Die heißblütige Seele Havannas

Cuatro estaciones en La Habana

Deutsche Filme bei Netflix schaue ich gar nicht mehr, ich wurde immer nur enttäuscht. Bei Criminal sind die englischen, spanischen und französischen Version gut und solide Krimi-Kost, die deutsche hingegen unausstehlicher Quatsch mit gestelzten Dialogen und lächerlichem Plot. Die Schauspieler können nichts dafür. Ähnlich ist es in The Team: einige Darsteller werden synchronisiert, andere sprechen deutschen, die Handlung ist vorhersehbar und hüpft im Minutentakt zwischen den Schauplätzen in halb Europa hin und her, als wollte man die fehlende Weltläufigkeit so kompensieren. Ich haben nur eine halbe Stunde ausgehalten, dann hatte ich es satt.

Noch schlimmer waren andere Fehlgriffe. Das Imperium der Wölfe hat einen geradezu hanebüchenen Plot, der zwischen Mystery, Fantasy und Thriller schwankt, so dass noch nicht einmal Jean Reno das wieder wettmachen kann. Auch sehen sich zwei wichtige Frauenfiguren (Araceli Jover und Laura Morante vom Typus her so ähnlich, dass man immer genau hingucken muss, wer da gerade agiert.

Ich muss auch verschämt zugeben, dass ich eine Stunde Der Nebel ausgehalten habe. Der Plot stammt immerhin von einer Novelle Stephen Kings.

Vermutlich wird man als aufgeklärter Europäer US-amerikanische Filme bald gar nicht mehr anschauen können, weil sie nach dem immergleichen Muster aufgebaut sind, ganz gleich, um welches Genre es sich handelt. Am – oft quälend langatmigem – Anfang steht die wahlweise intakte oder zerbröselnde Kleinfamilie aus der Mittelklasse, deren Zusammenhalt mit dem pädagogischen Holzhammer beschworen wird, und die sich in der Krise bewähren muss. Außerdem geht mir das triefende christliche Gedöns und der Sermon der Pfaffen, das nie fehlt, auf die Nerven.

Cuatro estaciones en La Habana

Ich empfehle die sehenswerte spanisch-kubanische Mini-Serie Four Seasons in Havana, auf die ich zufällig gestoßen bin. Havanna ist immer ein interessanter und origineller Schauplatz (außer in US-amerikanischen Filmen, die ohne antikommunistische Propaganda nicht auskommen). Man merkt, dass die Schauspieler spanisches Spanisch sprechen – ich konnte manche Dialoge ohne Untertitel verfolgen. Die Kubaner sprechen aber im Original meistens einen Slang vom Feinsten und so schnell, dass ich, als ich 1984 in Havanna war, nur selten was mitbekommen habe.

Witzig sind auch die uralten Telefone. Es gibt keine Smartphones, und die Computer laufen mit DOS (vermutlich ist das heute ein bisschen anders), Die Polizei tritt viel weniger martialisch auf als in den USA und Europa. Während bei der Brücke – Transit in den Tod jede Festnahme mit einem Sondereinsatzkommando vonstatten geht, rennen in Havanna sogar die Chefs ohne Schutzweste und höchstpersönlich hinter den Verdächtigen her. Das liegt natürlich daran, dass Kuba eines der sichersten Länder ist und das sicherste in ganz Lateinamerika, insbesondere für Reisende.

Bonus: Natürlich sehen fast alle Frauen umwerfend aus und laufen fast immer in kurzen Höschen oder Minirock herum. Die kurvige Dame auf dem unteren Screenshot ist aber eine Italienerin – Yessica Borroto.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Die heißblütige Seele Havannas”

  1. Godwin am Januar 2nd, 2021 12:56 am

    Imperium der Wölfe ist halt nette Action. Nicht mehr, nicht weniger…

    Als ich vor einigen Jahren im Castro-Staat war, war die Polizei z.T. mit großer Vorsicht zu genießen – das hatte schon so etwas von „Ich habe Uniform, ich sage was Sache ist“. Vor allem außerhalb der Touristenzentren.
    Dafür waren Smartphones und Handys in den Städten bereits allgegenwärtig.
    Hatte etwas unfreiwillig komisches – Hypermoderne trifft 50er-Jahre…

    Amazon hat die „Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Serie angekündigt. Aber der Trailer… neeee

    Vielleicht mag ja jemand Dokus

    Kann es Sein, dass Netflix und Co. ein neuer gesellschaftlicher „Sachzwang“ ist?
    Es werden ja inzwischen inflationär viele Serien produziert, um die Masse an die Bildschirme zu fesseln.

  2. ... der Trittbrettschreiber am Januar 2nd, 2021 12:25 pm

    Filme machen ist heute garnicht so einfach. Es ist bereits alles ge- bzw. verfilmt worden, auch die Geschichten, die noch nicht erdacht wurden. Die Wahrnehumg, gefiltert entsprechend unseres derzeitgen individuellen und gesellschaftlichen Entwicklungzustandes gleicht dem Rezeptionsverhalten der sich immer weiter spezialisierenden, differenzierenden aber gleichzeit auch durch Überangebot inflationär übersättigten Darmzotten unseres Verdauungsapparates. Gleichgeschaltet vor der heimischen Zweidimensionalität, Chips und Biokarotten verköstigend, glotzen wir nackenstarrig zwischen den Yoga-Übungen nonhaptische Produkte, gemacht von Menschen, die erkannt haben, dass das Dasein entweder aus Machen (ganz gleich ob Filmen, genozidalen Handlungen oder Gender-Vibratoren herstellen) oder aus Nicht-Machen(konsumieren, auf dem Sofa lümmeln oder Burks lesen)besteht, besser, wie die IT-ler postulieren, die Welt in Nullen und Einsen zu klassifizieren.
    Es ist aber ein erster Schritt, vom Aggregatszustand einer Null zur elitären, leider auch selbstbetrügerischen Seinsform der Eins zu transmutieren. Da schmecken dann die Kieler Sprotten nicht mehr so richtig und das Bier duftet eher wie die Biotonne des SUV-süchtigen Nachbarn, wenn mal wieder der Soft-Mikrowaschlappen seiner pubertierenden Bulldoggenhündin darin gelandet ist.
    Eine Entscheidung steht an. Stehe ich auf und mache – oder gleibe ich einfach liegen.
    Dieses Dilemma hat selbst mein Hund. Mürrisch stiert er seit Stunden auf das High-Tech-Leckerli aus Nepal, dessen hoher Fettanteil auf der Basis von Zitronensäureextraten irgendwie unverlockend geworden ist….

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