Schilda ist überall: Unsicher wird per Gesetz „sicher“

So etwas kann man sich gar nicht ausdenken: netzpolitik.org und andere Medien berichten gerade, dass die Bundesregierung die unsichere „Verschlüsselung“ der De-Mail per Gesetz für „sicher“ erklären lassen will.

Kein Wunder: Die Telekom ist einer der größten Anbieter der „De-Mail“, und die Regierung bestimmt über ein Viertel der Aktien.

Laut Spiegel online argumentiert die Regierung wie folgt:
Die kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung, die beim Versenden einer De-Mail-Nachricht durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht erfolgt, verstößt nicht gegen das Verschlüsselungsgebot des Satzes 3.

Das heißt im Klartext: Wir können die Mail zwar lesen, aber wir erklären sie einfach per Gesetz für unlesbar. Schilda ist überall.

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Kommentare

16 Kommentare zu “Schilda ist überall: Unsicher wird per Gesetz „sicher“”

  1. De-Mail: Snailmail dank dt. IT-Dinosaurier am März 19th, 2013 6:34 pm

    […] #3 19.03.2013:) Langsam wird es absurd: De-Mail soll per gesetzgeberischem Prozess für sicher erklärt werden. Dafür sollten sich alle mit dem Projekte betrauten so genannten Ingenieure bei T-Systems schämen. […]

  2. Michael am März 19th, 2013 9:25 pm

    Erinnert mich an eine alte Titanic-Fotokarikatur. Da haben die geschlagzeilt, daß Bonn (ja, so lang ist das her) endlich was gegen das Waldsterben macht. Das Foto dazu zeigte einen Waldrand mit einem Schild mit der Aufschrift „Waldsterben verboten! Die Bundesregierung.“

    Ich sehe es schon kommen: In tausend Jahren werden Archäologen die Dokumente der heutigen Bundesregierung ausbuddeln und dann sagen: „WOW! Hatten die damals gute Kabarettisten! Das gibts heute leider nicht mehr!“ (HA! Und wenn die anschliessend dieses Posting ausgraben, dann gelte ich als Prophet!)

  3. ... der Trittbrettschreiber am März 19th, 2013 9:39 pm

    Ein interessanter Prozess, dieses Wachwerden, das ja langsam beobachtet werden kann. Gesetzgebung liegt schon lange nicht mehr in den Händen der Parlamente.
    Da sitzen Gremien, Einzelpersonen, gut bezahlte EU-Beamte, Grüppchen halt, die kreativ sind wie Kegelklubs nach dem 5. Steinhäger. Richtlinien produzieren die und irgendwann wird dieses Konglomerat aus Wissen, Phlegma und einem Schuss Menschenverachtung zu einer harmonisierten Norm – mit Gesetzeskraft.
    http://de.wikipedia.org/wiki/EU-Dienstleistungsrichtlinie

    Ja und irgendwann sind so viele harmonisierte Normen im Umlauf, dass manch ratzender Michel der Rücken juckt im Schlaf. Da ist nämlich irgendein Stoff in der Matratze, der da früher nicht drin war. Und dann wird der wach. Und schreit. Und lamentiert. Per Mail, per Twitter, per DE-Mail. Endlich mal wieder was los. Aber das gibt sich..ch..zzz…ch..zzzz.

  4. Ano Nym am März 19th, 2013 11:33 pm

    Das heißt im Klartext: Wir können die Mail zwar lesen, aber wir erklären sie einfach per Gesetz für unlesbar. Schilda ist überall.

    Externe Dritte, also alle außer dem Absender, dem Empfänger und dem Provider, sollen die E-Mail nicht im Klartext lesen können. Das „Wir“ (also die Behörde) eine an „uns“ gerichtete oder von „uns“ stammende E-Mail lesen können, ist ja keine Überraschung und die Gesetzesergänzung ist auch keine kontrafaktische Erklärung dahingehend, dass die E-Mail als für Dritte unlesbar sei während sie in Wirklichkeit lesbar ist. Es handelt sich nur um die Festlegung, dass die gewählte Art der Verschlüsselung als den Vorgaben der AO entsprechend gelten soll.

