Hingeschlampt und nichts begriffen und fremde Vierecke

gewalt

Nein, lieber Tagesspiegel, das sind Fake News: Die Teilnehmer der Demonstration sind mitnichten „gegen Gewalt“ auf die Strasse gegangen, sondern gegen rechte Gewalt. Will mir hier jemand insgeheim die Totalitarismus-Doktrin unterjubeln? Wer so schlampig formuliert, hat entweder etwas weltanschaulich Böses im Schilde oder ist einfach faul und dumm. Zugunsten des Tagesspiegel nehme ich Letzteres an.

Die politisch gebildeten Leserinnen und an den Weltläuften interessierten Leser erwarten hoffentlich nicht, dass ich etwas über Sachsen und insbesondere Chemnitz schreibe? Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem. Der öffentliche Diskurs besteht wie gewohnt aus immerdengleichen sinnfreien Textbausteinen, seit dreißig Jahren. Ich kann es nicht mehr hören. Daher wiederhole ich mich jetzt auch.

„Die rechte Szene schöpft heute das rebellische Potential [der Jugend] ab und kann das auch deshalb, weil das Milieu politisch nicht eindeutig festgelegt ist und auch nicht werden muß. Die Anführer wirken wie die Hefe im Teig. Rassistische Vorurteile und nationalsozialistische Ideologeme können punktuell und bezogen auf bestimmte Anlässe aktiviert werden. Rassismus ist ein funktionierendes Modell, sich den Konkurrenzkampf im Kapitalismus hinreichend zu erklären und deshalb eine Option, die immer, ungeachtet der sozialen und wirtschaftlichen Situation, verfügbar ist.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997). Man muss nur, wenn man Eribon und Baron gelesen hat, „der Jugend“ weglassen.)

„Die rechte Szene ist in den neuen Bundesländern auch deshalb erfolgreich, weil es kaum eine Alternative gibt, die ein derart einfaches, homogenes und, was das Versprechen des persönlichen Machtzuwachses angeht, attraktiveres Weltbild liefert. Neonazis im Osten begreifen sich als Ordnungsfaktor in direkter Konkurrenz zur Polizei. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, daß sie die Bevölkerung eher vor den vermeintlich schädlichen Folgen ‚massenhafter‘ Zuwanderung und den Reibungen zwischen diversen kulturellen Traditionen schützen könnte als die politischen Entscheidungsträger.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997)

„In den letzten zehn Jahren ist so gut wie alles für den ‚Rechtsextremismus‘ verantwortlich gemacht worden, was man sich mit lebhafter Phantasie ausdenken kann: die Erziehung ohnehin, die autoritäre oder auch die antiautoriäre, je nach Couleur des Diskutanten, die angeblich fehlenden Väter, der ‚Frust‘, die Wiedervereinigung an sich, fehlende Lehrstellen und Billardtische in Jugendzentren, zerrüttete Elternhäuser, die, falls das ein Grund für Antisemitismus wäre, auch an der NSDAP Schuld sein müssten. Eine Vielzahl von Experten zum Thema ‚Rechtsextremismus‘, die den Eindruck erwecken, bei anderen abzuschreiben, ohne jemals einen Fuß bis nach Ostsachsen gesetzt zu haben, gebrauchen die Begriffe Wilhelm Heitmeyers wie ‚Individualisierung‘, ‚Globalisierung‘ und ‚erhöhte gesellschaftliche Desintegrationsprozesse‘ – wahrscheinlich ohne Heitmeyer im Original gelesen zu haben. Das klingt klug, sagt garantiert nichts aus und führt bei ‚Fachtagungen‘ garantiert zu verständnisvollem Kopfnicken der Publikums. (…)

Thesen, die nicht die Vergangenheit bemühen, klingen um so origineller, sind aber ebensowenig einleuchtend. Der PDS-Politiker Lothar Bisky, so meldete DPA im August 2000, sehe in der Wiedervereinigung Deutschlands eine wesentliche Ursache für den Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern. In der ARD-Sendung ‚Bericht aus Berlin‘ sagte Bisky, in der DDR gäbe es durch ‚diesen Law- and-Order-Staat‘ eine Art Samen. Den ‚Humus‘ für die Entwicklung des Rechtsextremismus habe dann die Vereinigung gegeben. Dann erst seien Rechtsradikalismus und Neonazis ‚auf die Straße gekommen‘.“

