Gruban-Souchay

Gruban-Souchay

Es kommt selten vor, dass man bei einer Sucheingabe zuerst einen vietnamesischen Treffer erhält. Das geschah mir aber bei Gruban-Souchay, ein Name, der mir an einer Hauswand im hintersten Neukölln aufgefallen war, direkt gegenüber einer meiner Stammkneipen (wo die Frauen leider alle rund 35 Jahre jünger sind als ich.)

Es geht offensichtlich um ein Buch, das die letzten Kriegstage von Berlin behandelt: „Schelle managed Gruban-Souchay, one of the most famous wine shops and restaurants in Berlin, situated on the ground floor below the Borgmanns.“

Die Frage, was es mit der Schrift an der Wand auf sich hat, haben sich auch schon andere Neuköllner gestellt: „Gruban und Souchay war wohl eine Weinhandlung und Weinrestaurant in Charlottenburg, aus Japan die Info: Kurfürstendamm 20.“ Auf einem Blog „Berlin und Berliner Geschichten“ erfährt man: „Im gleichen Jahr erwarb Max Gruban, Seniorchef der Berliner Weingroßhandlung Gruban und Souchay, für ein Heidengeld die Brüningsche Besitzung, um mit dem seinerzeit sehr beliebten und vielbesuchten Schloß Marquardt des Weinhauses Kempinski konkurrieren zu können.“

Einer der Nachfahren der Grubans ist laut einem Posting der Urenkelin des Seniorchefs in einem Forum auch ein Max Gruban, der sozusagen im Fach geblieben ist (oder jemand hat den Namen übernommen – es gibt noch eine Firma gleichen Namens am Rhein.)

Die Recherche hat Spaß gemacht…

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Meidet die dunklen Ecken des Internet (burks.de)!

dunkle Ecke

Immer wenn man glaubt, dümmer ginge es nimmer, kommt der Bund deutscher Kriminalbeamter daher und legt noch einen drauf. Bei Heise las ich: „Wer zukünftig im Internet einkauft, Geld überweist, Behördengänge erledigt oder andere Geschäft abwickelt, soll sich nach dem Willen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter zuvor bei einer staatlichen Stelle registrieren lassen, sagte der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen in einem Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung. (…) Zudem solle die Polizei das Recht bekommen, ‚Trojaner, Viren und Schadprogramme von privaten Rechnern entfernen zu dürfen‘.“

Das Märchen von der real gar nicht existierenden Online-Durchsuchung also. Anscheinend hat dieser Kerl gar nicht gemerkt, dass das Bundesverfassungsgericht den Wunschtraum des behördlichen Zugriffs in Echtzeit auf alle „Internet-Festplatten“ schon längst verboten hat, obwohl das Anliegen ohnehin technisch nicht umsetzbar ist. Nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ wird der Unfug einfach immer und immer wieder wiederholt. Politischer Flankenschutz kommt von Leuten wie Uhl (um mal jemand anderen als den unvermeidlichen Bosbach zu nennen), der die chinesische Zensur gern in Deutschland einführen möchte: „Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich“.

Die Agitprop der obrigkeitsstaatlichen Internet-Ausdrucker steht ähnlich auch bei RP Online (Rheinische Post). Zeit Online wie auch andere verzichten auf jedwedes kritisches Wort – deutscher „Qualitätsjournalismus“ eben.

Die Neue Osnabrücker Zeitung titelt: „Kriminalbeamte wollen in sozialen Netzwerken verdeckt ermitteln.“ Das ist natürlich eine tolle Idee: Wenn jeder, der sich in Partnerbörsen, bei Facebook, StudiVZ oder sonstwo im so genannten Web 2.0 herumtreibt, damit rechnen muss, dass der Gesprächspartner ein verdeckter Ermittler ist, würden vielleicht einige DAUs mit ihren Daten vorsichtiger umgehen.

