Parerga und Paralipomena und die Liebe

Parerga und Paralipomena

Daher nun ist die erste, ja schon für sich allein beinahe ausreichende Regel des guten Stils diese, daß man etwas zu sagen habe: o, damit kommt man weit!

Nein, ich teile Arthur Schopenhauers Meinung über Frauen nicht. Aber natürlich hat er Recht, wenn er sagt: Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe. Der Rest ist Feuilleton.

Muss man Schopenhauer kennen, gar lesen? Nein. Doch. Halt! Eine seiner Schriften auf jeden Fall, will man gutes Deutsch lernen. Man sollte wie oben ein paar Hilfsmittel herumstehen haben, bevor man es wagt anzufangen. Für die Nachgeborenen: Schopenhauer spricht und schreibt natürlich Englisch, Französisch, Latein und Griechisch und setzt voraus, dass seine Leser das auch können. Damals waren „Gelehrte“ eben wirklich noch gelehrt. (Dafür hatten sie keinen Fratzenbuch-Account und kein Wattsäpp.)

Über Schriftstellerei und Stil“ versteckt sich im zweiten Band der Parerga und Paralipomena (Vollständige Ausgabe: Band 1&2): Kleine Philosophische Schriften: Zweite und beträchtlich vermehrte Auflage, aus dem handschriftlichen Nachlasse des Verfassers. Ein Muss für jeden, der die große Pose, ätzenden Zynismus und elegantes, wenn auch manchmal altertümliches Deutsch mag. Es kostet fast nichts. [Textpassage auf drehbuchwerkstatt.de]

Eine große Menge schlechter Schriftsteller lebt allein von der Narrheit des Publikums, nichts lesen zu wollen, als was heute gedruckt ist – die Journalisten. Treffend benannt! Verdeutscht würde es heißen „Tagelöhner“.

Dafür, dass „Parerga und Paralipomena“ (deutsch etwa: „Beiwerke und Nachträge“) 1851 erschienen ist, also kurz nach der gescheiterten deutschen Revolution, ist die Schrift erstaunlich aktuell und wird auch heute noch als Stilfibel für wissenschaftliche Arbeiten, Drehbücher und überhaupt Gebrauchsliteratur benutzt. Nur Journalisten scheinen die Tipps nur selten zu beherzigen. Wolf Schneider sagt dazu: „Viele Kollegen machen sich vor, dass man zwar ein halbes Jahr lernen muss, um ein Schwein zu zerlegen oder drei Jahre um einen Anzug nähen zu können, dass aber jeder schreiben kann, sobald er etwas erregt ist.“ Ein Ratschlag für Blogger, der ungehört verhallen wird.

Einen Satz Schopenhauers habe ich noch: Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. Das ist zeitgemäße Psychologie und natürlich wahr, insbesondere, was die Liebe angeht. (Die Liebe habe ich nur im Titel erwähnt, um die RSS-Feed-Reader anzulocken.)

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Kommentare

10 Kommentare zu “Parerga und Paralipomena und die Liebe”

  1. Juza46 am März 8th, 2015 3:52 pm

    Ich habe mir den Text als ebook heruntergeladen. Wird wohl nicht leicht . .!

  2. Eike am März 8th, 2015 4:48 pm

    Du hattest hier auch ein Zitat von Mark Twain verlinkt. Das würde zumindest auf den vorletzten Absatz treffen. ;)

  3. ... der Trittbrettschreiber am März 8th, 2015 4:57 pm

    “Viele Kollegen machen sich vor, dass man zwar ein halbes Jahr lernen muss, um ein Schwein zu zerlegen oder drei Jahre um einen Anzug nähen zu können, dass aber jeder schreiben kann, sobald er etwas erregt ist.”

