9. November, revisited

Berlin 69
Berliner Mauer 1969

Am 8. November 1939 verübte Georg Elser ein Attentat auf Hitler, das leider misslang.

Vor 11 Jahren schrieb ich: Über meinen privaten Helden Georg Elser muss ich den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser nichts erzählen. Elser war ein guter Terrorist. Er hat acht Menschen getötet, und ich verehre ihn.

Man muss nur Wikipedia lesen, um die offizielle staatliche Heuchelei um Elser einordnen zu können: „Der Chemnitzer Politologe Lothar Fritze, Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT), sprach 1998 in seiner Antrittsvorlesung Elser das moralische Recht ab, als Schreiner und Einzelgänger ein Attentat auf Hitler zu verüben und dabei den Tod von Unschuldigen in Kauf zu nehmen.“ Ich spreche Elser das moralische Recht zu, basta.

Berlin 69
Berliner Mauer 1969

Nicht zu vergessen: Die Totalitarismus-Doktrin (Rot gleich Braun, Hitler gleich Stalinl, Bautzen gleich Auschwitz, KPD gleich NSDAP) ist immer noch die heimliche Staatslehre und wird bei jeder Gelegenheit („gegen Extremismus“) hervorgeholt.

Berlin wall
Berliner Mauer in Second Life 2008

Vorgestern war auch ein Jubiläum: Während des CDU-Parteitags in Berlin am 7. November 1968 bestieg Beate Klarsfeld das Podium der Berliner Kongresshalle, ohrfeigte Kiesinger und rief: „Nazi, Nazi, Nazi!“ Kiesinger war übrigens der erste Politiker, gegen den ich demonstriert habe, noch vor Adolf von Thadden.

9. November

Amulette et al

bewaffneter matrose Strausberg
Credits: Wikipedia„Der Rote Matrose“ (Roter Matrose), Hans Kies, Bronze, Strausberg-Stadt

Übermorgen habe ich Urlaub in einem meiner Berufe, heute und morgen wenig Zeit. In Kürze:

– Rubrik „Interessante Lebensläufe“, Teil 1: General Pedro Altamirano (Spanisch) (Wikipedia, Englisch, natürlich kein deutscher Eintrag)

– Rubrik „Interessante Lebensläufe“, Teil 2: „The girl who executed Nazis after seducing them in bars dies aged 92“ (NZ Herald)

The Guardian über die 100 besten Bücher, die jemals geschrieben wurden (das muss ich mir im Detail noch ansehen).

Telepolis von Matthias Becker: „Wer hat uns die Fakten geklaut?“

– Ähnlich und zum Thema Fakten und Paralleluniversen die Jerusalem Post: „Was Netanyahu-Gantz impasse predicted in mystic’s hidden manuscript?“ Schon klar, Kabbala und geweihte Amulette und sowas. Jede Religion hat ihre ganz speziellen Esoteriker und Globuli-Fresser.

– Ach ja: Ben Johnson hatte kein Recht, das Parlament in den Urlaub zu schicken. Aber da kommt es aufs Kleingedruckte an. Als jemand, der sich in harten Kämpfen im Vereinsrecht stählen musste, frage ich: Was ist, wenn ihn das Urteil kalt lässt? War doch mit Ansage. Das Comman Law ist auch etwas sehr Besonderes.

– Auch Juristerei: Vor dem Europäischen Gerichtshof werden die Urteile gegen die Massenüberwachung von Kommunikation angegriffen.

– Auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig greift etwas an. Den VW Managern wird vorgeworfen, „entgegen der ihnen obliegenden gesetzlichen Pflicht den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die aus dem Aufdecken des sogenannten ‚Diesel-Skandals‘ resultierenden erheblichen Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert und damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen zu haben.“ Die rechtlichen Grundlagen der Anklage nennt man Pflicht zur Ad-hoc-Publizität. Folgen? Bußgelder. Har har.

– Zum mentalen Erholen: Tutanchamun kriegt einen renovierten Sarkophag. Das war schon im einmal Frühjahr aktuell.

– Alle österreichischen EU-Parlamentarier, auch die Grünen, haben Freitag im Europaparlament gemeinsam mit den Rechtsradikalen und Neonazis eine Resolution beschlossen, in der eine Hauptschuld am Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion angelastet und das Verbot Kommunistischer Parteien gut geheißen wird. Totalitarismus-Doktrin vom Feinsten. Da wächst zusammen, was zusammen gehört.

Extrem unbrauchbar

„Der Deutsche Journalisten‐Verband lehnt alle Formen von politischem Extremismus gleich welcher Ausrichtung strikt ab.“ Dieser Begriff ist extrem fragwürdig und auch unbrauchbar für die politische Analyse.

Da die „Definitionsmacht“ hier bei den politischen Institutionen des Staates liege, bestehe die Gefahr, dass andere Demokratievorstellungen ausgeblendet und Minderheitspositionen tendenziell mit illegitimen politischen Zielsetzungen gleichgesetzt werden.

Die „Extremismus“-Theorie ist eine enge Verwandte der Totalitarismus-Doktrin.

Hingeschlampt und nichts begriffen und fremde Vierecke

gewalt

Nein, lieber Tagesspiegel, das sind Fake News: Die Teilnehmer der Demonstration sind mitnichten „gegen Gewalt“ auf die Strasse gegangen, sondern gegen rechte Gewalt. Will mir hier jemand insgeheim die Totalitarismus-Doktrin unterjubeln? Wer so schlampig formuliert, hat entweder etwas weltanschaulich Böses im Schilde oder ist einfach faul und dumm. Zugunsten des Tagesspiegel nehme ich Letzteres an.

Die politisch gebildeten Leserinnen und an den Weltläuften interessierten Leser erwarten hoffentlich nicht, dass ich etwas über Sachsen und insbesondere Chemnitz schreibe? Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem. Der öffentliche Diskurs besteht wie gewohnt aus immerdengleichen sinnfreien Textbausteinen, seit dreißig Jahren. Ich kann es nicht mehr hören. Daher wiederhole ich mich jetzt auch.

„Die rechte Szene schöpft heute das rebellische Potential [der Jugend] ab und kann das auch deshalb, weil das Milieu politisch nicht eindeutig festgelegt ist und auch nicht werden muß. Die Anführer wirken wie die Hefe im Teig. Rassistische Vorurteile und nationalsozialistische Ideologeme können punktuell und bezogen auf bestimmte Anlässe aktiviert werden. Rassismus ist ein funktionierendes Modell, sich den Konkurrenzkampf im Kapitalismus hinreichend zu erklären und deshalb eine Option, die immer, ungeachtet der sozialen und wirtschaftlichen Situation, verfügbar ist.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997). Man muss nur, wenn man Eribon und Baron gelesen hat, „der Jugend“ weglassen.)