    Wir haben es hier mit dem bisher vorwiegend aus den Qualitätsmedien bekannten Phänomen der reißerischen Überschrift zu tun, bei dem das, worum es geht, unter den Tisch fällt. Antriebskraft ist wohl (mal wieder) die unerträglich Haltung „Schau mal wie doooof die in der Politik sind, die haben noch nicht mal die Verschlüsselung verstanden!“

    Da war doch erst gestern was: „Bundespolizei setzt im Kölner Hauptbahnhof Landtagsabgeordneten der Piratenpartei fest, weil er einen Rewe to go-Laden fotografiert hat!

    http://www.pottblog.de/2013/03/19/bundespolizei-setzt-im-kolner-hauptbahnhof-landtagsabgeordneten-der-piratenpartei-fest-weil-er-einen-rewe-to-go-laden-fotografiert-hat/

  5. admin am März 19th, 2013 11:43 pm
  6. Ano Nym am März 20th, 2013 12:06 am

    Ich habe dort geguckt und gefunden: „Wenn die Anwender bei ihrer Kommunikation ihre Nachrichten zusätzlich mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versehen, liegen die Nachrichten dann auch beim De-Mail-Anbieter zu keinem Zeitpunkt unverschlüsselt vor.“ Dann kann natürlich auch nicht auf „Schadsoftware“ untersucht werden.

    Oder auf welchem Punkt wolltest du hinweisen?

  7. elvis am März 20th, 2013 10:49 am

    Ich kann hier erneut nur den, den sie Burks nennen, zitieren:

    Melden!
    Befehlen!
    Gehorchen!

    So einfach ist das in Deutschland.

  8. admin am März 20th, 2013 11:07 am

    @anonym: Der Witz ist doch, dass sie gleichzeitig klar darauf hinweisen, dass de-Mail und E-Mail nicht kompatibel sind. Dass heisst auch, dass S/Mime, das theoretisch von den MdBs benutzt werden könnte, nicht benutzt werden kann. Wie soll denn das funktionieren? Der Empfänger müsste ja auch GnuPG oder PGP haben, es wird aber keine privaten Empfänger geben.

    Guckst du auch hier http://www.heise.de/newsticker/meldung/E-Government-mit-mehr-De-Mail-1826066.html , letzter Absatz

  9. Ano Nym am März 20th, 2013 11:58 am

    @burks. Ich habe die Pointe nicht gefunden.

    Es ist richtig, dass De-Mail selbst anscheinend keine Softwareunterstützung bietet, um eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durchzuführen. Sender und Empfänger, die Ende-zu-Ende verschlüseln wollen, müssen daher Zusatzsoftware verwenden. (Es bietet allerdings die Möglichkeit öffentliche Schlüssel zu verbreiten).

    Der „Witz“ besteht meiner Meinung nach darin, dass hier der verschlüsselten Kommunikation mit Behörden (also dem Staat) das Wort geredet wird, wärend bereits ab dem ersten Gerichtsverfahren gegen dieselbe Behörde, sobald es vor Verwaltungs-, Sozial- oder Stragerichte gelangt, alle Fakten und Daten und genüsslich in öffentlicher Sitzung verhandelt und in aller Öffentlichkeit verbreitet werden.

    Natrlich nur die Daten, die den Bürger betreffen.

    http://jungle-world.com/artikel/2010/18/40877.html

  10. admin am März 20th, 2013 12:53 pm

    Der Vorwurf ist ja, dass Behörden die Daten über „sichere“ Drittanbieter verschicken sollen, die dann mal eben so mitlesen können.
    http://blog.fefe.de/?ts=afb6877f
    „Oh, wenn ich „der Provider“ sage, dann ist damit sowas wie GMX oder die Telekom gemeint.“

  11. Ano Nym am März 20th, 2013 2:43 pm

    @burks: Was unterscheidet den wirksam auf das Datengeheimnis rechtlich verpflichteten externen Dienstleister (Telekom, GMX) von einem passend verpflichteten internen Mitarbeiter in der Poststelle, im Archiv, als Schreibkraft, in der Behördenleitung usw., der zur Durchführung der Verwaltungsvorgänge notwendig die Kommunikation im Klartext kennen muss?

  12. admin am März 20th, 2013 3:30 pm

    http://www.zeit.de/online/2008/41/telekom-datenklau

    Nichts. Aber man soll das eben nicht per Gesetz für „sicher“ erklären oder das als „sichere Verschlüsselung“ bezeichnen.

