In den Spelunken Leticias

solimoessolimoessolimoes

Leticia am Amazonas im Süden Kolumbiens. (Die Fotos hatte ich hier schon gepostet, aber nicht die Passage aus meinem Tagebuch.)

Aus meinem Reisetagebuch, etwas erweitert:
Am Eingang der Stadt steht ein Schild: 18.000 Einwohner, temperatura 32o [Grad Celsius]. Viele kleine Läden mit allem, mit dem man handeln kann. Ein paar Schiffchen im Kleinformat. Manchmal sieht man „zivilisierte“ Indianer – die Physiognomie ist hier schon im Durchschnitt anders als im Hochland, rundlicher, die Menschen sind in der Regel kleiner.

Die wenigen Ausländer treffen sich unvermeidlich abends in den nicht sehr Vertrauen erweckenden Spelunken am Fluss mit dazu passendem Publikum. Ein Engländer erzählt uns von einem Überfall in Cali: zwei Polizisten hätten auf ihn eingeschlagen – sie wollen 300 Dollar haben. Sie schleppten ihn in sein Hotel, weil niemand seine Schecks hätte wechseln können, mit Wachtposten vor der Tür. Ein Freund lenkt den Mann mit einer Prostituierten ab, der Engländer kann seinen Konsul anrufen. Der wiederum ist mit dem Polizeichef befreundet. Es wird hin- und her telefoniert, alles ist informell – Südamerika eben. Am nächsten Tag rückt ein Kommando der DAS an, des Departamentos Admistrativo de Seguridad – die „Drogenpolizei“ und sorgt für Ordnung. Mit denen ist normalerweise nicht gut Kirschen essen. Die DAS verhält sich zur normalen Polizei Kolumbiens wie die GSG 9 zu einem Verkehrspolizisten. Der Engländer ist jedenfalls freigekommen, ohne seine Barschaft zu verlieren. Und vermutlich hat der Konsul den Polizeichef dann beim Golf gewinnen lassen oder so ähnlich.

Irgendwann stößt ein völlig betrunkener deutschstämmiger Kolumbianer zu uns, der alle Getränkerechnungen bezahlt.

Am nächsten Morgen gibt es einen Flaggenaufzug mit schräger Militärmusik und einem „Gleichschritt“, bei dem sich jeder Preuße schaudernd abwendet. Auf dem Fussballplatz läuft jemand mit einem DDR-T-Shirt herum, wo auch immer er das aufgetrieben hat. Ein Kolumbianer wird von seinen Landsleuten angemacht, weil er während der Nationalhymne sitzen bleibt.

Tabatinga ist der erste Ort in Brasilien. Die Grenzbeamten möchten gern 600 Dollar pro Person vorgezeigt bekommen, mittellose gringos dürften nicht einreisen. Ich verstehe kein Wort von dem merkwürdigen Portugiesisch, was hier gesprochen wird. Wir haben 1600 Kilometer per Schiff auf dem Amazonas vor uns. Bis Manaus werden wir zehn Tage brauchen.

image_pdfimage_print

Kommentare

3 Kommentare zu “In den Spelunken Leticias”

  1. André Dreilich am August 10th, 2020 8:15 am

    Anmerkung zum „DDR-Shirt“: Die Brigaden der Freundschaft waren in mehreren Staaten Lateinamerikas mit ihren (so nicht bezeichneten) Entwicklungshilfeprojekten aktiv. Es gab seinerzeit den Kalauer, dass „wir“ weltweit jeden unterstützen, der böse in Richtung USA oder BRD guckt. „Klassiker“ waren neben Kuba auch Nicaragua, Grenada, Chile. Weniger bekannt, aber aktenkundig sind z.B die Kontakte zur Patriotischen Union Kolumbiens in den 80er Jahren.
    Nochmal zum Shirt: Das sieht mir allerdings nach „local dealer“ bzw Produzent aus, solche „Niggies“ sind mir seinerzeit nicht wirklich begegnet.
    PS.: Die Funkstation im Hintergrund begeistert mich.

  2. Fritz am August 10th, 2020 11:56 am

    Inzwischen Kolumbianischer Covid-Hotspot.

  3. Tabatinga am Solimões, revisited : Burks' Blog – in dubio pro contra am Oktober 26th, 2021 3:24 pm

    […] mehrfach darüber geschrieben: Tabatinga am Solimões (11.08.2014), Am Solimões (18.01.2011), Die Mutter aller Flüsse (02.02.2004) und Am Amazonas […]

Schreibe einen Kommentar