„Die rechte Szene ist in den neuen Bundesländern auch deshalb erfolgreich, weil es kaum eine Alternative gibt, die ein derart einfaches, homogenes und, was das Versprechen des persönlichen Machtzuwachses angeht, attraktiveres Weltbild liefert. Neonazis im Osten begreifen sich als Ordnungsfaktor in direkter Konkurrenz zur Polizei. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, daß sie die Bevölkerung eher vor den vermeintlich schädlichen Folgen ‚massenhafter‘ Zuwanderung und den Reibungen zwischen diversen kulturellen Traditionen schützen könnte als die politischen Entscheidungsträger.“ (Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene, 1997)

„In den letzten zehn Jahren ist so gut wie alles für den ‚Rechtsextremismus‘ verantwortlich gemacht worden, was man sich mit lebhafter Phantasie ausdenken kann: die Erziehung ohnehin, die autoritäre oder auch die antiautoriäre, je nach Couleur des Diskutanten, die angeblich fehlenden Väter, der ‚Frust‘, die Wiedervereinigung an sich, fehlende Lehrstellen und Billardtische in Jugendzentren, zerrüttete Elternhäuser, die, falls das ein Grund für Antisemitismus wäre, auch an der NSDAP Schuld sein müssten. Eine Vielzahl von Experten zum Thema ‚Rechtsextremismus‘, die den Eindruck erwecken, bei anderen abzuschreiben, ohne jemals einen Fuß bis nach Ostsachsen gesetzt zu haben, gebrauchen die Begriffe Wilhelm Heitmeyers wie ‚Individualisierung‘, ‚Globalisierung‘ und ‚erhöhte gesellschaftliche Desintegrationsprozesse‘ – wahrscheinlich ohne Heitmeyer im Original gelesen zu haben. Das klingt klug, sagt garantiert nichts aus und führt bei ‚Fachtagungen‘ garantiert zu verständnisvollem Kopfnicken der Publikums. (…)

Thesen, die nicht die Vergangenheit bemühen, klingen um so origineller, sind aber ebensowenig einleuchtend. Der PDS-Politiker Lothar Bisky, so meldete DPA im August 2000, sehe in der Wiedervereinigung Deutschlands eine wesentliche Ursache für den Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern. In der ARD-Sendung ‚Bericht aus Berlin‘ sagte Bisky, in der DDR gäbe es durch ‚diesen Law- and-Order-Staat‘ eine Art Samen. Den ‚Humus‘ für die Entwicklung des Rechtsextremismus habe dann die Vereinigung gegeben. Dann erst seien Rechtsradikalismus und Neonazis ‚auf die Straße gekommen‘.“

„Richtig ist, dass die Werte des rechten Milieus sich nicht signifikant von denen der Durchschnittsmenschen unterscheiden, eher noch die Prizipien des Kapitalismus, insbesondere das asketische Arbeitsethos, auf die Spitze treiben: Rechte Gewalttäter stehen oft, das ist statistisch signifikant, unter einem hohen Leistungsdruck, den sie unkritisch von ihren Eltern übernommen haben.“

„Toleranz hilft weder gegen Rassismus noch Antisemitismus. Sie fordert eine kulturelle Anstrengung ein, eine psychische Arbeit, das, was als anders empfunden wird, nicht verändern zu wollen. Jeder empfindet unterschiedliche Dinge als ‚fremd‘; ein allgemeiner Appell, das Gute zu empfinden und zu tun, tolerant zu sein, verpufft ausnahmslos ohne jede Wirkung.“

„‚Konfliktkultur‘ und Toleranz können sich nur unter Gleichberechtigten entwickeln. Alles andere ist keine Toleranz, sondern Paternalismus und vergleichbar mit der freundlichen Leutseligkeit heutiger christlicher Missionare gegenüber den ‚Heiden‘, die zum Glauben an das christliche höhere Wesen überredet werden sollen.“ (Burkhard Schröder: Nazis sind Pop; 2000, vgl. auch Deutsche und Neger.)

verfassungsschutz

Und was sagt uns das jetzt? Was änderte sich, wenn die Schlapphüte etwas beobachteten? Sähen sie dann auch etwas? Solche Sätze nach unzähligen Skandalen des Inlandsgeheimdienstes!? Wie blöd und ingnorant muss man sein – oder das Gedächnis einer Drosophila haben? Und „Ausländerfeindlichkeit“? Was sagt Roberto Blanco dazu?

„Die Nation definiert sich über eine fiktive ‚Identität‘, über eine vermeintliche ‚Leitkultur‘, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema ‚Rassismus‘ begrifflich abgekoppelt….) Die Dominanz des Unwortes ‚Ausländerfeindlichkeit‘ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sich nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative ‚Multikulti‘-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass ‚Kultur‘ oder ‚Ethnizität‘ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.“

Thomas Fischer faselt von „fremden Kulturkreisen“. Warum nicht Vierecken?

Jetzt mach ich mal etwas Vernünftiges, meine Blumen wollen gegossen werden.

Bautzen gleich Auschwitz?

Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU setzt, wie gehabt, auf die Totalitarismus-Doktrin.

Schwerer Schlag gegen blabla oder: Melden, durchführen. verbieten [Update]

censorship

Wer Zensur fordert, kriegt sie auch. Die so genannte AfD hatte gefordert: „Linksextremistische Online-Plattform „Indymedia“ abschalten!“. Jetzt hat der deutsche Innenminister geliefert. Der Schockwellenreiter hat das Nötige dazu geschrieben.

„Das Bundesinnenministerium hat heute morgen die linke Internetplattform linksunten.indymedia.org (der Link funktioniert momentan noch manchmal, manchmal auch nicht) verboten. (…) Im Verfahren gegen die Plattform wandten die Sicherheitsbehörden einen Kniff an: Förmlich soll es sich um ein Vereinsverbot handeln – die Betreiber wurden demnach von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal gar keinen gibt.“

Interessant. Das ist juristisch natürlich unhaltbar. Der Innenminister handelt offenbar nach der Devise: Legal. illegal, scheißegal. Aber das kennen wir ja. Das suggeriert auch die Website des Bundesinnenministeriums: Rechts und links seien „Pendants“.

„Das Verbot gegen die Vereinigung stützt sich auf § 3 Absatz 1 Satz 1 Alternative 1 und 2 des Vereinsgesetzes. Zweck und Tätigkeiten von „linksunten.indymedia“ laufen den Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Es ist das erste Verbot einer linksextremistischen Vereinigung durch einen Bundesinnenminister. Das rechtsextremistische Pendant zu „linksunten.indymedia“, die Internetplattform „Altermedia Deutschland“, hatte der Bundesinnenminister bereits am 27. Januar 2016 verboten.“

Totalitarismus-Doktrin, ick hör dir trapsen. Darüber hatte ich auch schon 2003 etwas geschrieben. Weimar lässt grüßen.

Update] „Laut dem Vereinsrechtler Lars Leuschner von der Universität Osnabrück reicht es für die Definition des Vereins schon aus, wenn zwei Personen zusammenarbeiten, (…) ‚Entscheidend sind vor allem die Merkmale des Zusammenschlusses und der Willensbildung, deren Nachweis bei konspirativen Vereinigungen natürlich schwierig ist.'“ Damit könnte man praktisch alles verbieten. Interessant dazu ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes sowie der Text (pdf): „Der Rechtsstatus nicht eingetragener Vereine und ihrer Mitglieder“.

Reminder: [Bitte selbst ausfüllen]Ismus

Ich habe gerade einige ältere Beiträge auf Burks.de bzw. spiggel.de angesehen und darf deshalb mich selbst aus dem Jahre 2003 zitieren. In aller Bescheidenheit: Ich habe immer noch recht, aber es hat sich auch nichts geändert. Das Statement ist noch aktuell.

