NPD in der Torgauer Zeitung – danke!

Torgauer Zeitung

Alle regen sich jetzt wieder auf. Die Torgauer Zeitung (hier-leben.de – wenn ich das schon lese…) hat eine Pressemitteilung der kackbraunen Kameraden aka NPD im Wortlaut und kommentarlos abgedruckt. „Wenn der Durchblick Urlaub hat“ schreibt die Frankfurter Rundschau. Auch die taz bringt eine kleine und wenig aussagekräftige Meldung. Thomas Stöber (Foto), der Chefredakteur der Torgauer Zeitung, laut taz: „Doch dass es grundsätzlich richtig sei, auch ausführlich über die NPD und ihre „Machenschaften“ zu berichten, an dieser Einsicht hält Stöber fest. ‚Wir räumen allen demokratisch legitimierten Parteien Platz ein, egal welcher Couleur‘, so Stöber“.

Ganz so war es nicht. Vernünftige Artikel inklusive Links gibt es wieder mal nicht bei den klassischen Printmedien, sondern nur in Blogs. Stefan Niggemeier beginnt mit: „Der Axel-Springer-Verlag hat bekanntlich vor der letzten Bundestagswahl beschlossen, dass keine seiner Zeitungen oder Zeitschriften Anzeigen der ‚Linken‘ abdruckt. Es gebe Zweifel an der ‚Verfassungskonformität‘, begründete der Verlag seinen Boykott, der ‚ein sachlicher Vorgang und nicht politisch motiviert‘ sei. (…) Am vergangenen Mittwoch gab der NPD-Landesverband Sachsen eine Pressemitteilung heraus, in dem der Kreisverband Nordsachsen die ‚Selbstbedienung‘ der von der NPD so genannten ‚Systemparteien” kritisierte‘.“ Der Zusammenhang ist doch sehr hübsch hergestellt. Es ist mitnichten Aufgabe eines Mediums aus dem Hause Springer, moraltheologische Abhandlungen über Verfassungskonformitäten anzustellen oder die Anzeigenkunden einer Gesinnungsüberprüfung zu unterziehen, sondern journalistisch zu berichten. Der „Skandal“ bei der Torgauer Zeitung ist mitnichten, als Sprachrohr der NPD gedient zu haben. Das könnte man auch indirekt, indem man antisemitische und rassistische Vorurteile verbriete, was bei der völkisch verfassten Idee der deutschen Nation in den Medien oft auch geschieht.

Niggemeier zum Thema zum Zweiten: „Gegenüber dem „Störungsmelder“ der ‚Zeit‘ schloss Stöber aus, die Pressemitteilung von der Internetseite seiner Zeitung zu entfernen: Schließlich würden auch die Pressemitteilungen anderer Parteien mitunter kommentarlos veröffentlicht. Das ist die beste Begründung von allen. Im Klartext lautet sie: Wir arbeiten doch sonst auch nicht journalistisch, warum sollten wir es bei Neonazis tun?!“ So ist es. Gelogen ist aber auch, dass die inkriminierten Passagen nicht gelöscht würden (wie die Klick auf den Screenshot beweist). Feiglinge. Lächerlich finde ich, dass weder die taz noch die FR den Original-Text verlinken. (Liebe Holzmedien, ich bin sittlich gefestigt und will wissen, worüber ihr redet!)

Die Pointe kommt erst noch. „Die ‚Torgauer Zeitung‘ ist eine Lokalausgabe der ‚Leipziger Volkszeitung‘, die je zur Hälfte der Axel-Springer-AG und der Verlagsgesellschaft Madsack gehört. Madsack wiederum gehört zu gut einem Fünftel der SPD. Da sind ja alle staatstragenden Garanten für guten Journalismus zusammen.“ Bruhaha. Liebe Holzmedien, das ist die Information, die hier fehlt. Jedoch steht im Störungsmelder: „Die Torgauer Zeitung ist unabhängig, erscheint aber zusammen mit der Leipziger Volkszeitung, die zum Axel-Springer-Verlag gehört.“ Ist es also doch anders als Niggemeier behauptet? Alles muss man selbst machen und recherchieren. „Heading eastwards“, heißt es bei Springer im Original. Gen Ostland woll’n wir reiten: „1990: Acquisition of a holding in the local papers LEIPZIGER VOLKSZEITUNG and the OSTSEE-ZEITUNG in Rostock.“ Die Torgauer Zeitung gehört der Torgauer Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Sitz: Torgau, Registergericht: Leipzig HRA 306. Die LVZ: „Die Leipziger Volkszeitung erscheint jeden Tag mit 9 regionalisierten Ausgaben“. Darunter der Torgauer Zeitung. Bei der Verlagsgruppe Madsack wiederum wird die Torgauer Zeitung nicht erwähnt.

Die Torgauer Zeitung ist also nichts anderes als eine Lokalausgabe der LVZ – aber mit überregionalem Mantel. Der Störungsmelder irrt, Niggemeier hat Recht. „Unabhängig“ ist nur die GmbH, von journalistischer Unabhängigkeit kann man bei einem solchen Konstrukt wohl ohnehin nicht reden. Deutsche Zeitungen sind es gewohnt, Pressemeldungen einfach so abzudrucken und sich keine Gedanken darüber zu machen. Ist eh egal. Man muss der Torgauer Zeitung dankbar sein, dass sie das wieder einmal demonstriert hat. Der Journalismus in Deutschland ist in einem lausigen Zustand. Ceterum censeo: Gut, dass es Blogs gibt.

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