Kulturelle Komponenten der Verarmungspolitik

Christian Baron rezensiert Alexander Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten: Zum Strukturwandel der Moderne im Neuen Deutschland:

Die Spätmoderne, zeigt Reckwitz, kreist nicht mehr um Verteilungsfragen, sondern nur noch um die Kultur. Die neue Mittelklasse hat einen Zwang zur Einzigartigkeit etabliert und Besonderheiten der Arbeiterklasse kolonisiert. So wie man sich Yoga aus Indien oder Tai-Chi aus China aneignet, so definiert man auch die Kultur der hierzulande Marginalisierten um. Die neue Mitte darf ihr Craft Beer mit Freunden aus aller Welt in der Eckkneipe trinken, derweil die niemals jenseits der eigenen Landesgrenzen gelangten Unterklassemänner mit »Sternburg« in der Hand am Tresen der Kaschemme als »asozial« gelten. Cafébesitzer mit veganem Rührei im Angebot lassen sich für ihre Tattoos bewundern, während der Kioskbesitzer mit Schlangenbildern auf dem Bizeps ein »Proll« sein soll. So hat die neue Mitte der neoliberalen Verarmungspolitik eine kulturelle Komponente der Verachtung geschenkt.

Schon gekauft. By the way: Welche Partei repräsentiert die neuen reaktionären Mittelklassen? Fällt mir bestimmt bald wieder ein…

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Kommentare

6 Kommentare zu “Kulturelle Komponenten der Verarmungspolitik”

  1. andreas am Dezember 18th, 2017 8:47 pm

    Auf die Gefahr hin völlig verblödet zu sein, wer hat den kursiv gesetzten Text wo verfasst? Unter dem Link ist nix zu finden. Und noch ne Frage. Hast Du den Amazon Link gesetzt oder gabs ne feindliche Übernahme Deines Blogs?

  2. Godwin am Dezember 18th, 2017 10:36 pm

    danke für den Tipp.

    Ich bin aber dennoch skeptisch.
    „…und das Gemeinsame, das Verbindende und das Solidarische verloren“
    Das klingt wieder nach reaktionärer Sozialromantik.
    Wer sagt denn, dass die Sterni-Trinker sich nicht ganz bewusst diese Niesche ausgesucht haben, um sich von den Weintrinkern abzugrenzen?
    https://www.youtube.com/watch?v=oQxFkE-0BHo

    Wie war das noch bei Manuel Castells? -> Exclusion of the Excluders by the Excluded

    Früher galt Individualisierung mal als „gut“ und „erstrebenswert“. Das dies irgendwann mal mit dem kapitalistischen Gesetz zur funktionalen Ausdifferenzierung korrelieren musste, war abzusehen.
    Das da diejenigen, die am Gestern festhalten hinten runterfallen is logisch.
    „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. (soll schon Friedrich Schiller gewusst haben)

    Eine neuen Mittelschicht […], immer auf der Jagd nach dem Einzigartigen, dem „Authentischen“.
    wie sagte H.-M Enzensberger hierzu schon 1979:
    „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.“

    “ Antworten, wie die Gesellschaft auf diese Tendenzen reagieren soll, gibt Reckwitz nicht.“

    ebenfalls lesenswert – durchaus auch in dem Zusammenhang:
    Jobst Paul, Regina Wamper, Isolde Aigner (Hg.):
    Autoritäre Zuspitzung

    http://www.disskursiv.de/2017/10/16/diss-neuerscheinung-autoritaere-zuspitzung/

  3. ... der Trittbrettschreiber am Dezember 19th, 2017 7:16 am

    Mensch Burks, was hast Du denn gegen uns Hipster – verblödet verachtet sich’s doch viel geiler.
    Craft Beer, igittigitt. Bier hat nur einen Namen.

  4. Dirk am Dezember 19th, 2017 3:35 pm

    Das Buch steht schon auf meinem Wunschzettel. Nebenbei heißt der Autor Andreas und nicht Alexander Reckwitz.

  5. drogenlog am Dezember 20th, 2017 1:57 pm

    Würde eher behaupten, dass es darum geht, einen privilegierten Status zu rechtfertigen. Es reicht nicht zu sagen: „Ich habe Geld und du nicht“, sondern diese „Überlegenheit“ muss „begründet“, also mit einer „moralischen Aura“ versehen werden. In früheren Zeiten erledigte das die Religion, aus der sich die Machtstellung der Fürsten begründete. Heute läuft’s eben über kulturelles Verhalten.

  6. drogenlog am Dezember 20th, 2017 2:04 pm

    P. S.

    Man könnte auch sagen, es handelt sich um die kulturelle Rechtfertigung von Verachtung.

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