Der Begriff „Rechtsextremismus“ ist nicht geeignet, das Problem hinreichend zu beschreiben. Der „Extremismus“-Diskurs fußt auf der Totalitarismus-Doktrin, die den politischen Mainstream der alten Bundesrepublik dominierte. Pointiert formuliert: „Rot gleich braun“, politisch umgesetzt im so genannten „Radikalenerlass“. Dieser These liegt eine falsche und affirmative Interpretation der deutschen Geschichte zugrunde: Die Weimarer Republik sei zwischen den politischen „Extremen“ zerrieben worden. Der (Rechts-)Extremismus-Diskurs, das Konzept der so genannten „wehrhaften Demokratie“ und die dazu passende Skandalbehörde Verfassungsschutz dient dazu, die politische Mitte und die Eliten von ihrer Verantwortung für Rassismus und Antisemitismus freizusprechen.

Wichtigste Ursache für rassistisch motivierte Gewalt ist der politische Konsens, die Nation Deutschland völkisch zu verstehen. „Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.“ (Wolfgang Schäuble). Deutschland ist das einzige Land Europas, das Einwanderer faktisch und im öffentlichen Diskurs als Menschen zweiter Klasse behandelt: Migranten sind „Ausländer“, also Nicht-Deutsche. Die Nation definiert sich über eine fiktive „Identität“, über eine vermeintliche „Leitkultur“, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema „Rassismus“ begrifflich abgekoppelt. Forschungen aus dem angelsächischen Sprachraum zum Thema Ethnizität und Migration – die begriffliche Folie, vor der politische Strategien gegen Rassismus denkbar sind, werden in Deutschland ignoriert und nicht rezeptiert. Solange das so bleibt, wird es keine „gegen rechts“-Strategie geben, die auch nur ansatzweise irgendeinen Erfolg verspricht.

Die Dominanz des Unwortes „Ausländerfeindlichkeit“ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, das rassistische Diskrimierungen sind nicht gegen Afrodeutsche richten oder . noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative „Multikulti“-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass „Kultur“ oder „Ethnizitit“ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.

Der deutsche Sonderweg „Rechtsextremismus“-Diskurs ist Teil der protestantisch geprägten Alltagskultur, die das politsche Problem Rassismus mit dem Appell an das nationale Kollektiv bekämpfen will, bestimmte Gefühle (Mut, Zivilcourage) zu haben. Der gut gemeinte „gegen rechts“-Diskurs beschränkt sich auf die Ikonografie der „richtigen“ Symbole („Gesicht zeigen“, „Flagge zeigen“) und bleibt letztlich wirkungslos.

Da steh‘ ich nun, ich armer Tor

Revolution

Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor, und weil das Zitat aus dem „Faust“ stammt, balle ich dieselbe noch in der Tasche. Zum ersten Mal weiß ich nicht, welche Partei ich bei der Bundestagswahl wählen soll.

Es kommen eh nur die Piraten oder die „Linke“ oder etwas Absurdes in Frage, wie Sonneborns „Die Partei“ oder eine spinnerte ultralinke Politsekte, die man wählen könnte, weil man die Garantie hat, dass sie zum Glück nie etwas zu bestimmen haben wird.

Gar nicht zu wählen kommt nicht in Frage, wenn man bedenkt, wie viele Menschen gekämpft und gestorben sind, auch hierzulande, für ihr Recht zu entscheiden, wer regieren darf. Ich bin ganz konservativ und traditionsbewusst, stamme aus einer Bergarbeiter- und Bauernfamilie und sehe mich in einer historischen Linie, die mindestens bei Wolf Göftel beginnt und den ich Jugendlichen zum Beispiel als Vorbild empfehlen würde, fragten sie mich nach einem.

Wahlen im Kapitalismus sind eine komplizierte Angelegenheit. Marx war ja noch der Ansicht, das „Proletariat“ – eigentlich: diejenigen, die keine Produktionsmittel besitzen – wäre in der Lage, die herrschende Klasse mit Gewalt zu beseitigen. Das ist natürlich aus zahllosen Gründen eine Illusion und falsch: Das Kapital agiert nicht national, eine weltweite gleichzeitige Revolution, wie man sie aus Russland oder Nicaragua oder aus Wunschträumen kluger und ultraschöner Frauen kennt, ist gar nicht vorstellbar und gehört ins Reich von Fantasy-Romanen.

Demokratie ist nichts anderes als eine Art temporärer gesellschaftlicher Konsens, dass es langfristig für alle Beteiligten effektiver ist, sich nicht die Köpfe einzuschlagen. Geht es wirklich um die Macht, wird die herrschende Klasse immer zuerst diesen Konsens aufkündigen. Wer die Macht hat, nutzt die Demokratie, um die anderen zu unterdrücken; Pfaffen und andere Prediger des Aberglaubens dienen seit jeher als Helfershelfer, um das Volk ruhigzustellen und zu verblöden.

Die größte Lebenslüge Deutschlands und das offizielle Propagandamärchen ist bekanntlich, die Weimarer Republik sei an den „Extremen“ von Links und Rechts zugrunde gegangen – darauf fußt die Totalitarismus-Doktrin, die regierungsamtliche Propaganda Interpretation der deutschen Geschichte. In Wahrheit ist Hitler von den politischen Bütteln der herrschenden Klasse finanziert und benutzt worden und mitnichten kein Dämon, den die Vorsehung an die Macht gespült hat. Nur zur Erinnerung (Burks‘ Blog, 19.11.2003):

Die Deutschkonservative Partei sprach sich 1892 in ihrem neuen Tivoli-Programm (der Parteitag fand in der Berliner Tivoli-Brauerei statt) gegen den „zersetzenden jüdischen Einfluß“ und gegen die Sozialdemokratie aus. Der antisemitische Hofprediger Adolf Stoecker war der Wortführer. Stoecker gründet den „Evangelisch-sozialen Kongreß“ zur Erforschung der sozialen Frage. Ihm gehören unter anderen auch liberale Intellektuelle wie Friedrich Naumann an, auf den sich heute die F.D.P. beruft.

Die Deutschnationale Volkspartei verpflichtete sich im Parteiprogramm 1920 zum Kampf gegen die „Vorherrschaft des Judentums in Regierung und Öffentlichkeit“. Im Reichstagswahlkampf 1924 lautet einer der Parolen: „Wer nicht wählt, wird Judas Sklave, wird Frankreichs Kuli, ruft den Bolschewismus ins Land, opfert seine Kinder.“ In München ging im Februar 1920 aus der völkisch-antisemitischen Deutschen Arbeiterpartei (DAP) die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) hervor. Hitler, so formuliert Winkler treffend, „ist bekanntlich nicht durch einen Wahlsieg an die Macht gekommen.“ Bei der Reichstagswahl 1932 verlor Hitler zwei Millionen Stimmen, hatte auch keine parlamentarische Mehrheit, als er am 30. Januar 1933 zum Reichkanzler ernannt wurde. Die Mehrheit verschafften ihm die Nationalkonservativen. Und Hitlers Koalitionspartner, der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot um Franz von Papen und Alfred Hugenberg mit ihren acht Prozent Wählerstimmen sicherten der NSDAP die Macht. „Nicht der Parteiführer, aber der Reichskanzler Adolf Hitler konnte sich einer klaren Mehrheit erfreuen – dank der Nationalkonservativen.“

Revolution

Der Artikel 20 des Grundgesetzes sagt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Wenn das Volk sich hat aber entwaffnen lassen, wie soll der Widerstand möglich sein, wenn es in Deutschland einen „kalten Putsch“ gäbe, etwa das Verfassungsgericht mit einer Mehrheit im Bundestag entmachtet würde oder die anlasslose Totalüberwachung aller Bürger jede Form der Opposition im Keim erstickte?

