Neue Market-Apps receivt

Was lese ich in der aktuellen c’t? „Da auf den neuen Receivern von AZBox nur Apps vernünftig laufen, die die Steuerung per Fernbedienung ermöglichen, wird es einen speziellen Market geben.“

Sehr hübsch und sprachpädagogisch wertvoll: Das ist mindestens grottenschlechtes, wenn nicht gar grottenolmschlechtes Deutsch. Schlechtes Deutsch verhält sich zu gutem Deutsch wie der Inhalt zur Form oder die TKÜV zur VDS. (Bescheuerter Vergleich).

Schlecht ist Deutsch dann, wenn man es nicht versteht. „Man“ meint nicht den des Denglischen mächtigen Geek und Nerd, sondern alle. Der oben zitierte Satz bedarf einer Korrektur (ich drücke mich nur so geschraubt aus, weil ich möglichst viele Verben verbrauchen will, die des Genitivs bedürfen.)

Weil Opa nur ein Bein hat, kann er nicht schnell laufen. Ein Kausalsatz am Anfang führt die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser meistens in die logische Irre: Weil irgendetwas so ist – jetzt schwärmt der in Jahrmillionen der Evolution spezialisierte Intellekt des Homo Sapiens wie ein Ameisenhaufen assoziativ aus -, kann alles mögliche passieren: Weil Opa nur ein Bein hat, kann vielleicht auch ein Säbelzahntiger um die Ecke biegen, was dieses oder jenes höhere Wesen verhüten möge. Besser ist es, zunächst das, was geschieht, dem Publikum mitzuteilen, und danach mit der dialektischen Logik, welche Folgen das Seiende nach sich zöge, fortzufahren.

Wer tut was? Auf den neuen Receivern – o je, was ist das denn? Rehßiever? Empänger? Der Begünstigte eines Seefrachtvertrages scheidet aus; also nehmen wir an, es handelt sich um ein „ein Gerät oder eine spezifische Baugruppe, die ein Antennensignal entstört, verstärkt und demoduliert“. Grandios erklärt, versteht nur immer noch keiner.

„Apps“ ist – das weiß nur ein des Englischen kundiger Mensch – eine Kurzform für „Anwendungssoftware (kurz ‚Anwendung‘, engl. ‚application software‘, auch kurz ‚App‘ oder Anwendungsprogramm)“.

Jetzt geraten wir sprachlich immer mehr in die Bredouille (Ja! Das ist eingedeutschtes Französisch! Hugenotten! Napoleon! Chaiselongue! Friseur! Trottoir!)

Worte, die auf -ung, -ät und -keit enden, sind ohnehin verboten, weil sie hässlich sind und sich so anhören, als hätte sie der Arsch der Sprache ausgeschieden (wie das Wort „hinterfragen“). Das Wort „Schwierigkeit“ fällt daher weg; in Frage käme eventuell „in Bedrängnis geraten“. In der Hoffnung auf Erlösung vom Nominalstil…

„Programme“ verhalten sich zu „Anwendungsprogrammen“ wie die Schule zum „schulischen Bereich“; ersteres ist Deutsch, letzteres Bläh- oder Furzdeutsch.

Auf den Geräten, die man braucht, um digitales Fernsehen zu empfangen, laufen Programme. So weit klar? Puls und Atmung noch normal?

Auch dieser Satz, obwohl korrekt, gefällt mir nicht, weil er etwas suggeriert, was gar nicht wahr ist. Die Content-Mafia: Das sind die Leute, die Unterhaltung und Informationen nur erlauben wollen, wenn sie damit Profit machen können (vergleichbar mit der Katholischen Kirche, bevor der Buchdruck erfunden wurde – nur dass der Profit damals aus Macht bestand und daraus, die Menschen in nicht selbst verschuldeter Unmündigkeit zu belassen – Nominalstil ist übrigens, falls es sich um ein Zitat handelt, erlaubt). Diese Mafia will dem Volk einreden, es brauchte gesonderte Volksempfänger („Receiver“ genannt, damit man die historische Kontinuität nicht bemerkt), die jeder zwangsweise auf eigene Kosten kaufen muss, um die gequirlte Scheiße, die täglich aus der Glotze quillt Comedyalexanderholdtalkshowsbigbrotherdsdsmusikantenstadlfussball, auch gestochen scharf sehen zu können.

