Ganz norma(h)ler Kollateralfund deutscher Richter

Welzheimer Zeiting (via Fefe): „Aber dann geschah dies: Im vergangenen Jahr fahndeten Staatschützer aus dem Freistaat Sachsen nach rechtsradikalem Liedgut – offenbar waren die dortigen Beamten endlich aufgewacht, nachdem sie sich bei der Suche nach dem Nationalsozialistischen Untergrund nicht mit Ruhm bekleckert hatten. Und bei ihrer Recherche in dieser Sache stießen die Fahnder auf den linkspunkigen Normahl-Oldie. Quasi ein Kollateralfund.“

Das Landgericht Stuttgart lässt wegen eines rund dreißig Jahre alten Punk-Songs eine Wohnung durchsuchen.

Übrigens schrieb Kurt Tucholsky 1927 zeitlos richtig:
Tatsächlich ist bei den Richtern die Auslese, die der Stand erbarmungslos vornimmt, gefährlicher und schlimmer als bei der ihnen gesinnungsverwandten Reichswehr. Es liegt bei beiden der Fall einer klaren Kooption vor: die Gruppe wählt sich hinzu, wer sich dem Gruppengeist anpaßt – immer adäquate, niemals heterogene Elemente. (…) Das Resultat ist dieser Richterstand.

Der deutsche Richter schaut durch die Brillengläser seiner Klasse: des mittleren und gehobenen Bürgertums. Was sich darüber und darunter bewegt, findet kaum Platz im Richterstand und hat als Opfer und Objekt wenig Aussicht, vor Gericht verstanden zu werden – von Außenseitern sehe ich ab. Und innerhalb dieses mittleren Bürgertums ist es wiederum der starre, der hölzerne, der eingeengte Typus, jener, der von Hunderten von Tabu-Gebräuchen umgeben ist und in Schranken liegt, die er sich zu seiner Sicherung selbst aufgerichtet hat (…).

Kollektivurteile sind immer ungerecht, und sie sollen und dürfen ungerecht sein. Denn wir haben das Recht, bei einer Gesellschaftskritik den niedersten Typus einer Gruppe als deren Vertreter anzusehen, den, den die Gruppe grade noch duldet, den sie nicht ausstößt, den sie also im Gruppengeist bejahend umfaßt.

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Kommentare

4 Kommentare zu “Ganz norma(h)ler Kollateralfund deutscher Richter”

  1. Feynsinn » Weimar 2.0 am Februar 6th, 2013 4:34 pm

    […] BlogGanz norma(h)ler Kollateralfund deutscher Richter6. Februar […]

  2. Joschi am Februar 7th, 2013 3:06 am

    Zu diesem Thema empfehle ich die Doku „Als der Staat rot sah: Justizopfer im Kalten Krieg“: http://www.youtube.com/watch?v=rmquTxeJT5U

  3. bombjack am Februar 7th, 2013 7:26 am

    Die § 130 Volksverhetzung, § 130a Anleitung zu Straftaten, § 131 Gewaltdarstellung (StgB) und der § 40 Verbotene Waffen Abs. 1 (WaffG) (Anleitungen) gehören gestrichen…..sie sind Ausdruck einer staatlich verordneten Meinung, Moral und einer Quasi-Zensur (durch die Hintertür, weil ja nur Vorzensur laut GG betroffen ist) und daran ändert es überhaupt nichts, das ein Richter ein Urteil gesprochen hat, denn den einzigen Zensor, der das Recht hat, meine Rezipientenfreiheit einzuschränken bin ich selber und nur für mich.

    bombjack

  4. Thomas am Februar 7th, 2013 10:55 am

    Ich finde es immer wieder schockierend, wie aktuell Tucholsky doch ist. :(

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