Nur um mir noch mehr Freunde unter den Gutmenschen und Lichterkettenträgern und neuen Reaktionären zu machen: Ich bin ein Verehrer des US-amerikanischen Waffenrechts, das im Kern nichts anderes meint, als dass das Volk bewaffnete Milizen aufstellen darf, um gegen Tyrannei zu kämpfen. Die allgemeine Volksbewaffnung war immer eine linke Forderung und musste manchmal mit Gewalt erkämpft werden, seit mehr als 500 Jahren, und ist nur deshalb nicht mehr im öffentlichen Bewusstsein, weil die so genannte „Linke“ hierzulande ein pappnasiger feiger Papiertiger ist, der sich, wie die Medien es schon bei Interviews vormachen, die Revolution von der herrschenden Klasse vorher „autorisieren“ ließe.

Hermann L. Gremliza, der Herausgeber der konkret, schrieb:
Söhne aus gutem, wenn nicht bestem Haus, ausgebildet an berühmten Universitäten: Ernesto Guevara, Fidel Castro, Salvador Allende, die Ortegas, Patrice Lumumba oder Nelson Mandela, die allesamt für den Westen als kommunistische Terroristen galten und, bis auf Mandela, noch heute gelten. Die meisten von ihnen suchten Beistand im Westen, bis sie – nicht zuletzt am Beispiel von zwei Millionen für Freedom and Democracy ermordeten Vietnamesen – erkennen mußten, daß das Gerede von den höchsten Werten eben genau das war: Gerede summa cum laude; und lernen, daß die einzige Macht, von der sie – aus welchen Gründen auch immer – Schutz und Hilfe erwarten konnten, das Reich des Bösen war: der Realsozialismus.

Und in einem Gespräch mit Ignaz Bubis:
[Gremliza] Vor vier Jahren haben Sie mir noch gesagt: »Es gibt für mich keinen Grund, kein Deutscher sein zu wollen. Ich habe ein neues Deutschland erlebt, ein demokratisches Deutschland. Wir sind die deutschen Patrioten, wir, das andere Deutschland, die Mehrheit.« Erinnern Sie sich?
[Bubis] Ja. Ich halte die Mehrheit für demokratisch, nach wie vor. Besonders die zwei Generationen in der Demokratie Geborene, aber nicht nur diese. Ich habe auch keine Probleme mit Patriotismus, ich habe keine Probleme mit einem Nationalgefühl. Nur es darf nicht ins Völkische, ins Nationalistische übergehen.
[Gremliza] Es gibt kein deutsches Nationalgefühl ohne Antisemitismus und Rassismus.

So viel zur Demokratie und den Wahlen, die wichtig und unumgänglich sind, auch als Schule für die Nachgeborenen, zu lernen, wie man Mehrheiten schafft oder warum nicht, aber die nie die Macht- oder die Systemfrage stellen werden, jedenfalls nicht in Deutschland.

Wir waren bei der Frage, wen ich wählen soll im September. Die Piraten stehen mir am nächsten, die einzige Partei, die Freiheit über Sicherheit stellt, die die Trennung von Staat und Kirche wirklich fordert und deren drogenpolitische Thesen vernünftig sind. Die Piraten haben sich aber zur Harmlosigkeit verdammt, solange dort die Anhänger der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM) frei herumlaufen dürfen und mit ihren vulgärökonomischen Fetischismen den Leuten die Köpfe verkleistern.

Die Partei „Die Linke“ ist aus denselben Gründen harmlos. Lafontaine hat offenbar noch nie eine Zeile von Karl Marx gelesen, sondern wettert stattdessen gegen das „raffende Kapital“, das er „Finanzkapital“ nennt; seine Lebensabschnittsgefährtin verehrt Ludwig Erhardt, der es immerhin geschafft hat, die affirmative Neusprech-Sprachregelung „freie soziale Marktwirtschaft“ anstatt „Kapitalismus“ in alle deutschen Köpfe zu hämmern. Und die soll ich wählen? „Wie viel muss man eigentlich essen, um angemessen kotzen zu können?“ (Urban Priol)

Bliebe noch Die Partei. Ihr Motto „Inhalte überwinden“ ist treffend, obwohl ich vermute, dass der Deutsche Journalistenverband die Urheberrechte beanspruchen könnte. Ich muss aber warnen: Meine Geduld, mich mit ignoranten Idioten herumzuplagen, ist, je älter ich werde, immer begrenzter – das habe ich auch im DJV Berlin gerade deutlich gemacht. Falls ich „Die Partei“ also wählen soll, verlange ich, dass die meine Stimme vorher kaufen. Angebote nehme ich (nur) per verschlüsselter E-Mail gern entgegen.

Right-Wing Rxtremists

Totalitarismus-Doktrin à la Spiegel online: „In den USA werden derartige Gruppen als ‚right-wing extremists‘ dem rechten politischen Spektrum zugeschlagen, ohne dass es sich notwendigerweise um Neonazis oder Rechtsradikale nach europäischem Verständnis handeln muss.“

Ach? Sicher, in Deutschland muss man viel mehr tun, um „rechtsradikal“ zu sein. Nur Antisemit und Rassist zu sein, reicht nicht aus. Das Gütesiegel „rechtsradikal“ bekommt man in Deutschland erst, wenn man V-Mann des Verfassungsschutzes ist im Verfassungsschutzbericht auftaucht.

Sich prügelnde kackbraune gymnasiale Kameraden

chattia

„Die Chattia Friedberg wurde im vergangenen Jahr in Hamburgs Verfassungsschutzbericht als rechtsextrem eingestuft und steht unter Beobachtung“, schreibt Spiegel online über kackbraune gymasiale Kameraden. [VS Hamburg: „Diese Datei ist beschädigt und kann nicht repariert werden.“]

Genau so habe ich mir das vorgestellt. (Und die Quellen verlinken könnte Ihr offenbar immer noch nicht, ihr Pappnasen – außer auf Facebook!)

Was will uns der Künstler die Autorin damit sagen? Was in einem Verfassungsschutzbericht steht, ersetzt die eigene Recherche oder das eigene Nachdenken, was politisch kackbraun sei oder nicht? Der Verfassungsschutz ist keine seriöse Quelle und schon gar keine, die man zitieren darf ohne eine zweite, unabhängige dazu!

Aber so läuft das eben: Nach dem 673sten Verfassungsschutz-Skandal und der unstrittigen Tatsache, dass der Inlands-Geheimdienst nicht nur nicht vor den rechten NSU-Terroristen gewarnt hat, sondern diese bzw. deren Umfeld auch unterstützt hat, machen die Medien weiter, als sei nichts geschehen. Der Textbaustein „der Verfassungsschutz warnt“ hat sich so in die Gehirne eingebrannt, dass man ihn nicht wieder herausbekommt.

Und was soll uns die auch sprachlich hässliche Phrase „steht unter Beobachtung“ sagen? Wer „beoabachtet wen? Die Schlapphüte lesen in der Zeitung, was sie dort über sich verprügelnde kackbraune Pennäler lesen und üben sich dann in copy und paste, was dann auf einer jährlichen Pressekonferenz als „Verfassungsschutzbericht“ vorgestellt wird? Oder marschieren Verfassungschützer heimlich in der Nacht ein und onlinedurchsuchen kackbraune Rechner installieren Wanzen, damit sie bei Saufgelagen Rufe wie „Sieg Heil!“ mitschneiden könnten? Und was definiert der Inlands-Geheimdienst als „rechtsextrem“? Ist das eine sinnvolle Kategorie oder nicht vielmehr ein Relikt der Totalitarismus-Doktrin, die da besagt, Bautzen sei vergleichbar mit Auschwitz?