Im Heise-forum steht schon ein Entwurf der „Internet-Verkehrsordnung“, der mir gefallen hat:
§1: Ins Internet darf nur, wer einen Internetführerschein hat.
§2: Für P2P-Protokolle gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen.
§3: Staatlichen Paketen, bei denen das Blaue-Blinklicht-Flag im Header gesetzt ist, ist Vorrang zu gewähren. Zuwiderhandlungen werden mit Internetführerscheinentzug von sechs Monaten bestraft; sollten die Pakete den Bundestrojaner enthalten, kann die Strafe auf ein Jahr erhöht werden.
§4: Teile des Webs dürfen durch Aufstellen entsprechender Verkehrszeichen gesperrt werden.

„Weniger als ein Prozent der 260000 Polizisten in Deutschland“ seien „fit fürs Netz“. Das merkt man. Jansen ist ein schlagendes Beispiel dafür.

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Die Gewaltorgie zum Sonntag – Heranwachsende bitte wegsehen!

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Bahn hoffte auf neue Eiszeit

Klima

„Zum Zeitpunkt der Planung dieser ICEs ist niemand davon ausgegangen, dass wir einmal Temperaturen von mehr als 35 Grad in Deutschland haben würden.“ (Georg Brunnhuber, Sonderbeauftragter Bahnchef Rüdiger Grubes, zuständig für Beratung und politische Kommunikation, laut stern.de)
Screenshot: Climatic Research Unit

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Hurra! Pornografieverbot im Internet! [Update]

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Hurra! Darauf haben wir alle gewartet! Man sieht jubelnde und Winkelemente schwingende Jugendschutzwarte auf Deutschlands Straßen, die Kirchen lassen alle Glocken läuten und im Kölner Dom wird eine spontane Dankesmesse gelesen.

Die Junge Union Berlin fordert: „Stoppt die Generation Porno! Wir fordern ein Pornografieverbot im Internet! (…) Anstatt mit aller Macht nach technischen Lösungen für die Eindämmung der Pornografie zu suchen, wird über die Meinungsfreiheit und Zensurfragen philosophiert.“ Zu dumm aber auch, dass es diese Meinungsfreiheit gibt und man auch nicht so einfach Zensur fordern darf. Das kommt (noch) nicht so gut.

By the way: Ist Alice Schwarzer eigentlich schon in die CDU eingetreten?

[Update I] Interview mit Conrad Clemens von der Jungen Union (via netzpolitik.org): „In dem Interview wird auch deutlich, dass Clemens Conrad auf den Zug aufspringen wollte, der heute durch den unkritischen Welt-Artikel über eine ‚Studie‘ des BKA entstanden ist. (Diese scheint wiederum keine wirkliche Studie zu sein, sondern eine Präsentation, die BKA-Präsident Ziercke vergangene Woche vor den Regierungsfraktionen gehalten hat. Wenn das stimmt, sollte sich die Welt-Redaktion fragen, warum man hier im Qualitätsjournalismus aus einer Präsentation eine Studie machte.)“

[Update II] Dazu golem.de: „Von einer Studie könne keine Rede sein, heißt es von Seiten des Bundesjustizministeriums. Die Zahlen stammen vielmehr aus den Monatsstatistiken des BKA, die nur den Zeitraum von Januar bis Mai 2010 abdeckten. Repräsentativ seien diese Zahlen nicht.“

Bei welt.de kann man nur noch von „Schweinejournalismus“ sprechen.

