Hier ist kein Wartebereich, revisited

warteraum

Aus einem meiner Schreiben an die Polizei aus dem Jahr 2015:

(…) Ich habe die dem Herrn B. vorgeworfenen Tat „Sachbeschädigung Schrankenautomat“ nicht selbst gesehen, sondern nur gehört.

Herr B. kam ca. 2 Uhr [nachts] in den leeren Warteraum der Rettungsstelle im Vivantes Klinikum am Urban. Er kaufte dort am Automaten ein Getränk. Ich habe ihn beobachtet, aber zunächst gewähren lassen. Er begann aber, seinen Rucksack auszupacken und Müll auf den Bänken und dem Fußboden herumzustreuen. Daraufhin habe ich ihm erklärt, dass der Warteraum nur für Patienten und deren Angehörige sei und er die Rettungsstelle zu verlassen habe. Herr B. wurde verbal aggressiv, verließ aber dann doch den Warteraum unter lautem Schimpfen.

An der Doppeltür nach draußen drehte er sich um und warf seinen Rucksack nach mir, traf mich aber nicht. Der Inhalt – u.a. Papierschnipsel und leere Dosen – breitete sich dabei großflächig auf dem Boden aus. Einige Schwestern waren durch den Lärm aufmerksam geworden und kamen aus der Rettungsstelle. Ich kann mich aber nur noch an den Namen einer erinnern. Als eine der Schwester eine leere Erdnussdose des Herrn B. aufheben wollte, stürzte der in aggressiver Weise auf sie zu. Ich habe eingegriffen und ihn auf den Boden geworfen, um zu verhindern, dass er sie angriff.

Herr B. sammelte dann seine Sachen wieder ein, ich habe währenddessen den Kollegen Sebastian P., der Streife lief, per Diensttelefon zur Unterstützung geholt. Wir haben Herrn B. zu verstehen gegeben, dass er die Rettungsstelle zu verlassen habe, was auch geschah. Der Kollege und ich haben uns vor der Eingangstür draußen aufgehalten, um sicher zu sein, dass Herr B. auch wirklich ging.

Nur kurze Zeit später hörten wir laute Geräusche auf dem Parkplatz, konnten aber nichts sehen. Es hörte sich metallisch an, als wenn jemand auf ein Auto einschlüge. Wir sind sofort auf den Parkplatz gerannt. Kollege P. verlor dabei noch sein Diensttelefon, was ich einsammelte. Auf dem Parkplatz haben wir niemanden mehr angetroffen. Wir sahen aber, dass die Sprecheinrichtung des Schrankenautomats demoliert war. Teile davon hingen herunter oder lagen auf dem Boden.

Ich bin die Dieffenbachstrasse in Richtung Grimmstraße gelaufen, der Kollege P. in Richtung Planufer. Ich habe noch gerufen, dass ich Herrn B. nicht sähe. Den Kollegen habe ich, als ich wieder zurückging, auch nicht mehr gesehen, ich hatte aber noch sein Diensttelefon. Das habe ich beim Pförtner abgegeben.

Kurz nachdem ich wieder in der Rettungsstelle war, erhielt ich einen Anruf aus der Pforte, dass der Kollege den Herrn B. aufgegriffen habe, dass dieser aber in den Kanal gesprungen war, und dass ich eine Decke bringen solle, was ich auch tat.

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Kommentare

9 Kommentare zu “Hier ist kein Wartebereich, revisited”

  1. Jens am Februar 4th, 2022 7:58 pm

    Entschuldigung, dass bei „dieser aber in den Kanal gesprungen war“ schallendes Gelächter ausbrach.

