Kreatives Kauderwelschisch

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Auf Meedia.de lesen wir folgendes Kauderwelsch:
Für die Experten wäre es denkbar, jegliche Video-, Audio- und Textinhalte als Token abzubilden und damit lizenzierbar zu machen. Über Smart Contracts können Kreative ihre Werke so auch langfristig monetarisieren. Etablierte Plattformen des Web2 könnten dadurch an Bedeutung verlieren und durch eine Creator Economy mit starkem Community Gedanken ersetzt werden. Der Aufbau von Communities rund um Web3-Projekte, die mit Token incentiviert und belohnt werden können, wird ein weiterer wichtiger Faktor werden. Denn im Web3 nehmen Community und Fans stark Einfluss.

Diese Wörter würde ich Studenten, falls ich noch lehrte, um die Ohren hauen: Token, smart, contracts, monetarisieren, Web2, Bedeutung, creator, Economy, community, incentiviert (habt ihr noch alle Tassen im Schrank?), [Satzanfang mit] denn. Hilfsweise noch „wäre es denkbar“, „wichtiger Faktor“, „Einfluss nehmen“. Schlimmer und ekelhafter kann man Deutsch kaum verhunzen.

– „Wäre es denkbar“ ist Irrealis, der mit dem Konjunktiv II gebildet wird. Was soll mir das sagen? Falls Experten dächten (im Sinne von: wir bezweifeln, dass sie dazu in der Lage sind)? Oder falls sie nur in bestimmten Fällen dächten, etwa, wenn die Blutzufuhr ins Gehirn ausreichte? Experten stellen sich möglicherweise vor, wie die Zukunft aussehen könnte? Aber das haben sie offenbar getan, sonst gäbe es den Artikel gar nicht. Somit ist der Irrealis schlicht falsch, auch wenn vermutlich die Möglichkeitsform gemeint war. Die bezieht sich aber, wenn wir zugunsten der Angeklagten argumentieren, auf das Verb denken, und ist somit Bullshit Blödsinn.

Token kann vieles heißen, sollte also näher erklärt werden. Das versteht niemand – die Autor macht sich mit seinem esoterischen Wissen nur wichtig.

– „Smart Contracts“ – sind clevere Verträge gemeint? Die sind aber nie clever, sondern nur die, die sie aufsetzen.

– „Kreative“ – das erinnert an Töpferkurse in Volkshochschulen für gelangweilte Hausfrauen. Zugegeben: „Schöpferische“ – so heißt das im Deutschen – ist sperrig und schwerer auszusprechen. Was aber soll man von einem Wort halten, das kein Gegenteil hat? Gibt es „Unkreative? Sind das die „bildungsfernen Schichten“?

– „Monetarisieren“: Verben, die auf -ieren enden, sollte man verbrennen dem Autor wieder ins Maul stopfen – sechs Silben! Wie bimmelte es verbmäßig in einem lyrischen Meisterwerk der Dichtung? Glühn, krachen, stürzen, klirren, jammern, irren, wimmern! Zwei Silben: Das haut rein, das versteht jeder, das ist rhythmisch. Gemeint ist: Zu Geld machen, was sich offenbar zu banal anhört. Dann lasst es weg.

– Web2? Nie gehört. Hat der Teil des Internet(s), der unter dem Namen World Wide Web bekannt ist, noch einen Zwillingsbruder, ein Kind oder eine zweite Version? Wenn schon, dann Web 2.0: „eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets“. Alles klar. Ich kollabiere fast, wenn ich so ein Geschwurbel lesen muss. Man sagt heute übrigens Social Media. Wisst ihr Bescheid, Meedia.de.

– „Dadurch an Bedeutung verlieren“ (Echo an der Eiger Nordwand: Ung! Ung! Ung!) ersetzen wir durch „bedeuten dadurch weniger“, was den Unfug verdeutlicht, weil nichts gesagt wird. Wem weniger?

– Der „Creator“ kreierte (gesprochen wie das Hühnerei) ein Brot, und siehe, die Unkreatoren bissen hinein.