[Update III] ODEM.blog: „Das BKA und das Löschen“

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Glauben heisst nicht wissen, Frau Kraft

Wer recherchieren kann oder ein besseres Gedächnis hat als eine Drosophila, ist klar im Vorteil. Spiegel Offline lässt Hannelore Kraft unwidersprochen fabulieren: „Es wird ein Kabinett geben, was genauso viele Männer wie Frauen hat, und ich glaube, das ist das erste Mal in Deutschland der Fall“, hatte die neue NRW-Regierungschefin im WDR angekündigt.“

Glauben heisst nicht wissen. Guckst du hier: „…in Berlin besetzte Bürgermeister Walter Momper (SPD) Anfang 1989 in spektakulärer Weise acht von dreizehn Senatsposten mit Frauen, und in Hessen wurden 1991 fünf der zehn Ministerien an Frauen vergeben, darunter das Finanz- sowie das Justizministerium.“

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Jamel rockt den Förster für fünf Euro

Ich muss die gutmeinenden und lichterkettentragenden LeserInnen jetzt enttäuschen. Es kommt wieder etwas, das dem bräsigen Medien-Mainstream entgegensteht. Der Ostseeblick Nienhagen berichtet über einen Ort mit „zweifelhaftem Ruf“, der „in die Schlagzeilen geraten“ sei. Jamel. Es ist etwas hängengeblieben, was genau, wissen wir nicht. Deutsche Medien stehen bekanntlich mit dem Internet auf Kriegsfuß und setzen keine Links. Dem kann ich abhelfen.

In meinem Artikel Project Xanadu, reloaded hatte ich geschrieben:

„Kompliziert sind Themen, in denen die im Netz vorhandenen Quellen mehr verraten als die Personen, die genannt werden, vielleicht wollen. Interessante – und für das Niveau der Recherchen bezeichnende – Beispiele waren die Artikel über Neonazis im mecklenburgischen Ort Jamel. Die Schweriner Volkszeitung berichtete schon am 14.10.2003, die Frankfurter Rundschau am 06.11.2003, die taz am 17.10.2003 („Abgebrannte Häuser, aufgespießte Hühner, Wehrsportübungen“), die Jungle World am 05.11.2003, die Süddeutsche am 07.11.2003; Spiegel online holte das Thema am 16.08.2007 zum Teil wortgleich wieder hervor („Abgefackelte Häuser, aufgespießte Haustiere, vertriebene Neubürger“), ohne die vorherigen Artikel mit einem Wort zu erwähnen. Im zweiten Teil des Artikels wir der Musiker Horst Lohmeyer genannt, der mit seiner Familie in Jamel wohnt. Lohmeyer wirbt online für seinen Forsthof – der Link sollte in einem Artikel daher nicht fehlen. Man kann sich das Anwesen von oben per Google Maps ansehen. Der Spiegel-Autor hat vermutlich nicht danach gesucht, sonst hätte er schon während der Recherche mit dem Interview-Partner diskutieren müssen, wieviel an privaten Informationen der von sich preisgeben wollte. Im Vergleich aller online auffindbarer Artikel zum Thema wird auch die Praxis fragwürdig, Namen nicht zu nennen: Spiegel Online schreibt „Sven K., 30, Abrissunternehmer, polizeibekannter Neonazi.“ Dass der Mann Sven Krüger heißt, findet man mit wenigen Mausklicks.“

Eine der vielen Fragen zu der Berichterstattung über Jamel ist: Warum schreibt Spiegel Offline vier (!) Jahre, nachdem Jamel schon durchgehechelt wurde, noch einmal fast das Gleiche – natürlich ohne auch nur einen einzigen Link zu setzen?

Tut mir leid. Gut gemeint ist bei mir nicht automatisch gut. Hupen und Wäscheleine spannen gegen Rechts wirken nicht. Zentrale Frage wie gewohnt: Wo kommt die Kohle her und wo geht sie hin? Grundfinanzierung vom Fonds Soziokultur. („Auf die Auswertung und Dokumentation der Ergebnisse und Erfahrungen wird besonderer Wert gelegt.“ Schicken die die Liedtexte ein?) Und fünf Euro Eintritt. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.

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Hundekacke und Religion

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Manche Sachen kann man sich nicht ausdenken. Natürlich weiß ich, das Homöopathie eine säkulare Religion ist, Aberglauben, Unfug, aber manchmal wirkt, weil Placebos eben wirken.

