Zugunglück in Hordorf

Fahrplan HEX

Zeit offline (der Artikel ist linkfrei): „Mit einer Geschwindigkeit um die 100 Stundenkilometer prallte der Nahverkehrszug des Harz-Elbe-Express (HEX) frontal auf einen entgegenkommenden Güterzug. Kurz vor der Haltestelle in Hordorf nahe Oschersleben hat sich in der Nacht eines der schwersten Zugunglücke in Deutschland seit Jahren ereignet. Gegen 22.30 Uhr am Samstagabend kollidierten die Züge, mindestens zehn Menschen starben, rund 40 weitere wurden zum Teil schwer verletzt, sagte die Polizei.“

Daraus könnte man journalistisch etwas machen. Wikipedia: „Veolia Verkehr Sachsen-Anhalt GmbH lautet der offizielle Name eines Eisenbahnunternehmens, das seit Dezember 2005 unter dem Namen HEX (HarzElbeExpress) die Beförderungsleistungen im Personenverkehr des Nordharznetzes erbringt.“

Der Güterzug gehörte den Verkehrsbetrieben Peine-Salzgitter GmbH (VPS) – die „sind ein öffentliches, nichtbundeseigenes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in Salzgitter-Hallendorf, das als Tochterunternehmen der Salzgitter AG im Schienengüterverkehr tätig ist. Im Jahr 2005 wurde die Eisenbahninfrastruktur an die VPS Infrastruktur GmbH (VPSI) ausgegliedert.“

Was hat ein privates Eisenbahnunternehmen aus Salzgitter in Hordorf zu suchen? „Weiterhin transportieren die VPS Eisenerz aus dem Hafen Hamburg nach Salzgitter, sowie Kalk aus Rübeland….“ Rübeland liegt im Oberharz. Der Güterzug muss also mit Kalk beladen gewesen sein.

„Momentan gibt es keine aktuellen Fahrplanänderungen“, steht auf der Website des Unternehmens Harz-Elbe-Express (HEX) (11.17, 30.01.). Das ist eine Informationspolitik wie in Ägypten – aber eben typisch deutsch. Passt zum Journalismus. Die Leser sollen umfassend informiert werden. Das heisst also nicht, dass ich Informationen zurückhalte oder aus Faulheit weglasse.

Von einem journalistischen Text erwarte ich zum Beispiel einen Link zu maps.google.com, damit ich mir den Ort von oben anschauen kann. Wer kennt Hordorf? Niemand. Ich erwarte Informationen darüber, welche Unternehmen in diesem Fall am Unglück beteiligt isnd – und vielleicht warum. Hat das Unglück vielleicht etwas mit der Privatisierung der Bahnstrecken zu tun? Es wurde in der Vergangenheit dieses und jenes „ausgegliedert“ – da wird der Betriebswirt doch gleich misstrauisch.

Da diese Hinweise aber für die Leser optional sein sollten, müssen Links gesetzt werden, sobald ein paar Buchstaben auf einem Monitor erscheinen. Links, Links, Links – wisst Ihr überhaupt, was das ist, ihr Holzköpfe bei den Holzmedien und anderen geschlossenen Anstalten?

Und nun zu uns, ihr Sprachverhunzer. „Mit einem Gefühl, das man Abscheu nennen könnte, las Burks eure verqueren Sätze.“ Mit einer Geschwindigkeit von soundso raste ein Zug nach nirgendwo?“

Das tut man nicht. Man zerrt nicht das, was man am Wichtigsten hält, ohne Rücksicht auf die Logik des Satzbaus nach vorn, weil man hofft, so den dschungelcampverblödeten Rezipienten auf sich aufmerksam machen zu können. Nicht die Geschwindigkeit ist hier wichtig, sondern die Toten.

Hättet ihr mich korrekt informieren wollen (Quizfrage: das ist ein Konjunktiv, aber welcher?), begönne („begönne“ ist ein deutsches Wort, auch wenn ihr es nicht glaubt) der Satz: „Ein schweres Zugunglück hat Samstagabend bei Hordorf in Sachsen-Anhalt mindestens zehn Tote gefordert.“ Damit wäre der Leser hinreichend über den Sachverhalt informiert.

Anschließend könntet ihr noch etwas schreiben über die Geschwindigkeit der Züge, die Außentemperatur, darüber, warum die Signale nicht hinreichend gewartet wurden und ob das auch am Kapitalismus und am tendenziellen Fall der Profitrate liegt, über die Mimik der Politik-Arschgesichter, die da jetzt herumstehen und Trauer heucheln und andere unwichtige Dinge.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Zugunglück in Hordorf”

  1. ...der auf der Hut schreibt. am Januar 30th, 2011 5:58 pm

    Hier kann man etwas lernen, danke Burks für diesen Text. Er macht Menschen neugierig, die mehr über das Journalistische Handwerk wissen möchten.
    Bis zum ersten Absatz Deines Artikels komme ich noch ganz bequem mit: Die erste Adresse für gute Informationen auf „Brot und Butter“ Niveau ist ganz klar Wikipedia. HBX,HEX da bin ich schon fast im Bilde. Dann, im zweiten Absatz aber stutzt der Zauberlehrling, denn der Meister weist ihm den Platz des Alltagslesers zu. Keine Infos mehr, woher die Informationen zum Güterzug stammen. Und wie steht es mit dem Kalk? Wie komme ich als Möchtegern-Profi zu diesem Material – online? Per pedes? Bekäme ich eine Antwort, freute ich mich.
    Danke für den Tipp mit Google maps.

  2. admin am Januar 30th, 2011 6:54 pm

    Wikipedia über die Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter: „Weiterhin transportieren die VPS Eisenerz aus dem Hafen Hamburg nach Salzgitter, sowie Kalk aus Rübeland, und Halbfertigprodukte zu den anderen Werken der Salzgitter AG.“

  3. mandala am Januar 31st, 2011 4:53 pm
  4. wakkomon am Januar 31st, 2011 6:53 pm

    “Mit einer Geschwindigkeit um die 100 Stundenkilometer“ kommt mir auch etwas sensationell übertrieben vor. Soweit ich weis, ist diesr Teilabschnitt der Strecke noch nicht mit Zugbeeinflussung und Zwangsbremsung ausgestattet. Das hat zur folge, dass Züge hier nicht schneller als 80 km/h fahren dürfen….

  5. Joschi am Januar 31st, 2011 9:24 pm

    @ wakkomon: 100 km/h ist korrekt. Erst bei höheren Streckengeschwindigkeiten ist Zugbeeinflussung vorgeschrieben. (bin Lokführer)

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