– „Economy“: Ökonomie, Wirtschaft. Warum Denglisch? „Wirtschaft“ hat nur zwei Silben, ist also prägnanter.

– „Community“: Ich mag die Kommune und die Kommunarden, die man mit K schreibt. „Gemeinde“ ist zu religiös, Gemeinschaft zu psycho und ohnehin verlogen, weil sie alle gegenseitig shitstormen. Was ist mit der „Gruppe“? Jaja, ich sage ja nichts mehr…

Incentivieren – sollte das eine Wortschatzübung sein? Ihr hättet auch „verkasematuckeln“ schreiben können; das hätten genau so viele Leser verstanden.

Denn leitet zwar einen Hauptsatz ein, der vorher Gesagtes begründet, aber das vorher Gesagte steht dann vor dem Komma, das beide Satzteile trennt. Denn das wäre gutes Deutsch. In unserem Fall wird weder etwas gesagt noch etwas begründet. Etwas ist ein „wichtiger Faktor“ (nicht etwa ein unwichtiger!) und wird dadurch immer wichtiger. Ach so ist das!

Gut, dass wir darüber geredet haben.

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Kommentare

10 Kommentare zu “Kreatives Kauderwelschisch”

  1. Godwin am Oktober 24th, 2022 7:51 pm

    ja Digga, chill mal.
    du regst dich safe über viel zu unwichtigen Kram auf.

    https://ethereum.org/de/developers/docs/web2-vs-web3/

    https://www.spiceworks.com/tech/tech-general/articles/web-2-vs-web-3/

    sowieso nur Nerd-Kacke

  2. altautonomer am Oktober 25th, 2022 8:50 am

    Meedia gehört den BWL-enthirnten, neoliberalen Hooligans Busch und Glatz. Geshäftsführer ist Timo Busch, gegen den momentan mehrere Kündigungsschutzklagen laufen. Vor einem Jahr wurde von Busch und Glatz mit großem Getöse die Fa. Harenberg mit diversen Buchzeitschriften (Joisy, Buchaktuell, Buchreport, Erlesen usw.) in Dortmund übernommen. Plötzlich wurde ein Teil dieses Betriebes vor wenigen Wochen zum 31.12.2022 diht gemacht, Gehälter weren nicht pünktlich bezahlt, die Kundschaft vor den Kopf gestoßen. B & G haben ca. 180 Mitarbeiter, so dass auch nicht zu erklären ist, von welchen Produktverkäufen die Lohnsumme erwirtschaftet wird. Mir gestaltet sich das Geschäftsmodell eher als heiße Luft mit einer unerträglichen Schaumsprache, wie sie sich in dem oben zitierten Text wiederfindet.

    Zu verstehen ist in diesem Kontext, warum weitere hochqualifizierte Mitarbeiter gesucht werden:
    https://www.buschglatz.com/#career
    Es wird ständig wieder eine Stelle frei.

    Die Leute haben zum Teil Funktionsbezeichnungen zum ehrfürchtigen Niederknien. Ein Hausmeister wäre bei denen ein Building-Technologic-Assistent.

    Selbstdarstellung: „Als Familienunternehmen denken und handeln wir langfristig und nutzen die Chancen der Digitalisierung im Rahmen unserer Buy-and-Build-Strategie konsequent, um unsere Geschäfte international zu skalieren.“ Ja, ne, is klar. Weisse Bescheid.

    Was Mitarbeiter sagen: https://www.kununu.com/de/busch-glatz-germany

    Deine sprachliche Analyse bringt es auf den Punkt.

  3. Hm... am Oktober 25th, 2022 9:19 am

    Naja, der Verfasser richtet sich an ein Fachpublikum und nutzt das einschlägige Vokabular.

    Ironie des Ganzen: Token bedeutet in der Praxis in der Tat vielerlei. In diesem Kontext heißt Token, dass der Nutzer sich damit authentifiziert.

    Ob das technisch über ein Cookie, ein Browser-Plugin, das sich mit jedem Seitenaufruf bei einer API verifiziert oder über eine gespeicherte Signatur / Hash passiert, steht nicht im Artikel.

