Taraskischer Froschhügel oder: Archäologie des Befindens II

Guanajuato

Guanajuato, Mexiko (1979)

Fortsetzung meines Reisetagebuchs, 1979:
… Guadalajara ist die zweitgrößte Stadt Mexikos und hat zwei Millionen Einwohner. Wir werden vor dem Bahnhof von einem Typen angequatscht, der uns das Hotel Leon an der Plaza Indepediente [vielleicht die Plaza Independencia, oder es ist das heutige Hotel Léon an der Calz Independencia Sur gemeint] empfiehlt. 160 Pesos mit Bad. Abends gehen wir essen. Carne asado [gebratenes Fleisch] ist fürchterlich scharf, dazu schrecklich laute Orgelspieler, aber gutes Bier. Die Stadt ist sehr lebhaft. Wir treffen oder sehen keine anderen Touristen. [Fotos von Guadalajara habe ich 1982 gemacht, etwa von der Kathedrale oder der Universität.]

02.10. Bus über Leon nach Guanajuato. 2000 Meter hoch gelegen. Das Mumien-Museum ist ziemlich schrecklich. Viele Elendsviertel ringsum. Die Universität hat keine Mensa, die Studenten alle sehr jung. In der Stadt viele hübsche, enge, gepflegte Gassen. Keine Obdachlosen auf den Straßen.

Guanajuatoguanajuatoguanajuatoguanajuato

Falls hier doch einige der Nachgeborenen mitlesen: Es ist ein ganz anderes Gefühl, Fotos zu machen, wenn man nur über ein begrenztes Kontingent verfügt. In vor-digitalen Zeiten musste man sich schon genau überlegen, was und wie oft man fotografiert. Wenn man am Anfang einer sehr langen Reise – bei mir war es drei Mal mehr als ein halbes Jahr – viel knipst, dann hat man am Ende keine Bilder mehr übrig, obwohl die Motive vielleicht viel besser sind. Dias konnte ich nicht nachkaufen. Wie viele Fotos also plant man im voraus für sechs Monate? Und wie plant man das überhaupt?

In Guanajuato – Taraskisch: „Froschhügel“ – war ich zum ersten Mal in Lateinamerika „angekommen“. Die Stadt ist außerordentlich schön [u.a. Teatro Juárez de Guanajuato – Video, sehr interessant, in Spanisch, Foto des Theaters unten], ich kann mich erinnern, dass ich begeistert drauflos geknipst habe. Ich kann bei einigen Bildern aber nur ahnen, warum ich die Motive wählte: Auf dem Bild, das meinen Reisebegleiter zeit, wie er eine Straße entlanggeht, sitzt im Schatten eine Bettlerin – vielleicht sah ich zum ersten Mal so etwas? Ich hatte damals auch keine Ahnung, was es mit den Purépecha auf sich hat oder wer Nuño Beltrán de Guzmán war. So unvorbereitet wie 1979 bin ich später nie mehr gereist. „Richtig“ reisen muss man lernen.

guanajuatoguanajuatoguanajuato mina valenciana

04.10. Besichtigen Kirche Valenciana – ein Prunkkasten.[Catedral Basílica Colegiata de Ntra. Sra. de GuanajuatoGoogle Streetview – wenn ich gewusst hätte, dass es vierzig Jahre später noch immer keine guten und frei verfügbaren Fotos vom Inneren der Kirche gibt, hätte ich eines gemacht. Vermutlich habe ich sogar eines, aber ich kann es nicht identifizieren, weil die Bilder vom Interieur irgendwelcher Kirchen oft von sehr schlechter Qualität, weil ohne Bitz gemacht worden sind.]

Schwätzen mit Schulkindern, die uns ihre Schulbücher zeigen. Geschichtliche Abrisse scheinen besser als die in der BRD zu sein (Stichwort „Kapitalismus“). Danach schauen wir uns die Mine Valenciana an. Der Förderturm sehr altertümlich, einfahren kann man nicht. Quatschen mit einem herumlungernden Jungen, der zeigt uns die Kristall- und Mineralausstellung, die eigentlich nicht geöffnet ist, und schenkt uns zwei Minerale.

teatro juaréz guanajuatoLa Valenciana

Ein Antiquitätengeschäft verkauft Porzellan von Villeroy und Boch. Ich spiele in dem Laden Klavier (deutsche Marke aus Hamburg). Ziemlich gutes Essen in winziger Kneipe, wo sie das Bier für uns erst beim Nachbarn kaufen müssen. Abends gibt es einen Umzug und Maskerade. Kriegen aber nicht raus, was das Ganze soll. [Vermutlich eine Veranstaltung des Festival Cervantino] Dann Kino. Es läuft Edgar Wallace mit Horst Tappert.

05.10 Um 4.30 Uhr morgens Ankunft in Mexiko Stadt.


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Kommentare

One Kommentar zu “Taraskischer Froschhügel oder: Archäologie des Befindens II”

  1. flurdab am August 26th, 2020 10:13 am

    Och ist das alles weihnachtlich.
    Ist es nicht?
    OK, dann bin ich OT.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Zust%C3%A4nde_wie_im_Paradies

    War mal ein Film der zu Weihnachten im ÖRR gebracht wurde als ich noch Kind war.
    Hatt man schon lange nicht mehr gesehen.

    T`schuldigung

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