Gutbürgerlich oder: Mehr Graupensuppe

Berlin

Su Nuraghe in Rixdorf – sardische und italienische Küche, seit 35 Jahren. Ich aß Tortellini nach Art des Hauses.

Meine Theorie ist, dass soziale Aufsteiger oder die, die meinen es zu sein, versuchen, die verfeinerte Tischkultur der herrschenden Klassen zu imitieren, um eben diesen erreichten sozialen Status nach außen zu dokumentieren und sich nach „unten“ abzugrenzen. Die Kneipen, die dem Veganismus-Asketismus Tribut zollen und überhaupt auf das traditionell „Gutbürgerliche“ herabsehen (dafür aber teurer sind), bedienen den Geschmack der neuen Mittelschichten, die ohnehin reaktionär werden, wenn sie es nicht ohnehin schon sind.

„Proletarisches“ oder Arme-Leute-Essen (was heute „gutbürgerlich“ ist) kann man Studenten aus bildungsbürgerlichem (aka grün-alternativem) Elternhaus gar nicht mehr anbieten. Das hat aber keine kulinarischen Gründe.

Die ethnologischen Gewährsleute für meine These sind übrigens Norbert Elias und Mary Douglas, wenn das nicht hilft: Levi-Strauss. (Ich habe immer das Gefühl, ich müsse mich dafür entwschuldigen, dass ich viele Leute mit meiner humanistischen Bildung erschlagen kann. Außerdem weiß ich immer alles besser und kann das auch belegen. Ich hoffe, die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser entschuldigen das.)

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Kommentare

9 Kommentare zu “Gutbürgerlich oder: Mehr Graupensuppe”

  1. ... der Trittbrettschreiber am Februar 6th, 2016 9:15 pm

    Es kommt nicht darauf an, was man isst, sondern wie man isst. Den Gourmand kann man bestens vom Gourmet unterscheiden, wenn man ihm eine Suppe vorsetzt.
    Setzt er den Löffel so an dass der Schwung zu ihm hin und dann zum Mund führt, ist er ein Gourmand(tendiert entgegen der geläufigen Definition zum Vielfraß), setzt er den Schwung von sich weg an und macht dann die Kurve zurück zum Mund, darf man ihm gratulieren – ein echter Gourmet. Ich kann versichern, dass es kulinarische Proleten, wie du sagst, klassenübergreifend gibt. Selbst Bankdirektoren oder Multimillionäre, auch Bildungsbonzen (wie du ja einer zu sein scheinst) essen lieber amerikanisch (dort ist das aber vornehm!), d.h. alles auf einen Teller, zu kleinen Häppchen zerstückelt und dann mit der Gabel hineinschauflen, was geht. Bon Appétit.

    PS Ich selbst pflege mein Salatblatt gut durch zu verköstigen.

  2. Thomas Minelli am Februar 7th, 2016 1:16 am

    Hat sich das nicht längst geändert? Ist bürgerliche Küche nicht längst wieder hip?

    Egal, ich esse alles. Hauptsache es hat furchtbar gelitten, als es noch am Leben war.

  3. Ahmed am Februar 7th, 2016 2:01 am

    Das würde ich schwer bezweifeln, dass Sie mich mit Ihrer vorgeblichen humanistischen Bildung erschlagen können. Die genannten Lesefrüchte sind denn eher postmodernes Fallobst.

  4. Martin am Februar 7th, 2016 11:53 am

    interessant und berechtigt.
    wäre interessant, wenn wir uns mal treffen und ossi-bildung meets wessi-bildung.

    ich mache mir aber keine gedanken übers essen. wohne in potsdam und dort isst man noch gulasch mit klößen.

  5. Temnitzbiber am Februar 7th, 2016 6:50 pm

    Na dann ab nach Bad Schandau (Sächsische Schweiz)! War da vor drei Jahren oder so mit meinen ehem. Mitstudenten. Wir fanden nicht mal eine Pizzabude oder nen Dönerstand, nur „gutbürgerliche“ Küche, wie wir sie noch aus der DDR (Schulkantinen!) kennen. Kein grünrosa Veganismus, nur Hausmannskost!
    Das wird sich dank Pegida so schnell auch nicht ändern – nicht mal zu Böhmischen Knödeln (Grenze nicht mal 10 km weg).

  6. Wolf-Dieter am Februar 7th, 2016 10:55 pm

    Bürgerliche Küche habe ich sogar in meiner revolutionären Pubertät rückhaltlos befürwortet.

    Allerdings Graupensuppe kenne ich nicht und würde wegen des Namens davor zurück schrecken.

  7. andreas am Februar 8th, 2016 3:16 pm

    Der Herr Klink war mir schon immer der sympathischste.

    https://www.wielandshoehe.de/de/Grundsaetzliches.html

  8. Dirk am Februar 9th, 2016 7:15 pm

    Bourdieu würde hier noch besser passen, als Elias und Douglas.

  9. Jürgen am April 10th, 2016 12:02 am

    Thorstein Veblen
    Theorie der feinen Leute

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