Lisa Eckhart und der Geist der Cancel Culture

lisa Eckhart
Credits: Franziska Schrödinger/Lisa Eckhart

Dass ich heute hier sein darf, das freut mich sehr … für sie.

Da ich deutschsprachiges Kabarett nicht lustig finde, mit Ausnahmen, die man an einer halben Hand abzählen kann, war mir Lisa Eckhart bisher kein Begriff. Jetzt kam die Posse um Ein- und Ausladerei der Dame beim Harbourfront Literaturfestival.

Also habe ich mir einige Auftritte von ihr angesehen, ob an dem Geraune, sie habe Jehova etwas Antisemitisches gesagt, was dran ist.

Ich bin Österreicherin, das muss man nicht dazusagen. Das hört man ja sofort an meinem Rassismus.

Mein erster Eindruck: Das (deutsche) Publikum ist fast immer komplett intellektuell überfordert (sieht man oft schon an deren Kleidung), und ihre Auftritte bei Nuhr, die sie hoffentlich bald nicht mehr nötig hat, sind im Sinne des Wortes Perlen vor die Säue geworfen. „Man getraut sich kaum zu lachen – man könnte was versäumen!“ kommentierte jemand. Noch mehr: Das Lachen bleibt den meisten Leuten im Hals stecken oder kommt, wenn es kommt, mit großer Verzögerung.

Ich war ziemlich entzückt und habe mich gut amüsiert. Sehr selten so etwas Stilvolles gesehen und gehört.

Bei Kunst geht es nicht darum, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, sondern es ihr heimzuzahlen.

Schon klar, dass bissiger österreichischer Schmäh, kombiniert mit substantiierter (Vorsicht! Juristenjargon!) Arroganz (Jetzt zeigen Sie mir einen Mann in der Kabarett-Szene, mit dem ich mich nicht runterschliefe….) und Stil hierzulande nicht gut ankommt – die üblichen Verdächtigen heulten demgemaß und vorhersagbar getroffen auf.

Nun zum corpus delicti: Harvey Weinstein, Roman Polanski, Woody Allen: Kann man deren Filme noch guten Gewissens schauen? Wo wir doch nunmehr schmerzlich wissen, dass es sich bei diesen Dreien allesamt um … ich mag es gar nicht sagen … und als wäre das nicht schlimm genug, belästigen sie auch noch Frauen. Weinstein, Polanski, Allen, geborener Allan Konigsberg, finden Sie dieses MeToo nicht auch antisemitisch? Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gutzumachen. Ich meine, den Juden Reparationen zu zahlen. Das ist ja wie Didi Mateschitz einen Red Bull auszugeben.

Da haben wir immer gegen den dummen Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld. Und jetzt plötzlich kommt heraus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld. Denen geht’s um die Weiber! Und deswegen brauchen sie das Geld. Da haben wir endlich unsere Schützlinge endlich aus den Fängen der Rechten befreit, und dann tun sie so was.

Henryk M Broder schreibt süffisant (Welt, Paywall): „Wer an dieser Stelle nicht zusammenzuckt, der hat den Leistungskurs ‚Der Holocaust in der deutschen populären Kultur nach 1945‘ versäumt. So etwas sagt man doch nicht, so etwas sollte man nicht mal denken!“

Und: „Der Schmäh, die Hofreitschule der kunstvollen Beleidigung, wie sie unter anderen Peter Handke mit der ‚Publikumsbeschimpfung‘ perfektioniert hat. In Deutschland kommt es auf die ‚Haltung‘ an, in Österreich auf ‚Unterhaltung‘. Und wo Deutschland bereits übelnimmt, da fängt ‚oa Hetz‘ in Österreich gerade erst an.“

Wie sie selbst sagt: Der feuchte Alptraum der politischen Korrektheit – wenn die „Opfer“ sich nicht so verhalten, wie „man“ sich das so wünscht. Was ist denn das für ein sittlicher Inzest, wenn sich ein Opfer an einem Opfer vergreift? Da kennt sich ja kein Mensch mehr aus!

Wenn sie Witze über „die Juden“ macht, und das Publikum lachen will, aber stockt, weil es sich nicht traut, sagt sie beiläufig: Lassen Sie’s raus. Genau. Das ist exakt die Methode Gerhard Polt.

