Das Gold der Barbaren

das gold der barbarenfürsten

Der Bucheinband zeigt Apahida Grab II (Website). Sattelbeschläge eines Gepidenfürsten

Beim Einräumen neuer Bücher fiel mir ein prächtiger Band in die Hand, den ich beim Kauf vor vielen Jahren offenbar nur flüchtig durchgeblättert hatte: Das Gold der Barbarenfürsten, Schätze aus Prunkgräbern des 5. Jahrhunderts n. Chr. zwischen Kaukasus und Gallien (Ausstellungskatalog). Das Thema passt zu dem, was mich gerade interessiert: Wie und zu welchem Ende periodisiert man die so genannte Urgesellschaft, sowie die Spätantike bzw. frühe Feudalgesellschaft?

Die Ausstellung war offenbar grandios und einzigartig, ich habe aber nur wenige Besprechungen gefunden (Rainer Atzbach vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Bamberg, Peter Dirrmar in der Welt).

Atzbach: Gezeigt werden die prachtvollsten Hinterlassenschaften der Völkerwanderungszeit, als sich im Spannungsfeld zwischen Rom und dem Hunnenreich germanische Herrschaften etablierten. Sie standen im Dienste beider Mächte – und zögerten nicht, bei Bedarf die Fronten zu wechseln. (…)

Der Rundgang beginnt mit den ältesten Fürstengräbern des 3. und 4. Jahrhunderts, die bereits die neue Verbindung germanischer, griechisch-römischer und irano-asiatischer Elemente erkennen lassen. Den zweiten Abschnitt bildet die Darstellung der mit den Römern verbündeten Völker. Dort finden sich nicht nur die reichen Grabausstattungen von Lébény-Magasmart, Untersiebenbrunn und Fürst, sondern auch ausgewählte Seiten der „Notitia Dignitatum“. Dies ist ein wohl im ausgehenden 4. Jahrhundert entstandener, reich illuminierter „Almanach“ zur römischen Verwaltungs- und Militärstruktur, der nur als spätmittelalterliche Kopie überliefert ist. (…). Eine weitere Gruppe bilden die stark reiternomadisch geprägten Gräber von der östlichen Grenze des Römischen Reiches. Besonders ist hier auf die Bestattung von Brut aus dem Kaukasus hinzuweisen. Sie enthält ein wahrhaft atemberaubend mit Goldblech verziertes Langschwert, das eines Samurais würdig wäre. Der Hauptteil der Ausstellung schließlich ist dem archäologischen „Who-is-Who“ des fünften Jahrhunderts gewidmet: hier laden die prunkvollen Grabbeigaben des Frankenkönigs Childerich, der „Fürsten“ von Pouan, Apahida I-III, Blucina-Cézavyj, Gültlingen und der Schatzfund von Cluj-Someseni zum unmittelbaren Vergleich. Sie enthalten durchgehend Spitzenprodukte des spätantiken Kunsthandwerks.

Gerade diese Gelegenheit zum direkten Vergleich führt eindrucksvoll vor Augen, dass das 5. Jahrhundert nicht nur aus bärtigen Männern (Barbaren) auf struppigen Pferden bestand, die mehr oder minder eindringlich für die Völkerwanderung sammelten. Gleichzeitig bildete sich vielmehr an der römischen Nord- und Ostgrenze eine neue europäische Kultur aus. Ihre Führungselite bot vom Kaukasus bis nach Frankreich hinein ein überraschend uniformes Erscheinungsbild.

Wer weiß schon davon? Die im Katalog abgebildeten Schätze sind atemberaubend schön, dagegen ist die Ausstattung von Game of Thrones (SCNR) eine hässliche Müllhalde.

Lehrreich ist auch die Einführung: Man erfährt im Schnelldurchgang und besser als Wikipedia (man muss dort erst wissen, was man suchen soll), wer und was zum Beispiel die Gepiden, Skiren, Sweben, Heruler, Rugier usw. sind. Erst nach knapp 90 Seiten geht es anhand gefühlt zahlloser Abbildungen mehr in die Details.

Mich interessierte, wo diese Dinge heute aufbewahrt werden. Das Ergebnis überraschte: Überall in Europa verstreut! Wenn es den Katalog nicht gäbe, erführe man nur durch Zufall davon. Beispiele:

➨Goldene Zwiebelknopffibel, Insignie eines römischen Offiziers: Musée des antiquités nationales ,Saint-Germain-en-Laye, ein anders Exemplar ist im Louvre
➨Goldener Kolbenarmring, Insignie eines germanischen Fürsten: Musée de Brou
➨Schätze aus dem Königsgrab von Mušov: Regionalmuseum Mikulov, Tschechien
Grab II von Ostrovany: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest
➨Grab, benannt nach Messaksoudi, Kertch, Ukraine: Musée des antiquités nationales, Saint-Germain-en-Laye (wieso haben das die Franzosen?)
➨Schatz von Cosovenii de Jos, (Kleine Walachei): Muzeul Național de Istorie a României
➨Männergrab von Lébény, Magasmart, Ungarn: Hansági múzeum (Finno-Ugrisch lerne ich jetzt nicht!)
➨Männergrab von Bříza, Litoměřice (dt. Leitmeritz): Národní muzeum, Prag
➨Grabschatz einer Frau von Untersiebenbrunn, Gde. Gänserndorf, Niederösterreich – liegt gegenüber Carnutum, der Hauptstadt der römischen Provinz Pannonia I.: Kunsthistorisches Mueum Wien
➨Schätze aus dem Männergrab von Fürst, Gemeinde Fridolfing Bayern (danach habe ich jetzt zehn Minuten gesucht und es nicht wirklich gefunden): Archäologische Staatssammlung München
Grabschatz eines Reiters in Kurgan 2 von Brut, Ossetien, Russland (das ist einer aus David W. Anthonys Buch Horse, the Wheel, and Language: How Bronze-Age Riders from the Eurasian Steppes Shaped the Modern World!

(Es geht noch 50 Seiten weiter, aber daran säße ich noch übermorgen…)

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