Illiquide Piratenschwarmintelligenz-Software

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Nun, ich kann es nicht lassen, darauf hinzuweisen: Ich war einer der wenigen, der auf dem Berliner Parteitag der Piraten gegen die sofortige Einführung von Liquid Democracy gestimmt hat. Mir erschien das System nicht ausgereift genug. Aber was will man machen gegen eine Masse von selbstbesoffenen Parteimitgliedern, die sich mehr von der Gruppendynamik leiten lassen als von rationalen Argumenten? Die Macher waren auch anwesend („Mit Hilfe der von Piraten entwickelten Software“) und wären in Tränen ausgebrochen, wenn man ihnen ihr Spielzeug einstweilig weggenommen hätte. Das hätte niemand ertragen.

Jetzt hat sich die Bundes-Piratenpartei vorerst gegen Liquid Democracy ausgesprochen – und das natürlich in ein für verpackt: „Piratenpartei entscheidet sich für mehr Datenschutz“. Man nennt das Tool übrigens im üblichen Furzdeutsch „Entscheidungsfindungs-Software“ (mindestens zwei ungs müssen in einem Wort sein, bevor es auf in Deutschland den öffentlichen Dienstweg geschickt werden kann).

Heise fasst die Diskussion zusammen. Benjamin Stöcker schreibt über seinen Rücktritt aus dem Bundesvorstand: „Des weiteren verstörte mich das Vorgehen des Liquid Feedback Teams. Dieses Team hat den Bundesvorstand mehrfach als Abnickhanseln ihrer Wünsche behandelt.“ So war es in Berlin auch. Man wollte unbedingt eine Pressemitteilung haben, die herausbrüllte, dass die Piraten jetzt eine selbst entwickelte (hurra!) Software (hurra!) hätten, die Demokratie erst möglich mache.

„Dem Beschluss gingen kontroverse innerparteiliche Diskussionen zu Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien voraus. Der aktuelle Entwurf der Nutzungsbedingungen sah nach Ansicht der Mehrheit der Vorstandsmitglieder keinen ausreichenden Schutz der Nutzerdaten vor.“ Quod erat demonstrandum.

Eines jedoch kritisiere ich am Rücktritt Stöckers. Ein Nutzer kommentiert auf seiner Website: „Ben hat seine Beweggründe erklärt, er sah keine Möglichkeit mehr im Bundesvorstand etwas zu bewegen, außer es in eine Schlammschlacht ausarten zu lassen“. Die Schlammschlacht, lieber Ben, ist die gewöhnliche Bewegungsform in Vereinen und Parteien. Man kann nicht vornehm-anständig jammern und beteuern, da mache man nicht mit, sondern man muss zurückkeilen. Auf einen großen Schlammeimer muss ein noch größerer. Immer fest druff. Der Volksmund spricht mit mindestens 1000-jähriger Erfahrung von einem groben Klotz, auf den ein ebensolcher Keil gehöre.

Fefe hat mich im November 2009 über Wikipedia zitiert, das stimmt auch aktuell für die Piraten, jedenfalls für Vorstände: „Im Übrigen erklärt er Gruppendynamik wie folgt: der Dumme hat weniger Feinde als der Schlaue, daher setzt er sich bei einer Schwarmintelligenz durch, und am Ende bleiben nur die Doofen übrig :-)“. Ausnahmen bestätigen die Regel.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Illiquide Piratenschwarmintelligenz-Software”

  1. korbinian am August 8th, 2010 5:06 pm

    was ist nun deine konkrete ktitik am system? du hast vermutlich mehr erfahrung damit als ich

  2. admin am August 8th, 2010 5:51 pm

    Nein, ich habe nicht viel Erfahrung damit. Aber es war von Anfang an nicht recht klar, wie es mit dem „Datenschutz“ geregelt werden würde. Das war meine Kritik.

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