wirklich zu begrüssen) und Ihrer Distanz zu jedweder Religion ?
    Ich habe da immer die Orthodoxen im Schädel.
    Ist das dort eine Minderheit ?

  3. admin am November 17th, 2023 4:48 pm

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