Oder heißt „beobachten“, dass die Funktionäre der „Chattia Friedberg“ und „Germania“ in Wahrheit von meinen Steuergeldern bezahlt werden?

By the way: die Autorin heisst Hannah König mit einer Mailadresse bei unispiegel.de. Eine gleichnamige Autorin stellt die „Jugendseite“ der SZ vor. Es gibt auch noch eine Hamburger Studentin der Mathematik mit diesem Namen, was wiederum zum Ort des Artikels passen würden. Verifizieren konnte ich das nicht.

Ich, du, er, sie, es distanzieren uns unvereinbar

Heise berichtet, dass der Chaos Computer Club e.V. sich sich vom Hamburger Verein Attraktor e. V. „distanziert“. Golem formuliert das anders: „Der Chaos Computer Club hat sich nach einem Streit vom befreundeten Hamburger Verein Attraktor distanziert und zieht aus den gemeinsamen Räumen aus. Die Begründung: Ein Vorstandsmitglied grenze sich nicht von seiner rechtsextremen Vergangenheit ab.“ Die taz suggeriert in ihrer Überschrift eine „Verbindung nach rechts“.

Dann wollen wir mal ein wenig recherchieren. Die Antifa Hamburg hat das aus ihrer Sicht Wesentliche aufgelistet: Klarnamen und Adresse usw., wie das in diesen Kreisen üblich ist.
Auf die Frage nach seiner Lieblingsposition im „Dritten Reich“ antwortet Marquardt am 15.01.2005: „The leader of the RSHA (SS-Obergruppenführer Heydrich) or the Gestapo (SS-Gruppenführer Müller).“ Das ist sieben Jahre her.
Bereits vor der den ‚Attraktor‘-Vorstandswahlen am 13.06.2012 informierten wir den CCC über Marquardts Naziaktivitäten. Es stellte sich heraus, dass Robert Marquardt gegenüber den ‚Attraktor‘-Gruppen behauptet hatte, bereits 2008 aus der Naziszene ausgestiegen zu sein.

Für diese Art von Antifa kann man, das muss gesagt werden, überhaupt nie aus der Nazi-Szene aussteigen, weil das „eindeutige“ Büß- und Distanzierungsritual, das eine Abkehr vom Bösen glaubhaft machen würde, nirgendwo schriftlich fixiert ist und Canossa heute nicht mehr angesagt, weil der Papst nicht zuständig ist.

taz: „Bis heute hätte sich M. für den CCC ’nicht eindeutig von seiner rechtsradikalen Vergangenheit und seinem damaligen Umfeld distanziert‘, heißt es in einer Erklärung am Sonntag.“
Attraktor e.V.: „Der Vorstand des Attraktor und auch seine Mitglieder distanzieren sich ganz klar von Faschismus, Rechtsradikalismus und Gewalt in jeder Form. (…) Zudem möchten wir betonen, dass der Vorstand und die Mitglieder des Attraktor hinter Robert stehen. Wir unterstützen seine Abkehr von der rechten Szene und wissen, dass Robert viel Arbeit und Zeit in den Aufbau dieses Makerspace investiert hat.“
Golem: „Aus seiner Vergangenheit in der rechten Szene soll der Mann kein Geheimnis gemacht haben. Er soll aber behauptet haben, 2008 endgültig ausgestiegen zu sein.“

Interessant ist auch, dass der CCC sich zur Totalitarismus-Doktrin und dessen Wortwahl bekennt: „Wenn sich Rechtsradikale nicht von unseren Strukturen abgrenzen, grenzen wir uns konsequent von den Rechtsradikalen ab.“

Nur mal zur Erinnerung:
Der Chaos Computer Club hat die German Privacy Foundation zum Chaos Communication Congress 2008 ausgeladen. ‚Es gibt gegen euch bzw. gegen Leute von euch sehr grosse Vorbehalte. Tatsächlich ist Burks selbst bei uns bis auf weiteres Persona non grata.‘ So heißt es in einer Mail des CCC. ‚Wir haben das besprochen und möchten eigentlich nicht, dass ihr einen Stand auf dem 25C3 aufbaut.'“

Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse nie. Der CCC distanziert sich eben schnell und gern, auch von unerwünschten linksradikalen Journalisten wie mir. Sinnfrei ist das in jedem Fall.

Semken hat Jehova gesagt

In einer Mailingliste der Piratenpartei schrieb jemand: „der LaVo will noch im Mai eine Konferenz zu Rechtsextremismus, Rassimus etc. durchführen.(…) Bevor die Arbeit getan ist, positioniert sich unser Landesvorsitzender Hartmut Semken als Linksextremist, so berichten jedenfalls die Medien.“

Ich antwortete und sprach:

Diesen Begriff aus der Mottenkiste der Totalitarismus-Doktrin kann man ja wohl nur ironisch benutzen, weil er rein gar nichts aussagt.

Semklen hat ganz richtig gesagt: „Ich bin nach Verfassungsschutzdefinition Linksextremist“.

Wer die „Definitionen“ des Inlands-Geheimdienstes ernst nimmt, ist selbst schuld.

Aber natürlich greifen die hyperventilierenden Reiz-Reaktions-Muster der Medien und der Lichterkettenträger jetzt.

Schlapphüte reloaded

Dieser Artikel von mir (pdf, 2,1 Mb) ist in der aktuellen Ausgabe von Nitro erschienen.

Der Verfassungsschutz kann nicht abgeschafft werden – seine Existenz fußt auf der Lebenslüge der Bundesrepublik. Trotz zahlloser Skandale brauchen und unterstützen die Medien den Inlands-Geheimdienst.

Die Deutschen lieben ihre Geheimdienste. Die Forschungsgruppe Wahlen fand in einer repräsentative Telefonumfrage im Auftrag des ZDF im November 2011 heraus: 54 Prozent der Befragten möchten den Geheimdienstagenten erlauben zu töten, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. Licence to kill für den BND, MAD und Verfassungsschutz also.

Heribert Prantl erkühnt sich in der Süddeutschen Zeitung (7./8.01.2012), den Verfassungsschutz grundsätzlich in Frage zu stellen, denn der Geheimdienst schütze die Verfassung nicht, er gefährde sie. Darauf kann man durchaus kommen, schließlich waren die für „Rechtsextremismus“ zuständigen Schlapphüte ein Jahrzehnt nicht in der Lage, die Nazi-Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zu entlarven und ihr Einhalt zu gebieten. Viel schlimmer noch: Der Spiegel schrieb (31.12.2011), die Verfassungsschützer hätten bis 2011 sogar genau über die Aktionen der untergetauchten Neonazis Bescheid gewusst. Das gehe aus einem Geheimbericht vor, der dem Magazin vorliege.

Gleichzeit beobachteten aber fast genau so viele Mitarbeiter der Behörde Parteimitglieder der Linken – nach nicht nachvollziehbaren Kriterien, da sowohl Pragmatiker als auch wortradikale Retro-Kommunisten ins Visier gerieten und sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht wurden.

Wer das aber aus guten und vernünftigen Gründen kritisiert, vergisst, dass Argumente diejenigen nicht überzeugen werden, die sich an der Existenz des Inlands-Geheimdienstes festklammern, als müssten sie sich vor dem weltanschaulichen Ertrinken retten. Der Verfassungsschutz ist die Inkarnation einer Geschichtsinterpretation, die behauptet, die labile Demokratie der Weimarer Republik sei zwischen den „Extremen“ von links und rechts zerrieben worden.

