Und dann der Regen

lluviaGestern war ich im Kino, zusammen mit meiner Lieblingsfreundin, und hatte mit der Auswahl wieder Glück: „Und dann der Regen“ ist (neben Avatar – Aufbruch nach Pandora) einer der besten Filme, den ich jemals gesehen habe.

Ich war auch deshalb gespannt, weil ich mehrere Male im bolivianischen Cochabamba gewesen bin (1980 und 1984), und dort spielt der Film. Ausserdem werden Personen erwähnt und zitiert, die in meinem Roman „Die Konquistadoren“ vorkommen – Anton de Montesinos zum Beispiel.

Die Filmkritik der Berliner Zeitung trifft es: Man könnte meinen, dies interessiere nur eine Minderheit: Ein spanisches Filmteam will von Kolumbus und den finsteren Begleitumständen der Entdeckung Amerikas erzählen. Ja, es scheint, als wäre „Und dann kam der Regen“ ein Beitrag fürs Minderheitenprogramm, ein ausländischer Film für speziell Gebildete. (…)

Doch da hat die Regisseurin Icíar Bollaín dem Betrachter bloß eine Falle gestellt. Denn dies ist zwar eine Geschichte über den Versuch, politisch korrekt über die Vergangenheit zu berichten, doch sie wird von der Gegenwart eingeholt. Es ist die Geschichte von Leuten, deren gute Absichten einer strengen Prüfung durch die Realität unterworfen werden. Und es ist eine Geschichte über uns selbst, die Zuschauer. Denn auch der Betrachter wird sich fragen, was seine Werte wert sind.

Man kann Vor Wut weinen oder vor Rührung – der Film ist unglaublich mitreissend. Winzige Gesten und Momente füllen jede Sekunde aus und schaffen mehrere Ebenen gleichzeitig. Aus dem Gutachten der Deutschen Film- und Medienbewertung („Prädikat besonders wertvoll“):
Der Film ist in vieler Hinsicht hervorragend konstruiert in seinem Wechsel der Ebenen, die wie selbstverständlich ineinander übergehen, ohne den Eindruck einer sprunghaften Beliebigkeit zu vermitteln. Die Musik ist äußerst zurückhaltend und sparsam eingesetzt und nie überzogen. Der Zuschauer wird auch bei den dramatischsten Momenten des Films nie bewusstlos in einen Sog der emotionalen Identifikation hineingezogen, es kommt durch den Wechsel der Ebenen immer zu einer Distanz wahrenden Haltung des Betrachters zum Ablauf der Ereignisse. Der Film nimmt auf diese Weise den politisch ungeschulten Zuschauer mit, verweist auf die Konflikte in unserer am Kapital orientierten Welt, und zeigt beispielhaft, ohne den didaktischen Zeigefinger zu bemühen, dass sich die Geschichte der Ausbeutung und Erniedrigung immer noch und überall wiederholt.

Witziges Detail am Rande: Der Regisseur des Films im Film lässt die Indianer, auf die Kolumbus trifft, Ketschua (Quechua oder auch Runasimi) sprechen, die Sprache im Inka-Reich der Anden. Das ist natürlich Blödsinn, weil die Ureinwohner der Nordküste Südamerikas Arawakbzw. Taino sprachen. Im Film wird der Regisseur auf diese Ungenauigkeit hingewiesen, aber das interessiert ihn natürlich nicht nicht nach dem Motto – für den Zuschauer sind Indianer halt Indianer, ganz egal, was sie sprechen. Leider macht die Regisseurin auch einen Fehler, und mittlerweille bin ich mir gar nicht sicher, ob sie den nicht bewusst eingebaut hat, um die Zuschauer wieder zu verunsichern: Die Darsteller des Kolumbus-Films im Film sprechen in ihrem „realen“ Leben Ketschua; in Bolivien sprechen aber die meisten Leute Aymara. Wer das verwechselt, müsste auch den Unterschied zwischen Deutsch und Holländisch ignnorieren.

Liebe wohlwollende Leserin und lieber geneigter Leser: „Und dann der Regen“ ist außerdem ein unglaublich guter Revolutionsfilm, obwohl das gar nicht sein Thema ist. Und deshalb empfiehlt ihn Burks ganz besonders. Auf jeden Fall ansehen!

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Kommentare

4 Kommentare zu “Und dann der Regen”

  1. R@iner am Januar 26th, 2012 12:12 pm

    Ich mag den Film auch. Sehr zu empfehlen ist in dem Zusammenhang „Motorcycle Diaries“, in dem Gael García Bernal die Rolle des „Ché“ übernahm.
    Angenehm fand ich bei der „Reise des jungen Ché“, daß dem Zuschauer noch größerer Spielraum für das Ziehen seiner eigenen Schlüsse überlassen wurde.

  2. R@iner am Januar 26th, 2012 2:47 pm

    Apropos Wasser: Zum Jahreswechsel ’97/’98 war ich in Chile, u.a. auch in San Pedro de Atacama.
    Im Norden Chiles lebten damals ungefähr noch 50.000 Aymara. In den Weilern um das „touristisch wertvolle“ Dorf herum, starben zu der Zeit einige alte Menschen und Kinder an Cholera. Man sprach von einem betroffenen Gebiet, das bis nach Peru reichte.
    Die Regierung hatte den Aymara schon lange versprochen, daß die dort etwas abseits lebenden Menschen an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen würden, nur passiert war nie etwas. So war man gezwungen, das Wasser aus Tümpeln und offenen Zisternen zu beziehen.
    Zur Beruhigung der Touristen wurden in den Restaurants viele bodennah angebaute Gemüse entweder nur noch gekocht, zumindest geschält oder wie z.B. der Kopfsalat gleich gar nicht mehr serviert. Die Felder in der Region wurden nämlich aus den gleichen Tümpeln bewässert, aus denen die Bewohner ihr gesamtes Brauchwasser bezogen.
    Jetzt kommt’s: Anstatt endlich Wasserleitungen in die Weiler zu verlegen, konnte ich sehen, daß alle freiliegenden Abwasserrinnen links und rechts der Strassen im Dorf mit Chlorkalk bestreut wurden und man im Zeitlupentempo damit begann, Kunststoffrohre geringen Durchmessers händisch zu verlegen, welche zum Abtransport der Abwässer dienen sollten.
    Diese Maßnahmen fanden aber nur dort statt, wo auch die Touristen waren.
    Ich würde mich nicht wundern, wenn die Leute außerhalb von San Pedro immer noch kein flißendes Wasser hätten.
    Ich nenne so etwas Genozid. Leider hatte ich in meinem Rucksack damals nicht die Waffen parat, um der chilenischen Regierung den offenen Krieg erklären zu können.
    Soweit ich weiß, ist in Chile die gesamte Wasserwirtschaft inzwischen privatisiert und den Händen ausländischer Firmen. Dies betrifft auch alle Flüsse mit der Konsequenz, daß z.B. auch niemand den Fluß zur Energiegewinnung mit Hilfe von Turbinen benutzen darf.
    Als ich vorher in Puerto Montt war, fiel nachts die komplette Energieversorgung der Stadt aus. Mein Hausherr sagte mir etwas in der Art: „Och, da haben bestimmt wieder die Terroristen einen Strommast gesprengt“.

  3. stefle am Januar 26th, 2012 3:16 pm

    Hoffentlich nicht so kitschig wie Avatar

  4. Ciompi und andere : Burks' Blog am Dezember 24th, 2012 12:21 am

    […] gibt natürlich Ausnahmen, die kommen aber nicht zur Prime Time. Die Masse will sie auch nicht sehen, das wäre viel zu […]

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