Esoteriker sind nichts anderes als eine Version der Verehrer höherer Wesen, nur dass diese Wesen nicht anthropomorph gedacht werden, sondern stofflich. Mit Esoterikern kann man auch nicht rational reden, das haben sie mit Gläubigen gemeinsam. Wenn man ihnen darlegt, dass sie an fromme Märchen und Legenden glauben und dass Religion und Esoterik Opium für’s Volk seien, dann erscheint sehr schnell ein dämliches und herablassendes Grinsen auf ihren Gesichtern, weil sie mit ihrem Scheinwissen so himmelhoch über einem selbst stehen, dass man dankbar sein muss, überhaupt ein Wort mit ihnen wechseln zu dürfen.

Bei der Lektüre einiger Blogs stutzte ich bei Fefe. Excrementum caninum – übersetzt für den Nicht-Lateiner heisst das schlicht Hundescheisse. Wirklich wahr. Noch mal: Hundekacke. Das setzen die Esoteriker und Homöoschwachmaten als Medikament sein. So wundert es auch nicht, dass zum Beispiel der Passauer Homöopath, auf dessen Website die caniden Exkremente als „Medizin“ angepriesen werden, ein Dipl.theol. ist, ein diplomierter Theologe also. Quod erat demonstrandum.

Bei Kleinweich finden wir eine Übersicht über die zehn bizarrsten Heilmethoden des Mittelalters. Jetzt haben wir elf, und das Mittelalter ist natürllich noch nicht vorbei in den Köpfen der Esoteriker. Immerhin hatten wir mit Otto Schily schon einen Waldörfler als Innenminister, und die grüne Renate Künast verwechselt Homöopathie mit Kräutermedizin.

Doch damit nicht nicht genug des Schwachsinns. Wogegen wird Hundekacke eingesetzt? Gegen Arbeitslosigkeit! Ja, richtig gehört! Deswegen der Screenshot! Ich traute auch meinen Augen nicht. Das muss ich ganz schnell hier in Neukölln herumerzählen. Selbsthilfe ist angesagt. Leider weiß ich nicht, ob man verdünnte Hundescheisse oral, rektal oder intravenös verabreicht?

So ganz abwegig ist das ja nicht, denn die Rezepte der Politik, wie man die Krisen den Kapitalismus bekämpfe und die industrielle Reservearmee verkleinere, sind genau so viel oder wenig wirksam wie Hundescheisse. Man muss nur fest daran glauben und auf die Dummheit des gemeinen Volks vertrauen.

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Das Netz muss nicht sicherer werden

Wieso eigentlich muss „das Netz“ sicherer werden? Immer wenn ahnunglose Politikschwätzer wie zum Beispiel die „Junge Union“ Sprechblasen absondern, in denen Komparative mit „Internet“ kombiniert werden, wendet man sich mit Grauen ab. Das „Netz“ ist sicher, wenn die Benutzer sich nicht wie die letzten Trottel verhalten. Basta.

„Zu häufig hätten einzelne Unionspolitiker in der Vergangenheit die Risiken statt der enormen Chancen, die das Netz für die freiheitliche Gesellschaft berge, in den Vordergrund gestellt. Daher sei ein „Paradigmenwechsel“ nötig, um CDU und CSU wieder in ‚deutsche Internetparteien‘ umzumodeln.“

Dieser Satz ließ mich doch kräftig schmunzeln. Risiken? Ach was. Es handelt sich um die im Ausland schon berühmt gewordene German Internet Angst, also eine moraltheologisch unterfütterte Hysterie, das Böse lauerte überall und dem müsse mit Exorzismen und Regenzauber („SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten“) begegnet werden.

Sehr hübsch ist auch das „wieder“. Waren CDUCSU jemals „Internet-Parteien„? Har har. Die anderen sind ja auch nicht besser. „In’s Internet bin ich glaub ich ein Mal oder zwei Mal gegangen bisher.“ (Ströbele im Jahr 2007, im Jahr 41 nach Erfindung des Internet und im Jahr 17 nach Erfindung des World Wide Web).