Der Verfassungsschutz ist die Inkarnation einer falschen Geschichtsinterpretation.

Diese These ist, obzwar falsch, immer noch der Konsens des politischen Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland. Wer diesen Konsens in Frage stellt, zwingt den diskursiven Mainstream, über die Wurzeln nachzudenken, woher rassistischer Terror und antisemitische Hetze stammen. Das aber ist nicht gewollt. Die Gefahr ist zu groß, dass auf einen kontroversen gesellschaftlichen Diskurs über die Frage „Was ist deutsch?“ zu viele völkische und in der Wolle dunkelbraun gefärbte Antworten zu hören wären.

Aus diesem ideologischen Schoß kroch die Totalitarismus-Doktrin, die von Extremismus spricht. Es gibt jedoch kaum ein Medium im Deutschland, das sich dieser propagandistischen Worthülse entzieht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.01.2012) beginnt einen immerhin kritischen Artikel über den Verfassungsschutz folgendermaßen: „Was kann und soll ein Inlandsgeheimdienst?“ Dann aber kommt sofort die Gleichung Rot gleich Braun: „Und wer schützt uns künftig vor Extremisten?“ Ein CDU-Hinterbänkler würde noch hinzufügen: „von links und rechts“.

Das Magazin Focus (06.02.2012) ist in seiner Wortwahl deutlich: „Die linksmotivierte Gewalt hat nach einem Zeitungsbericht stark zugenommen. (…) Rechte Gewalttaten hätten nur unwesentlich abgenommen.“ Linksmotiviert und rechtsmotiviert: Man weiß zwar nicht mehr, um welche Inhalte es geht, aber der Totalitarismus-Doktrin ist Genüge getan: Die „Extremen“ sind das Problem, und um die kümmert sich bekanntlich der Verfassungsschutz. Die Süddeutsche zitiert (25.01.2012) genau diese „Argumentation“ des Innenministers: „Man müsse, so sagt Friedrich, die Linken auch deswegen beobachten, weil man sonst nicht begründen könne, Landtagsabgeordnete der NPD zu überwachen. Schließlich gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz.“

Quod erat demonstrandum. Auch wenn man das „Heilige Einfalt“ nennt wie die Süddeutsche – den betonharten Diskurs der Totalitarismus-Theoretiker ficht das nicht an. Der „Extremismus“-Diskurs ist keine wissenschaftliche These, sondern ein fast religiöser Mythos, der der alten Bundesrepublik weltanschaulich ermöglichte, vom Kampf gegen den Bolschewismus der Nazi-Zeit bruchlos zum Antikommunismus des Kalten Krieges überzugehen, ohne erklären zu müssen, warum man das zum Teil mit demselben Personal machte – wie etwa dem Ex-Gestapo-Mann und SS-Hauptsturmführer Erich Wenger, der beim Bundesamt für Verfassungsschutz in der Abteilung „Spionage-Abwehr“ tätig war.

Die Medien zitieren den Verfassungsschutz gern, wenn es um „Rechtsextremismus“ geht. Das erspart eigene Recherchen.

Die Medien zitieren den Verfassungsschutz gern, wenn es um Rechtsextremismus geht. Das erspart eigene Recherchen und erweckt den Anschein, man berufe sich auf seriöse, quasi behördliche Quellen, auch wenn diese meistens weder nachgeprüft wurden noch seriös waren. Das widerspricht der Maxime seriöser Journalisten, etwas nur zu veröffentlichen, wenn es mindestens zwei unabhängige Quellen gibt. Die Behörde Verfassungsschutz betreibt aber Lobby-Arbeit in eigener Sache und ist also genauso „seriös“ wie die Pressestelle eines Unternehmens, das über sich selbst informiert.

Die Unsitte hat mit Geben und Nehmen zu tun: Journalisten, die einen guten Draht zu einzelnen Mitarbeitern des Geheimdienstes haben, können darauf hoffen, interessante Details zu erfahren – ohne recherchieren zu müssen. Im Gegenzug wird erwartet, dass die Thesen des Verfassungsschutzes ungeprüft in die Medien übernommen werden. „Der Verfassungsschutz warnt vor“ ist eine gebetsmühlenartige und gängige Floskel, die man tausendfach wiederfindet.

Immerhin hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Problem erkannt: Deutschland mache sich „zum Gespött“. „Der Verfassungsschutz mit seinem Bundesamt und seinen 16 Landesämtern ist ein Sonderweg der Bundesrepublik. Es ist ja die geheimdienstliche Beobachtung etwa der italienischen Kommunisten oder des französischen „Front National“ uns bisher nicht bekannt geworden, wir wüssten von keiner Behörde in den Nachbarländern, die über ihre Befunde zum Extremismus jährlich Bericht erstattete.“

Und was wäre die Konsequenz? Der Verfassungsschutz sollte ersatzlos aufgelöst werden. Niemand würde sein Fehlen bemerken. Nur müssten die Journalisten, die über Rassisten und Antisemiten berichten oder über Gewalttäter, die sich als „links“ verstehen, persönlich recherchieren. Und die Deutschen müsste darüber nachdenken, was zu tun sei, wenn man die Ränder der Gesellschaft als Symptom und nicht als die Ursache gesellschaftlicher Probleme ansieht.

Wer aber fordert, den Inlandgeheimdienst aufzulösen, denkt so illusionär wie jemand, der fordert, in Deutschland müssten Staat und Kirche getrennt werden oder der „Kampf gegen Drogen“ sei ein Irrweg.

Verfassungsschutz-Skandale in der Vergangenheit (Auswahl)

1954 Affäre John: Der erste Chef des Verfassungsschutzes flieht in die DDR. Otto John behauptet später, er sei entführt worden.

1963 Telefon-Affäre: Der Verfassungsschutz hört ein Kooperation mit den Alliierten unbefugt zahllose Telefonate mit, sogar von CDU-Abgeordneten.

1968/69 Peter Urbach – V-Mann und Agent Provocateur des Berliner Verfassungsschutzes – liefert Molotowcocktails an Studenten, Waffen für die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) und eine Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus.

1977 Das Kölner Bundesamt und das Innenministerium lassen Verfassungsschützer in das Haus des Physikers Klaus Traube einbrechen, um dort Wanzen anzubringen. Der Verfassungsschutz intrigiert bei Traubes Arbeitgeber Siemens; Traube wird entlassen. Der Spiegel titelt: „Verfassungsschutz bricht Verfassung“.

1983 offenbart sich in Berlin Werner Lock der Polizei, ebenfalls ein V-Mann. Er berichtet von einem konspirativen Treffen am 17. Juni 1977, bei dem Nazi-Terroristen der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und der „Deutschen Aktionsgruppen“ des Manfred Roeder Absprachen für Anschläge und Überfälle getroffen hatten. Ein Zehntel der Anwesenden Nazis bei diesem Treffen waren V-Männer.

1983ff: Die Neonazi-Partei „Nationalistische Front“ wird 1983 mit Geldern aufgebaut, die der Verfassungsschutz dem V-Mann Norbert Schnelle zahlte, der sich nur zum Schein hatte anwerben lassen.

1985 bis 1987: Ludwig-Holger Pfahls wird er Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Pfahls hat später in mehreren Fällen Schmiergelder in Höhe von mehreren Millionen Mark angenommen. 1999 setze er sich ins Ausland ab und wurde mehrere Jahre steckbrieflich gesucht.

