Internet-Sicherheitsthermometer, Internet-Sicherheitsgurte und Internet-Führerschein

safety belt

Manchmal kann ich mir nicht anders durch den Tag helfen als die Weisheit eines Zen-Meisters zu beherzigen: „Die Welt ist ein Chaos, und der wahre Weise verhält sich dementsprechend.“

Lesen wir zum Beispiel die Pressemitteilung – aka Agitprop – einer Behörde, deren Titel nicht deutscher sein könnte: „Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg“. Anstalt – da weiß man, was man hat. „Medienkompetenz ist digitaler Sicherheitsgurt im Netz“, heißt es da; und dass man mit einer Firma kooperiere, die sich jugendschutz.net nennt. Da es sich um eine deutsche Pressemitteilung handelt, muss man zunächst exorzieren, somit die German Internet AngstTM demonstrieren, also vor den „Gefahren des Internet“ warnen. Nach diesem kurzen obligatorischem Gebet kann der Kopf dann wieder aufgesetzt werden.

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die RTL-II Fantasy-Sendungen „Tatort Internet“ habe der der Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) Thomas Langheinrich behauptet: „Im Netz braucht man digitale Sicherheitsgurte“ und „nannte als zentrale Maßnahme die verstärkte Vermittlung von Medienkompetenz“. Langheinrich, mir graut vor dir! Warum müssen die immer derart verschrobenen Metaphern wählen aus der Zeit, in der Helmut Kohl noch von der „Datenautobahn“ sprach? Medienkompetenz ist zunächst einmal, Jugendliche in die Lage zu versetzen, jedwede Art von „Internet-Filtern“, wie sie die Jugendschutzwarte fordern, und jede Art von Zensur umgehen zu können. Alles andere ist zweitrangig, das kriegen wir später.

Jetzt wieder heiße Luft zufächeln: „Unterstützung erhält der LFK-Präsident von Friedemann Schindler, Leiter von jugendschutz.net, einer zentralen Einrichtung, die das Internet kontrolliert und für die Einhaltung des Jugendschutzes sorgt.“ Eine „zentrale“ Einrichtung? Das klingt ungeheuer wichtig und viel toller als etwa „dezentral“, zeigt aber nur, dass die Verfasser dieses schwülstigen Blähdeutsch am liebsten „Zentralrat für das Internet“ geschrieben hätte. Das internet kontrolliere ich auch, und zwar mehrmals täglich. „‚Auch ein Notfall-Button kann helfen‘, so Schindler.“ Sicher, um die Jugendschutzwarte und andere Wichtigtuer aus dem digitalen Weg zu katapultieren.

Was wollen uns die Künstler aus der Anstalt sagen? „Informationen über den richtigen Umgang mit den Chats und dem Internet bieten von der LFK geförderte Seiten. (…) mit einem attraktiven Verkehrsleitsystem durchs WorldWideWeb.“ Das ist ja mal ein schöpferisches Denglisch: WorldWideWeb. Vermutlich weiß niemand von diesen Lobbyisten, was IRC ist und dass man das weder kontrollieren noch zensieren kann. Deshalb reden alle nur vom WWW-basierten Chat. Wer denen glaubt, muss eben dumm sterben. Die Textbausteine, die sich hinter dem vermeintlichen Anliegen „Aufklärung“ verbergen, dienen also ausschließlich der Eigenwerbung.

Wir hatten hatten also die Internet-Sicherheitsgurte und das „Worldwideweb“-Verkehrsleitsystem. Kommen wir zum Internet-Sicherheitsthermometer. Das empfiehlt ein „Experte“ laut heise für „Online-Anwendungen“. „Als Beispiel für eine künftige nutzerfreundliche Sicherheitsapplikation brachte Bub auch eine Art ‚Thermometer‘ für Webseiten oder Online-Anwendungen ins Spiel, über das Verbraucher mit einem Blick die Vertrauenswürdigkeit digitaler Plattformen einschätzen könnten.“ Au ja. Ich bringe jetzt auch etwas „ins Spiel“, zum Beispiel ein Thermometer für Dummschwätzer, das gekoppelt ist mit einem akustischen Alarm. Wer etwa jugendschutz.net oder eict.de aufrüft, muss vorher die Lautsprecher einschalten und wir dann mit zwei Minuten lang mit 120 Phon beschallt, damit man auch weiß, was jetzt kommt und dass der Dummschwatz-Ausschlag die Quecksilbersäule auseinandergesprengt hat.

„Die Herausgeber der Studie empfehlen zudem die Einführung ‚eines bundesweit einheitlichen Internet-Führerscheins‘ mit regelmäßigen Erneuerungsfristen sowie die Veröffentlichung eines Leitfadens mit einfachen und anschaulichen Regeln für die Online-Nutzung.“ Das musst ja kommen. „Fahren Sie Ihre IP-Adresse mal rechts ran. Ihr Internet-Führerschein bitte! Filesharing ist schon seit drei Monaten abgelaufen, das gibt Punkte!“

Zum Glück wurde burks.de ein Musterexamplar des neuen Internet-Führerscheins vorab exklusiv zugespielt. Ihr könnt also nicht sagen, dass ich euch nicht gewarnt hätte!

Internet-führerschein

By the way, burks.de enthält ausschließlich „verdächtige Inhalte“ im Sinne des Pentagon. „Was die frühere Bush-Regierung landes- oder auch weltweit sich gewünscht hat, will nun das Pentagon wenigstens für das US-Militär realisieren, nämlich die gesamte Kommunikation überwachen und durchsuchen, ob sich dort Zeichen für ein verdächtiges Verhalten finden lassen.“ Es gebe jedoch „noch keine etablierten Techniken, um Anomalien in Datenmengen“ zu entdecken.

Das macht überhaupt nichts! Ich verkünde es hiermit: burks.de ist eine Datenanomalie, also überwacht mich! Ich wäre beleidigt, wenn ihr mich einfach ignoriertet! Lest gefälligst mein Impressum: „This site may contain explicit descriptions of or advocate one or more of the following: adultery, murder, morbid violence, bad grammar, deviant sexual conduct in violent contexts, or the consumption of alcohol and illegal drugs.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Internet-Sicherheitsthermometer, Internet-Sicherheitsgurte und Internet-Führerschein”

  1. ...der mit der Mütze denkt am November 6th, 2010 10:30 am

    Sei unbesorgt, Burks, wer würde Dich nicht überwachen, angeschnallt, button- und thermometergeschützt im Netz der Datenanomalien.

    WIR LESEN DICH WIRKLICH!!

    Schüler…lezte Reihe, im Online-Kühlschrank mit wechselnder IP-Adresse.

  2. Michael am November 8th, 2010 2:11 am

    Achwas, die Jungs haben doch auch recht. Zitat: „Die User wissen nicht, wie man mit Sicherheitsprodukten umgeht“

    Da das wichtigste Sicherheitsprodukt bekanntlich „Brain 1.0“ ist und es offenbar immernoch Juhser gibt, welche auf bespammte Angebote eingehen oder auf Phishing reinfallen… :->

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