Unter Zockern

zocker

„Auswischen wird Allah den Wucher. und vermehren wird er die Almosen, (…) O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Allah und lasset den Rest des Wuchers fahren, so ihr Gläubige seid.“ (Der Koran, Sure 2, Vers 276ff.)

Wir zäumen den Gaul immer noch von hinten auf: Obwohl wir das Geld noch gar nicht eingeführt haben (vgl. den Tag „Marx revisited“), sind wir heute schon bei der London Interbank Offered Rate, also known as LIBOR („rate“ ist ein Femininum – so wie URL ein Maskulinum ist).

Wir bewegen uns also in den luftigen Gefilden des Geldmarktes, der keine Werte schafft. Wenn Geld ein stoffliches Mittel ist, um den Tauschwert zu realisieren, sollte klar sein, dass es sich hier um ein Ding handelt, das an sich wertlos ist, sondern nur dazu dient, ein Verhältnis gesellschaftlicher Arbeit auszudrücken, also das abstrakte Gemeinsame mehrere produzierter Dinge. Wenn Geld aus Gold gemacht wird, besitzt es natürlich auch einen Gebrauchwert, aber der hat nichts mit dem Tauschwert des Geldes zu tun.

Eine Staatsbank, die das Recht hat, Geld in Umlauf zu bringen, kann anderen Banken Geld leihen und die können es weiterverleihen. Auch wenn die Aktion tausend Mal stattfindet – das Geld wird nicht mehr. Der Zins ist ja nur ein spekulativer Aufschlag, der die Banken am Leben hält, weil sie hoffen, dass irgendjemand Geld investiert, um Gebrauchswerte zu schaffen. Nur die vermehren den Wert, der durch Geld repräsentiert wird.

Einen mehr oder minder entwickelten Finanzmarkt hat es gegeben, seitdem Geld verliehen wurde. Alle monotheistishen Religionen sahen aber den Zins zunächst als etwas Böses an. Aber wer wird schon der Wirtschaft auf Dauer widersprechen wollen, vor allem, wen man selbst davon profitiert!?

Man könnte natürlich auf folgende Idee kommen: Jeden Morgen nach dem Frühstücksmüsli berechnen wir den durchschnittlichen Zinssatz, den eine Menge X einiger ausgewählter Banken festlegt, um Geld zu verleihen. Damit hätten wir einen Referenzzinssatz. Wir legten diesen Zins zum Beispiel auf drei Monate fest. Da jede Bank tun kann was sie will, vermuten wir nun, dass dieser Referenzzinssatz drei Monate „hält“. Das muss aber nicht so sein.

Wenn wir nun ganz abgezocket wären und uns Roulett zu langweilig wäre, könnten wir zusätzlich auf die Idee kommen darauf zu wetten, wie hoch der reale durchschnittliche Zinssatz der Menge X der von uns ausgewählten Banken in den nächsten Monaten sein wird. Wir würden anderen Mitspielern sogar Wettscheine verkaufen. Ein Artikel der deutschen Ausgabe des Wall Street Journal über „das Milliardenspiel der Deutschen Bank mit dem Libor“ erklärt, wie das gemacht wird.

Die Dokumente zeigen, wie Händler in London und New York erfolgreich darauf gewettet haben, dass die Kosten der Geldaufnahme von Euro, US-Dollar und Britischem Pfund wegen der zunehmenden Spannung im globalen Finanzsystem über drei oder sechs Monate schneller steigen als die Einmonatszinssätze.

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden jetzt zweifelnd nachfragen: Was aber, wenn die beteiligten Banken die Zinssätze, zu denen sie Geld verleihen und aus dessen Durchschnitt der Referenzzinssatz besteht, das, um was es geht, einfach frei Schnauze festlegen, wenn diese Banken also auf etwas wetten, was sie selbst festlegen? Das wäre ja so, als wettete Burks mit seinen LeserInnen, wieviele Blogbeiträge er in der nächsten Woche schreiben wird. Sind es genau so viele, wie Burks meint, dass es sein werden, haben diejenigen Leser, die etwas anderes wetten, verloren. Alle werden jetzt entsetzt aufschreien und rufen: Aber wir sind doch nicht bescheuert?

Hm, ja, nun, niemand hat die Macht, dem Markt des Geldes vernünftige Regeln aufzuzwingen. Wie sollte das funktionieren? Markt ist Markt und der soll freiheitlich-demokratisch frei sein, rufen die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM) im Chor.

Die Deutsche Bank selbst gibt sich gelassen: Die Handelsstrategie unterliege den Risikobeschränkungen des Hauses und sei zudem in der Branche weit verbreitet.

Quod erat demonstrandum. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. Alle machen es so. So isser eben, der freie Finanzmarkt im Kapitalismus. Übereinstimmungen mit verbotenem Glücksspiel und organisierter Kriminalität sein purer Zufall.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Unter Zockern”

  1. Serdar am Januar 11th, 2013 1:51 am

    Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was Franz Hörmann sagt, aber das klingt einleuchtend:

    Geldsystem

    http://www.youtube.com/watch?v=4_LETKYBOWE

    und hier erklärt eine 12 jährige Kanadierin wie das mit der Nationalbank in Kanada funzt. Ich war richtig beeindruckt über die Zusammenhänge:

    http://www.youtube.com/watch?v=Gn9qLXiKop8

  2. Michael am Januar 13th, 2013 1:54 am

    Den letzten Satz will ich mal nach Heinrich Böll modifizieren: Übereinstimmungen mit verbotenem Glücksspiel und organisierter Kriminalität sind weder Zufall noch beabsichtigt, sondern unvermeidlich.

    Oder frei nach Clausewitz, damit auch die alten Preussen ihre Freude haben: Organisierte Kriminalität ist die Fortsetzung des Kapitalismus mit anderen Mitteln.

  3. blu_frisbee am Januar 17th, 2013 11:31 am

    Ach Burks

    > Wenn Geld ein stoffliches Mittel ist, um den
    > Tauschwert zu realisieren

    Geld ist Zeichen für Wert. Du bringst Wert & Tauschwert durcheinander.

    > Wenn Geld aus Gold gemacht wird, besitzt es
    > natürlich auch einen Gebrauchwert, aber der hat
    > nichts mit dem Tauschwert des Geldes zu tun.

    Gebrauchswerte sind ohnehin inkommensurabel, weil allein am physischen Warenkörper hängend.
    Selbstverständlich hat Gold auch einen Wert, weil es Arbeit kostet, es aus der Erde rauszukratzen.
    Gebrauchswert ist ein Verhältnis MENSCH – DING
    Wert ist ein Verhältnis MENSCH – MENSCH (Brecht: die kleinste gesellschaftliche Einheit ist nicht ein Mensch, sondern zwei Menschen).
    Damit sind Nutzen und Wert nicht nur inkommensurabel, sondern sogar kategorienfremd.

  4. admin am Januar 17th, 2013 3:19 pm

    Geld ist kein Synonym for Tauschwert. Der Tauschwert ist eben genaud as, was kommensurabel ist…. Das habe ich alles schon hier geschrieben.

  5. blu_frisbee am Januar 17th, 2013 6:36 pm

    Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die „Erscheinungsform“ eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.

  6. Kritik der Politischen Ökonomie, revisited : Burks' Blog am Mai 10th, 2014 1:41 am

    […] “Unter Zockern” (10.01.2013): Über den an sich wertlosen Tauschwert, der “nur dazu dient, ein Verhältnis […]

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