„Richtig ist, dass die Werte des rechten Milieus sich nicht signifikant von denen der Durchschnittsmenschen unterscheiden, eher noch die Prizipien des Kapitalismus, insbesondere das asketische Arbeitsethos, auf die Spitze treiben: Rechte Gewalttäter stehen oft, das ist statistisch signifikant, unter einem hohen Leistungsdruck, den sie unkritisch von ihren Eltern übernommen haben.“

„Toleranz hilft weder gegen Rassismus noch Antisemitismus. Sie fordert eine kulturelle Anstrengung ein, eine psychische Arbeit, das, was als anders empfunden wird, nicht verändern zu wollen. Jeder empfindet unterschiedliche Dinge als ‚fremd‘; ein allgemeiner Appell, das Gute zu empfinden und zu tun, tolerant zu sein, verpufft ausnahmslos ohne jede Wirkung.“

„‚Konfliktkultur‘ und Toleranz können sich nur unter Gleichberechtigten entwickeln. Alles andere ist keine Toleranz, sondern Paternalismus und vergleichbar mit der freundlichen Leutseligkeit heutiger christlicher Missionare gegenüber den ‚Heiden‘, die zum Glauben an das christliche höhere Wesen überredet werden sollen.“ (Burkhard Schröder: Nazis sind Pop; 2000, vgl. auch Deutsche und Neger.)

verfassungsschutz

Und was sagt uns das jetzt? Was änderte sich, wenn die Schlapphüte etwas beobachteten? Sähen sie dann auch etwas? Solche Sätze nach unzähligen Skandalen des Inlandsgeheimdienstes!? Wie blöd und ingnorant muss man sein – oder das Gedächnis einer Drosophila haben? Und „Ausländerfeindlichkeit“? Was sagt Roberto Blanco dazu?

„Die Nation definiert sich über eine fiktive ‚Identität‘, über eine vermeintliche ‚Leitkultur‘, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema ‚Rassismus‘ begrifflich abgekoppelt….) Die Dominanz des Unwortes ‚Ausländerfeindlichkeit‘ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sich nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative ‚Multikulti‘-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass ‚Kultur‘ oder ‚Ethnizität‘ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.“

Thomas Fischer faselt von „fremden Kulturkreisen“. Warum nicht Vierecken?

Jetzt mach ich mal etwas Vernünftiges, meine Blumen wollen gegossen werden.

image_pdfimage_print

Kommentare

9 Kommentare zu “Hingeschlampt und nichts begriffen und fremde Vierecke”

  1. ... der Trittbrettschreiber am September 1st, 2018 3:58 pm

    „Wer so schlampig formuliert, hat entweder etwas weltanschaulich Böses im Schilde oder ist einfach faul und dumm.“

    Faul würde ich nicht unterscheiben, dumm im Sinne des Chorgeistes schon. Weltanschaulich böse? Das erfordert, mindestens schon mal 2 Alternativen zu kennen. Einen Aspekt scheint der Journalismus verloren zu haben, nämlich inoffiziell als 4. Gewalt bezeichnet worden zu sein. Heute haben wir es mit den Bütteln der 1. oder 2. oder 3. Gewalt zu tun, ich bin mir noch nicht im Klaren, welcher genau, tendenziell neige ich zur 2., der Executive.

  2. Maartin Däniken am September 1st, 2018 5:00 pm

    Was mir zu wenig erforscht ist und weniger öffentlich gemacht wie diese hirnlosen? Mobs mit Hut -und anderen Bürgern inszeeniert,gesteuert werden…
    Das man nicht immer mit entweder Lauffeuer-Metaphern oder spontaner Selbs-Entzündung intellektuell Unterfordert wird…
    zur Hauptsendezeit,versteht sich!
    Daran ist meine naive Hoffnung geknüpft,das es dann zu einer „Veränderung der Verhältnisse“ kommt…
    Zu einer buchstäblich Kritischen Masse.
    Wir Menschen des 21.ten Jahrhunderts sollten eigentlich uns weiterentwickelt haben,es kapiert haben…

