Mein Strohhut, eine leckere Dame und die Maske des bürgerlichen Klasseninteresses

beautystrohhut

Da ich seit gestern Abend kein schnelles Internet habe, sondern eines auf Akustikkoppler-Niveau (die Telekom arbeitet dran), beschloss ich nach dem spartanischen Frühstück, erst zu joggen. Als ich im 10 Uhr abgekämpft bei schon knapp 30 Grad wieder nach Hause kam, beschloss ich zudem, meinen Strohhut zu reaktivieren, den ich 1982 im Osten Kolumbiens – in Vistahermosa in der Nähe der Sierra de la Macarena – erworben hatte. Ich weiß gar nicht, warum man so ein praktisches Teil nicht hier auch verkauft und trägt.

Aber so in der Sonne zu braten, ist auch langweilig, zudem die leckere Dame, die mich mit ihrem Anblick erfreute, bald gehen musst. Ich konnte mich aber noch verbal für den ästhetischen Genuss bedanken, was auch sie erfreute.

Ich werde mich wohl jetzt mit Habermas‘ „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ in ein Café setzen. Ich habe das Buch zum ersten Mal in den 70-ern gelesen; ich wundere mich, warum Habermas nicht im Verfassungsschutzbericht auftaucht, zumal er die Heilslehre der „Freien Marktwirtschaft“ und deren Gläubige auf allerhöchstem theoretischen Niveau ständig abwatscht:

Marx denunziert die öffentliche Meinung als falsches Bewußtsein: sie verheimlich vor sich selbst ihren wahren Charakter als Maske des bürgerlichen Klasseninteresses. Seine Kritik der Politischen Ökonomie triffe in der Tat die Voraussetzungen, auf denen das Selbstverständnis der politisch fungierenden Öffentlichieit beruhte. Ihr zufolge kann sich das kapitalistische System, sich selbst überlassen, nicht krisenfrei als eine ’natürlich Ordnung‘ reproduzieren. (S. 151)

Wahrscheinlich ist Habermas nur deshalb nicht in Deutschland gesellschaftlich geächtet, weil PolitikerInnen zu faul oder zu dumm sind, seine Bücher zu lesen. Allerdings hat er auf seine alten Tage die Verehrung höherer Wesen und anderen Formen des Aberglaubens wieder ernst genommen; das nehme ich ihn persönlich übel.

image_pdfimage_print

Kommentare

6 Kommentare zu “Mein Strohhut, eine leckere Dame und die Maske des bürgerlichen Klasseninteresses”

  1. flatter am Juli 21st, 2013 1:29 pm

    Wahrscheinlich ist er deshalb nicht geächtet, weil er ein zahnloser Abklatsch seiner Lehrer ist und harmlos vernünftelnd die Kritische Theorie sozialdemokratisiert hat (Bitte an dieser Stelle ein boshaftes Knurren einfügen).

  2. KL am Juli 21st, 2013 1:38 pm

    Daß sie erfreut war, ist doch ein schönes Zeichen.
    Sie hätte ja auch street harrassment! schreien können, oder so.

    Man weiß das heute nicht.

  3. .... der Trittbrettschreiber am Juli 21st, 2013 3:49 pm

    Du hast unter Deinem Strohut einem Sprech-Akt mit dieser Dame den Vorzug gegeben. Danach an Habermas zu denken ist nur konsequent.

  4. admin am Juli 21st, 2013 5:37 pm

    Stimmt. :-) Wahrscheinlich hatte die Sonne schon mein Gehirn negativ beeinflusst, ich habe sie nicht nach ihrer Telefonnumer gefragt :-( Sie sah von jeder Seite aus umwerfend aus und war auch sehr freundlich.

  5. hdschulz am Juli 22nd, 2013 12:52 pm

    Merke: Die Höhe des „Theoretischen Niveaus“ von Abwatschern der „Freien Marktwirtschaft“ korreliert negativ mit der Klarheit ihrer Gedanken. Ergo: Habermas ist Spitze!

    Buchempfehlungen: Karl Popper: Lesebuch.
    Roland Baader: Fauler Zauber.

    Es tut weh, einen leckeren Anblick mit verschwurbelten Zitaten verknüpft zu sehen.

    „Deutsch des Grauens“ und Ästhetik – das geht gar nicht.

  6. elvis am Juli 23rd, 2013 12:27 pm

    Wirklich schöner Beamtenbart. (*_*)

Schreibe einen Kommentar