Einwanderer und Immer die gleichen Fragen

solimoes

Foto: Einwandererstrom / Symbolbild

„Betrachtet man die Diskussion der sogenannten „Ausländerfrage“ in längerer Perspektive, so fällt auf, daß sie seit den 70er Jahren alle vier, fünf Jahre in immer neuen Verwandlungen aufs neue entbrennt und jedesmal so tut, als seien plötzlich ganz neue Probleme aufgetaucht. Tatsächlich aber wird die Debatte um den Zuzug von Ausländern in Deutschland seit etwa 120 Jahren unter den im wesentlichen gleichen Fragestellungen und mit den gleichen Frontlinien geführt.

– durch ideologisch-moralischen Fundamentalismus: Auf der einen Seite wird die massenhafte Zuwanderung als Bedrohung der – je nach Sprachgebrauch – kulturellen, ethnischen oder völkischen Identität der Deutschen bekämpft, was in einem Land, das es als Nationalstaat erst seit 130 Jahren gibt und dessen Teile sich zuvor gegenseitig als ‚Ausland‘ deklariert hatten, besonders eigentümlich wirkt. Auf der anderen Seite werden alle Versuche der Begrenzung, Verringerung oder auch nur Steuerung der Zuwanderung als Ende des liberalen Rechtsstaates gebrandmarkt, die unbegrenzte Zuwanderung von Ausländern als moralisch gebotene Pflicht angesichts der Not in der Armutsregionen der Welt angesehen (…).

– durch die Fiktion der ‚Lösbarkeit‘: Sowohl die Befürworter einer radikalen Zuwanderungssperre als auch Verfechter einer radikalen Grenzöffnung suggerieren, auf diese Weise seien bestehende Konflikte und Probleme (womöglich schnell) lösbar. Das es in der Praxis vielmehr um Abmilderung und Steuerung, um pragmatische und mittelfristige Korrekturversuche der Auswirkungen einer globalen und die Einwirkungsmöglichkeiten eines Einzelstaates bei weitem übersteigende Entwicklung geht, wird übersehen oder unterschlagen. (…)

Gerade die Migrationsgeschichte der Bundesrepublik ist ein Beleg dafür, daß es zum Teil jahrzehntelanger Gewöhnungs- und wechselseitiger Anpassungsprozesse bedarf, um Zuwanderungsprozesse zu verkranten und zu akzeptieren.“ (Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland: Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, 2001)

Vor siebzehn Jahren erschienen und noch immer aktuell. Da aber auch Journalisten mehrheitlich ein Gedächnis wie eine Drosophila haben und auch nicht bereit sind, sich weiterzubilden, wiederholt sich natürlich alles. Nur die Wörter wechseln: „Einwanderer“ existiert plötzlich nicht mehr, alle Sprachopportunisten sagen jetzt „Migrant“, was letztlich dasselbe bedeutet, sich aber bürokratischer anhört.

(Sorry übrigens für die vielen Ungs. Ich war zu faul, um das Zitat in gutes Deutsch zu übersetzen.)

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Kommentare

3 Kommentare zu “Einwanderer und Immer die gleichen Fragen”

  1. Wolf-Dieter Busch am September 22nd, 2018 2:10 pm

    Witze, die man sich erst mal trauen muss: „ung“ wie „ungut“?

  2. ... der Trittbrettschreiber am September 22nd, 2018 4:59 pm

    Eine Drosophila verzeiht nicht, sie kann den ganzen Tag beleidigt sein. Erst in der Nacht, wenn alles schläft …

  3. Martin Däniken am September 27th, 2018 11:11 am

    https://www.oekoleo.de/artikel/achtung-invasion-tiere-und-pflanzen-auf-wanderung/
    fangen wir mal mit den Mehr- und Keinbeinern an
    und dann kann man sich mit den Zweibeinern auseinandersetzen.

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