    Habe das Retro-Fieber:
    Samstag nach dem Baden Enterprise geguckt zuhaben…

  3. Juri Nello am September 2nd, 2018 9:47 am

    In Deutschland machen die Kinder der 90er Krawallnasen das Gleiche, wie damals die Eltern? Hm, damit konnte man ja gar nicht rechnen…

    Es könnte auch etwas mit den Lebensverhältnissen zu tun haben. Knapp eine Generation nach der Wende gibt es Ost- und Westlöhne, Ost- und Westrenten, Ost- und Westtarife, unterschiedliche Förderungsbudgets, etc. pp.. 30 Jahre nach der Wende ist Deutschland also immer noch lustig zweigeteilt in West- und Mitteldeutschland, nur bei offenen Grenzen. Als Grund dafür hält immer noch die geringere Arbeitsproduktivität her, die jedoch kein Mensch mehr braucht, da die Märkte künstlich verknappt werden müssem, um bessere Preise zu erzielen.

  4. Roman Bardet am September 2nd, 2018 11:10 am

    „AfD legt trotz Chemnitz zu“

    Autsch! Das war so nicht geplant.

    Geplant war das Nazi-Zombie-Apokalypsen-Szenario medial gross auszuschlachten um die AfD weiterhin als unwählbar darzustellen. Die paar Krawallos interessieren nämlich in Berlin keine Sau. Die schweigende und wählende Mehrheit die ist interessant. Und die will „geleitet“ und „betreut“ werden und die Botschaft ist:

    „Seht her, wenn ihr AfD wählt werden die Nazis über uns herfallen.“

    Wenn die AfD jetzt trotzdem zulegt dann ist das natürlich ganz blöd gelaufen. Böse Wähler! Sympathisieren die doch tatsächlich mit den Nazi-Zombies. Da müssen wohl demnächst härtere Massnahmen ran. Heiko Maas hat es heute bereits via BILD online angekündigt.

    Den Tagesspiegel lese ich nicht. Dafür sehe ich die Sender des ÖR. Dort kam gleich auf mehreren Sendern als „Sachverständiger“ ein Abgesandter von der Antonio-Amadeu-Zensurstiftung im Interview zu Wort. Die waren übrigens auch schon bei meinem Enkel im Unterricht. Der ist 7 Jahre alt und hat nicht verstanden was die „Frau“ überhaupt wollte. Auf dem Zettel der im Unterricht verteilt worden war, lese ich aber Antonio-Amadeu-Stiftung.

    Richtig Zirkus mäßig ging es beim ZDF zu. Dort wurden zur besten Sendezeit ausgiebig Pöbler gezeigt, die in bester Nazimanier über Andersdenkende hergezogen sind, die anderen Leuten das Denken verbieten wollen, und dabei lustiger Weise „Nazis raus!“ brüllen.

  5. ... der Trittbrettschreiber am September 2nd, 2018 11:20 am

    ;-) … also was Roberto Blanco dazu sagt, bzw. singt, gefällt mir. Absurdität hat so ein Leuchten und glitzert, macht einfach auch Spaß.

  6. Bombe am September 2nd, 2018 1:04 pm

    Todesopfer der rechten Ausschreitungen wurden hier nicht nenannt.

    Todesopfer der ausländischen Messerkünstler: 1

    Mal drüber nachgedacht?

  7. Messdiener am September 2nd, 2018 2:24 pm
  8. Martin Däniken am September 3rd, 2018 11:26 am

    „Kulturkreise“ -Vierecke…
    da kommen mir diese Raucher-Vierecke auf Bahnsteigen in den Sinn…
    Warum hat die Bahn nicht Kreise genommen-Plumssackspielasoziation?
    Oder Dreiecke-dumme-Ecke-stehn-Asoziation?
    also Kulturdreiecke/-rauten/-Oktaeder verwenden?
    „Jemand stammt also aus einer anderen Kultürraute…
    Oder 3-Dimensional:
    „Jemand kommt aus einem anderen Kulturkegel..“

  9. Juri Nello am September 3rd, 2018 9:09 pm

Schreibe einen Kommentar