Lisa Eckhart ist natürlich eine Kunstfigur, wie sie sich gibt, und das deutsche Publikum möchte nicht allzuoft in den Spiegel schauen. Das wird nicht lange gut gehen. Ich schließen mich einem Kommentator an:
„Lisa Eckhart ist genial. Sie reißt den antisemitischen Zeitgeist-Spießern die Maske vom Gesicht, indem diese in Schockstarre erleben müssen, dass ihre geheimsten Gedanken offen ausgesprochen werden. Der einzige Schutz gegen diese Entlarvung ist inszenierte Empörung.“

Kann man mich überhaupt kritisieren? Ich bin eine Frau..

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Kommentare

6 Kommentare zu “Lisa Eckhart und der Geist der Cancel Culture”

  1. bentux am August 10th, 2020 4:10 pm

    Was die Frau macht ist Kunst. Sie versucht auszuloten was geht und lässt dabei kaum ein Tabu aus. Einfach Klasse. Es wundert mich das Sie überhaupt auftreten darf, in dieser Spießigen Zeit.
    Vergleichbar mit dem: https://youtu.be/ZivTgCJ8hRI Der tritt aber nicht mehr auf.

  2. Schoofseggl am August 10th, 2020 4:35 pm

    Saugut! Merci!

  3. Godwin am August 10th, 2020 4:48 pm

    Exakt!

    Schon Polt hatte die Erfahrung machen müssen, dass die Schilda Response GmbH und der Herr Sittich bei linken nicht gut ankamen.
    Da gab es aber den Begriff Cancel Culture noch nicht.

    Peinlicher wird die Posse ja nun, da nochmals daran erinnert wurde, dass es gar keine Bedrohungen gab, sondern das Haus aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit abgesagt hat.
    Und dann entblöden sich Leute zu solchen Statements
    https://mobile.twitter.com/katjaberlin/status/1292013953476853760

    Dann doch lieber Drohbriefe an Herrn Sittich

  4. Pilli am August 10th, 2020 9:57 pm

    Hm, nach 10 Minuten in https://www.youtube.com/watch?v=m3wrI5jaiPM
    war die Dame immer noch in der Abteilung Flachwitze…
    Die guten Sachen kommen vielleicht (im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung) danach.

  5. ... der Trittbrettschreiber am August 11th, 2020 8:52 am

    Lisa Eckhardt kommt auf jeden Fall nicht zu früh für diese mental und politisch ausgebeulte Gesellschaft, die von einem selbstwertverschimmelnden Metadiskurs gepeinigt wird, wie die Biene von der Varoamilbe.
    Natürlich sind die Nazis das Maß aller Dinge dabei, seit 1949. Das hat die Lisa gut erkannt und drückt den Finger in den Eiter. Die tief darunter liegende Wunde kann sie garnicht mehr erreichen, denn dazu ist auch der längste Finger ihrer, na sagen wir mal höchst signifikanten Hände nicht lang genug. Die Deutschen haben sich an das das Schlammbad der Deprivation in den Nachkriegsjahren dermaßen gewöhnt, dass sie selbst nicht mehr merken, dass jemand, der aus welchen Gründen auch immer irgendwas gegen irgendjemanden hat, kein Nazi ist, sondern nur ein Mensch, der an diesem einen Punkt seine refleiven Möglichkeiten noch nicht ganz ausgeschöpft hat. Deutschland befindet sicher derzeit in einem Zustand der Hitzophrenie, zu der sich die Viro- und Proktologen des Landes weitreichend und bestens honoriert kompetent äußern. Sobald es wieder kälter wird, wird es zum Thema der wiedereinsetzenden Fortpflanzungsaktivitäten sexologisch korrekte Anweisungen aus den russisch gesteuerten Medien-Katjuschas hageln, so das der schon lang nicht mehr oben liegende Michel froh sein wird, endlich klammheimlich aussterben zu dürfen. Lisa ist offensichtlich die Rettung – aber man kann und darf sie nicht wollen.

  6. Serdar Günes am August 11th, 2020 8:27 pm

    Fand ich interessant:

    Shahak Shapira Reaktion auf Lisa Eckhart

    https://www.youtube.com/watch?v=0XBSPXlLIaU

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