Robin Hood und die Austerity

class struggle

Democracy Now: Noam Chomsky erklärt, dass „Austerity“ nur ein anderes Wort für Klassenkampf sei.
What’s going on with the austerity is really class war. As an economic program, austerity, under recession, makes no sense. It just makes the situation worse.

Ich hatte mich hier schon über die dämliche (weil völlig unverständliche) Parole „Gegen Austerität und gegen Abschottung“ echauffiert. „Austerity“ heißt im Englischen „Strenge“, „austerity measures“ sind „Sparmaßnahmen“. „In economics, austerity is a set of policies with the aim of reducing government budget deficits.“

Das genau ist aber strittig. „Sparen“ heißt im Kapitalismus-affinen Neusprech, also im Jargon der so genannten „Volkswirtschaftler“: Den Armen nehmen und den Reichen geben. Sollte etwa Robin Hood auch eine „Austeritätspolitik“ verfochten haben? Er „sparte“ auch – nur gab er den Armen, was er den Reichen genommem hatte. Unter dem Strich ist in beiden Fällen nicht mehr da, das, woran gespart wird, ist nur anders verteilt.

Wer also das Geld der Steuerzahler den Banken hinterherwirft (wie im Falle Griechenlands) und das als „sparen“ bezeichnet, ist ein Trottel – oder ein Lautsprecher des Kapitals.

Das pseudo-deutsche „Austeriät“ ist also eine falsche und gedankenlose Rückübersetzung, wie zum Beispiel auch „Administrator“ für „Regierung“ („administration“ im Englischen heisst mitnichten „Verwaltung“) oder „Netzwerk“ („network“ im Englischen ist schlicht das deutsche „Netz“ – und umgekehrt. Wir warten auf: „Die Spinne lauert in ihrem Netzwerk auf Opfer“).

Gegen die „Sparpolitik“ zu wettern verkennt, dass es nicht um „Sparen“ geht. „Sparen“ ist positiv besetzt – im Gegenteil zu „das Geld sinnlos verprassen“. Die Propaganda-Agenturen der herrschenden Klasse hatten vollen Erfolg: Sogar die Opposition übernahm ihre Sprachregelung. Alle sagen „sparen“, obwohl es in Wahrheit darum geht, den tendenziellen Fall der Profitrate und die Nebenwirkungen der „normalen“ Überproduktionskrise dadurch zu kompensieren, indem die Verluste der Konzerne vergesellschaftet und die Profite noch mehr privatisiert werden – durch weniger Steuern für die ohnehin schon Reichen. Das nennt man in Neusprech Marktkonformität. Auch der Putsch gegen Allende in Chile war marktkonform, oder die Unterstützung der ukrainischen Faschisten durch „den Westen“.

Deutsche Medien könnten die obigen Sätze Chomskys nicht wortgetreu wiedergeben. Nein, das ist verboten (frewillige politische Selbstkontrolle). Der Begriff „Klassenkampf“ darf nicht erwähnt werden , auch wenn „class struggle“ nichts anderes heißt. Ich finde es amüsant zu beobachten, wie diese politische „Gleichschaltung“ über die Sprache sich auch hinter dem Rücken der Handelnden durchsetzt.

Chomsky sagt, die so genannte „Sparpolitik“ sei nichts anderes als ein Synonym für den Klassenkampf von oben.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Robin Hood und die Austerity”

  1. Surajprasad am Juli 3rd, 2015 2:00 pm

    Das ist auch so frustrierend an der keynesianischen Kritk der „Spar“-politik(Krugman, Flassbeck, etc.): Wie oft will man noch wiederholen, dass es nicht „funktioniert“, dass weder Wachstum noch Abbau der Staatsschulden auf diese Weise möglich sind. Ohne die Perspektive, die einem der Begriff Klassenkampf verleiht, muss einem die Austeritätspolitik als das Produkt von falschen, irrationalen und längst widerlegten Ideen erscheinen. Austeritätspolitik ist nicht „falsch“ – das ist eine Frage der Perspektive. Für einige sieht sie sehr, sehr richtig aus.

  2. FDominicus am Juli 3rd, 2015 3:55 pm

    Lieber Burks denken Sie mal über folgendes nach. Man gibt mehr aus als man hat. Wie macht sich das bemerkbar? Genau durch Schulden.

    Austerity meint: Man gibt nicht mehr aus als man hat.
    Wenn man also weniger ausgibt als man einnimmt hat man genau was nicht ?

    Ohne Austerity kann es keinen Aufschwung geben ohne Austerity kann es nur weiter massiv abwärts gehen und genau das passiert in so vielen Ländern gleichzeitig.

    Und es passiert gerade vor Ihren Augen in Griechenland. Austerity hat nur insofern etwas mit Klassenkampf zu tun als sich die Schuldner an den Gläubigern vergehen wollen/sollen.

  3. rainer am Juli 3rd, 2015 4:44 pm

    ….es wird Zeit, dass Köpfe rollen….

  4. ... der Trittbrettschreiber am Juli 4th, 2015 8:08 am

    Nicht umsonst sind die Türme der Deutschen Bank unterschiedlich hoch. Sie symbolisieren das kleine bisschen Konkurenz zwischen den Schulden, die es durch Wachstum auszugleichen gilt. Das ist so ein wenig, wie der Esel, der dem Bündel Heu hinterher jagt, das man ihm unerreichbar vor das Maul gebunden hat. Nur so zieht er den Karren aus dem Dreck. Schulden sind wichtig. Wer spart hockt auf seinem Geld und entzieht es dem „Markt“. Der wird dann lahm und wächst nicht mehr. Spart man dann noch mehr, legt der Markt sich ganz zur Ruhe. Dann gibt’s aber auch keine Apps mehr und kein Wasser in Plastikflaschen. Einem müden Markt muss man eine Adrenalinspritze verpassen. Dann wacht der wieder auf und produziert fröhlich weiter. Die Apps piepen wieder und das Wasser kommt wieder aus der Plastikflasche. Dieses Adrenalin heißt Kohle(nicht zu verwechslen mit Koks, das puscht zu schnell, hält nicht lange an und ist ungesund). Die Griechen wissen das. Der Rest Europas auch aber Dekadenz macht nun mal unflexibel, fett und Fett erzeugt Angst. Angst davor, das Fett wieder loszuwerden(jetzt hülfe Koks!). Da hat man dann Angst vor 40000 Flüchtlingen(kein Platz, zu viel Fett, passt nichts mehr hinein), Angst vor’m Beobachtet werden und Angst vor allen, die Angst haben.
    Ich habe mich bereits angesteckt – ich habe Angst davor irgendwann einmal Europäer genannt zu werden.

  5. R@iner am Juli 4th, 2015 9:53 am

    @Surajprasad: In einer Volkswirtschaft sind in der Summe die Höhe der Vermögen und Schulden in etwa gleich hoch, mit einem leichten Vorteil für die Guthaben. Wer sollte also ein Interesse daran haben, dass Schulden zurückgefahren werden? Was sagen die „Reichen“ dazu?
    Ich halte das für Geschwätz – damit meine ich jetzt nicht deinen Kommentar – von Leuten, die den für blöd gehaltenen Massen das Bild von der schwäbischen Hausfrau einbasteln wollen.
    Der Burks hat völlig recht: Das ist Bullshit für diejenigen auf den billigen Plätzen, erfunden von denen, die mit den Juwelen klimpern.

  6. R@iner am Juli 4th, 2015 10:53 am

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