1992/1993 Der Solinger V-Mann Bernd Schmitt integriert Jugendliche in die rechte Szene und bildete sie in seiner Kampfsportschule aus. NRW-Innenminister Herbert Schnoor sagte, er sei mit der Arbeit des V-Mannes Schmitt „sehr zufrieden.“ 1993 werden in Solingen fünf Menschen ermordet. Drei der später für den Brandanschlag verurteilten Neonazis hatte in Schmitts Kampfsportschule trainiert.

2001ff. NPD-Verbotsverfahren: Die Verfahren werden vom Bundesverfassungsgericht am 18.März 2003 eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig sind.

2011 Nach Informationen der Berliner Zeitung haben Thüringer Landeskriminalamt und Verfassungsschutz bei ihren Fahndungen nach der terroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund gegeneinander gearbeitet. Der Verfassungsschutz räumte direkte Geldzahlungen an das Trio ein.

Ceterum censeo: Verfassungsschutz abschaffen!

Ceterum censeo: Verfassungs“schutz“ abschaffen!

Da aber die Existenz des Inlandsgeheimdienstes Teil der Totalitarismus-Doktrin und der Lebenslüge der bürgerlichen Parteien ist, wird das nie geschehen.

Verfassungssumpf (VS)

Am 11.11.2011 schrieb ich: Sorry, wenn ihr erwartet, dass ich jetzt die bekannte braune Sau ‚Braune Armee Fraktion‘ durch’s mediale Dorf treibe, dann täuscht ihr euch. Ich warte erst ab, bis das Thema ein Verfassungsschutz-Skandal wird.

Heute lesen wir gemeinsam die Süddeutsche:
„Die Ermittler haben nach Informationen von sueddeutsche.de Hinweise auf einen Brief, in dem von einer früheren Informanten-Tätigkeit Zschäpes für staatliche Behörden die Rede ist. (…) Demnach ging der Brief vor dem Abtauchen der drei Neonazis 1998 beim Vater von Uwe Mundlos ein. Dieser ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet. (…) Der anonym abgefasste Brief beschreibt angeblich auch, warum die Rechtsextremistin in den neunziger Jahren mit den Behörden kooperierte. Beweggrund soll eine mögliche Strafmilderung für einen Verwandten gewesen sein.“

Hermann L. Gremliza schreibt in der aktuellen Ausgabe der konkret („Vertraulich. Nur für den Dienstgebrauch“):

„Das Gerede vom Extremismus, wahlweise auch Radikalismus, is Propaganda. Es gibt keinen Linksextremismus, auch keinen Rechtsextremismus oder ‚Rechtsterrorismus‘.. (…) Der Begriff des Extremismus ist ein Derivat der Totalitarismus-Doktrin. (…) So verwerflich die Motive der RAF gewesen sein mögen, ihre Opfer waren keine armen Teufel, sondern Repräsentanten der herrschenden Klasse, der sie den Krieg erklärt hatten, und deren Personal. (…)

In Wahrheit haben alle Dienste funktioniert, wie sie sollem. (…) Polizei, Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Justiz und Militär wurden mit Mann und Maus auf dem Nazistaat übernommen. Fast alle NS-Polizisten blieben im Amt, den Bundesnachrichtendienst und die Ämter für Verfassungsschutz gründeten und besetzen Männer der Reichssischerheitshauptamts, der Gestapo und der Organisation Fremde Heere Ost, nicht ein einziger NS- Richter wurde je verurteilt, und sei es nur zu einer gebührenpflichtigen Verwarnung, die Bundeswehr wurde von Offizieren aus Hitlers Vernichtungsfeldzug gegründet und, wenn die Sache das Wort erlaubt, beseelt. (…) Die letzten Gründer waren noch in den achtziger Jahren in ihren Ämtern, was heute dort sitzt, haben sie geschult.“

Gremliza hat seine eigene Zeitung und kann dort schreiben, was er will. Es sagt viel über den deutschen Medien-Mainstream aus, dass die obige Meinung, obwohl doch kaum jemand die Fakten bestreiten kann, nicht vorkommt und nur von einer winzigen Minderheit vertreten wird.

Nein, ich habe meine Meinung, die der von Gremliza auf’s Haar gleicht, nicht von ihm abgeschrieben, sondern mir selbst ausgedacht und in „Nazis sind Pop“ formuliert.

Am 01.10.2003 schrieb ich in der Jungle World:

Der diskursive Mainstream, was das Problem sei, hat sich wie Beton verhärtet und erzeugt, stösst man ihn an, immer dieselben Textbausteine, bei den Guten wie auch den Bösen. Die offizielle Staatsdoktrin mit quasi-religiöser Konsistenz ist immer noch die Totalitarismus-Doktrin alias „Extremismus“-Diskurs, der durch den vermeintlich anständigen Symbolismus eher noch verfestigt wurde. Die affirmative und falsche Interpretation des Untergangs der Weimarer Republik, die zwischen den „Extremen“ zerrieben worden sei, liegt wie klebriger Mehltau über der Debatte. Der Begriff „Rechtsextremismus“ beweist, dass man trotz oder wegen des Medienhypes „gegen rechts“ kräftig am eigentlichen Thema vorbeidenkt und diskutiert.

Seit wann ist die Linke linksextrem?

linksextremismus

Irgendwie ticken die Uhren in Bayern anders. Die entblöden sich nicht, eine im Bundestag vertretene Partei unter „Linksextremismus“ abzuheften. Totalitarismus-Doktrin vom Feinsten eben. (via Fefe)

Die SPD und der Extremismus

Die Fraktion „Die Linke“ im Thüringer Landtag reichte einen Entschließungsantrag „Thüringer Verzicht auf eine sogenannte Antiextremismuserklärung“ ein. Die SPD verweigerte sich:

„In der Landtagsdebatte meldete sich dann der SPD-Innenpolitiker Heiko Gentzel zu Wort. Die ‚Extremismusklausel‘ sei auch für ihn ’nicht nachvollziehbar‘, ließ er wissen. Doch Gentzel legte weiter nach: „Das ist für mich eine sehr grundsätzliche Frage, aber das heißt für mich auch, bei grundsätzlichen Fragen alles zu beachten und nicht Dinge, die in dieser Debatte dann laufen, für mich einfach auszublenden; da bin ich beim Antrag der Fraktion DIE LINKE. Weil die Frage für mich so grundsätzlich ist – ich kann über diese Hürde nicht springen -, kann ich einen Antrag nicht unterstützen, wo ich weiß, dass ein Abgeordneter Kuschel die Hand dran hatte, um das ganz klar und deutlich zu sagen. Ich kann über diesen Schatten nicht springen.'“

Sicher: Eine Partei, die die Berufsverbote und den „Radikalenerlass“ zu verantworten hat, ohne dass sie das jemals bereut hätte, kann jetzt nicht gegen den „Extremismus“ sein. Die Totalitarismus-Doktrin ist immerhin die offizielle Staatslehre in Deutschland.

Totalüberwachtes Lob des Kommunismus

Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist doch kein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm.
Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Ausbeuter nennen ihn ein Verbrechen.
Aber wir wissen:

Er ist das Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit, sondern
Das Ende der Tollheit.
Er ist nicht das Chaos
Sondern die Ordnung.
Er ist das Einfache
Das schwer zu machen ist.

