Failed Messiah

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Gulli.com: „Ein einflussreicher ultra-orthodoxer Rabbi fordert kurz vor dem größten jüdischen Feiertag dazu auf, alle Smartphones zu verbrennen. Es müsse verboten sein, dieses Gerät zu besitzen. Wer es hat, soll es vernichten. Der Aufruf wurde von einer auflagenstarken Zeitung Israels auf der Titelseite abgedruckt.“

Das war „deutscher“ Journalismus – keine Quellen, keinen Hintergründe. Ich hätte da aber noch einige Fragen. Wie heißt der Rabbi und warum ruft er dazu auf? Welcher Richtung des Judentums gehört er an? Um welche „auflagenstarke“ Zeitung handelt es sich? Übersetzen wir das Geschreibsel von Gulli in Journalismus, der sich selbst ernst nimmt.

Der Rabbi ist Chaim Kanievsky. Seine Thesen sind natürlich auch online (hebräisch) – selbst die schärfsten Internet-Gegner können auf das Internet als Propaganda-Maschine nicht verzichten.

Die Huffington Post schreibt: „The religious Yated Neeman newspaper [Ja, auch hier kann man einen Link setzen, Huffington Post! Und außerdem heißt die Zeitung Yated Ne’eman] published the ban on its front page this week, as mainstream Israeli newspapers were gushing about Apple Inc.’s eagerly anticipated new smartphone, the iPhone 5.“ Man sollte hinzufügen, dass die „auflagenstarke“ Zeitung „anti-zionistisch“ is, also gegen einen säkularen Staat Israel. Orthodoxer und reaktionärer geht es also gar nicht. Diese Richtung des Judentums will einen Gottesstaat.

Nach einigem Recherchieren fand ich ein Blog, das mir für derartige Themen auch in der Zukunft zuständig erscheint: Failed Messiah.com. Die New York Times schreibt über dieses jüdische Blog und dessen Betreiber Shmarya Rosenberg, dass er einer der „50 most influential American Jews“ sei. Der Blogger von Failed Messiah.com stammt aus der ultrakonservativen Chabad-Bewegung aka Chassidim (über deren Berliner Zweig ich hier schon 2004 geschrieben hatte).

Rosenberg verhält sich zu den orthodoxen jüdischen Gruppen wie ich zu ähnlichen Sekten der christlichen Art. Er spürt intuitiv, wie die ticken, weil er selbst mal einer von denen war, aber Renegaten wie ihn können die überhaupt nicht leiden, weil er genau weiß, wo man den Finger auf die Wunde legen muss, damit es richtig wehtut. „Thus provoked, the Lubavitchers excommunicated Mr. Rosenberg. (The group denies that it has such a formal procedure.)“ Schon klar. Ein Blog kann eine gefährliche Waffe sein. Der Kerl ist mir auf Anhieb sympathisch.

Nach Rabbi Kanievsky ist es nicht nur verboten, ein Iphone oder Smartphone zu besitzen, „it is forbidden to sell or give one to a non-Jew. There, the rabbi says, you must burn them.“

Kanievsky hat vor vier Jahren dazu aufgerufen, alle arabischen Angestellten jüdischer Religions-Schulen („Yeshiva“) zu entlassen. Kanievsky ist der Sohn Yaakov Yisrael Kanievskys, („The Steipler„). Wenn man sich die Biografie seines Vaters ansieht, dann weiß man, warum auch der Sohn keinen Millimeter vom der Meinung abweicht, die er für richtig hält: „Once, during his army stint, Kanievsky was Court-martialled for ‚failing to do his duty‘ when there was a possibility of breaking the Sabbath. He was forced to walk between two rows of soldiers who were ordered to beat him as he passed. In later years, Kanievsky remarked that the satisfaction he had enjoyed for making a stand for his religious convictions was an achievement never again equaled for the rest of his life.“

Es gibt keinen Grund, über die Thesen des Rabbis zu kichern. Sie sind nur konsequent. Natürlich haben die Ultraorthodoxen recht. Wer andere Meinungen als die zu sehen bekommt, die die Hüter des wahren Glaubens ihm vorgekaut haben, könnte auf die gefährliche Idee kommen, selbst nachzudenken. Das ist aber bei Verehrern höherer Wesen der christlichen, jüdischen und muslimischen Art nicht vorgesehen.

Die Times of Israel schreibt: „In May, 60,000 ultra-Orthodox American Jews gathered at the Citi Field baseball stadium in New York, where they were told by leading rabbis that home internet usage was forbidden, and that even those who thought they needed Web access at work should try to avoid using it, as the urge to go online was likely the nagging of the ‚evil inclination.'“

Klar. Kinderporno und so. Die sollten sich mal mit den hiesigen Internet-Ausdruckern, Jugendschutzwarten und jugendschutz.net zusammentun. Gleich zu gleich gesellt sich doch bekanntlich gern.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Failed Messiah”

  1. Chajm am September 28th, 2012 11:23 am

    Es gibt zahlreiche Versuche in verschiedenen Gruppen, die Netztnutzung zu beschränken, oder zu verbieten. Zahlreiche dieser Aufrufe wurden auch über eigene Websites verbreitet. Bemerkenswert ist, dass die »Autoritäten« in dieser Frage offenbar auf Granit beißen…

  2. Systemrelevanter Lifestyle : Burks' Blog am April 18th, 2020 5:36 pm

    […] ist natürlich Pflichtprogramm für alle, die aus Sekten oder sektenähnlichen religiösen oder politischen Gruppen kommen. Meine Biografie ist im Vergleich zum hiesigen Publikum vermutlich […]

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