  4. tom am Oktober 25th, 2022 10:42 am

    2 (zwei) Silben sind der Kracher, ganz leicht nicht nur zu erkennen, sondern auch zu fühlen! Nageleinschlaggerät? Nein, Hammer!
    Was ist aber mit Wumms? Wummst das nicht noch mehr? Oder haut das reiner?

  5. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 25th, 2022 11:15 am

    Also mir macht das Hoffnung. Als emsiger Burks-Lesemensch habe ich brav gegoogelt und herausgefunden, dass „Token“ zu Symbolen verdichtete Texte und andere Sinneinheiten sind, die auch assoziaitiv zu den Calculus-Steinen gedacht werden können, die z.B. auf einem Abacus Verwendung finden.
    Das erzeugt ganz andere grammatische Verhältnisse, die zumindest stark an mathematische streng logische Strukturen erinnenern und nicht an die monokelprofessorale, kaum nachzuvollziehende Deutsch-Grammatik-Stunde mit all ihren verschrobenen Klischees von Pädagogen in Aspik.
    Seit das Internet nicht nur als Wissenshalde sondern auch als Horizonte schaffende Plattform existiert, manifestiert sich so manche Vermutung, dass die Realität auch modular wahrgenommen und gedacht werden könnte – was auch bedeutet, dass beliebiger, an den Eklektizismus angelehnter Austausch der einzelnen Module möglich sein kann und auf diese Weise neue echte oder virtuelle Welten entstehen. Möglich wäre also der Gebrauch von eben diesen Token im kaleidoskopischen Sinne oder, einfacher, als Abacus-Bausteine, um vielleicht sogar Multiversen topografisch miteinander kommunizieren zu lassen. Nutzt man dann noch die telepathischen Fähigkeiten der Gender-Generation, ist nicht einmal mehr eine Email an die JEVER-Brauerei nötig, um auch mein Kellergegruft modular wieder aufzustocken… hcks.

    https://www.youtube.com/watch?v=mdyiyG0I1iU

  6. Scorcher am Oktober 25th, 2022 11:44 am

    @altautonomer: „Building-Technologic-Assistent“
    Das heißt „Senior Handyman of Facility Management“!

  7. DasKleineTeilchen am Oktober 25th, 2022 1:40 pm

    @godwin: da muss ich energisch widersprechen; das ist keine nerd-kacke, sondern bullshit-bingo für blockchain-geeks. nerds are those who are calling such scams, not advertising it.

    @hm…:
    „einschlägiges Vokabular“ aka bullshitbingo?

    „fachpuplikum“ aka blockchain-geeks aka vollidioten, die denken sie hätten den durchblick?

  8. altautonomer am Oktober 25th, 2022 4:32 pm

    Scorcher: Danke für die Korrektur.

  9. Jim am Oktober 25th, 2022 5:16 pm

    @Trittbrettschreiber
    „Emsiger Burks-Lesemensch“ seist du? Das ist aber mal gewaltig untertrieben!

    @topic
    Ich glaube ohne Bullshitbingo funktioniert die gesamte Branche nicht. Macht einfach Puff!, sobald man nicht mehr mit Geschwurbel um sich werfen und darin suhlen darf.

  10. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 26th, 2022 8:58 am

    @Jim

    Ein absolut richtiger Hinweis. Ich vermeide Reduktionen, wo immer ich nur kann.
    Hier ist mir tatsächlich ein Fehler unterlaufen – ich habe mich selbst auf mein Menschsein reduziert.
    Deshalb erweitere ich nun korrektiv ganz analog zum Genderzeitgeist meine Zugehörigkeit zu allen, vorwiegend lebendigen Existenzen dieses Universums und bezeichne mich fortan als Burkslese-Lebewesen ohne Attribuierung, weil das Adjektiv „emsig“ auch wiederum reduktiv ist, denn es ist von der Emse, also der Ameise abgeleitet. Wieder eine nicht unbedingt politisch korrekte Bevorzugung einer innerirdischen Art m/w/d/x.

    Es ist aber auch zum Zischen, schniiief…

    https://www.youtube.com/watch?v=0A_bTYtpTWw

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