Bertolt Brecht

Ich fordere aus gegebenem Anlass, diese volksverhetzenden, empörenden und vor allem total jugendgefährdenden Inhalte aus dem Schulunterricht und auch aus Museen zu verbannen. Lehrer, die es dennoch wagen, Brecht im Deutschunterricht zu erwähnen, sollten total mit Berufsverbot belegt oder mindestens totalüberwacht werden.

Dieses Verb gab es zwar bisher nicht im Deutschen, die deutsche Sprache sollte aber den Belangen der total wahren Totalitarismus-Doktrin – der einzig erlaubten Sicht auf die deutsche Geschichte – totalangepasst werden. Zumindest sollte ein Vermerk in jedes Buch und jede Internet-Veröffentlichung, dass der „Dichter“ Brecht seine total antifreiheitlichdemokratischen Zeilen in einem Zustand geistiger Totalumnachtung verfasst hat.

Es kann nicht sein, dass die Freiheit der Rede missbraucht wird, um den Jugendschutz zu unterhöhlen und Kinder und Herwachsenden total hilflos mit diesem Schmutz und Schund allein zu lassen. Allein schon wegen Brecht brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung jetzt und total sofort. Auch sollte die Polizei jederzeit auf alle Computer zugreifen können, um kontrollieren zu können, ob sich dort jugendgefährdende Inhalte befinden – wie etwas Bertold Brecht und anderen Formen von Kinderpornografie. Das will auch die total große Mehrheit der Deutschen.

Schützt endlich unsere Kinder vor total undeutschen Dichtern!

Auch hier lesen: „10 Gründe, warum der Kommunismus schlecht für uns wäre“.

Der Konsens ist völkisch

Mir liegt es schon fast auf den Lippen, laut zu rufen: (Meinungs)freiheit für Thilo Sarrazin! Mittlerweile finde ich einige seiner Gegner ekelhafter als ihn selbst.

Einer meiner Gründe, nicht die Grünen zu wählen, heisst bekanntlich Claudia Roth. Die sagt laut Welt, „wenn die Bundesbank Sarrazin nicht abberufen lasse, ‚dann wird aus dem Fall Sarrazin bald ein Fall Bundesbank'“. Da haben wir dann schon einen Fall Roth: Die Grünen-Chefin sollte dringend ihrer Verhältnis zur Meinungsfreiheit überdenken. Wer jetzt Berufsverbot für Sarrazin fordert, der kann auch gleich in die CDU eintreten und Auschwitz mit Bautzen gleichsetzen wie unsere Totalitarismus-Doktrinäre. Was verlangt die Roth denn von den Charaktermasken des Kapitals, die sich in der Deutschen Bank tummeln – einen Rassismus-Tüv a priori?

Ich zitierte am 02.03.2003 (vor sieben Jahren) mich selbst („Nazis sind Pop„):
Wichtigste Ursache für rassistisch motivierte Gewalt ist der politische Konsens, die Nation Deutschland völkisch zu verstehen. „Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.“ (Wolfgang Schäuble). Deutschland ist das einzige Land Europas, das Einwanderer faktisch und im öffentlichen Diskurs als Menschen zweiter Klasse behandelt: Migranten sind „Ausländer“, also Nicht-Deutsche. Die Nation definiert sich über eine fiktive „Identität“, über eine vermeintliche „Leitkultur“, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema „Rassismus“ begrifflich abgekoppelt. (…) Die Dominanz des Unwortes „Ausländerfeindlichkeit“ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sind nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative „Multikulti“-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass „Kultur“ oder „Ethnizitit“ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.

Hat sich daran etwas geändert? Natürlich nicht. Sarrazin spricht das aus, was die Mehrheit denkt und was jahrzehntelang quasi offizielle Staatslehre war.

Was ist jedoch ein rechtspopulistischer Faselheini wie Sarrazin gegen diejenigen Akteure des Kapitalismus, die um des Profits willen Menschen hungern lassen? „Die Verlierer des Spiels sind die Ärmsten der Armen.“ Quod erat demonstrandum. Das ist kein Bug des Kapitalismus, das ist ein Feature.

Extreme Neigungen

Extremismus in Deutschland: Immer mehr Gewalttaten im linken Spektrum. Linke Gewalt hat stark zugenommen. Linksextreme werden immer gewalttätiger, während die Straftaten der Rechten langsam zurückgehen. Angriffe auf Polizisten härter bestrafen. Neigung zur Gewalt wächst. Politisch motivierte Gewaltkriminalität auf Höchststand. Politisch motivierte Straftaten Linke schlagen Rechte. Extremistische Straftaten: Linke Gewalt alarmiert Bundesregierung. Mehr politisch motivierte Gewalt. Extremistische Gewalt in Deutschland Land der Schläger. Extremismus: Zahl extremistischer Straftaten auf Rekordstand. Extremismus: Innenminister will Angriffe auf Polizisten härter bestrafen. Mehr politische Straftaten. Zahl extremistischer Gewalttaten hat weiter zugenommen. Rekord an extremistischen Gewalttaten. Linker Terror wird immer schlimmer. Immer mehr links- und rechtsradikale Straftaten in Deutschland.

Ich will ja nicht von gleichgeschalteten Medien sprechen, aber dass Dummheit und Ignoranz gleich weit verbreitet sind, ist sicher wahr, und zwar von der taz bis zur Welt, von der Etsch bis an den Belt. Alle, alle machen mit und verbreiten die gleichen blödsinnigen Textbausteine und lassen sich als Botschafter der Totalitarismus-Doktrin missbrauchen.

Was will uns der Künstler mit den Überschriften heutiger Meldungen sagen? Abgesehen vom kulturpessimistischen Diskurs, der seit ungefähr dem Neolithikum alles schlimmer wird: Hatten wir nicht einen regierungsamtlichen Antifaschismus? Haben wir nicht alle die Lichterketten möglichst hoch gehalten, dass sie unsere Herzen und Seelen erleuchten und erwärmen mögen und die Bösen erschrecken, auf dass diese fürderhin das Gute tun und das Pöhse lassen sollten? Sollte das alles für die Katz gewesen sein?

Man muss sich nur einmal vorstellen, diese Schlagzeilen stünden über Zeitungsberichten zur Zeit der Weimarer Republik. Schlägereien zwischen SA und RFB, zwischen Nazis und Kommunisten. Was hätten die „taz“ und die „Zeit“ und die Illustrierte „stern“ getitelt, wären sie damals schoon erschienen? „Mehr politisch motivierte Gewalt. Extremistische Gewalt in Deutschland Land der Schläger. Linker Terror wird immer schlimmer. Immer mehr links- und rechtsradikale Straftaten in Deutschland.“

Und nach der Novemberpogromen 1938 hätte die Südwestpresse formuliert: „Neigung zur Gewalt wächst“.

Der Gewalt-Diskurs entpolitisiert das Thema, aber das hatten wir schon. [Vgl. meine Artikel „Die Bösen sind die anderen“ (01.07.1998) sowie „Gewalt ist geil“ (25.02.2007)] Es handelt sich um einen moraltheologischen Diskurs, der mit immer den gleichen Versatzstücken die Köpfe vernebelt
– und das seit mindestens drei Jahrzehnten. Rassismus und Antisemitismus sind irgendwie das Gleiche wie Autos anzuzünden. Es geht ja immer um „Gewalt“. Wer Juden erschlägt, ist genau so ein Terrorist wie jemand, der Polizisten verprügelt. Rot gleich braun eben. (Vorsicht, Ironie!)

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