Kulturelle Komponenten der Verarmungspolitik

Christian Baron rezensiert Alexander Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten: Zum Strukturwandel der Moderne im Neuen Deutschland:

Die Spätmoderne, zeigt Reckwitz, kreist nicht mehr um Verteilungsfragen, sondern nur noch um die Kultur. Die neue Mittelklasse hat einen Zwang zur Einzigartigkeit etabliert und Besonderheiten der Arbeiterklasse kolonisiert. So wie man sich Yoga aus Indien oder Tai-Chi aus China aneignet, so definiert man auch die Kultur der hierzulande Marginalisierten um. Die neue Mitte darf ihr Craft Beer mit Freunden aus aller Welt in der Eckkneipe trinken, derweil die niemals jenseits der eigenen Landesgrenzen gelangten Unterklassemänner mit »Sternburg« in der Hand am Tresen der Kaschemme als »asozial« gelten. Cafébesitzer mit veganem Rührei im Angebot lassen sich für ihre Tattoos bewundern, während der Kioskbesitzer mit Schlangenbildern auf dem Bizeps ein »Proll« sein soll. So hat die neue Mitte der neoliberalen Verarmungspolitik eine kulturelle Komponente der Verachtung geschenkt.

Schon gekauft. By the way: Welche Partei repräsentiert die neuen reaktionären Mittelklassen? Fällt mir bestimmt bald wieder ein…