  2. waldheinz am Februar 4th, 2022 7:59 pm

    An dieser Stelle muss ich einen Dank an alle Rettungskräfte loswerden.
    Im vergangenen August wurde ein Herr A.D. von seinem Kollegen zur Notaufnahme des örtlichen Klinikums gefahren. Herzinfarkt, in der Notaufnahme zusammengebrochen, Kammerflimmern, Reanimation. Und dank schneller und fachlich guter Hilfe habe ich alles ohne Schäden überstanden. Randaliert soll ich aber nicht haben.
    https://www.youtube.com/watch?v=9UaJAnnipkY

  3. admin am Februar 4th, 2022 8:00 pm

    Die eigentliche Pointe war aber, als sich die Polizei den tropfnassen Kerl ansah und den Namen überprüfte, dann sagte: „Wir haben übrigens noch einen Haftbefehl gegen Sie.“ So was kann man sich gar nicht ausdenken.

  4. jens am Februar 4th, 2022 9:34 pm

    … die besten Geschichten schreibt das Leben. Diese hier hat was von Stan and Ollie.

    Gruß
    Jens

  5. Jim am Februar 5th, 2022 9:16 am

    Ist echt dramatisch. Wenn ich die „Blaulicht-Meldungen“ meiner bescheidenen Hansestadt hier oben lese, runzle ich regelmäßig mit der Stirn. Da fahren Menschen mit nem offenen Hafti total zugedröhnt ohne FS mit getunten Rollern mit 80 Sachen durch den Ort oder pöbeln maskenlos in der Regio und werden dann aus dem Zug direkt in den Vollzug begleitet.
    Ich find’s manchmal lustig, wie verpeilt die Leute sind, wie viel Anarchoenergie in denen mitunter steckt.

  6. Gottfried24 am Februar 5th, 2022 1:47 pm

    Jim am Februar 5th, 2022 9:16 am

    Ist echt dramatisch. Wenn ich die „Blaulicht-Meldungen“ meiner bescheidenen Hansestadt hier oben lese, runzle ich regelmäßig mit der Stirn. Da fahren Menschen mit nem offenen Hafti total zugedröhnt ohne FS mit getunten Rollern mit 80 Sachen durch den Ort oder pöbeln maskenlos in der Regio und werden dann aus dem Zug direkt in den Vollzug begleitet.
    Ich find’s manchmal lustig, wie verpeilt die Leute sind, wie viel Anarchoenergie in denen mitunter steckt.

    Anarchoenerie ist das nicht … denn das sind alles welche von jenen, die Frau Merckel als „die schon immer dagewesenen“ bezeichnete. Darunter sgibt es keine Anarchos! Einem Syrer oder Türken würde das nie passieren. Ha ha har!

    Das ist für mich ein Zeichen von Niedergang … eine Anatomie des Verbrechens … niemand muß mehr Anti-Deutscher sein. Das ist mittlerweile ein Selbstläufer. Leider erlebe ich das Ende nicht mit.

  7. Jim am Februar 5th, 2022 8:54 pm

    @Gottfried
    Ja, ja, ja… Hä? Zusammenhang much?

  8. ... der Trittbrettschreiber am Februar 6th, 2022 9:35 am

    „dass dieser aber in den Kanal gesprungen war,“

    fehlt nur noch, dass er dies „boshaft“ tat, um sich einer deeskalierenden nonverbalen Ansprache des Herrn B. menschenrechtswidrig zu entziehen.

    PS: Die Polzei ist ja auch nicht mehr das, was sie mal war, seit ihre Uniformen vom Respekt einflößenden Grün auf ein postalkoholgenusszustandsbefindliches Blau gewechselt haben.

    Ich denke bei meinen regelmäßigen Kanalsprüngen immer, dass ich von Sanitärklempnern in schmutzigen Overals verfolgt werde. Nüchtern freue ich mich bei solchen Begegnungen, endlich einen ad hoc Auftrag zu meinem Leck im Kellerbestand erteilen zu können. Die Flaschen selbst sind ja dicht – leider, meist morgens allesamt leer.

  9. ... der Trittbrettschreiber am Februar 6th, 2022 9:47 am

    Korrektur (bitte zu Prostokoll!):

    die Formulierung „des Herrn B.“ wird hiermit in „des Kollegen P.“ zu ersetzen beantragt.

    Korrekturantragszeitpunkt: Jetzt.
    Beantragend_IN m/w/d/x: Trittbrettschreiber
    Antragsgenehmigend_IN m/w/d/hix: daselbst.

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