Nicht-ganz-die-Wahrheit-sagende-Presse

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Foto: Das ist keine Dienstuniform. Derartige Pullis kann man zum Beispiel in jedem Military-Shop kaufen.

Ich hatte in einem so genannten „Sozialen Netzwerk“ behauptet, der Taz-Artikel „Sie suchten Schutz“ widerspräche allen journalistischen Standards. Ein Kollege, der ihn gepostete hatte, fragte, warum das so sei. Nichts ist leichter als das zu beweisen!

Audiatur et altera pars ist die wichtigste journalistische Regel. „Höre auch die andere Seite“ meint aber nicht nur, dass man alle einfach reden lässt. Die Wahrheit ist oft eine Frage des Standpunkts, und nicht nur eine der Klasse, aus der der Journalist stammt.

Der szenische Einstieg, den die Taz hier wählte, um das Thema einzuführen, missachtet alles, was man als Journalist missachten kann: Ist das, was der erwähnte Argjent Mehmeti sagt, wahr? Niemand weiß das. Also müsste man auch die fragen, die er beschuldigt. Und selbst wenn die Taz es getan hätte: Die Aufgabe von Journalisten ist es, die Wahrheit – so weit wie möglich – herauszufinden und mitnichten, Schlüsse zu ziehen, wenn die Fakten nicht ausreichen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.08.1966 ist eindeutig: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung.“

Das heißt: Wenn die Presse wesentlich Fakten weglässt, ist sie „Lügenpresse“, weil der Bürger nicht umfassend genug informiert worden ist. Auch hier lügt die Taz. Der „Zeuge“ behauptet: „Die Wachmänner sind organisiert und verdienen zu viel Geld. Deswegen macht da keiner was.“ Stimmt das? Nein, es ist falsch. Im Sicherheitsgewerbe wird fast nur Mindestlohn gezahlt, und das wirkt auf die Qualität des Personals.

Damit nicht genug: Der Leser meint zunächst, es ginge darum aufzudecken, dass Mitarbeiter der Sicherheitsdienste Flüchtlinge misshandelten. „…kommt es weiterhin regelmäßig zu Körperverletzungen durch Sicherheitskräfte, zu Bedrohungen, manchmal gar zu Misshandlungen. In Berlin stehen Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen im Verdacht, Geflüchtete in die Prostitution vermittelt zu haben, um mit der Zuhälterei zu verdienen.“

Kann man beweisen, dass es regelmäßig zu Körperverletzungen und anderen Delikten kommt? Nein. Es stimmt auch gar nicht. Und wenn jemand „unter Verdacht steht“, heißt das noch gar nichts. Im Zweifel für den Angeklagten?! Verdachtsberichterstattung kann auch Rufmord sein, So etwas kennen wir vom RBB. Im Artikel der Taz ist geht es aber dann um Firmen, die Unterkünfte für Flüchtlinge betreiben. Was hat das aber mit den Sicherheitsunternehmen zu tun?

Rund zwei Drittel des Taz-Artikels widmetn sich European Homecare, ein „Unternehmen, das sich auf den Betrieb von zeitweiligen Wohnungen für Flüchtlinge spezialisiert hat.“ Wieder die Frage: Geht es um das Personal von Sicherheitsunternehmen, was der Einstieg suggeriert? Geht es um die Firmen, die Notunterkünfte betreiben?

Ich werfe den Autorinnen der Taz vor, dass sie sich mit einer „Sache“ gemein machen. „Sie war schockiert zu erfahren, wie alltäglich Gewalt gegen Geflüchtete ist. (…) Das Gespräch mit Maria Wehle ist ihr besonders in Erinnerung geblieben.“ Was soll denn dieser Quatsch? Journalisten, die sich schockieren lassen, sollten den Beruf wechseln. „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört“, sagte Hanns Joachim Friedrichs.

Was bedeutet das? Was ist die gute Sache? Die der Flüchtlinge? Die der Sicherheitsmitarbeiter? Oder die der Autorinnen?

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Kommentare

8 Kommentare zu “Nicht-ganz-die-Wahrheit-sagende-Presse”

  1. H. Herricht am November 15th, 2017 3:14 pm

    „Rund zwei Drittel des Taz-Artikels widmet sich…“

    Ein Plural erfordert einen Plural. In Neukölln offensichtlich nicht.

  2. admin am November 15th, 2017 3:40 pm

    Da bin ich mir nicht sicher. Das „Zweidrittel“ SCNR

  3. H. Herricht am November 15th, 2017 4:29 pm

    Noch mal lesen, was der Burks selbst geschrieben hat.

    „Rund zwei Drittel“ …

    Hoffnungsloser Fall.

  4. Petra am November 15th, 2017 4:35 pm

    Rund zwei Drittel ist eine gängige Maßeinheit in Westberlin. LOL!

    Grüße aus St.Georg

  5. ... der Trittbrettschreiber am November 15th, 2017 5:49 pm

    Hast Du auch ein Beispiel(Artikel)für sehr gute journalistische Arbeit?

  6. admin am November 15th, 2017 6:54 pm
  7. Frank am November 16th, 2017 9:09 am
  8. andreas am November 16th, 2017 12:53 pm

    Während ich in London, wozu auch immer, Journalismus
    studierte wurde uns erklärt, dass Artikel grundsätzlich beide Seiten „neutral“ und möglichst detailreich zu zu beschreiben hätten. Nur Kommentare dürften subjektive, eigene Meinungen zum Thema, enthalten. Warum ein Journo nicht begeistert oder entsetzt von einem Thema oder Umständen sein darf erschließt sich mir nicht. Emotionen sind doch Auslöser für alles, oder? Nur lesen, sehen oder hören darf man´s nicht.

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