Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält

Die dritte Demonstration meines Lebens erlebte ich am 11.09.1973 in Münster – wir Studenten gingen voller Wut auf die Straße. Damals kursierten über den Putsch der chilenischen Militärs gegen den demokratische gewählten Präsidenten Salvador Allende zwei Versionen in Deutschland: Die erste, durch zahllose Zeugenaussagen untermauert: die Anhänger Allendes, unter ihnen der Dichter Victor Jara, wurden bestialisch gefoltert, viele umgebracht oder in Massengräbern verscharrt. Die Soldateska trieb ihnen Holzspieße unter die Fingernägel, hängte sie an den Handgelenken mit Gitarrensaiten auf, riss ihnen alle Zähne aus, verbrannte sie mit Kerosin, führte Frauen lebende Ratten in die Vagina ein. Die Welt schrieb hingegen am 29.9. 1973: „Jetzt geht es wieder aufwärts.“ Die Neue Westfälische Zeitung jubelte: „Putsch in Chile ist für Banken positiv – in Südamerika kann wieder investiert werden.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte am 29.9.eine Anzeige: „Chile – jetzt investieren.“

Schon vergessen, liebe deutsche Medien? Ich nicht.

Der Spiegel schrieb am 92.05.1976 über den Graphiker Klaus Staeck: „Ein Plakat etwa, das in Bonn besondere Wut erregte, gibt ein Pressephoto aus dem zum KZ umfunktionierten Stadion von Santiago wieder, ergänzt durch das Wort des einstigen CDU-Generalsekretärs Bruno Heck, das Leben dort sei ‚bei sonnigem Wetter recht angenehm‘ und Staecks polemischer Folgerung: ‚Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält.‘ Der Vorwurf logischer Sprünge läge nahe: Weder Demokratie und angenehmes Leben noch Heck und CDU sind unter allen Umständen identisch. Doch Fraktionsgeschäftsführer Philipp Jenninger, der für Photographen mit diesem Plakat wie mit einer Jagdtrophäe posierte, ließ sich auf nichts ein. ‚Politische Pornographie‘ — basta! Und der mitrandalierende Carl Otto Lenz, Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses (sic), steuerte nur den goldenen Spruch bei: ‚Auf Eigentum kommt es hier nicht an.'“

Schon vergessen, CDU? Ich nicht.

Was sagte laut Süddeutsche die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU)? Die FDP betreibe „sozialistische Familienpolitik à la Pinochet“. Diese Haderthauer ist eine so ignorante Dumpfbacke, dass man gar nicht so viel fressen kann, wie man kotzen möchte. Ich halte es mit SPAM: „Nun ja, von der CSU aus betrachtet, war Pinochet halt sehr weit links.“

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Kommentare

5 Kommentare zu “Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält”

  1. IchFaxesnicht am Juli 1st, 2010 6:33 pm

    Das Ignoranz zu nennen ist eine echte Untertreibung.

    In Haderthauers Dumpfbackenjuristen/Kalte-Krieger-Welt sind halt alle Diktatoren immer Sozialisten.

    Dass der Faschist und Franz-Josef-Strauß-Busenfreund Pinochet den demokratisch gewählten Sozialist Salvador Allende blutig aus dem Amt geputscht hat, ist in ihrer primitiven Vorstellungswelt halt einfach nicht möglich.

    Wow, das war von ihr echt ein rhetorischer Griff ins Elefantenklo.

    Was kommt als nächstes von ihr? Hitler war der erste sozialdemokratische Kanzler?

