Piratinnen reloaded – von Mann zu Mann

Piratinnen

Die jetzige Gender-Debatte in der Piratenpartei ist das Beste, was ihr passieren konnte. Man kann das auch „Piraten vs. Feminismus“ nennen. Wie bei allen Themen, die lange Zeit mit dem Argument verdrängt wurden, sie gäbe es gar nicht, kommt es jetzt gleich um so heftiger.

Frauen wie Lena Simon erleben jetzt das, was in anderen Parteien unter anderen Vorzeichen (ja, sogar in der CSU!) schon längst gelaufen ist, um die Diskussion möglichst schnell abzuwürgen. Die Männer schieben formale Gründe vor. (Lena habe bei ihrer Pressemeldung nicht den piratischen „Dienstweg“ eingehalten…) Oder die Männer schreiben den Frauen vor, was sie zu tun und zu lassen haben: „So sagte Parteichef Jens Seipenbusch auf dem Bundesparteitag in Hamburg, er finde es merkwürdig, ‚dass Frauen sich nicht für Bürgerrechte interessieren‘. Ein interessanter Satz, impliziert er doch, dass es ein Problem der Frauen ist, wenn bei den Piraten davon nicht genug mitmachen und keines der Piraten. Doch ist der ernst gemeint. Seipenbuschs Logik lautet: ‚Frauen sind in der Pflicht, sich demokratisch zu beteiligen. Wir bieten dafür eine Plattform.'“

Das hatten wir schon. Weiße Rassisten neigen auch dazu, den Farbigen vorschreiben zu wollen, wann diese sich diskriminiert fühlen dürfen und wann nicht. Und natürlich wollen auch einige Piratenmänner den Frauen vorschreiben, ob und wie diese sich zu organisieren und zu äußern haben. Dazu von mir ein uralter piratischer Tipp, den ich auch immer den kackbraunen Kameraden gegeben habe, von Mann zu Mann: Einfach mal die Fresse halten! Auch wenn das schwer fällt, weil Mann doch der Welt noch soooo viel mitzuteilen hätte!

Die Diskussion ist nicht neu, sondern wurde schon 2009 geführt, von Danilola zum Beispiel („diese nähe von antifeministischen maskulisten und der piratenpartei ist für mich ein weiterer grund zu dieser organisation in eine kritische distanz zu treten“), in Telepolis oder von Antje Schrupp: „Allerdings müssen wir feststellen, dass am Ende des Patriarchats ganz offenbar nicht das Paradies auf uns wartet, sondern dass es in vielerlei Hinsicht eher schlimmer als besser wird.“

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Es geht hier nicht um eine Frauenquote. So etwas haben die Piraten nicht nötig. Geschlecht ist kein politisches Programm, und Frauen in der Piratenpartei werden sowieso gewählt, wenn sie sich nicht allzu dämlich anstellen, und sei es aus schlechtem Gewissen, weil eine bloße Männergruppe einen doofen Eindruck im Wahlkampf machte und außerdem abschreckte. (Nicht vergessen: Dieses klammheimliche schlechte Gewissen gibt es nur, weil es die Suffragetten und die Ikonen der sexuellen Befreiung in den 60-er und 70-er Jahren gab – sonst lebten wir geschlechterpolitisch noch in der Adenauer-Ära.)

Eine Ironie der Geschichte ist auch, dass einige Frauen in der Piratenpartei jetzt, wenn es nach der Herrenwitz-Fraktion geht, ihr Geschlecht verleugnen sollen, genauso wie die historischen Vorbilder Mary Read und Anne Bonny: „Weil Frauen an Bord von Piratenschiffen nicht gern gesehen waren, kleidete sie sich als Mann.“ So weit möchten die maskulistischen Nerds und Geeks dann doch nicht gehen: Frauen live sind besser als nur in Form von jpg- oder mp3-Dateien.

Die Gender-Debatte zeigt, was auf die Piraten noch alles zukommen wird: Auch die Diskussion, in welcher historischen politischen Tradition die Partei steht, wurde bisher mit dem denkbar naivsten „Argument“ vom Tisch gewischt, das Links-Rechts-Schema spiele keine Rolle. Natürlich will man bisherige Nicht-Wähler damit ansprechen, glaubhaft ist es nicht. Wer meint, die Geschichte könnte man einfach ignorieren, indem mal vor alle weltanschaulichen Merkmale ein „post“ setzt („Post-Feminismus, Post-Kapitalismus), um schwierigen Fragen auszuweichen, der ist entweder nur dämlich oder ein Heuchler.

Und nun die gute Nachricht. Die Piratenpartei wird gezwungen sein, sich der Gender-Frage zu stellen, weil sie von einer Ein-Themen-Partei zu einer Bürgerrechtspartei der Zukunft werden wird. Ob sie will oder nicht: Sie ist es in Wahrheit schon. Männer können nicht so tun, als gäbe es 2000 Jahre Geschlechterpolitik nicht. Zum Glück gibt es kein Technik-Tool, mit dem man sich vor der Frage drücken kann. Die Piraten sollen eher misstrauisch sein, ob jetzt nicht merkwürdige Figuren in die Partei strömen, die das nur deshalb tun, weil sie in anderen Parteien Frauen den Vortritt lassen müssen.

Piratinnen

Es gibt eine einfache Lösung des Problems, der jeder Mann in der Piratenpartei zustimmen kann, wie sie laut naturgetr.eu Mela Eckenfels formuliert hat: „In allen Gesprächen die ICH bislang innerparteilich zu diesem Thema geführt hatte, kamen die Vorschläge für Frauen-AGs o.ä. von männlichen Piraten und wurden von weiblichen Piraten abgelehnt.“ Noch einmal langsam zum Mitschreiben – es ist wie bei der Abtreibung: Was Frauen tun, lassen oder sollen, entscheiden Frauen. Nicht die Männer. Alles klar soweit? Puls und Atmung noch normal? Wenn nicht: Quod erat demonstrandum. DU hast ein Problem, Mann, nicht die Frauen.

Screenshot unten: Credits to Fefe

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Kommentare

3 Kommentare zu “Piratinnen reloaded – von Mann zu Mann”

  1. Gender Studies in der Piratenpartei | Juergen Komesker am März 4th, 2010 3:25 am

    […] angesehen habe, hat es mich umso mehr geärgert, daß ich auf Burk’s Blog in diesem Artikel gleich dem ersten Link – einfach so – mit dem schnellen Klick – mal eben folgte […]

  2. Mit piratigen Grüßen » Blog Archive » Piratinnen – persönliche An- & Einsichten am März 5th, 2010 10:12 am

    […] Burks 2 […]

  3. Nachlese mit Senf: Von #Piratinnen » Under Skull and Bones am September 14th, 2010 1:29 pm

    […] Unterstützer hat Lena in Burk gefunden. Er hält die Gender Debatte für das Beste, was den Piraten passieren konnte: Man kann […]

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