Es kann nur eine „Internet-Partei“ in Deutschland geben. Noch Fragen?

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Lernen für’s Leben

„Mein Drogenhandel war ein halbes BWL-Studium.“ (Bushido im Spiegel)

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Lange kein Avatar-Bild mehr gepostet, revisited

Slave of Gor

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El Pulpo Pepe aka Paul hatte doch recht

el pulpo

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Nutzungsausfall für beschlagnahmte Computer

Interessantes Urteil des Oberlandesgerichts München (via lawblog, Beschluss vom 23. März 2010, 1 W 2689/09): Die Richter stellten sich die Frage, ob ein internetfähiger Computer heute ein Lebensgut darstellt, ‚dessen ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist‘. (…) Die monatliche Miete für einen Computer schätzt das Gericht auf immerhin brutto 200,00 €. Der Antragstellerin, die sich kein Gerät gemietet hatte, stehen hiervon 40 % als ‚Kompensation‘ zu, allerdings nur vom Nettobetrag. Für jeden Tag kommt das Gericht auf 2,30 € Schadensersatz.“

Mein Rechner steht seit dem 11.11.2008 beim LKA Berlin. Vor einen knappen Jahr wurde ich freigesprochen. Das wären immerhin schon 1400 Euro, wenn ich ihn jetzt wiederbekäme. In einem Jahr blogge ich wieder was zum Thema.

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Paul – the soothsaying cephalopod

Wer etwas über britischen Humor lernen will, sollte den Artikel David Spiegelhalters (University of Cambridge) lesen: „It’s definitely time to retire. I and all my profession are being humiliated by the apparent ability of Paul the psychic octopus to predict the results of Germany’s World Cup matches. (…) No interviews with Paul are currently available and so we don’t know his thought processes when his Delphic tentacle reaches out and picks the winning team, but he is probably not analysing the data on past performance which forms the basis for most football prediction systems. (…) That octopus is destroying my life’s work. (…)“

Hier ist noch etwas Mathematisches dazu: „Paul die Orakelkrake – mathematisch betrachtet“ (via Astrodicticum Simplex).

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Tweet of the day 26

Ursula von der Leyen (CDU): „Bürgerarbeit macht frei“ (twitpic.com/243tle, via wii1and)

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Ein Traum wird wahr

Der Journalist Steffen Seibert wird Regierungssprecher. Da die Verehrung höherer Wesen der ultrakonservativen Form durch die Person des Bundespräsidenten quasi persönlich abgesegnet wird, passt auch Seibert wie der Arsch auf Eimer: „Er ist evangelisch getauft, konvertierte jedoch später zur katholischen Kirche.“

Roger Boyes, Deutschland-Korrespondent der Londoner Times, formulierte das so: “Die Berliner Republik kanalisiert ihre Informationen über Hintergrundgespräche und Stammtische, über informelle Netzwerke, über Vereinbarungen zwischen einzelnen Politikern und einzelnen Verlagsgruppen. Der Traum vieler deutscher Journalisten scheint immer noch darin zu bestehen, eines Tages selbst Politiker, Pressesprecher oder Redenschreiber zu werden. Der Traum jedes britischen journalisten besteht darin, einen nichtsnutzigen Politiker um seinen Job zu bringen.” (In: Berliner Journalisten 3/2005)

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Die sich selbst verstärkende faktenfreie Ente, lau aufgewärmt

ente

„700.000 Euro für eine Ente“ schrieb ich am 25.05.2010 in diesem kleinen onlinedurchsuchungshoaxfeindlichen Blog. Gestern wärmten der Heise-Newsticker („CDU/CSU und SPD halten an heimlichen Online-Durchsuchungen fest“) und die taz („BKA hält sich zurück“) [was für ein dämlicher Titel!] die wohl bekannte Ente wieder auf.

