Unter gesichtzeigenden Kapuzenpulliträgerinnen

Kapuzenpulli

Immer, wenn die Masse oder die, die sich für relevant halten, zur Solidarität aufrufen, denke ich an Lichterketten und bin missgestimmt. Es fällt mir aus zahllosen Gründen schwer, das zu tun, was man von mir verlangt, wenn es alle tun. Ich tu meistens das Gegenteil, und sei es nur aus Neugierde, was dabei herauskommt. Sagen wir mal so: Wer mir dumm kommt, dem komme ich dümmer zurück. Die Welt sei ein Chaos, heißt es im Zen, und der wahre Weise verhalte sich dementsprechend.

Dummerweise wurde zur Solidarität mit einem Kollegen aufgerufen, der mich einmal dumm angemacht hat und den ich in bestimmten Dingen für ahnungslos halte und das auch geschrieben habe. So etwas tut man in Deutschland nicht: Man kritisiert keine Kollegen. Wer dagegen verstößt, wird sozial geächtet. Das ist mir jedoch schnuppe – das ging mir schon mit Zeit online so, warum nicht auch mit sueddeutsche.de… „Gemeinden“, auch netzige, waren mir schon immer ein Gräuel.

Ich schrieb am 07.08.2013 in Telepolis über die mangelnde Bereitschaft vieler Journalisten, ihre E-Mails zu verschlüsseln:
Die erstaunlichste Antwort gibt jedoch Stefan Plöchinger, der Chefredakteur von Sueddeutsche.de: „Nachdem inzwischen alle Sicherungssysteme geknackt werden können, wie der einschlägigen Presse zu entnehmen ist, wollen wir unseren Nutzern nicht falsche Sicherheitsgefühle durch Kommunikation einer vermeintlich sicheren Methode geben. Deshalb auch haben wir keinen anonymen Briefkasten etc. Nur analoge Kommunikation kann halbwegs gesichert werden.“
Das darf getrost bezweifelt werden, demonstriert aber die eher einfach gestrickte Gedankenwelt, in der sich viele „Entscheider“ bei den deutschen Medien bewegen, wenn es um Sicherheit in der elektronischen Kommunikation und um Konsequenzen geht.

Stefan Plöchinger, 37 Jahre alt, und, wenn man den Medienberichten glaubt, „Teil der Netzszene“, bezeichnete meinen Text auf Twitter als „selten dämlich“, und ich hätte „null Erfahrung“.

Das ist natürlich eine gewagte These, weil ich schon meine E-Mails verschlüsselt habe, als Stefan Plöchinger gerade mal 19 Jahre alt war. Man merkt die Absicht, zu diffamieren, und ist verstimmt.

Plöchinger

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schrieb jüngst etwas hämisch über den Plan, Plöchinger in die Chefredaktion der „Süddeutschen“ aufzunehmen, was der dort zu suchen habe? Es spräche nichts dagegen, einen „Internetexperten in die Führungsriege der Zeitung“ aufzunehmen, man frage sich aber auch, ob es nicht sinnvoll sei, einen „Journalisten“ in die Chefredaktion zu holen?

Für mich ist ein „Internetexperte“ nicht jemand, der gefühlt der bräsigen „Netzgemeinde“ angehört, sondern jemand, für den das Expertentum erst beim Verschlüsseln der E-Mails beginnt. Plöchinger gehörte im letzten Jahr eben nicht in diese Riege, deshalb verstehe ich das Rauschen und Raunen im Netz-Feuilleton nicht: „Auf die Kolumne folgte eine Welle der Empörung: Online-Journalisten von stern.de, taz.de und Co. verbreiten Kapuzenpulli-Selfies als Zeichen der Solidarität mit Plöchinger.“

Wer „Selfie“ schriebt, trägt Kapuzenpullis oder wie?

The European meint: „In der Diskussion um Plöchinger offenbart sich ein großes Problem des deutschen Journalismus: Es gibt eine ganze Generation von Journalisten, die nicht willens oder nicht in der Lage sind, sich mit dem Internet auseinanderzusetzen.“

Aha. Hier ist wohl die Generation Facebook unter den Journalisten gemeint, die E-Mails nur als Postkarte schreibt und Kommunikation mit Twittern verwechselt? Ich fühle ich gar nicht angesprochen. Aber einen Kapuzenpulli trage ich gleichwohl, manchmal jedenfalls.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Unter gesichtzeigenden Kapuzenpulliträgerinnen”

  1. ninjaturkey am März 28th, 2014 12:04 pm

    Das nenne ich mal mutig:
    Brillenträger, aber „Security“ auf´m Kaputzenshirt ;-)

  2. admin am März 28th, 2014 12:38 pm
  3. nh am März 28th, 2014 5:53 pm

    Da kann man mal schön sehen, welch Heissluftgebläse
    hier Karriere machen können. Ist der Aspirant evtl. FDP-Parteimitglied ? Würde alles erklären – Internetexperte hmmmpf geile Berufsbezeichnung.
    Hierzulande kann auch jeder mit Gewerbeschein Immo-Makler werden. Oder Homöopath(20mal klopfen und dann potenzieren unter Nachweisgrenzen).
    Selten so gelacht.
    Man sollte dem „Experten“ mal Antworten auf Fachfragen entlocken. Könnte man sich dran wärmen vermutlicherweise, s.o. -> heisse Luft.

  4. rick am März 28th, 2014 9:59 pm
  5. ... der Trittbrettschreiber am März 29th, 2014 11:53 am

    Siehst gut aus Burks. Das muss man den Ägyptern lassen – nach Ramses, Tut und Kollegen.
    Sie haben’s einfach immer noch drauf …. ;-)

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