    Frage: wenn ich dem Finanzamt etwas schicke, warum sollte die Telekom meine Mails entschlüsseln dürfen und nicht ausschliesslich das Finanzamt? Der Deutsche kommt eben nie ohne „Zentralrechner“ aus. Nur gut, dass wir das Internet nicht erfunden haben.

  13. Ano Nym am März 20th, 2013 6:12 pm

    @burks: Was glaubst du, wer im Finanzamt die (unverschlüsselten) Festplatten/Rechner austauscht? Das ist nicht ausschließlich „das Finanzamt selbst“, sondern das sind externe Dienstleister, die auf Steuer- und Wasweißichfürgeheimnisse verpflichtet sind. Das reicht dem Staat, um das Steuergeheimnis sicher zu stellen. Warum soll er sich dann gerade bei der Übermittlung noch päpstlicher anstellen als beim Speichern?

    Wenn du mit einem Steuerbescheid nicht einverstanden bist, kannst du klagen bis du schwarz wirst, und dann wird in der öffentlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht genau das publik, was du so sorgsam verschlüsseln wolltest:

    http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-urteil-vi-zr-93-12-kachelmann-bild-ex-freundin-oeffentlichkeit-berichterstattung/

    (Money Quote: „Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erlaubt es, dass in den Medien über deren Inhalt berichtet werden kann. Zwar wurden die vorgelesenen intimen Details zunächst nur von den im Gerichtssaal anwesenden Zuhörern wahrgenommen, und damit von einem überschaubaren Personenkreis, nämlich der Saalöffentlichkeit. Da allerdings im Gerichtssaal auch Pressevertreter sitzen, wird die Saalöffentlichkeit auch zur Medienöffentlichkeit.“)

    Es ist eben doch diese bescheuerte Attitüde „Schau mal, wie dooof der Staat ist, der hat noch nicht mal begriffen wie Verschlüsselung funktioniert.“ Und ehe die Leute sich versehen, sitzen sie in Enquête-Kommissionen und beraten staatstragend die eigene Nation.

  14. admin am März 20th, 2013 7:27 pm

    Stimmt nicht. Natürlich kann man nicht verhindern, dass er Empfänger einer E-Mail mit dem Inhalt Schindluder treibt. Hier aber geht es darum, dass Dritte mitlesen, BEVOR der Empfänger die Nachricht bekommt.

  15. Ano Nym am März 20th, 2013 9:08 pm

    Stimmt nicht. Natürlich kann man nicht verhindern, dass er Empfänger einer E-Mail mit dem Inhalt Schindluder treibt.

    Verwaltungsverfahren enden regelmäßig erst vor Gericht. Es ist kein Schindluder, wenn vor Gericht jedes Detail öffentlich verdaut wird, sondern demokratisch-rechtsstaatlich vorgesehen. Und seit dem BGH-Urteil vom heutigen Tage wissen wir: Es geht voll in Ordnung.

    Hier aber geht es darum, dass Dritte mitlesen, BEVOR der Empfänger die Nachricht bekommt.

    Das „BEVOR“ ist der Eigenheit des Transportvorgangs geschuldet. Vergleicht man den Transport mit der Speicherung ist mir nach wie vor nicht erklärlich, wieso die rechtliche Verpflichtung von Mitarbeitern beim Provider (Telekom, GMX) nicht als ebenso ausreichend gelten darf wie die rechtliche Verpflichtung von Mitarbeitern, die Zugriff auf Festplatteninhalte haben.

  16. ...der Trittbrettschreiber am März 23rd, 2013 8:13 am

    …Zwischenruf:

    Hier geht es um den Willen des Empfängers, der erst dann entscheiden kann, ob seine Nachricht publik werden soll oder nicht. Will er es, darf jeder mitlesen. Will er es nicht, hat er das Recht auf Vertraulichkeit.
    Diese Rechtsausübung wird aber vereitelt, wenn ihm die Entscheidung dazu verweigert wird in der Form, dass bereits ein Sekretär, ein Putzmann, ein freiberuflicher Outsourcing Lesender bereits diese Nachricht liest.
    Also: NIEDER MIT DER VERÖFFENTLICHUNG V O R DER VERÖFFENTLICHUNG – HUGH!

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