Druckzunahme oder: Pressefreiheit

“Was ist Pressefreiheit? Haben Sie, liebe Redakteure und Redakteurinnen, schon einmal wirklich darüber nachgedacht, jenseits der im Halbstunden-Rhythmus upgedateten Alles-Wisserei? Haben Sie nicht bemerkt, dass Ihnen, je schneller Sie werden, desto weniger Menschen glauben? Bemerken Sie nicht, liebe Absolventen der Springer- und der Nannen-Schule, liebe Medienkunst-Sportreporter, “Quereinsteiger”, Lebenskünstler und Alles-schreiben-Könner, dass Sie mit all Ihren Träumen vom Journalismus in einem Spiel mitwirken, das mitunter ein übles ist? (…)

Zwischenzeitlich erfuhren wir, dass „ein erster Rücktritt“ (ganz wichtig das Ordinalwort – wir kennen es aus „erste Tote“, „erste Opfer“) erfolgt sei und dass auf irgendwelche Personen „der Druck weiter zunehme“. Diese „Druckzunahme“ ergibt sich, wie der erfahrene Leser/Hörer/Zuschauer weiß, dadurch, dass die Nachricht fünfmal hintereinander gesendet und anschließend ein angetrunkener Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern aufgetrieben wird, der in ein Mikrofon die goldenen Worte spricht von der „rückhaltlosen Aufklärung“ und den „personellen Konsequenzen“. (…)

Die deutsche freie (Print)Presse gehört 20 Milliardärsfamilien: Auch deshalb ist sie bekanntlich so frei. (…)

Das Bild der Wirklichkeit ist eine wichtigere Nachricht als die Wirklichkeit selbst. Journalisten, deren intellektuelle Fähigkeiten und Fachkenntnisse gerade eben zum Zubinden der Schuhe und zum Auftragen von Mascara ausreichen, erklären Hunderttausenden von Medien-Konsumenten die Welt (wie sie ihnen oder ihren Marionettenspielern gefällt).“
(Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, via Mathias Broeckers)

Nein, ich teile die Meinung Fischers in vielen Punkten nicht, aber er sagt Erhellendes, und das mit Humor, auch über deutsche Medien. Jedenfalls ist das der beste Kommerentar zum Thema, den ich bisher gelesen habe.

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