Die beiden Artikel enthalten keine Informationen – sie geben nur das sinnfreie Gefasel einiger Politiker zum Thema der real gar nicht existierenden „Online-Durchsuchung“ wieder. „Gerade beim internationalen Terrorismus beobachten wir zunehmend, dass sich Personen modernster Technologien bedienen, um nicht entdeckt zu werden.“ Modernste Technologien – was könnte damit gemeint sein? Terroristen nutzen das Internet? Der Satz wäre ja sinnvoll, weil für unsere Sprechblasen-Absonderer das Internet ultramodern ist (weil ihnen erst gestern ein persönlicher Referent davon erzählt hat).

„Die Rechtsextremen haben die moderne Technik entdeckt“, raunte Focus 1993. Das ist der Stand der Diskussion: Man häufe ein paar Komparative um ein vermeintliches Bedrohungsszenario, drapiere es mit kulturpessimistischer Attitude („es wird alles immer schlimmer“) und deutschtypischer Hysterie („die Bösen werden immer öfter immer böser“) und tröpfele noch ein wenig Eigenwerbung drauf („der Verfassungsschutz mahn, warnt und ist besorgt“).

Aber ich schweife ab. Mich regen die „Kritiker“ genau so auf: „Der verdeckte Zugriff auf Festplatten sei ‚überflüssig‘ und richte ‚bürgerrechtlichen Flurschaden‘ an, da er nicht einmal an einen festen Tatverdacht geknüpft sei.“ Bevor ich auch nur ein Wort weiterlese, möchte ich wissen: Wie soll der so genannte „verdeckte“ Zugriff auf „Festplatten“ bewerkstelligt werden? Warum, verdammt noch mal, taucht diese doch nicht ganz unwesentliche Frage weder bei Stefan Krempl noch bei dem einschlägig bekannten Dampfplauderer und Nebelkerzenwerfer Christian Rath von der taz auf? Weil die Zahnpasta schon aus der Tube ist und nicht wieder hinein könnte, selbst wenn sie wollte? Wozu habe ich eigentlich das Buch geschrieben? Liest der Rath seine eigene Zeitung nicht?

Krempl und Rath, hier diese Rezension weiterlesen: „Als nächstes zeigen die Autoren, dass es sich bei der Online-Durchsuchung um ein sich selbst verstärkendes Phänomen handelt, das aus unklaren Definitionen darüber herrührte, was mit der Online-Durchsuchung eigentlich gemeint sein soll. Gepaart mit dem Mythos des allmächtigen Hackers schaukelte sich die Darstellung der Online-Durchsuchung in den Medien zu immer größeren Horrorszenarien auf, die man letztlich als nahezu faktenfrei bezeichnen kann. Die einzig gesicherten Fakten waren nur die Berichte in den Medien, nicht deren Inhalt. Aus der vielleicht noch anfangs verwendeten konjunktiven Form ‚könnte‘ wurden dann konkrete Forderungen von Politikern. Journalisten stellten suggestive Fragen, ob es denn solche Fälle nicht schon längst gegeben habe, und weil man nicht genau wusste, was mit ‚Online-Durchsuchung‘ gemeint ist (oder was man selbst darunter versteht) und man es mit anderen Verfahren vermischte/verwechselte, ergab sich das Bild, dass schon seit langem dieses Verfahren ohne Rechtsgrundlage abgelaufen ist. Dies Alles, gepaart mit dem fehlenden Sachverstand, führte zu dem schon genannten ‚Medien-Hype‘. Beim Lesen dieses Teils des Buches kommt man aus dem Staunen über diese Vorgänge nicht heraus. Steht es so schlecht um den Journalismus in Deutschland?“

Ich zitiere mich selbst: „In Wahrheit hat es eine „Online-Durchsuchung“ oder gar den „Bundestrojaner“, der seit geraumer Zeit durch die Medien geistert und sogar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia bekommen hat, nie gegeben – und es wird ihn auch nie geben. Er ist ein Hoax und beruht auf dem mangelnden Sachverstand eines Oberstaatsanwaltes, jeweils einer Falschmeldung der taz und der Süddeutschen und der Tatsache, dass alle deutschen Medien, ohne die Fakten zu recherchieren, voneinander abgeschrieben haben. Nach dem Prinzip ‚Stille Post‘ steht am Ende der Berichterstattung dann der ‚behördliche‘ Hacker, vom dem am Anfang nie die Rede war.“

Ceterum censeo: Der Kaiser ist nackt! Es gibt keine ‚Bundestrojaner‘!