Auf den Geräten, ohne die man in naher Zukunft gar kein Fernsehen mehr empfangen können wird (wenn es nach den Wünschen der Content-Mafia geht), laufen Programme. Fernbedienung ung ung und (Echo off) – wie kann man diese hässliche Wortungetüm nur umschiffen? „Als Fernbedienung bezeichnet man üblicherweise ein elektronisches Handgerät, mit dem sich über kurze bis mittlere Entfernungen (etwa 6 bis 20 m) Geräte oder Maschinen bedienen lassen.“

Ein Gerät ist ein elektronisches Gerät. Aha. Mit diesem Gerät bedient man die Glotze von fern, ohne auf deren Knöpfe drücken zu müssen. Nein, das geht nicht.

Mir fällt erst jetzt auf, dass ich den obigen Satz, mit dem wir uns schon seit Stunden beschäftigen, gar nicht verstanden habe. „Apps, die die Steuerung per Fernbedienung ermöglichen“ – was heißt das? Wer steuert wen? um mit Lenin zu fragen. Die Steuerung ung ung und (Echo off) wessen? Die Programme auf dem Volksempfänger kann man nur mit der Fernbedienung steuern? Alle – oder nur einige? Und nur die laufen ohne zu Ruckeln und zu Zuckeln? Welche denn jetzt? Steuern die Apps die Fernbedienung oder umgekehrt? Oder steuert die Fernbedienung die Glotze und braucht dazu Apps?

Ich gebe es auf. Warum soll ich mich ärgern… Wird es einen speziellen Market geben. Wird es einen special Markt geben. Wird es einen besonderen Markt geben? Es ist hoffnungslos.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Neue Market-Apps receivt”

  1. Dr. Azrael Tod am Mai 24th, 2011 4:50 pm

    Zu Hülf! Was waren das für Drogen?

  2. baerchenbrueck am Mai 24th, 2011 7:15 pm

    Glückwunsch ! Geniale Sektio einer Fachpraktikanten mit Gettho-Deutsch. Weiter so, und Wolf Schneider wird dir das DU anbieten.

  3. Carsten Thumulla am Mai 24th, 2011 7:34 pm

    Der Umgang mit der deutschen Sprache und Rechtschreibung ist besonders bei Heise katastrophal.

    Carsten

    Salt to go
    http://stefan-wirkus.de/Cartoon_Wirkus44.html

  4. bucca_t am Mai 24th, 2011 9:48 pm

    ghee! von dem shit will ich auch was!

  5. der Trittbrettschreiber am Mai 25th, 2011 9:20 am

    A gehn’s Herr Lehrer.
    Manchmal macht es riesigen Spaß, grottenolmdudenheiseschlechtes neben ;-)burksgutem Deutsch (oder Mittelhoch-, Platt, Denglisch, Neu- oder Türkdeutsch zu) nutzen. Es bereichert in jeder Hinsicht. Vor Allem genieße ich die Resonanz der wirklich Guten des deutschen Sprachschatzes. Köstlich, einfach köstlich. Man platziere einen gezielten Regelverstoß bezüglich der Form (der Inhalt ist meistens weniger wichtig) und genieße dann die kalkulierte Empörungs-Tzunami. Man dusche regelmäßig darin, denn es bewahrt vor lingualer Verknöcherung. Bei mir kommen da einige Verbalverrenkungen dabei heraus. Manchmal wird’s Ballet, manchmal erinnert an den leichtfüßigen Gang des Säufers, der glückselig heimwärts tänzelt, nachdem er seine Entscheidung grammatisch korrekt begossen hat, endlich nach langer, langer Zeit aus allen fuckshitbullblödballerballer-Volkshochschul-Deutschkursen auszutreten. Is this German, Herman?

  6. Andreas Gohr am Mai 29th, 2011 2:39 pm

    Ohne Kontext ist der Satz allerdings schwer zu verstehen. Als Fachkundiger (an die sich zumindest früher die ‚ct gerichtet hat) ahnt man jedoch um was es geht.

    Meine Vermutung: Auf besagten Receivern läuft eine Version des Android-Betriebssystems. Für eben jenes gibt es bereits einen Software-Markt mit haufenweise Programmen. Diese Programme sind jedoch für Mobiltelefone entwickelt worden.

    Installiert man nun aber Programme auf einem Fernsehreceiver werden diese eben auf dem Fernsehbildschirm dargestellt und über eine Fernsehfernbedienung bedient.

    Um ihren Kunden Programme bieten zu können die eben für die Bedienung mit einer solchen Fernbedienung ausgelegt sind, bietet die erwähnte Firma einen eigenen Softwaremarkt an.

    Macht’s jetzt mehr Sinn?

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