  2. Lemmy Caution am Juli 14th, 2010 1:41 pm

    Augusto Pinochet hatte über die Jahre immerhin eine Zustimmung von ca. 30% in der chilenischen Bevölkerung. Noch nach dem Wahlsieg von Pinera letztes Jahr gab es volkstümliche Sprechchöre für Pinochet. Nicht dass ich das irgendwie gut fände. Aber so sind nun einmal die Fakten.
    Die europäischen Linken überschätzten 1973 den Widerstand gegen den Putsch. Angesichts der katastrophalen Lage waren die meisten Chilenen zunächst erleichtert über den Neubeginn. Allerdings wußte man da noch nichts über das wahre Ausmass des Hasses, der sich über die Allende-Anhänger niederschlug.
    Ein guter Film über die Ereignisse in den Konzentrationslagern nach dem Putsch ist übrigens Isla Dawson 10
    (http://www.imdb.com/title/tt1365470/ ) von 2009.
    Auch die chilenischen Christdemokraten waren zunächst erleichtert. Hier etwa ein Brief von Eduardo Frei an den Präsidenten einer Internationalen Union der Christdemokraten:
    http://tinyurl.com/3x7kdxn
    Die Minderheitsregierung unter Allende hat Dinge gemacht, die hoffentlich keine chilenische Linksregierung jemals wiederholen wird. Viel stärker gilt das natürlich noch für die Menschenrechtsverletzungen unter Pin8.
    Aber du konstruierst dir da was zurecht.

  3. admin am Juli 14th, 2010 2:37 pm

    Adolf Hitler hatte über die Jahre immerhin eine Zustimmung von ca. 80% in der deutschen Bevölkerung

  4. Lemmy Caution am Juli 14th, 2010 4:43 pm

    was bringen solche Vergleiche…
    Hitler begann auch einen Krieg, während Pinochet einen Konflikt mit Argentinien geschickt deeskalierte. Hitler war auch nicht bereit freie Wahlen zu verlieren.
    Im heutigen Chile gibt es weniger Allende- als Pinochet-Anhänger.
    Trotz aller nicht entschuldbaren Greueltaten konnte auf dem blutigen Fundament der Pin8-Diktatur sowas wie eine wirtschaftlich, sozial und toleranzmässig entwicklungsfähige Gesellschaft entstehen. Trotz aller Schattenseiten (v.a. sozial, der nach wie vor zu wilde Kapitalismus und eben der real existierendende Pin8tismo).

    Es geht mir um die vielen dunklen Seiten der Allende-Regierung. Die stehen im oben verlinkten Brief von Eduardo Frei. Diese rechtfertigen nicht die nicht widergutzumachenden Menschenrechtsverletzungen unter Pin8. Sie sind nur vorhanden.
    Der Antagonismus Pin8/Allende ist Geschichte. Es gibt im heutigen Chile okaye Erinnerungsstätten an die Verbrechen. ME Ominami als von vielen Gewählter Vertreter der Linken in der letzten Präsi-Wahl hatte eine differenzierte Haltung zur Allende-Zeit. Kinder von Allende-Opfern müssen die verhältnismässig hohen Studiengebühren nicht zahlen.

    Die bürgerliche Presse der Zeit bezog sich halt auf die Schattenseiten der Allende-Regierung. Damals waren die Menschenrechtsverletzungen nicht wirklich bekannt. Die linken Medien sprachen von Massen-Aufstände seitens der Arbeiter. Die fanden allerdings im September 1973 auch nicht statt. Die UP war immer eine Minderheitsregierung mit einem sehr radikalen Flügel und einem mit allen herumtaktierenden und vielleicht zu selbstbewußten Oberschichts-Chilenen namens Salvador Allende Gossens an der Spitze.

  5. Stephan am Juli 30th, 2010 4:21 am

    Achtung Ironie und trotzdem bitter:
    „Die UP (CDU/CSU/FDP) war immer eine Minderheitsregierung mit einem sehr radikalen Flügel (FDP) und einem mit allen herumtaktierenden und vielleicht zu selbstbewußten Oberschichts-Chilenen (Deutschen) namens Salvador Allende Gossens (Guido Wsterwelle) an der Spitze.

    Die könnte und müsste man eigentlich aus dem Amt bomben, denn sie haben keinerlei Rückhalt im Volk.

    Ganz ehrlich: Frei sprach in dem oben verlinkten Brief Demokratie von 160 Jahren Demokratie?! Das ist wohl ein ganz schlechter Witz. Selbst heute kann man das hier in Chile nur zähneknirschend eine Demokratie nennen, in der Mapuche von der Regierung als Terroristen abgestraft werden sollen und selbst Raumplanung auf Municipalidad ebene im Auftrag von Immobilienfirmen durchgeführt werden. Chile ist eine Klassen- und Vetterngesellschaft und demokratische Elemente sind hier rar gesät.

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