    Die Gegenwart lenkt von dieser wohl antiquierten Ansicht ab.
    – In den Schlachthöfen wird sicher jemand, der ein halbes Jahr braucht und die Kunst, Gebeine abzutrennen und im Akkorrd Sehen zu entsorgen direkt auf dem Arbeitsmarkt weiterempfohlen.
    – In Zeiten, in denen Pizza bringende Chefs auf Rollerskates T-Shirt bekleidet im Büro erscheinen und sie höchstens zwei oder drei Edelprodukte der Textilindustrie im Weißlackschrank hängen haben, die zudem im Minutentakt aus einer SPS gesteuerten Fertigungsstraße geschleudert werden, ist das Argument mit dem Anzug nicht einmal mehr elitär.

    Es ist sicher wichtig, dem menschlichen Denken auf der Spur zu sein(allein schon, um im Gänsemarsch so weiterzumachen…), man sollte aber der Evolution keine Bremse sein durch Beharren auf Althergebrachtes. Wann hatten Philosophen je die Gelegenheit, aus einem Jetztzeit-Achterbahnleben-Erregtheits-Fundus schöpfen zu können und die Resultate moderner auf flüchtiger Erregung gründender Denkakte auf solidem Wissensfundament all das ‚Hier‘ mitgroovend und sogar emphatisch in die Enzykolopädie ihres meist abstrakten „Handwerks“ einzuordnen?

    Ein Blog ist ein Blog ist ein Blog, Herr Schopenschneider.

    ;-)… an alle Sprachneurotiker – das ist so grammatisch voll okay.

  4. Susi am März 8th, 2015 11:41 pm

    @Trittbrettschreiber :
    tl;dr

    Du hast zwar ungeheuer gute Sprachkraft – aber du musst auch mal an Begriffe wie „Kurz und Knackig“ denken. Machst also leidentschaftlich gern den Fehler, dem auch Burks und Niggemeier leidenschaftlich erliegen. Das liest so kaum einer vollständig.

  5. Michael am März 9th, 2015 1:29 am

    „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“ – Genau solche Sätze sind es, die mich zuverlässig davon abhalten, philosophische Texte im Original lesen zu wollen. Wenigstens ist es kurz. So manch anderer Philosoph hätte das inhaltsgleich auf 5 Seiten ausgewalzt. Ich selbst empfehle von Schopenhauers Werken übrigens seine Eristische Dialektik, wobei man das auch nicht unbedingt im Original lesen muß. Ist nach wie vor (neben Machiavellis „Fürst“) das Politik-Lehrbuch schlechthin.

  6. kendall am März 9th, 2015 9:18 am

    Laß Dir mal ein, zwei Whiskygläser schenken.
    Macht mich immer traurig, Single malt und Tumbler (Becher) zu sehen. In die Dinger gehört Bourbonplörre und Eiswürfel, kein guter Whisky ;o)

  7. ... der Trittbrettschreiber am März 9th, 2015 1:04 pm

    @Susi

    kurz und knackig?
    ;-)… ich schau mal nach.

  8. Wolf-Dieter am März 9th, 2015 1:25 pm

    Die stark wörtliche Übersetzung von Journalist nach Tagelöhner trifft – wirtschaftlich – zu. Siehe Zeitungssterben. Politisch aber nicht, und zwar spätestens seit Josef Göbbels: als aktiver Funktionsträger einer gleichgeschalteten Öffentlichkeit ist der Journalist ein Meinungssoldat (heißt, er würde gerne was anderes schreiben, aber er muss auch an seine Familie denken).

  9. Wolf-Dieter am März 9th, 2015 1:30 pm

    Nachtrag – Liebe nur im Titel, um die Klickrate zu erhöhen? Das ist schändlich. Ich wünsche mehr Liebe (körperliche) in deinem Blog.

    Falls nein lese ich es eventuell trotzdem weiter. Aber nur eventuell.

  10. icke am März 16th, 2015 2:54 pm

    „Der oft Schopenhauer zugeschriebene Satz: «Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.», gibt zwar zutreffend die Haltung des Philosophen zur Willensfreiheit wider, stammt aber in Wirklichkeit von Albert Einstein, der ihn einmal mit diesen Worten zitierte.“

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