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Ohne Worte: Google Street View

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Betrug am Leser

Was sind das doch für Feiglinge bei Zeit Online! „Am vergangenen Donnerstag saß Oliver Bierhoff vor dem Restaurant des Mannschaftshotels in Südafrika. Es sollte eines dieser vielen WM-Interviews werden. Es wurde eines, dessen Veröffentlichung der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und er selbst im Nachhinein untersagten. Es hätte zu viel – ‚inhaltlich und sprachlich‘ – geändert werden müssen, lautete eine Begründung des Pressesprechers.“

Seit wann hat irgendjemand ein Recht darauf, ein Interview autorisieren zu lassen? Sind wir hier im realen Sozialismus?

Vor sieben Jahren veröffentlichte Telepolis einen Artikel zum Thema: „Neun bundesdeutsche Tageszeitungen wehren sich mit einer Aktion gegen zunehmend restriktiv gehandhabte Interview-Autorisierungen, Besserungen sind wohl nicht zu erwarten“. Die taze nannte die typisch deutsche Unsitte der Autorisierung „Betrug am Leser“. Zu Recht. Geändert hat sich nichts.

Als ich noch Chefredakteur des Medienmagazins Berliner Journalisten war, habe ich es schlicht verboten, Interviews autorisieren zu lassen. Wer nicht druckreif reden kann, sollte das Maul halten. Man kann auch glasklar zwischen einem Hintergrundgespräch, vom den nichts publiziert wird, und dem eigentlichen Interview trennen.

„Zu den Regeln, auf die Politiker bei Presse-Interviews pochen, gehört die nachträgliche Autorisierung des Gesprächs“, schrieb taz. Wer hat denn die Regeln aufgestellt? Niemand. Es war die Feigheit der deutschen Journaille – und ist sie immer noch. Kein Journalist im angelsächsischen Sprachraum würde so etwas tun. Wenn hierzulange keiner mitmachte, könnte sich kein Politiker oder Pseudo-Promi erlauben, zu herumzuzicken wie jetzt Bierhoff. Selbst schuld. Die heuchlerische Attitude von Zeit Online entlarvt sich selbst.

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Wer hätte das gedacht: BILD hetzt

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Wieder ein Argument für die EU (ja, ich bin überzeugter Europäer!): Das deutsche „Asylrecht“ wird bald wieder internationalen Normen angeglichen. Die Bild-Zeitung hat die Hetze mit rassistischen Metaphern („eine neue Asylanten-Welle“) schon begonnen: „Die EU will das seit der Grundgesetzänderung 1993 bewährte Asylrecht in Deutschland aushebeln!“ Und das unter der Überschrift: „Asylbetrüger dürfen bleiben“.

Die NPD lässt grüßen. Ich frage mich, was im Kopf eines Schreiberlings vorgeht, der so etwas verfasst und sich gleichzeitig erkühnt, sich Journalist zu nennen.

Informative Links zum Thema gibt es übrigens bei asyl.de. Spiegel Offline schreibt: „Geplant ist dem Bericht zufolge, das bisher für Ehegatten und Kinder geltende Bleiberecht auf Geschwister auszudehnen. Asylbewerber sollen dem Bericht zufolge bei der Sozialhilfe grundsätzlich mit den Bürgern des betreffenden Landes gleichgestellt werden und nach spätestens sechs Monaten uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.“

Dann hat die CDU ja wieder ein Wahlkampfthema. Ronald Koch, übernehmen Sie!

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